Kapitel 55
"Lose you to love me" - Selena Gomez
https://youtu.be/zlJDTxahav0
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Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken, während das Wasser aus dem Duschkopf auf mich niederprasselte.
Egal, wie heiß ich es einstellte...
Mein Herz wollte sich trotzdem nicht beruhigen.
Verwirrt hämmerte es vor sich hin, während meine Gedanken um Taes und mein Gespräch von gerade eben kreisten.
Nach einer kleinen Diskussion hatte der Blauhaarige schließlich zugestimmt, dass ich vorher noch duschen gehen durfte.
Erstaunlicherweise war es ihm gar nicht darum gegangen, so schnell wie möglich zu spielen.
"Wenn deine Haut empfindlicher ist, rubbeln die Seile sie viel stärker auf."
Das hatte er gesagt.
Ich konnte nicht anders, als bei dieser Erinnerung meinen Kopf zu schütteln.
Tae war so unbeschreiblich unlogisch...
Er schien seinen Verstand zu verlieren, wenn er mir nicht gleich die Haut aufschneiden durfte.
Aber ausgeschuffelte Handgelenke waren trotzdem inakzeptabel.
Nichts daran war mir auch nur ansatzweise zugänglich.
Ansich war das keine neue Information...
Stumm starrte ich auf den Boden der Dusche, während das Wasser an meinen Haaren herabtropfte.
Es war nichts neues, dass ich Tae nicht wirklich verstehen konnte.
Doch wieso...
Ich biss mir auf die Lippe.
Wieso tat dieser Gedanke heute so weh?...
Ich meinte verstanden zu haben, was der Auslöser für Taes heutigen Zustand war.
Dass es irgendwas damit zu tun hatte, dass er gestern so viel bei mir gewesen war.
Nur verstand ich nicht, wie...
Warum?
Warum quälte es Tae, mir nah zu sein?
Und warum...
Ich kniff die Augen zusammen, als ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete.
Warum hatte Tae dann gesagt, dass er gerne bei mir war?...
Nach allem, was ich gerade gesehen hatte, war das mehr als schwer zu glauben.
Der Gedanke, dass das der Grund für mein minimales Bedürfnis zu weinen war, war tiefenbefremdlich...
Dass Tae dieses kranke Spiel brauchte, um sich besser zu fühlen war weniger schlimm für mich, als die Vorstellung, dass alles von gestern ihm nur wehgetan hatte.
Dass er es von Grund auf anders wahrgenommen hatte, als ich.
Nichts in mir wollte glauben, dass Tae gelogen hatte, als er mich angelächelt und mir gesagt hatte, dass er gern bei mir war.
Trotzdem schien alles andere keinen Sinn zu ergeben...
Nicht wirklich fähig, mich ausgerechnet jetzt mit diesem schmerzhaften Gedanken auseinanderzusetzen, schüttelte ich meinen Kopf ein paar Mal hin und her.
Danach duschte ich mich fertig.
Ich war froh, dass ich noch dazu gekommen war...
Mit schnittfrischen Wunden war es ziemlich umständlich.
Nachdem ich mich abgetrocknet und meine Jogginghose angezogen hatte, betrachtete ich mich kurz im Spiegel.
Gänzlich unbeeindruckt glitt mein Blick über meinen, mit Narben versehenen Oberkörper.
Inzwischen war es ein gewohnter Anblick.
Ich beschloss, mein Oberteil weg zu lassen.
Für das Spiel würde ich es eh gleich wieder ausziehen müssen.
Kurz atmete ich durch, bevor ich die Tür des Badezimmers öffnete.
"Fertig...", murmelte ich, während ich mein Zimmer betrat.
Tae, der bis jetzt auf dem Boden gesessen und gewartet hatte, sah auf.
Er hatte vorhin extra um meine Erlaubnis gebeten, dass er hier warten durfte.
Hatte sogar angeboten, dass er nach oben gehen konnte, falls ich meine Ruhe beim duschen wollte.
Unwillkürlich hatte ich dabei an das erste Wochenende denken müssen, was Tae mit mir hatte verbringen wollen.
Den Moment, als ich mein Handtuch verloren hatte.
Damals hatte Tae noch nicht wirklich verstanden, dass ich manchmal Freiraum brauchte.
Seitdem hatte sich viel verändert...
Grundlegende Dinge waren allerdings gleich geblieben.
Ohne dass Tae mich dazu auffordern musste, holte ich den Stuhl aus der Ecke des Zimmers und stellte ihn in dessen Mitte.
Danach sah ich den Blauhaarigen an.
Abwartend, dass es losgehen würde.
So sehr der Ablauf des Spiels sich auch verändern würde...
So war es in seiner Existenz doch so beständig, wie kaum etwas anderes in meinem Leben.
Sekundenlang klebte Taes Blick an mir, bevor er die Zelle kurz verließ, um alles zu holen, was er zum 'spielen' brauchte.
Mich wunderte, dass er geduldig genug gewesen war, das nicht schon vorher zu tun.
Generell war es etwas irritierend, wie absolut nicht eilig der Blauhaarige es zu haben schien...
Als hätte allein die Bestätigung, dass wir gleich spielen würden, ihm ein Stück seines Seelenfriedens zurückgebracht.
Nicht, dass ich mich darüber beschwerte...
Hektik war das Letzte, was ich brauchte, wenn jemand mit einem Skalpell an mich heran wollte.
Nachdem Tae die Zelle wieder betreten hatte, kam er direkt zu mir.
Sämtliches Zögern, was er an den Tag gelegt hatte, als es noch neu gewesen war, mich vor dem Spiel nicht einzuschläfern, war inzwischen verschwunden.
Tae vertraute mir...
Wenigstens das war keine Lüge gewesen.
Stumm schaute ich zu dem Blauhaarigen nach oben, als er direkt vor mir stand.
Mein Herz fühlte sich direkt wieder ein bisschen schwerer an, weil nicht umhin kam, erneut zu bemerken, wie fertig er aussah.
"Tae...", setzte ich an.
Ich wusste nicht, was ich sagen wollte.
Ihn so zu sehen war nur...
Taes kaputtes Aussehen beanspruchte meine volle Aufmerksamkeit.
...wirklich nicht schön.
Ich dachte viel mehr daran, als an alles, was gleich passieren würde...
Mein Gegenüber erwiderte meinen Blickkontakt.
Unendlich dunkel klebten seine Seelenspiegel in meinen.
Ein schwaches Lächeln legte sich auf Taes Lippen, während er mich ansah.
"Danke, Kookie...", flüsterte er.
Seine Stimme und seine Worte klangen identisch.
Pure Dankbarkeit lag darin...
Ich sagte nichts dazu.
Brachte es nicht fertig, irgendwas von mir zu geben, was Tae vermitteln würde, dass das hier okay war.
Auch wenn es mir, im Gegensatz zu ihm, überhaupt nicht darum ging, dass wir das Spiel einen Tag vorgezogen hatten.
Wen kümmerte es schon, ob es einen Tag früher oder später stattfand?
Solange ich mich danach wieder für die normale Zeit erholen konnte...
Es kam eh immer wieder.
Ich war okay damit, dass Tae das Spiel einen Tag vorgezogen hatte.
Womit ich nicht okay war, war der Auslöser.
Der Grund für Taes Zustand...
Ich war alles andere als okay mit dem Gedanken, dass Tae wie der Tod in Person aussah, weil ich gewollt hatte, dass er mich in den Arm nimmt.
Egal, wie sehr ich versuchte sie wegzuschieben...
Sie kam immer wieder.
Die Gewissheit, dass alles, was gestern passiert war, nicht echt gewesen war.
Dass es Tae nur gequält hatte, bei mir zu sein...
Ausnahmslos alles daran tat weh.
Mein Herz drückte so sehr, dass es mir fast die Luft zum atmen nahm.
Und trotzdem...
Obwohl ich Tae nicht sagen wollte, dass das hier okay war.
Obwohl es schmerzte.
Trotzdem lächelte ich, während ich den Blauhaarigen anschaute...
Während ich früher nicht dazu fähig gewesen war, konnte ich jetzt nicht mehr damit aufhören.
Das kleine Gefühl der Wärme, welches der Anblick des Blauhaarigen in mir auslöste, wollte einfach nicht verschwinden...
Kleine Ewigkeiten verstrichen, während Tae und ich uns so anguckten.
Beide mit nach oben gezogenen Mundwinkeln, aber ohne echte Freude in der Mimik.
Taes zuneigungsvoller Blick triefte vor Anstrengung, während meiner sich immer tiefer in einen Schleier aus Traurigkeit hüllte.
Letztendlich war Tae der erste, der den Blickkontakt brach.
Er hockte sich hin, um mich an dem Stuhl festbinden zu können.
Wie immer klebten seine Augen dabei aufmerksam an meinem Körper und meiner Mimik.
Er passte auf, es nicht so locker zu machen, dass es unnötig viele Rötungen hinterlassen würde, aber auch nicht so fest, dass es wehtun würde.
Ich schaute ihm einfach zu.
Ließ es über mich ergehen, während mein Kopf schon dabei war, sich wegen dem kommenden abzuschalten.
In mir war keine Panik.
Keine Angst.
Nur traurige Leere...
Die Tatsache, dass mein Gehirn sich lieber in Gedanken darüber aufhielt, dass Tae meine Nähe nicht mochte, anstatt sich damit zu beschäftigen, dass mir gleich die Haut aufgeschlitzt werden würde, sprach Bände.
Genau wie das kleine Universum, in dem Tae und ich lebten, waren meine Wertvorstellungen vollkommen verdreht.
Verworren...
Krank.
Aber ich konnte einfach nicht anders...
In all der Zeit, in der ich nun schon hier war, war das Spiel immer das Spiel gewesen.
Die Schmerzen waren immer die selben.
Ich hatte mich daran gewöhnt...
Woran ich mich allerdings niemals hatte gewöhnen können, war die Einsamkeit.
Dieses Gefühl, dass ich allen egal war...
Mein ganzes Leben über hatte ich das nicht geschafft.
Ich hatte mir immer gewünscht, nicht allein sein zu müssen...
Dass jemand mich gern genug haben würde, um bei mir zu bleiben.
Dass diese Person einfach da sein würde.
All die Jahre hatte ich mir jemanden gewünscht, der mich in den Arm nahm, wenn es mir schlecht ging.
Jemanden an dem ich mich festhalten konnte, wenn ich den Boden unter den Füßen verlor.
Jemand, an dessen Schulter ich mich anlehnen konnte.
Tae war gestern all das gewesen.
Die Person, die ich mir immer gewünscht hatte...
Ich war so glücklich darüber gewesen...
Hatte mich so wohl bei ihm gefühlt, dass der Gedanke, dass es ihm nicht so ergangen war, mir komplett das Herz zerriss.
Die Zweifel hatten mich gestern schon aufgefressen.
Als Tae und ich darüber gesprochen hatten, hatte ich ihm unbeschreiblich dringend glauben wollen.
Die Hoffnung, dass dieser Wunsch, den ich all die Jahre versucht hatte, mir auszureden, doch nicht umsonst sein könnte, hatte so gut getan...
Als würde ich nach langer Zeit endlich wieder Luft bekommen.
Doch heute...
Jetzt...
Immer größer wurde der Kloß in meinem Hals, während meine Augen an dem Pflaster auf Taes Stirn klebten.
Es reichte aus, um mir all diese wunderbare Atemluft wieder wegzunehmen.
Was auch immer Tae getan hatte, war der Beweis, dass alles nur in meiner Vorstellung existiert hatte.
Dass dieser blöde, kindische Wunsch...
Mir war nach weinen zumute.
...wirklich umsonst gewesen war.
Tae war nicht gerne bei mir...
Uff uff...
Tbh, ich hatte vergessen, dass dieses Kapitel exitistiert.
Aber irgendwie kam die ganze Sadness-Stimmung meinem heutigen Loch aus saisonaler Depression und Desorientiertheit, weil das neue Semester begonnen hat, dann irgendwie ganz gelegen. ^^"
Also yeah...
Mir fehlt jetzt tbh ein wenig die Mood, um viel zu diesem Kapitel zu sagen.
Ich hoffe es war grundlegend verständlich, wie Kookie zu diesen Gedanken kommt und warum sie für ihn schwerer wiegen, als das Spiel ansich.
Das Kapitel sollte eigentlich nur zeigen, wie anders er das mit Tae bewertet, nachdem er so deutlich zu spüren bekommen hat, dass Tae für ihn da sein kann.
Wie immer interessieren mich eure Gedanken zu dem Kapitel sehr.
Falls ihr mich daran teilhaben lassen wollt, würde ich mich sehr freuen <3
Ich hoffe euer Tag hat sich besser angefühlt als meiner <3
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