Kapitel 50
"my tears ricochet" - Taylor Swift
https://youtu.be/OWbDJFtHl3w
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Ungläubig schaute den Blauhaarigen an, der gerade den Raum betreten hatte.
"Tae...", entwich es mir leise.
Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass er wirklich wieder hier war.
Dass er zurückgekommen war.
Taes Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er mich erblickte, wie ich gerade auf meinem Bett saß.
"Kookie, du...weinst ja...", stellte er fest.
Dabei klang seine Stimme schon wieder so bedrückt...
Etwas ertappt zuckte ich zusammen.
Anstatt irgendwas zu erklären, wischte ich mir einfach hastig mit meinem Ärmel über das Gesicht.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte...
Der Blauhaarige schaute mich eine Weile lang stumm an.
Obwohl er so weit von mir weg stand, blieb sein Blick an dem Bilderrahmen hängen, welchen ich im Arm hatte.
Sekundenlang verweilten seine Augen dort.
Als Tae mir danach wieder ins Gesicht guckte, stockte mir ein wenig der Atem.
Ich hatte keine Ahnung, was jetzt passieren würde...
Wieso er überhaupt wieder hergekommen war...
Mein Kopf fühlte sich durch das ganze weinen etwas zu matschig an, um arbeitsfähig zu sein.
Bei all den möglichen Alternativen, die mein Gehirn zustande brachte, schaffte Tae es trotzdem, genau so zu reagieren, wie ich es am wenigsten erwartet hätte.
Er...
Mein Magen begann ein wenig zu drücken.
...ging einfach.
Komplett überrumpelt, dass er sich gerade einfach wieder umgedreht und den Raum verlassen hatte, schaute ich ihm hinterher.
Wieso würde er...?...
Ich war so verwirrt, dass ich für einen Moment vergaß, dass mir eigentlich nach weinen zumute war.
Kaum fiel es mir wieder ein, sammelten sich dafür umso mehr Tränen in meinen Augenwinkeln.
Leise schniefte ich.
"Natürlich....", murmelte ich enttäuscht vor mich hin.
Tae war noch nie gut darin gewesen, mich weinen zu sehen...
Nicht ganz verstehend, warum das Universum mir so deutlich hatte zeigen müssen, dass all meine schrecklichen Gedanken der Wahrheit entsprachen, legte ich das Bild meiner Eltern beiseite.
Danach zog ich meine Beine an meinen Körper und vergrub mein Gesicht darin.
"Idiot...", schluchzte ich an die Person gerichtet, die gerade schon wieder gegangen war.
Mein Herz schmerzte so sehr...
Heute einmal zu sehen, wie Tae mir den Rücken zugedreht hatte, hatte mir eigentlich gereicht.
Ich war dabei, mich so tief in meinem dunklen Strudel aus negativen Gedanken zu verbuddeln, dass ich verschreckt zusammenzuckte, als ein paar Minuten später erneut das Piepen der Eisentür erklang.
Komplett verwirrt, was er diesmal wollen könnte, drehte ich mich um.
...nur um im nächsten Moment zu erleben, wie meine Augen sich auf ihre dreifache Größe weiteten.
"Was zum...", setzte ich fassungslos an, während ich Tae dabei zusah, wie er versuchte eine Packung Zupftaschentücher, eine Tafel Schokolade und ein großes, extrem flauschig aussehendes Hasenplüschtier unter den Gittern hindurchzuschieben.
Zufrieden schaute der Blauhaarige die Gegenstände an, nachdem er es geschafft hatte, diese auf meine Seite der Zelle zu befördern.
Bei dem Plüschtier hatte es fast schon grausam ausgesehen, wie er es hatte hindurchquetschen müssen.
Trotzdem schien es unversehrt.
"Kann ich noch etwas für dich tun?", wollte Tae mit lieber Stimme wissen, als er danach wieder zu mir schaute.
Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was gerade passiert war.
Tae war...
Ununterbrochen klebten meine Augen an dem Plüschtier, den Taschentüchern und der Schokolade.
...nur wieder gegangen, um all das zu holen?
Der Blauhaarige lächelte, als ich meinen Blick irgendwann hob.
Ein paar Sekunden lang guckten wir uns einfach in die Augen.
Es war schwer für mich, zu verstehen, dass Tae....
....so seltsam war.
Unwillkürlich zuckten meine Mundwinkel ein bisschen nach oben, als mir bewusst wurde, dass das offensichtlich seine erste Reaktion war, wenn jemand traurig war.
Nicht zu fragen, was los war...
Sondern der Person Taschentücher, Süßigkeiten und ein Kuscheltier zu besorgen.
Der Blauhaarige war so unbeschreiblich weltfremd, dass es manchmal fast schon lächerlich war.
Allerdings...
Mir entfuhr ein kaputtes kleines Lachen.
...tat das gerade irgendwie ziemlich gut.
Taes seltsame Art, die Dinge zu handhaben, löste ein kleines Gefühl der Vertrautheit in mir aus.
Er war immer so...
Bemerkend, was für eine erleichternde Wirkung er gerade auf mein Herz gehabt hatte, schaute ich den Blauhaarigen weiter an.
Ich wusste, dass ich es nicht nochmal übers Herz bringen, ihm zu suggerieren, dass er mich allein lassen sollte.
Nicht, nachdem ich mir gerade so sehr gewünscht hatte, dass er bei mir war...
Allerdings wusste ich auch nicht so genau, was ich ihm stattdessen sagen sollte.
Ich war nicht sicher, was passieren würde, wenn ich ihm eine ehrliche Antwort auf seine Frage geben würde.
Immerhin war die einzige Sache, die Tae gerade für mich tun konnte...
Ich zögerte.
Die einzige Sache, die ich mir wünschte...
"Kannst du vielleicht...", während ich den Blauhaarigen ansah, öffnete mein Mund sich irgendwann von ganz alleine.
Meine Stimme war leise.
Kaum existent.
"....einfach zu mir kommen?...", fragte ich kleinlaut.
Die einzige Sache, die ich mir gerade wünschte, war Taes Nähe.
Dass er für mich da war.
Dass ich an diesem furchtbaren Tag ausnahmsweise mal nicht alleine sein würde...
Trotz allem war ich mir allerdings nicht ganz sicher, ob das überhaupt im Bereich des Möglichen lag...
Taes Augen wurden riesengroß, sobald ich ausgesprochen hatte.
"Du...meinst...", setzte er an, seinen Blick starr auf mein Bett gerichtet.
Als ich danach nur etwas zaghaft nickte, konnte ich förmlich sehen, wie sein Körper für einen Moment zu Stein erstarrte.
Eine Weile lang schien der Blauhaarige überlegen zu müssen.
Es wirkte, als würde ihn etwas davon abhalten, zu mir zu kommen.
Als wäre es, obwohl er es von den Spielen inzwischen schon gewöhnt war, eine ziemliche Überwindung.
Allerdings setzte er sich irgendwann...
...nachdem sein Blick an meinem verweinten Gesicht geklebt hatte...
....tatsächlich in Bewegung.
In stummer Ungläubigkeit sah ich dabei zu, wie Tae seine Hand den Sensor von der Gittertür legte.
Nachdem er meine Seite der Zelle betreten hatte, hob noch die drei Gegenstände vom Boden auf.
Danach kam er zu mir...
Genauso, wie ich es mir gewünscht hatte.
Die Verwunderung in meinem Gesicht nahm nicht unbedingt ab, als Tae die Taschentücher und die Schokolade auf meinen Nachttisch legte.
Den Plüschhasen drückte er mir direkt in die Arme.
Sein Blick sagte sowas wie: "Knuddel damit, dann wird es dir besser gehen."
Allerdings war ich gerade nicht wirklich fähig, dieser wortlosen Anweisung zu folgen.
Viel zu geschockt war ich von dem, was hier gerade passierte.
Tae war wirklich...
....einfach so zu mir gekommen?...
Ich konnte es kaum glauben.
Der Blauhaarige schluckte ein wenig, bevor er sich neben mir auf das Bett setzte.
Abwartend sah er mich danach an.
"Was noch?", fragte er ruhig.
Nicht wirklich in der Lage zu realisieren, dass er bereit war, noch mehr zu tun, damit ich mich besser fühlte, guckte ich ihn an.
Irgendwie war es komplett unwirklich, dass Tae sich gerade neben mich gesetzt hatte.
Noch nie waren wir einander so nah gewesen, ohne dass entweder Gitterstäbe zwischen uns gewesen waren oder Tae mich kurz darauf gefesselt hatte.
Das hier war komplett neu...
"Wieso...bist du wiedergekommen?...", wollte ich etwas zögerlich wissen, nachdem ich diesen massiven Vertrauensbeweis von Taes Seite halbwegs verarbeitet hatte.
Ich spürte bereits, wie ich mich weniger einsam fühlte...
Ihn direkt neben mir zu haben hatte eine so viel stärkere Wirkung, als wenn er auf der anderen Seite der Zelle war.
Die dunklen Seelenspiegel meines Gegenübers schauten mich die ganze Zeit über an.
"Du hast komisch gewirkt vorhin...", antwortete er.
"Ich hab nur...", langsam hob er seine Hand.
"...sichergehen wollen, dass du okay bist...", sagte er schließlich.
Ich erschauderte ein bisschen, als ich Taes Finger kurz darauf auf meiner Haut spürte.
So wie er es während der 'Spiele' schon mehrfach getan hatte, wischte er mir die Tränen aus dem Gesicht.
Trotzdem fühlte es sich heute komplett anders an...
Jede Stelle, die er mit seinen sanften Berührungen streifte, begann zu kribbeln.
Kaum hatte Tae ausgesprochen, waren meine Augen wieder wässrig geworden.
Davon alarmiert, weiteten sich die Pupillen meines Gegenübers.
"N-nein...", brachte er stammelnd zustande, während er versuchte die immer wieder nachkommenden Tränen von meinen Wangen zu wischen.
"Nicht weinen...", gab er etwas überfordert von sich.
Diese Anweisung komplett ignorierend, gab ich ein kleines Schluchzen von mir.
"Tae...", schniefte ich leise.
Mein Herz konnte sich nicht entscheiden ob es zerdrückt werden oder sich federleicht anfühlen wollte.
Immerhin wusste ich nicht, wann sich das letzte Mal jemand am Todestag meiner Eltern erkundigt hatte, ob alles in Ordnung war.
So verdammt lange hatte es niemanden mehr gekümmert, ob ich "okay" war...
Tae war der erste.
Die Erkenntnis, dass mein Gegenüber heute genauso für mich da sein wollte, wie an allen anderen Tagen auch war unbeschreiblich erleichternd....
Das Drücken in meinem Kopf wurde schwächer, kaum dass mir bewusst wurde, dass all meine negativen Gedanken vorhin genau das gewesen waren.
Gedanken.
Nicht die Realität.
Ich hatte keine Worte dafür, wie viel es mir bedeutete, dass Tae hier war...
Dass er zurückgekommen war, obwohl ich ihn weggeschickt hatte.
Dass er sich zu mir gesetzt hatte, obwohl er das sonst nie tat.
All diese Dinge machten mich so glücklich, überforderten mich gleichzeitig aber auch so sehr, dass ich nicht aufhören konnte, zu weinen.
Von den komplett verwirrenden Dingen, die mein gerade Herz tat, mal ganz zu schweigen...
Offensichtlich unfähig, all diese Dinge aus meinem Gesicht abzulesen, wurde Taes Miene immer besorgter.
Er schien immer noch nicht in der Lage zu sein, Freudentränen von denen aus Traurigkeit zu unterscheiden.
Obwohl ich mir selbst nicht ganz sicher war, was von beidem bei mir gerade zutreffend war...
Wegen dem heutigen Anlass drückte meine Brust immer noch ziemlich.
Es passte nicht zu dem kleinen Kribbeln, welches Taes Anwesenheit in meiner Magengegend ausgelöst hatte...
"Was soll ich tun, damit du aufhörst..?..", wollte Tae wissen.
Er versuchte immer noch meine Tränen wegzuwischen.
"Ich tu alles...", versprach er.
Leise schniefte ich, bevor ich ihn anguckte.
Meine Augen brannten...
Meine Sicht war komplett verschwommen...
Vielleicht war ich zu aufgelöst, um meine Handlungen noch zu hinterfragen.
Oder ich war motiviert, weil Dinge, die ich für unmöglich gehalten hatte, offensichtlich doch möglich waren...
"Ich möchte....", vorsichtig rückte ich ein wenig an Tae heran.
"...in den Arm genommen werden...", verließ es kaum hörbar meine Lippen.
Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, während ich diesen Satz laut aussprach.
Aber gerade war mir das egal...
Ich wollte mehr von Taes Nähe.
Mehr von der heilenden Wirkung, die er gerade auf mich hatte...
Deutlicher Schock stand in der Mimik des Blauhaarigen, nachdem ich meine Bitte geäußert hatte.
Wie vorhin auch, verspannte er sich für einen Moment.
Seine Kieferknochen traten ein wenig hervor, während er mit sich selbst zu diskutieren schien.
Doch ebenso wie vorhin...
"Ich will nicht, dass du weinst...", flüsterte Tae schließlich.
...schien sein Bedürfnis, sich um mich zu kümmern größer zu sein.
Mir stockte vor Ungläubigkeit der Atem, als Tae tatsächlich näher rückte und seine Arme um mich legte.
Sanft drückte er mich an sich.
"Alles wird gut, Kookie...", murmelte er.
"Ich bin bei dir."
Ich konnte förmlich spüren, wie diese Sätze eine Sicherung in meinem Kopf reißen ließen.
Tae hatte genau das gesagt, was ich mir gewünscht hatte...
Dazu diese unbeschreiblich tröstliche Nähe, die von ihm ausging...
Seine Körperwärme...
"Tae...", schluchzte ich.
Es war alles zu viel.
Ohne überhaupt zu realisieren, dass das das erste Mal war, dass ich auch in der Lage war, ihn einfach so anzufassen, griff ich mich an Taes Rücken fest.
Erneut schniefte ich seinen Namen, während ich mich förmlich an ihn presste.
Ich brauchte das hier...
Ich brauchte ihn.
Heute so sehr wie nie zuvor.
Dass Tae dafür so auf mich zugekommen war, die ich vorher nicht für möglich gehalten hatte, machte mich so glücklich, dass ich nun erst Recht nicht mehr aufhören konnte, zu weinen.
Viel zu lange hatte ich mir gewünscht, dass jemand mich genau so in den Arm nehmen würde, wie er es gerade tat...
Der Blauhaarige schien für einen Moment etwas überfordert mit meiner Offensive.
Sein Körper verspannte sich deutlich, als ich mich an ihn drückte.
Trotzdem ließ er mich machen...
"Kookie...", verließ es in rauer Zuneigung seine Lippen, während er ein bisschen über meinen Hinterkopf streichelte.
Beruhigend fuhren seine Fingerspitzen durch meine Haare.
Ich bekam ein bisschen Gänsehaut davon.
Hinterfragte gar nicht, warum ich mich in dem Armen von jemandem wohl fühlte, der mir antat, was Tae mir immer wieder antat.
Stattdessen klammerte ich mich einfach noch mehr an ihn.
Zu wissen, dass Tae wirklich immer für mich da sein wollte, war mir wichtiger, als alles andere.
Es bedeutete mir die Welt...
Eine Weile lang blieben wir so sitzen.
Tae umarmte mich und gab sein bestes, mich irgendwie zu beruhigen, während ich nicht aufhören konnte, vor mich hin zu schniefen.
Ich hatte schon lange den Überblick verloren, wieso ich weinte.
Ob nun aus Trauer... wegen dem Todestag meiner Eltern.
Aus Überforderung...weil ich so viel körperliche Zuneigung nicht gewöhnt war.
Oder einfach aus Freude...
Weil Tae bei mir war.
Ich wusste es nicht.
Aber wahrscheinlich...
"Hattest du nicht gesagt, dass du aufhörst, wenn ich dich umarme?...", wollte Tae irgendwann wissen.
Die Ernsthaftigkeit, mit der er diese Frage stellte, sorgte dafür, dass ich ein komplett verweintes Lachen von mir gab.
"Ich glaub...", setzte ich lächelnd an.
Wahrscheinlich hatte mein letzter Grund zu weinen schon lange die Überhand gewonnen...
"...das war gelogen.~"
Wieder ein 2022-Ich-Author-Note, weil ich Lust dazu hab ^^
Guuuuys....
Ich hab das Kapitel basically weniger als überflogen und hab trotzdem voll das schwere Herz gerade T-T
I mean, ich hab die Musikempfehlung nebenbei gehört und die dürfe definitiv einiges beitragen.
Aber uff, ich erinnere mich so sehr an dieses Kapitel.
Daran wie eeeewig ich mich vorher darauf gefreut hab, weil es so ein großer Moment ist.
Dann aber auch, wie lange ich es vor mir her geschoben hatte, es actually zu schreiben, weil es so ein großer Moment ist.
Ihr sehr den Widerspruch ^^
Aber das ist immer so...
Die Kapitel, auf die man sich am meisten freut, sind die schwersten.
Ganz besonders, wenn sie traurig sind und das Herz beim Schreiben drückt.
Daran erinnere ich mich auch ^^
(Dieses Lied einfach...)
Wie weit die beiden schon gekommen sind, oder? x3
Please tell me, wie ihr das Kapitel fandet ^^
Gedanken?
Gefühle?
Anmerkungen?
(Und bitte sagt mir, dass euer Herz auch gedrückt hat - sonst fühle ich mich schlecht xD)
Ich wünsch euch zuckersüße Träume für später ^^
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