Kapitel 49
!Content-Warning! - Tod von Angehörigen
Kookie denkt in diesem Kapitel viel über den Tod seiner Eltern nach.
Wenn ihr vielleicht Todesfälle aus der eigenen Familie habt, die euch immer noch beschäftigen oder ihr solche Themen im allgemeinen nicht gut abkönnt, dann überspringt das Kapitel gerne.
Ihr könnt einfach zu den Author-Notes scrollen.
Dort findet ihr eine kleine Zusammenfassung, damit ihr nichts verpasst :)
(Übrigens ist das Author-Note ausnahmsweise mal aktuell und nicht aus der alten Version, falls das für jemanden von Bedeutung ist ^^)
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"Repeat Until Death" - Novo Amor
https://youtu.be/zbnjLHZfC9I
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Seit dem Tag, an dem Tae zugestimmt hatte, mich vor dem 'Spiel' nicht mehr einzuschläfern, waren ungefähr zwei Wochen vergangen.
Zwei Wochen, in denen all die Veränderungen zur neuen Normalität geworden waren.
Während Tae anfangs noch halb die Augen aus dem Kopf gefallen waren, als ich seine Spieleinladung bei Animal Crossing angenommen hatte, war es inzwischen zum Alltag geworden, dass wir gemeinsam Videospiele spielten.
Dass unsere virtuellen Charaktere einander näher waren, als wir im echten Leben.
Wenn Tae mich auf meiner Animal-Crossing Insel besuchte oder ich ihn auf seiner, waren keine Gitterstäbe zwischen uns...
Auch wenn der Blauhaarige sich inzwischen ziemlich daran gewöhnt hatte, mit mir in der Zelle zu sein, während ich bei vollem Bewusstsein war, so kam es trotzdem ziemlich selten vor.
Eigentlich immer nur bevor wir 'spielten'.
Ich hatte nicht wirklich etwas dagegen.
Auch wenn ich nicht leugnen konnte, dass ich mich auf eine ziemlich menschliche Art und Weise nach mehr körperlicher Nähe sehnte, als dem bisschen, was ich bei unseren 'Spielen' zu spüren bekam, war ich noch nie auf die Idee gekommen, Tae zu fragen, ob er sich außerhalb des Spiels zu mir in die Zelle gesellen wollte.
Die meiste Zeit über fand ich es ziemlich in Ordnung, dass jeder einfach auf seiner Seite blieb.
So war es immer gewesen...
Und auch wenn da immer diese Grenze zwischen uns war, waren Tae und ich uns in den letzten Wochen näher gekommen.
Zwar nicht körperlich, aber emotional.
Dass es etwas normales geworden war, dass Tae mich nicht einschläfern musste, um sicher zu gehen, dass ich keine Fluchtversuche starten würde, hatte das Vertrauen zwischen uns verstärkt.
Ich bemerkte, wie er von Mal zu mal entspannter wurde, wenn er zu mir in die Zelle kam.
Während er anfangs noch stark gezögert und mich genaustens im Auge behalten hatte, war es inzwischen schon deutlich lockerer geworden.
Das 'Spiel' an sich war immer noch schrecklich.
Es tat höllisch weh und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht immer noch einiges dafür geben würde, nicht ständig diese Qualen erleiden zu müssen.
Allerdings spürte ich immer noch, wie ich mich mit jedem Mal mehr daran gewöhnte.
Wie ich immer weiter abstumpfte.
Die Panik, die ich inzwischen hatte, kurz bevor es losging war nicht mehr mit meinen ersten Wochen hier zu vergleichen.
Was das Spiel anging, fühlte ich mich ziemlich leer...
Viel gleichgültiger, als gesund sein konnte.
Aber so war es eben...
Ich hatte akzeptiert, dass ich nichts daran ändern konnte.
Zunehmend öfter schaffte ich mir einzureden, dass diese komplett kranke, verdrehte Welt, in der ich inzwischen lebte, irgendwie okay war.
Dass sie trotz allem besser war, als das Leben, was ich davor gehabt hatte.
Dass ich immerhin ein Dach über dem Kopf hatte. Essen und warme Kleidung.
Dass ich nach all den Jahren...
...endlich nicht mehr allein war.
Besonders letztes wog so schwer, dass ich mich an den meisten Tagen glaubhaft davon überzeugen konnte, dass das hier ein Leben war, mit dem ich mit abfinden konnte.
Dass nicht alles furchtbar und dunkel war.
Dass es okay war zu lächeln.
An den meisten Tagen.
Aber nicht an allen.
Ich starrte schon seit mehreren Stunden meinen Nachttisch an, als das Piepen der Eisentür erklang.
Obwohl gestern ein Spieltag gewesen war, hatte ich kaum geschlafen.
"Guten Morgen, Kookie~", begrüßte Tae mich bestens gelaunt.
Wie immer an solchen Tagen.
Tatsächlich ließ ich mich inzwischen sogar manchmal von seiner Stimmung anstecken.
In den letzten Wochen war es passiert, dass ein kleiner Teil von mir auch glücklich wurde, wenn Tae es war.
Komplett ungeachtet dessen, dass sein Grund glücklich zu sein gleichbedeutend mit körperlichem Schaden meinerseits war.
Einfach ein wenig lächeln zu können tat so gut, dass mir der Rest manchmal egal war.
Nur heute wollte es nicht so richtig funktionieren...
"Alles in Ordnung?", wollte Tae deutlich besorgt wissen, als ich mich vor ihm auf dem Boden setzte.
Seine Augen zuckten über meine erschöpfte Mimik.
"Hast du nicht gut geschlafen?", fragte er.
Ich schüttelte als Antwort auf beide Fragen nur meinen Kopf.
Mein Blick war starr auf den Boden vor mir gerichtet.
Irgendwie brachte ich es gerade nicht fertig, Tae ins Gesicht zu gucken.
Das kleine Herzklopfen, was es auslösen würde, ihn zu sehen...
Dieses durch und durch verlogene Herzklopfen...
Ich wollte es nicht spüren.
Natürlich bemerkte Tae, dass ich mich heute völlig anders benahm, als sonst.
"Kann ich etwas für dich tun?", wollte er sofort wissen.
"Willst du vielleicht nochmal schlafen?", bot er an.
"Ich kann auch etwas anderes zum Frühstück machen, wenn du willst.", schob er direkt hinterher.
Es folgten noch ein paar mehr Angebote.
Nachfragen, die ich nicht beantworten wollte.
Ich ließ alle über mich ergehen, bevor ich meinen Kopf schüttelte.
"Ich hab keinen Hunger...", murmelte ich.
Der Kloß in meinem Hals war riesig...
Allein von der Vorstellung, jetzt Nahrung zu mir zu nehmen, wurde mir schlecht.
"Aber du musst doch was essen...", setzte Tae an.
"Immerhin-", er verstummte, als ich mich schließlich doch zwang, ihn anzusehen.
Als er meinen Gesichtsausdruck sah, wurden seine Augen riesengroß.
"Kookie...", verließ es leise seine Lippen.
Verständlicherweise hatte er keine Ahnung, was los war.
Ich versuchte zu ignorieren, dass mein Herz sich tatsächlich etwas leichter anfühlte, kaum dass ich Tae ordentlich angeschaut hatte.
Nicht heute...
Heute war der eine Tag im Jahr...
"Ich will gar nichts...", flüsterte ich.
...an dem ich es nicht über mich brachte, positive Gefühle gegenüber Tae zu haben.
Sie kamen mir unendlich trügerisch vor.
Offensichtlich überfordert mit meiner heutigen Stimmung, blinzelte der Blauhaarige ein paar Mal.
Forschend wanderte sein Blick über meine halb ausdruckslose, halb traurige Mimik, bevor er zu sprechen ansetzte.
"Soll ich...dich alleine lassen?...", fragte er zögerlich.
Ich schloss für einen Moment meine Augen.
Unterdrückte die Wellen an Enttäuschung, die mich gerade überkamen.
Nicht, dass ich es ihm irgendwie signalisiert hätte....
Aber gerade heute wünschte ich mir eigentlich nichts sehnlicher, als dass Tae blieb.
Er sollte bei mir sein und mir sagen, dass alles gut werden würde.
Dass die Welt nicht so schrecklich war, wie sie mir gerade vorkam.
Er sollte für mich da sein.
So wie jemand, für den man so viel Vertrautheit empfand, es normalerweise sein würde.
Allerdings...
Stumm nickte ich.
...war das zwischen Tae und mir nicht normal.
Nichts an der Welt, in der wir existierten, war normal.
Unser 'normal' war eine grausame, krankhaft verdrehte Entfremdung der eigentlichen Bedeutung.
Taes Augen schauten eine Weile in meine.
Suchten nach etwas, was ihm Auskunft über all die Sachen geben würde, die ich gerade fühlte.
Ich ließ ihn nicht...
Anstatt ihn aus meinem Blick lesen zu lassen, wie sehr ich ihn gerade brauchte, schaute ich weg.
Ich konnte seinen aufrichtig liebevollen Ausdruck heute nicht ertragen.
Minuten vergingen, in denen Tae mich einfach anguckte, bevor ihm ein kleines Seufzen entfuhr.
"Nagut...", murmelte er.
An seiner Stimme hörte ich, dass er nicht wirklich überzeugt war.
Trotzdem schaffte er es, meinen Wunsch zu akzeptieren.
"Ich lass dir das Essen hier, ja?", fragte er, nachdem er aufgestanden war.
Von dem Frühstück, was er, so wie jedes Wochenende, für sich mitgebracht hatte, hatte er nichts angerührt.
Nachdem ich wieder nur genickt hatte und der Blauhaarige mich noch ein paar mal besorgt gemustert hatte, verließ er schließlich das Zimmer.
Kaum hörte ich, wie die Eisentür ins Schloss fiel, stiegen mir die Tränen in die Augen.
Ein paar Sekunden lang bekam ich überhaupt keine Luft.
Ich brauchte Zeit, um zu realisieren, dass ich es geschafft hatte, ihn von mir wegzustoßen.
Dass er wirklich gegangen war.
Tae.
Der eine Mensch, der eigentlich nie ging...
Ich presste meine Lippen zusammen, während meine Wangen langsam nass wurden.
Ausgerechnet heute doch wieder allein zu sein fühlte sich wie eine bittersüße Bestätigung an...
Stumm starrte ich durch meine immer weiter verschwimmende Sicht vor mich hin, bevor ich irgendwann einfach aufstand.
Ich setzte mich auf mein Bett und nahm das Bild meiner Eltern in die Hand.
Kaum sah ich ihre, durch das vergilbte Fotopapier nicht mehr ganz deutlich zu erkennenden Gesichter, entwich mir ein kleines Schluchzen.
Meine Augen zusammenkneifend, drückte ich den Bilderrahmen einfach an meine Brust.
Immer mehr Tränen fanden den Weg über meine Wangen.
Ich wusste nicht, ob ich nur darauf hatte warten müssen, dass Tae hier gewesen war, um sicher zu gehen, dass ich nicht mehr gestört werden würde...
Aber auf einmal brach alles.
Den ganzen Vormittag über hatte ich dieses unbeschreiblich starke Drücken in meiner Brust gehabt.
Ich hatte kaum Luft bekommen.
Nicht, dass ich, jetzt wo ich einmal angefangen hatte, richtig loszuweinen, besser Luft bekommen würde...
Aber es fühlte sich trotzdem befreiend an.
Immerhin war mir schon seit Stunden zum weinen zumute.
Es endlich tun zu können, tat so gut...
Zum ersten Mal dankbar für die Schallisolierung in diesem Raum, entwich mir ein Schluchzen nach dem nächsten.
Meine Schultern zitterten, während ich nicht anders konnte, als das Bild meiner Eltern immer fester an mich zu drücken.
Ihr Tod war nun schon so viele Jahre her...
Auf den Tag genau 15 Jahre.
Und trotzdem holte es mich immer wieder ein.
Jedes Jahr am 23. November kam ich nicht umhin, mich zu fragen, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn sie mich nicht so früh verlassen hätten.
Ob ich einfach hätte normal sein können.
Wirklich normal.
So glücklich, wie jeder andere auch.
Jedes Jahr an diesem Tag wünschte ich es mir so sehr...
Dass sie damals nicht ins Auto gestiegen wären...
Dass sie bei mir geblieben wären...
Dass sie mich nicht einfach alleine gelassen hätten...
Ohne jede Vorwarnung.
Ohne weitere Verwandschaft.
Ohne finanzielle Absicherung.
Von einem Moment auf den nächsten war ich völlig alleine auf dieser Welt gewesen.
Und ich war es geblieben...
Ich schniefte, als ich daran dachte, was gerade passiert war.
Dass der einzige Mensch, der mich hätte vom Gegenteil überzeugen können, gegangen war.
Nach all den Jahren war ich immer noch alleine...
Immer mehr Tränen quollen aus meinen Augen, während ich irgendwann einfach die Bettdecke anguckte.
Mein Herz tat so schrecklich weh...
Die Erkenntnis, dass sich der heutige Tag, trotz allem was passiert war, immer noch genauso anfühlte, wie immer, schmerzte.
Nachdem ich in dieser Zelle aufgewacht war...
Ich mich fast zu Tode gehungert hatte, nur um dann doch zu verstehen, dass mir zu viel an meinem Leben lag, um einfach aufzugeben...
Nachdem ich keine Ahnung wie viele Spiele ertragen hatte...
Tae und ich es trotzdem geschafft hatten, uns näher zu kommen.
Uns zu vertrauen...
Nach all dem....
...weinte ich alleine vor mich hin.
So wie ich es an jedem vorherigen Todestag meiner Eltern auch getan hatte.
Die Erkenntnis, dass sich trotz all der Veränderungen absolut gar nichts verändert hatte, ließ einen bitteren Geschmack in meinem Mund zurück.
Sie erinnerte mich daran, dass, so sehr es sich manchmal auch so anfühlte, Tae nicht wirklich jemand war, auf den ich mich verlassen konnte.
Seine Gehirnwindungen verliefen so abgrundtief anders als meine...
Selbst wenn er mir jede Nacht etwas vorlas, mich nachts nicht alleine ließ und sich um mich kümmerte, so änderte das nichts daran, dass er nicht wirklich für mich da sein konnte.
Er war niemand, mit dem man über ein emotionales Problem reden konnte.
Niemand, der es verstehen würde.
Letztendlich war er immer noch der kranke Mensch, der mich hier eingesperrt hatte und mich regelmäßig folterte.
Der immer schön auf seiner Seite der Gitterstäbe blieb, außer er wollte etwas...
Das zwischen uns war nicht echt.
All die Wärme und die Zuneigung, nach der ich mich so sehr sehnte....die ich ständig bei ihm suchte...
All das war bedeutungslos, wenn es in Momenten wie diesen keine Substanz hatte.
Tief in mir drin, hatte ich das immer gewusst.
Trotzdem hatte ich Taes Nähe so sehr gebraucht, dass ich mich auch mit der Illusion zufrieden gegeben hatte.
So lange wie es möglich gewesen war, hatte ich die Angst von mir weggeschoben, dass ich doch nicht gefunden hatte, was ich mir all die Jahre gewünscht hatte.
Dass Taes Liebe, so ernst sie auch gemeint war, eigentlich nicht echt war...
Bis heute hatte ich mich davor drücken können.
Allerdings war es dann in dem Moment, in dem es darauf angekommen war...
....leider genau so gelaufen, wie ich erwartet hatte.
Nicht so, wie ich es mir gewünschte hätte.
Dabei wusste ich selbst nicht so genau, was ich mir erhofft hatte...
Dass Tae zu mir kommen würde?
Für mich da sein und mir echten Trost spenden würde?
Mich vielleicht einfach in den Arm nehmen würde, so wie ein nicht-kranker Mensch es tun würde?
Ich war wahrscheinlich selbst Schuld, wenn ich derart unrealistische Wünsche hatte...
Während all diese Gedanken mich überrollten, konnte ich nicht anders, als immer stärker zu weinen.
Das Leben kam mir so schrecklich unfair vor.
Andere Menschen hatten eine Familie.
Fanden jemanden, der sie aufrichtig liebte.
Und ich?
Was bekam ich?
Ein Leben voller Einsamkeit, Schmerz und...-
Meine Gedanken brachen ab, als hinter mir plötzlich ein Geräusch erklang.
Nicht irgendein Geräusch...
Sondern ein ziemlich vertrautes.
*piep piep*
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Zusammenfassung für die, die weitergescrollt haben:
- seit dem letzten Kapitel sind zwei Wochen vergangen, der Tag vor diesem Kapitel war ein Spieltag
- Kookie ist beim Frühstück sehr ruhig und vermeidet Blickkontakt mit Tae
- Tae fragt, ob er Kookie alleine lassen soll
- Kookie nickt, obwohl er sich wünscht, dass Tae bei ihm bleibt
- Kookie weint, weil er sich am Todestag seiner Eltern immer extrem einsam fühlt und Tae es schlimmer gemacht hat, indem er ihn gerade allein gelassen hat
- Kookie redet sich sehr intensiv ein, dass das mit Tae nicht echt ist und dass es keinerlei Bedeutung hat, wenn Tae in Momenten wie diesen nicht für ihn da sein kann
- das Kapitel endet mit einem sehr bekannten piependen Geräusch
Hello hello ^^
2022-Ich hier.
Das alte Author-Note war nicht wirklich brauchbar, deshalb hab ich spontan beschlossen, ein neues zu schreiben ^^
Hach ja, dieses Kapitel...
Ich formatiere die alten Kapitel ja momentan nur und lese sie nicht nochmal.
Aber die paar Sätze, die ich beim Absätze machen aufgeschnappt hab, haben schon gereicht, dass ich es direkt wieder gefühlt hab.
Kookie ist so ein sad Character... 💔
Wie hat euch das Kapitel gefallen?
Was hat es in euch ausgelöst?
Ich würde mich sehr über etwas Feedback freuen <3
Actually bin ich so excited, wie weit der Reupload jetzt schon ist...
Nicht mehr lange, dann sind wir aktuell x3
Ich wünsche euch einen wundervollen Tag <3
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