Kapitel 41
"Frühstück, mein Schatz~", erklang Taes viel zu gut gelaunte Stimme, als die Eisentür sich nach einer Weile wieder öffnete.
Bereits komplett in meiner Müdigkeit und der weichen Bettwäsche versunken hob ich erstmal nur meinen Kopf.
Da ich den Vanillepudding, welcher sich auf dem Tablett befand allerdings auch aus einer Raumlänge Entfernung erkennen konnte, war das Aufstehen dann doch nicht so schwer, wie gedacht.
Lächelnd betrachtete der Blauhaarige mich, als ich mich vor ihm auf den Boden sinken ließ.
"Tut mir leid, dass du so lange warten musstest.", entschuldigte er sich.
Ich schüttelte nur meinen Kopf.
"Kein Problem...", murmelte ich, während meine Augen an dem Tablett klebten, welches Tae mir bereits hingeschoben hatte.
Kaffee, die üblichen Stücken Schokolade und ein Vanillepudding.
Natürlich auch Croissants und Joghurt, wie schon immer.
Aber trotzdem...
Es kam mir vor, als wäre mein Frühstück inzwischen zu einer geballten Ladung essbarer Glückshormone mutiert.
Und das jeden Tag.
Nicht, dass ich etwas dagegen hätte...
Liebevoll zuckten die Mundwinkel des Blauhaarigen nach oben.
"Du bist gestern so selig und ruhig eingeschlafen, dass du mich wohl direkt angesteckt hast.", sagte er noch mit einem leicht scherzhaften Unterton, bevor er sich seine Frühstücksschüssel griff, die er sich mitgebracht hatte und anfing, einen Teil der Mischung aus Joghurt, Haferflocken und Früchten in seinem Mund verschwinden zu lassen.
Soweit ich es mitbekommen hatte, war das Taes Lieblingsfrühstück.
Er aß es eigentlich immer, wenn wir zusammen frühstückten.
...was inzwischen fast jedes Wochenende vorkam.
Abendessen nahmen wir eigentlich täglich zusammen zu uns, wenn nicht gerade Spiel-Tag war.
Ein kleines Grinsen huschte über meine Lippen, bevor ich ein nicht wirklich ernst gemeintes "Sorry", murmelte.
Natürlich tat es mir nicht wirklich leid, dass Tae meinetwegen eingeschlafen war.
Stumm huschte mein Blick über seine Mimik.
Die tiefen, dunkeln Augenringe, die sich dort normalerweise nach jedem Spiel befanden, waren nicht da.
Er sah viel gesünder dadurch aus.
Ein Teil von mir freute sich ein wenig darüber.
Immerhin brachte es doch gar nichts, wenn er meinetwegen immer die Nacht durchmachte...
Und schade um sein hübsches Gesicht war es auch, wenn er alle paar Tage so tot aussah...
Taes Augen weiteten sich ein bisschen.
Kurz darauf verließ ein schön klingendes Kichern seine Lippen.
"Lass es dir schmecken", sagte er lieb, anstatt auf meine gefälschte Entschuldigung einzugehen.
Er hatte verstanden, dass sie eher spaßig gemeint war.
Eine der wahrscheinlich größten Veränderungen.
Dadurch, dass Tae und ich inzwischen gemeinsam aßen....er die Wochenenden wirklich bei mir verbrachte und ich es mir nicht mehr zu Lebensaufgabe gemacht hatte, nur das nötigste mit ihm zu reden, hatten wir angefangen, ein Gefühl für die Persönlichkeit des anderen zu bekommen.
Tae hatte angefangen zu verstehen, wenn ich etwas sarkastisch oder nicht ernst meinte.
Gleichzeitig war mir aufgefallen, dass der Blauhaarige tatsächlich sowas wie Humor besaß...
Dass es möglich war, eine lockere Unterhaltung mit ihm zu führen.
Witze zu machen....zu lachen....
Aus komplett offensichtlichen Gründen ließ all das immer noch ein etwas befremdliches Gefühl in mir zurück.
Auf der anderen Seite war es allerdings das genaue Gegenteil.
Es fühlte sich normal an.
Nach etwas, was einer Freundschaft nicht mehr fern war.
Einer zwischenmenschlichen Beziehung.
Nähe...
Wenn Tae und ich uns unterhielten, fühlte ich mich nicht mehr so einsam. Isoliert.
Manchmal vergaß ich sogar für ein paar Sekunden, dass sich Gitterstäbe zwischen uns befanden.
Da diese natürlich trotzdem nicht verschwanden, hielt die Illusion nie lange.
Immer wieder erinnerte ich mich daran, dass Tae und ich keine echten Freunde waren.
Dass das hier von Zeit zu Zeit immer wieder zu meiner persönlichen, kleinen Hölle wurde.
Aber machten die Gespräche...
Das gemeinsame Essen...
Taes gute Nacht Geschichten...
Jede menschliche Geste von ihm machte diese Situation erträglicher.
Und da ich mich inzwischen damit abgefunden hatte, hier in nächster Zeit - wenn es nach Tae ging, wahrscheinlich nie wieder - herauszukommen...
...nahm ich jedes kleine Zugeständnis an.
Wenn man in einer Situation feststeckte, war es angebracht, zumindest das Beste daraus zu machen.
Mit diesem Mindset hatte ich schon mein ganzes Leben verbracht.
So war es jetzt auch.
Ich kam nicht aus dieser Zelle.
Konnte nichts daran ändern, dass wir immer wieder "spielen" würden.
Das hatte ich akzeptiert.
Gemeinsam mit der Erkenntnis, dass ich keinen Ort außerhalb dieses Zimmers hatte, an den ich zurückwollte.
Dass ich, wenn ich es (unrealistischerweise) schaffen würde, abzuhauen, wahrscheinlich innerhalb von zwei Nächten erfrieren würde.
Inzwischen war November und mein Körper hatte sich an die angenehme Wärme in meiner Zelle gewöhnt.
Hier gab es eine Dusche, Essen und warme Kleidung.
Da Tae mir außerhalb des Spiels nie etwas zuleide tat, musste ich nicht mehr mit der Angst einschlafen, am nächsten Morgen eventuell nicht mehr aufzuwachen.
Im Gegenteil...
In den letzten Wochen war das Einschlafen durch den Blauhaarigen angenehmer geworden, als ich es mir jemals hätte vorstellen können.
Tae blieb bei mir...
Schenkte mir Zuneigung...Nähe...
Zwei weitere Punkte auf der langen Liste der Dinge, die ich seit Jahren gemisst hatte.
Es war egal, wie man es betrachtete.
Ob nun aus Überlebens-Sicht...
Oder als einfache Pro-Contra-Liste.
Trotz der Dinge, die Tae mir antat....dem kompletten Freiheitsentzug...
...war diese Zelle der Ort auf der Welt, an dem es am meisten Sinn für mich machte, hier zu sein.
Nachdem diese Erkenntnis mir in den letzten Wochen immer wieder gekommen war, war es dann irgendwie gar nicht mehr so schwer gewesen, die jetzige Situation als das zu akzeptieren, was sie war...
Krank. Sehr schmerzhaft.
...aber wahrscheinlich trotzdem besser, als das was ich davor als "mein Leben" bezeichnet hatte.
"Weißt du schon, was du heute machen möchtest? Irgendwelche Wünsche was das Essen angeht?", holte Taes Stimme mich aus meinen Gedanken.
"Ich gehe nachher nochmal einkaufen.", erklärte er.
Wieder bekam er nur ein Kopfschütteln als Antwort.
"Nicht wirklich...", antwortete ich noch.
Als Beschäftigungen gab es: nichts tun, zeichnen, Tae und die Switch zur Auswahl.
Duschen gehen vielleicht.
Da wir den ganzen Tag Zeit hatten, sprach nichts dagegen, einfach alles zu tun.
Also wozu großartige Pläne aufstellen?
Und was das Essen anging...
Ich brachte es immer noch nicht über mich, Tae um irgendwas zu bitten.
Dazu stand durch das Spiel und die Art, wie es immer begann, einfach zu viel zwischen uns.
Egal wie sehr es sich manchmal so anfühlte...
Tae und ich waren keine Freunde.
Der Blauhaarige ließ mich immer noch alle paar Tage spüren, was vollendete Machtlosigkeit war.
Deshalb....auch wenn ich schon ein paar Mal mit dem Gedanken gespielt hatte...
...konnte ich nicht.
Es war auch der Grund, warum ich bis heute jede Einladung, die Tae mir an der Switch geschickt hatte, abgelehnt hatte.
Ich freute mich über jeden Funken Normalität....
...aber nur, solange diese sich nicht gänzlich mit meiner Realität biss.
So gern ich mir und Tae den Gefallen tun wollte, diesen Schritt zu gehen...
Es ging nicht.
Ich konnte keine Videospiele mit dem Typen spielen, der mich ständig einschläferte, währenddessen an einen Stuhl fesselte, nur um mir dann eine halbe Stunde lang die Haut aufschlitzen zu können.
Das war zu viel.
Jede Art von gemeinsamer Freizeitbeschäftigung, die über Gespräche und Essen hinausging und das Stellen von persönlichen Wünschen waren Grenzen, die ich nicht bereit war, zu überschreiten, solange sich nicht irgendwas änderte.
Tae mir nicht wenigstens einen Funken eigene Entscheidungskraft überließ...
Obwohl mir diese Dinge so klar waren, hatte ich sie Tae gegenüber noch nie angesprochen...
Der Blauhaarige wusste wahrscheinlich gar nicht warum ich bestimmte Dinge tat und andere nicht.
Warum ich Machens annahm und mich vor anderem verschloss.
Inzwischen kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er in hundert Jahren nicht genug Empathie entwickeln würde, um von selbst auf die Lösung zu kommen.
Und trotzdem...
"Okay...dann schauen wir mal und mach nachher einfach irgendwas.", beschloss der Blauhaarige lächelnd.
....funktionierte es irgendwie.
Tae spürte die Grenzen.
Drückte ein paar Mal dagegen.
Sendete Spielanfangen...fragte immer wieder, was ich essen wollte...
...beließ es aber schließlich einfach dabei, ohne weiter nachzufragen.
Inzwischen brachte er seine Switch sogar manchmal mit runter zu mir in die Zelle.
Dann saß jeder auf seiner Seite der Gitterstäbe und spielte etwas.
Tae schickte eine Einladung, ich lehnte sie stumm ab und er nahm es wortlos hin.
So...
Ich fing Taes Gesichtsausdruck auf.
....waren wir inzwischen.
In unserem eigenen, kleinen, verdrehten...
"Guter Plan.", gab ich lächelnd zurück.
...trotzdem funktionierenden Universum.
Nach langer Zeit hier auch mal wieder ein Update~
Ich hab in der Geschichte echt das Gefühl mich hunderttausend mal zu wiederholen, was Kookies Gedanken angeht.
Aber er macht halt immer nur so kleine Schritte, dass man ständig alles von vorne erklären muss. ^^"
Tricky...
Ich hoffe ist nicht zu repetetiv und langweilt euch nicht. :)
Habt noch einen schönen Abend ^-^
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