Kapitel 33

Von mir selbst irritiert blinzelte ich.

Wie hatte ich?...


Ich war mir einhundertprozentig sicher, dass ich mich nicht mit meiner Situation hier abgefunden hatte.

Ein Teil von mir versuchte es kontinuierlich.

Er wollte verstehen, dass es keinen Ausweg gab. Es einfach annehmen. Trotz allem das positive in Tae sehen. Akzeptieren, dass das hier meine neue Realität wurde.


Doch auch wenn dieser Teil von Tag zu Tag ein wenig stärker wurde...

...so hatte er mich noch nicht vollkommen eingenommen.

Wie könnte er auch? Innerhalb von zwei lächerlichen Wochen...


Umso mehr bestürzte mich, was gerade passiert war.

Ich hatte nicht gedacht, dass ich trotzdem in der Lage sein würde, Anliegen an Tae zu stellen.

Es machte doch gar keinen Sinn, eine Situation, die man noch nicht als seine eigene akzeptiert hatte, angenehmer gestalten zu wollen....

...oder?


Offensichtlich war es in dieser verdrehten, verzerrten Welt hier möglich...

Tae machte es möglich.


Ich wusste nicht so richtig wohin mit dieser Erkenntnis.

Ob sie jetzt etwas gutes oder etwas schlechtes war.





Allerdings ließ Tae mir auch keine weitere Zeit zum Nachdenken.

"Kannst du den Kaffee dann jetzt trinken?", wollte er wissen.

Überraschenderweise lag gar kein Druck in seiner Stimme. Er wollte mich nicht überreden, zu trinken.

Stattdessen klang es eher, als wolle er wissen, ob mein Problem behoben war.

Aufrichtig und ehrlich glitzerten seine Augen mich an.

Ich konnte es sehen.

Gerade wollte er nur, dass ich mein Lieblingsgetränk wieder genießen konnte.


Zögerlich nickte ich, bevor ich unter Taes eindringlichem Blick zu der Tasse griff.

Die Haltung des Blauhaarigen entspannte sich deutlich, als ich einen Schluck genommen hatte.

Glücklich lächelte er mich an.





"Musst du nicht arbeiten?", fragte ich, nachdem mir aufgefallen war, wie lange Tae und ich hier schon saßen.

An jedem anderen Morgen hätte bereits auf seine Uhr gesehen und festgestellt, dass er spät dran war.


Sofort wurde das Lächeln des Blauhaarigen noch breiter.

"Ich muss nur manchmal Samstags arbeiten. Heute hab ich frei.", erklärte er.

Anschließend rückte er ein wenig näher an die Gitterstäbe heran.

"Also haben wir den ganzen Tag für uns. Toll, oder?", wollte er wie ein begeistertes kleines Kind wissen.


Ich hob leicht überfordert eine Augenbraue.

Klar, Tae.

'Toll', war nicht unbedingt das Wort, was mir einfiel, wenn ich einen Tag beschreiben wollen würde, an dem Tae mich wahrscheinlich die halbe Zeit über anstarren würde.

...überraschenderweise waren es aber auch keine stark negativen Adjektive, die mir einfielen.

In meinem Kopf herrschte ziemliche Leere.

Mal wieder wusste ich nicht, was ich von den halten sollte, was mich erwartete.


Stumm wanderte mein Blick über Taes Äußeres.

Erst jetzt bemerkte ich, dass er heute auch ganz anders angezogen war.

Wenn er zur Arbeit ging, trug er meistens legere schicke Kleidung.

Die Jogginghose und der schwarze Pulli, den er heute trug, waren um ein vielfaches zu lässig.

Er schien nicht vorzuhaben in den nächsten Stunden das Haus zu verlassen.





Nachdem ich nichts auf seine Frage erwidert hatte, hatte Tae mir trotzdem noch sehr betont erzählt, wie sehr er sich freute, das ganze Wochenende mit mir zu verbringen.

Wie immer hatte er so ehrlich und aufrichtig bei diesen Aussagen gewirkt, dass es fast schon unheimlich gewesen war.


Dazu kam, dass ich überhaupt nicht verstand, was er meinte.

Immerhin verbrachten wir den Tag nicht wirklich miteinander.

Er blieb auf seiner Seite der Gitterstäbe und ich auf meiner.

Meistens verließ er die Zelle kurz nach den Mahlzeiten auch wieder.

Aber wer wusste schon, was der Blauhaarige meinte?

Vielleicht bedeutete es für ihn, Zeit mit jemandem zu verbringen, indem er der Person beim Essen zusah.

Bekanntlich hatte ja jeder seine Vorlieben.


Bei Tae schien meine sarkastische Vermutung gar nicht so weit gefehlt.

Wie immer klebten seine Augen glücklich an mir, während ich mich an dem Frühstück satt aß.





"Willst du noch mehr?", fragte er, als das Tablett schließlich leer war.

Langsam schüttelte ich meinen Kopf.

Auch wenn ich wegen gestern einen Bärenhunger gehabt hatte und das Tablett nicht so voll wie sonst gewesen war, war es mehr als genug gewesen.


"Bist du sicher? Ich hole dir gern noch etwas, wenn du-", setzte der Blauhaarige an. Ich unterbrach ihn mit einem weiteren Kopfschütteln.

"Ist schon okay. Ich bin wirklich satt.", sagte ich.

Es fühlte sich immer noch komisch an, einfach so mit ihm zu reden...


Mit großen Augen sah mein Gegenüber mich an, bevor er breit lächelte.

"Na dann ist gut.", freute er sich.

"Heute hab ich sogar Zeit, dir Mittagessen zu kochen. Hast du Wünsche?", wollte er als nächstes wissen.

Wieder bekam er ein Kopfschütteln als Antwort.

Der eine Wunsch, den ich geäußert hatte, reichte mir erstmal...


Tae nickte verstehend.

"Na dann denk ich mir selbst etwas aus.", beschloss er lieb und sah mich an.

Ohne darüber nachzudenken, erwiderte ich seinen Blickkontakt.


Eine Weile lang schauten wir uns stumm an.

Ich wartete, dass er aufstehen und irgendwas tun würde.

Normalerweise verschwand er, wenn ich fertig mit essen war.

Heute schien er allerdings keine Lust zu haben, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.





"Ich könnte den ganzen Tag einfach hier sitzen und dich ansehen.", lächelte Tae mit einer Selbstverständlichkeit in seiner Stimme, die ihres gleichen suchte.


Sofort ging mir sämtliche Mimik verloren, während mir gleichzeitig die Röte in die Wangen stieg.

Oh bitte nicht.


"M-musst du n-nicht..", brachte ich stammelnd hervor.

An einem Tag, an dem Tae die ganze Zeit hier war, würde ich mich keine Sekunde lang entspannen können.


Verständnislos legte der Blauhaarige seinen Kopf etwas schief.

"Aber natürlich.", sagte er.

"Immerhin hab ich dir doch versprochen, dass ich dich niemals verlassen werde.", fügte er mit warmer Stimme hinzu.


Sofort weiteten meine Augen sich auf ihre doppelte Größe.

...was?...

Meine Kinnlade klappte ein wenig nach unten.

Gestern Nacht...

Tae dachte an gestern Nacht...

Daran, wie ich geweint hatte....

....und wie sein bloßes Dableiben dafür gesorgt hatte, dass ich irgendwann aufgehört hatte...


Plötzlich wurde meine Kehle staubtrocken.

Mich daran zu erinnern, was Taes Anwesenheit gestern in mir ausgelöst hatte, war ziemlich befremdlich.

Vor allem wenn ich bedachte, was passiert war, bevor er zu dieser Nacht gekommen war.

Was Tae getan hatte...


Es war so absurd, wie sein Verhalten sich ständig änderte.

Allein wie lieb er mich gerade anlächelte.

Ich hasste mich dafür, dass mein Herz dadurch ein bisschen höher schlug.





"Ist...wirklich nicht nötig...", brachte ich langsam hervor, während ich versuchte, nicht vor Überforderung loszuzittern.

Auch wenn es mir gestern Nacht irgendeine Form von Beistand vermittelt hatte, half mir Taes Anwesenheit gerade überhaupt nicht weiter.


Gestern war so viel passiert, über das mir noch keine Gedanken hatte machen können, weil Tae sofort dagewesen war, sobald ich aufgewacht war.

Alles war so unendlich verwirrend...





Der Blauhaarige antwortete mir nicht.

Stattdessen blieb er einfach sitzen und sah mich an, als wäre ich der größte Schatz, den er jemals in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte.

Nichts an ihm erweckte den Anschein, als hätte er vor, demnächst aufzustehen.





Eine Weile lang hielt ich seinem mehr als überfordernden Blick stand, bevor alles zu viel wurde.


Fluchtartig stand ich einfach auf.

Noch bevor Tae etwas sagen konnte, war ich im Badezimmer verschwunden, hatte die Tür hinter mir geschlossen und mich an dieser herabsinken lassen.


Gerade hatte ich einfach nur meine Ruhe gewollt.

Sie gebraucht.

Da Tae nicht bereit gewesen war, sie mir zu geben, hatte ich sie mir einfach genommen.





Im ersten Moment hatte ich etwas Angst, dass Tae mir hinterher kommen könnte.

Dass ich seinen Kontrollwahn überstrapaziert haben könnte...


Allerdings...schien das nicht der Fall zu sein.


Nachdem ich ein paar Minuten lang einfach auf dem Boden gesessen hatte, ohne dass etwas passiert war, beschloss ich, das zu tun, was ich immer tat, wenn ich Beruhigung brauchte.


Duschen gehen.


Hier auch mal wieder ein Update. xD

Funfact: Ich wollte eigentlich schon nach Kapitel 32 einen Zeitsprung machen. Beim schreiben hab ich aber gemerkt, dass nicht alles in ein Kapitel passt, was ich mir vorgenommen hatte.
Deshalb wollte ich noch dieses Kapitel schreiben und dann einen Zeitsprung machen.

Weiterer Funfact: Dieses Kapitel hat auch nicht gereicht.
...und das nächste auch nicht. xD

Aber ich glaube an mich. Irgendwann schaff ich diesen Zeitsprung. xD

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend. ^-^

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