Kapitel 3
Inzwischen waren mehrere Stunden vergangen.
Ich hatte mich in das Bett gelegt und starrte ausdruckslos die Analoguhr über der Badtür an.
Das Essen stand immer noch genau da, wo der Fremde es abgestellt hatte. Ich hatte es nicht angerührt.
Trotz meiner regungslosen Haltung rasten die Gedanken in meinem Kopf.
Dieser ganze Raum fühlte sich so skurril und unwirklich an...
Ich erwartete immer noch jeden Moment in irgend einer Nebengasse aufzuwachen und festzustellen, dass ich durch irgendeine Prügelei bewusstlos gewesen war und das alles nur geträumt hatte.
Anders ergab es keinen Sinn in meinem Kopf...
Gerade als ich mich fragte, ob es mir helfen würde, mich in den Arm zu kneifen, damit das hier enden würde, ging die Eisentür am Ende des Raumes auf.
Der fremde Mann kam herein.
Ich tat nichts weiter, außer meinen Blick zu ihm wandern zu lassen.
Nachdem der Blauhaarige mich freundlich begrüßt hatte, richtete sich seine Aufmerksamkeit auf das Tablett auf dem Boden.
"Du hast ja gar nichts gegessen...", murmelte er. Ein Hauch Besorgnis schwang in seiner Stimme mit.
"Ich will nichts essen.", sagte ich matt.
Der Fremde sah überrascht zu mir. "Wieso?", fragte er. "Magst du irgendwas davon nicht?", wollte er sofort wissen.
Ich verdrehte die Augen.
Ja genau. DAS ist das Problem.
Vorsichtig richtete ich mich auf.
Der Verband um meinen Bauch half eine Menge. Trotzdem tat es bei fast jeder Bewegung weh.
"Ich will nichts essen, solange du mich hier einsperrst.", stellte ich klar.
Und wie ich etwas essen wollte. Mein Magen brachte mich vor Hunger fast um.
Dazu kam, dass das Essen auf dem Boden wirklich lecker aussah. Es war gefühlte Jahre her, dass ich das letzte Mal so eine Mahlzeit zu mir genommen hatte.
Aber trotzdem...
Wer würde in so einer Situation auch nur einen einzigen Bissen runterbekommen?
Mein Gegenüber musterte mich stirnrunzelnd.
"Aber dann...wirst du verhungern...", stellte er bedrückt fest.
Binnen Sekunden waren meine Augen wieder geweitet.
Er zog es nicht mal in Betracht, mich hier raus zu lassen. Es war gar keine Option.
Offensichtlich würde er mich lieber sterben lassen.
"Bitte iss etwas...", bat der Fremde, während er mit seinem Arm unter dem Gitter durchgriff und das Tablett etwas weiter in den Raum schob.
"Ich kann es auch nochmal aufwärmen oder dir etwas neues machen, wenn du möchtest...", bot er an.
Ungläubig sah ich zu ihm.
Seine Stimme klang so lieb...als würde er sich wirklich Sorgen um mein Wohlbefinden machen.
Und trotzdem....sperrte er mich hier ein...
Ich verstand nicht, was hinter diesem ambivalenten Verhalten steckte.
"Das hier wollte ich dir noch wiedergeben...", sprach der Fremde weiter, während er zwei kleine Gegenstände aus seiner Tasche holte.
Meine Augen wurden groß, als ich erkannte, worum es sich handelte.
So schnell es mir möglich war sprang ich von dem Bett und lief zu dem Gitter.
Der Fremde wich ein wenig zurück, je näher ich kam.
Wahrscheinlich wollte er mir keine Möglichkeit geben, mich irgendwie zu wehren.
Aber daran dachte ich gerade gar nicht.
Meine ganze Aufmerksamkeit lag auf dem schon mehrfach geknickten Foto. Behutsam strich ich darüber und drückte es gemeinsam mit meinem Personalausweis an mein Herz.
Meine einzigen zwei Besitztümer.
"Sind das auf dem Foto deine Eltern?", wollte der Blauhaarige wissen. Er hatte sich mir gegenüber auf den Boden gesetzt und sich an die Wand des Raumes gelehnt.
Meine Augen fixierten ihn mit einem Blick, der ihm verriet, dass ihn das überhaupt nichts anging.
Überraschenderweise schien er diese Botschaft zu verstehen. Er fragte nicht weiter nach.
"Ist schon ziemlich kaputt...möchtest du einen Rahmen dafür haben, damit es nicht noch weiter knickt?", wollte er stattdessen wissen.
Ich blinzelte überrumpelt und sah dann zu ihm.
Mit einem derartig aufmerksamen Angebot hatte ich nicht gerechnet.
Trotzdem sagte ich nichts dazu.
Ja zu sagen, wäre ein Schritt auf ihn zu. Diesen wollte ich nicht gehen, solange er mich hier nicht raus ließ.
Und nein zu sagen wäre...eine Lüge...
Natürlich wollte ich nichts lieber, als dem wichtigsten Gegenstand in meinem Leben wenigstens ein bisschen Schutz bieten zu können.
Als er merkte, dass ich nicht vor hatte, ihm zu antworten, redete der Blauhaarige einfach weiter.
"Auf deinem Ausweis steht, dass du Jungkook heißt...", merkte er an.
Unwillkürlich nickte ich.
Ich würde selten bei meinem Namen angesprochen...
Meine kleine Geste sofort registrierend, begann der Fremde liebevoll zu lächeln.
"Ich bin Taehyung.", sagte er dann. "Aber du kannst mich auch 'Tae' nennen, wenn dir das lieber ist.", fügte er hinzu.
Zum wiederholten Mal heute, stockte mir der Atem.
Ich hatte nicht gedacht, dass er mir einfach so seinen Namen sagen würde...
Zu wissen, wie er hieß, sorgte auf eine seltsame Art und Weise dafür, dass seine Anwesenheit sich vertrauter anfühlte.
Das befremdliche Gefühl verschwand ein Stück weit...
"Tae...", sagte ich leise, bevor ich ihm direkt ins Gesicht sah.
Ich hatte mich ganz instinktiv dafür entschieden, seinen Spitznamen zu benutzen.
Vielleicht, weil ich mir dadurch erhoffte, eine höhere Chance auf eine ehrliche Antwort, bezüglich der Frage, die ich gleich stellen würde, zu bekommen.
...Oder einfach, weil diese Version seines Namens eine Illusion der Nähe erzeugte, durch die sich diese ganze Situation nicht mehr ganz so befremdlich anfühlte...
Dem Blauhaarigen schien der Grund jedenfalls egal zu sein. Seine Mimik hatte sich deutlich erhellt, kaum dass ich seinen Namen ausgesprochen hatte.
"...wieso tust du das?", fragte ich, während ich zwischen mir und dem Raum hin und her zeigte.
Mein Gegenüber legte seinen Kopf vor Verwunderung ein wenig schief.
"Was meinst du mit 'wieso'?", seine Stimme klang so verständnislos, als wäre es die dümmste Frage überhaupt gewesen, die ich ihm gerade gestellt hatte.
"Weil ich dich liebe, natürlich.", antwortete er dann mit ernster Stimme.
....
Wie bitte?
Meine Augen weiteten sich auf ihre doppelte Größe.
"Du tust....was?", verließ es fast lautlos meine Lippen.
Auf einmal war meine Kehle staubtrocken.
Jeder noch so kleine Funken, an den ich mich bis eben geklammert hatte, um mich in der Gegenwart dieser Person nicht so furchtbar zu fühlen, verschwand.
"Ich liebe dich.", wiederholte Tae.
Auf meinen verständnislosen Blick hin sprach er einfach weiter.
"Du bist mir sofort aufgefallen, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe.", erzählte er.
"Noch nie hatte ich jemand so Vollkommenen gesehen...", seine Stimme klang verträumt.
"Aber das Leben, was du geführt hast, war deiner überhaupt nicht angemessen. Also hab ich beschlossen, dich zu mir zu holen und mich um dich zu kümmern.", sprach er weiter.
Danach machte er eine kurze Pause.
"Und weil ich unbedingt mit dir spielen möchte.", sagte er schließlich.
Ich schluckte schwer.
Da war es wieder. 'Spielen'.
Was um Himmels Willen meinte er damit?
Ich hatte ein wirklich sehr ungutes Gefühl....
Mal ganz angesehen von der Tatsache, dass diese komplett abwegigen Sätze seinen Mund so ernsthaft und selbstverständlich verlassen hatten, dass es dafür nur zwei mögliche Erklärungen gab.
Erstens...
Er war ein verdammt guter Schauspieler und verarschte mich nur.
Zweitens... und das würde einiges hiervon erklären...
Er war...komplett irre...
Auch ohne meine unterdurchschnittliche Schulausbildung hätte ich gewusst, dass Zweitens die deutlich wahrscheinlichere Erklärung war.
Ich konnte förmlich spüren, wie mir aus Angst das Blut in den Adern gefror.
Mir wurde mal vorgeworfen, meine Charaktere würden immer zu lange brauchen, um 'Ich liebe dich' zu sagen.
Well. Problem solved~ xD
Habt einen schönen Tag ^-^
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