Kapitel 19

"Pulses" - Joan Sterling

https://youtu.be/Mw8POQ0eHbo

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Als ich langsam spürte, wie mein Bewusstsein zurückkam, versuchte ich meine Augen zu öffnen.

Leise Geräusche drangen in meine Ohren.


Stumm und schwer klappten meine Augenlider auf und zu.

Mir war so schwummrig...mein Körper fühlte sich an, als wäre er aus Stein.

Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich mich keinen Millimeter bewegen können.

Ich war viel zu fertig...


Gerade wollte ich einfach in der wohligen Wärme versinken, die das Bett, in dem ich inzwischen wieder lag mir bot, als ich erneut diese Geräusche vernahm.

Langsam hob ich meinen Kopf, nur um ihn kurz darauf wieder in mein Kopfkissen zu drücken und meine Augen zu zudrücken. Diesmal etwas verkrampfter.

Tae war noch hier...

Angst schlich sich in mein Herz.


Nachdem ein paar Sekunden lang immer noch nichts passiert war, öffnete ich vorsichtig ein Auge.

Ohne meinen Kopf zu bewegen lugte ich in den vorderen Teil der Zelle.

Tae schien nicht mitbekommen zu haben, dass ich aufgewacht war.

Er war noch damit beschäftigt, den Boden zu wischen.

Die Scherben waren schon verschwunden.

Während seines Tuns gab der Blauhaarige keinen Mucks von sich. Still arbeitete er vor sich hin.


Generell herrschte so eine Ruhe... die Anspannung und Panik von vorhin hatte sich restlos aufgelöst.

Als wäre alles nur ein schlimmer Traum gewesen.

Auch Tae wirkte wieder so, wie ich ihn die meiste Zeit über kannte. Die beängstigende Aura um ihm herum war verschwunden.


Langsam beruhigte sich mein Herz dadurch ein wenig.

Er war nur hier, um aufzuräumen. Seinem Drang nach Ordnung nachzukommen.

Gerade bestand keine Gefahr für mich.

Er würde mir nichts tun...


Kaum hörbar atmete ich aus und entspannte meine Muskeln wieder ein bisschen

Danach blieb mein Blick an meiner Hand hängen.

Fein säuberlich verarztet...

Dank dem Verband war nichts mehr von dem Blut zu sehen.

Es tat auch kaum noch weh...



Einige Zeit verging, in der ich stumm zu Tae sah.

Ab und zu schaute er zu mir.

Da das Zimmer ziemlich dunkel war, ich ein paar Meter von ihm entfernt lag und mich nicht bewegte, bekam er nicht mit, dass meine Augen einen Spalt breit geöffnet waren.

Er dachte wohl, dass ich immer noch schlafen würde.


Trotz der Entfernung erkannte ich seinen Gesichtsausdruck, wenn er zu mir sah.

Ein kleines, liebes Lächeln zierte seine Lippen. Zeitgleich lag ein Hauch Besorgnis in seinem Ausdruck.


Je öfter er mich so ansah, desto mehr zog mein Herz sich zusammen.

Ich konnte nicht beschreiben, was ich gerade fühlte.

Irgendwas löste Taes Blick in mir aus. Etwas, was eigentlich nicht zu den Gefühlen passte, die ich dem Blauhaarigen gegenüber normalerweise verspürte.

Ich hasste ihn. Abgrundtief.

Wie könnte ich nicht? Nach allem was er mir angetan hatte und wahrscheinlich noch antun würde...


Doch gleichzeitig...

...war es in Momenten wie diesen schwer, diese Einstellung aufrecht zu erhalten.

Immer zu redete ich mir ein, dass sein Lächeln gefaket war. Dass ich es mir einbildete, wenn er verletzte oder besorgt guckte...

...Auch wenn ich wusste, dass das nicht stimmte...

Wenn etwas dauerhaft in Taes Mimik erkennbar war, dann war es Ehrlichkeit.

Er hatte mich noch nie angelogen.

Wenn er sagte, dass etwas in meinem Essen war, dann war es auch so. Und wenn nicht, dann nicht.

Und selbst vor seinem kranken Spiel hatte er mir Bescheid gesagt.

Zum ersten Mal seit Tagen, konnte ich diese Tatsache anerkennen. Es nicht länger verleugnen.

Denn obwohl mein Körper sich gerade anfühlte, als würde ich mich nie wieder bewegen können...spürte ich, dass es pure Erschöpfung war. Dass ich nur noch ein bisschen Erholung brauchte, um mich wieder lebendig fühlen zu können.

Das Essen, was ich nach all der Zeit wieder zu mir genommen hatte, zeigte eine unglaublich starke Wirkung.

Auf einmal hatte ich das Gefühl, wieder ordentlich denken zu können.


Die ganze Paranoia verschwand.

....zurück blieb die Erkenntnis, dass es schwer war, jemanden zu hassen, der einen ansah, als wäre man das wichtigste in seinem Leben.

Dass mich noch nie jedem so angesehen hatte. Und ich entsprechend nicht fähig war, Taes Blicke einfach auszublenden.

Sie lösten etwas in mir aus. Ob ich wollte oder nicht.

Etwas, was von 'Hass' weit entfernt war...


Ich schloss meine Augen und unterdrückte ein resigniertes Seufzen.

Das Ganze änderte nur leider....gar nichts an meiner Situation.

Tae blieb ein Psychopath.

Jemand, der mir sehr viel Schmerz zugefügt hatte und es in Zukunft auch weiterhin tun würde.

Jemand, vor dem ich Angst haben musste.


Unwillkürlich sah ich wieder zu ihm, als ich hörte, wie er aufstand. Natürlich so, dass er es nicht bemerkte.


Tae räumte das ganze Putzzeug aus der Zelle und kam dann noch einmal herein.

Eine Weile lang starrte er in meine Richtung, bis er sich langsam in Bewegung setzte und zu meinem Bett lief.

Automatisch spannte ich mich mehr an, je näher er kam.

Ein kleiner Funken Panik stieg in mir auf.

Aber ich beherrschte mich, mich nicht zu bewegen.

Immerhin wusste ich nicht, was Tae tun würde, wenn er merken würde, dass ich wach war.

Gerade war ich körperlich zu absolut gar nichts in der Lage.

Ich war komplett hilflos.


Entsprechend machte ich es wie die Tiere, die sich tot stellten.

Nur stellte ich mich eben...schlafend.

Ich versuchte so gleichmäßig wie möglich zu atmen, während meine Augen nur einen winzigen Spalt geöffnet waren, damit ich sehen konnte, was passierte.


So viel gab es nicht zu sehen.

Tae blieb neben meinem Bett stehen.

Seine großen dunkeln Augen schauten mich an.

Eine Zeit lang bewegte er sich gar nicht.


Dann ganz langsam....als wäre er sich unschlüssig, ob er es wirklich tun sollte, hob er seine Hand.

Sofort wurde ich unruhiger.

Er verweilte mit seiner Hand kurz über meinem Kopf, bevor er sie zögerlich sinken ließ.

Meine Augenbrauen zucken zusammen, als ich spürte, dass er mir nur ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen wollte. So zärtlich, als hätte er Angst, ich könnte jeden Moment zerbrechen...

"Kookie...", flüsterte er leise. Seine Stimme klang ein wenig gebrochen.

Erst jetzt fiel mir auf, dass seine Finger zitterten...

Mehr noch.

Sein ganzer Körper war angespannt...


"Ich bin so froh, dass du wieder isst...", sprach Tae weiter.

Ich begann mich zu fragen, ob er das öfter getan hatte, wenn er mich in mein Bett gelegt hatte.

Die letzten Male hatte ich es nicht mitbekommen, weil ich viel zu fertig gewesen war und deshalb tief geschlafen hatte.

Aber heute...

Sprach er öfter mit mir, während ich schlief?


"Das hast du gut gemacht...", murmelte der Blauhaarige, fast schon geistesabwesend, während seine Hand von meiner Stirn in meine Haare wanderte und über meinen Kopf streichelte.

Trotz seiner eigenen Angespanntheit waren seine Berührungen unendlich sanft.

Ich zuckte unwillkürlich ein bisschen zusammen, behielt meine Augen aber "geschlossen".


Tae stockte kurz.

Dann....ganz langsam...

....beugte er sich zu mir herunter.

Aus Angst, er könnte mitbekommen, dass ich blinzelte, schloss ich meine Augen richtig.

Als ich kurz darauf Taes Stimme vernahm, blieb mein Herz für einen Moment stehen.


"Ich liebe dich, mein Schatz...", wisperte er. So gefühlvoll, dass ich mir nicht hätte einreden können, dass es eine Lüge war. Selbst wenn ich gewollt hätte.


Anschließend....

....küsste er mich.


Mein Ganzer Körper verkrampfte sich, als ich Taes Lippen auf einmal auf meinen spürte. Zärtlich und weich.

Es überforderte mich um ein Vielfaches.


Noch bevor ich etwas dagegen tun konnte, hatte ich meine Augen vor Überraschung weit aufgerissen.

Plötzlich starrte ich in Taes dunkle Seelenspiegel.

Er hatte meine heftige Bewegung natürlich bemerkt.

Purer Schock stand in seinem Blick.


Ein paar Sekunden verstrichen, in denen die Zeit gefühlt stehen geblieben war.

Fassungslos sahen wir einander in die Augen. Ich traute mich kaum, auszuatmen.

Gleichzeitig stieg wieder die Panik in mir auf.

Ich konnte nicht einschätzen, was passieren würde.


Tae wirkte die ganze Zeit über als wäre er zu Stein erstarrt.

Dann, ganz plötzlich, fing er sich wieder.


Noch bevor ich mich versah, war er aus der Zelle gestürmt.

Die Türen fielen hinter ihm ins Schloss.


Ich schaffte es gar nicht ihm hinterher zu sehen.

Stattdessen lag ich regungslos da und starrte so vor mich hin, als wäre Taes Gesicht immer noch über meinem.

Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, während sich hundert Gefühle in mir überschlugen.

Verwirrung und maßlose Überforderung waren die stärksten.


Wie in Zeitlupe zwang ich mich, meinen Arm ein wenig nach oben zu bewegen, sodass ich meinen Mund erreichen konnte.

Vorsichtig strich ich mit meinen Fingern über meine Lippen.

Das leichte Kribbeln, welches Tae auf ihnen hinterlassen hatte, war immer noch deutlich zu spüren.


Ich brauchte einen Moment, bevor ich zittrig ausatmete und versuchte, meine Herzfrequenz wieder unter Kontrolle zu bekommen.


Was....war das?...


How to Stimmung um 180° drehen x3

Findet ihr es unlogisch? Also die letzten Kapitel zusammen betrachtet?
Mir kam es beim schreiben eigentlich nicht so vor. Aber jetzt beim Probelesen hab ich mich gefragt ob es für euch verständlich ist, woher dieser Stimmungswechsel kommt und warum Kookie jetzt plötzlich solche Gedanken hat. ^^"

Träumt nachher was Schönes :)

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