Kapitel 12

"Aber du musst doch etwas essen...", stellte Tae betrübt fest, nachdem eine Weile keiner von uns ein Wort gesagt hatte.

Er schien es heute wohl nicht so eilig zu haben, auf die Arbeit zu gehen.

Dabei wünschte ich es mir gerade sehnlicher als alles andere, dass er einfach ging.

Ich wollte Zeit für mich, um über meine Situation nachzudenken.

Es gab so viel, was ich immer noch nicht vollständig realisiert hatte. So viel, was nicht in meinen Kopf wollte.

Und Taes ambivalente Persönlichkeit half kein bisschen.

Er sollte endlich verschwinden.


"Sogar Ratten wissen, dass man vergiftetes Essen nie wieder anrühren sollte.", gab ich nur als Antwort, während ich mein Gesicht in meinen Armen vergraben hatte. Meine Beine hatte ich an meinen Körper gezogen.

Ich wollte Tae nicht mehr sehen...

Geh einfach...


"Aber ich hab dich doch gar nicht vergiftet..", sagte Tae. Seine Stimme klang fast ein bisschen bestürzt.

"Da war nur ein bisschen Phenobarbital drin.", erklärte er. "Und ich würde die Dosis niemals so weit erhöhen, dass du davon sterben könntest...", fügte er noch hinzu.

Ich sah zu ihm.

Taes Augen spiegelten Gefühle wieder, die mich, wäre er ein normaler Mensch, hätten vermuten lassen, dass ihn der Gedanke, ich könnte sterben, wirklich treffen würde.

....aber spätestens nach gestern wusste ich, dass das da vor mir kein normaler Mensch war.

Er war komplett krank.

Und ich war ihm mehr als egal.

Ganz offensichtlich...


"Ich hab nur alles für das Spiel in Ruhe vorbereiten wollen.", redete Tae weiter, als ich keine Anstalten machte, ihm zu antworten.

"Aber heute ist nichts in dem Essen. Sonst hätte ich dir doch keinen Kaffee dazu getan.", es wirkte, als würde er versuchen, mich zu überreden. Er wollte unbedingt, dass ich etwas aß.


Ausdruckslos sah ich ihn an.

Darauf würde ich kein zweites Mal hereinfallen.

"Musst du nicht zur Arbeit?", fragte ich nur.

Geh...

Aufgeschreckt sah Tae auf seine Armbanduhr.

"Oh ja du hast recht!", stellte er überrascht fest und stand auf.

Offensichtlich hatte er die Zeit komplett vergessen.

Verständlich....Leute vergiften war schon eine spannende Angelegenheit.

Mein Mund schmeckte schon wieder bitter.


"Dann bis heute Nachmittag. Und bitte iss etwas.", verabschiedete Tae sich mit einem Lächeln, bevor die Eisentür wieder ins Schloss fiel.

Auf einmal herrschte wieder völlige Stille im Raum.

Ich war allein.

Endlich...


Für einen kurzen Moment atmete ich durch, bevor ich mich einfach auf den Boden legte und emotionslos Richtung Tür sah.

Gerade genoss ich die Ruhe, einfach weil es bedeutete, dass Tae nicht mehr anwesend war.

Gleichzeitig spürte ich auf einmal wieder, wie meine Gedanken mich anschrien.


Meine Augen klappten zu und wieder auf, bevor ich mich auf den Rücken drehte und die Decke anstarrte.

Wie lange es wohl dauern würde, bis mein Gehirn wirklich verstanden hatte, was hier abging?

War es überhaupt möglich, das hier zu verstehen?

...

Auch wenn ich es nicht verstand...

...eins wusste ich genau.

Dass ich hier weg wollte. Dass ich keine Sekunde länger in diesem heuchlerisch freundlichen Gefängnis zubringen wollte.


Mein Blick wanderte zu den Eisenstäben und der Tür dahinter.

Aber wie....sollte das gehen?

Die Türen waren massiv und sensorgeschützt.

Ich war weder stark genug, noch wusste ich genug über solche Technologien Bescheid, als dass ich hätte mir überlegen können, wie ich die Sicherungen umgehen konnte.


Tae war der einzige Weg, hier herauszukommen.

Sein Handabdruck war nötig, damit die Türen sich öffneten.

Aber er schloss die Eisentür jedes Mal hinter sich, wenn er hereinkam.

Und er ließ mich nicht nah genug an sich heran, als dass ich irgendwas versuchen könnte.

Offensichtlich traute er sich auch nicht hier rein, solange ich bei Bewusstsein war.

Er musste mir vorher Betäubungsmittel ins Essen tun...


Egal wie lange ich darüber nachdachte....

...meine Situation erschien mir nur noch aussichtsloser.


Ich schob meinen Ärmel nach oben und betrachtete meinen aufgeschlitzten Arm.

Würde das jetzt immer wieder passieren?

War das der einzig übrige Sinn von meinem Leben? Unendliche Schmerzen, damit dieser Freak ein Spielzeug hatte?

Ich kniff die Augen zusammen und biss mir auf die Lippe, während ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.

Was hatte ich getan...

...um das hier zu verdienen?

Konnte man überhaupt etwas tun, um so etwas zu verdienen?

Es war so unendlich grausam...


Versuchend, den riesigen Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, sah ich zu dem Tablett.

Ich verdiente das hier nicht.

Langsam stand ich auf und lief darauf zu.

Und ich wollte es nicht.

Ich schob das Tablett durch die Öffnung zurück auf die andere Seite des Gitters.

Ich wollte nichts von allem hier.

Nie wieder würde ich irgendwas von Tae annehmen.

Lieber würde ich verhungern.


Während ich aufstand, fiel mir wieder auf, wie sehr ich die Kleidung an meinem Körper verabscheute.

Für einen Moment überlegte ich, sie einfach auszuziehen.

Allerdings....musste ich dann daran denken, was es letztes Mal für Konsequenzen gehabt hatte, als ich mein Oberteil nur ein bisschen hochgezogen hatte.

Wer wusste schon, wie viele Sicherungen bei Tae durchknallen würden, wenn er nach Hause kommen und mich ohne Kleidung hier vorfinden würde.

Unwillkürlich musste ich mich schütteln, weil ein kalter Schauer meinen Rücken herunterlief.

Die Angst meldete sich langsam...

Aber ich schluckte sie herunter.


Erst ganz entschlossen, dann auf einmal stoppend lief ich auf den Nachttisch zu, auf dem das Foto meiner Eltern stand.

Ich nahm den Bilderrahmen in die Hand.

Eine Weile lang starrte ich ihn an.

In mir stritten sich schon wieder zwei Parteien.

Die eine wollte den Rahmen am liebsten an die Wand pfeffern, weil Tae ihn mir geschenkt hatte.

Aber die andere....kam nicht umhin zu bemerken, wie viel schöner das Foto in diesem Rahmen aussah...

Dass keine neuen Knicke dazu gekommen waren... einfach weil das Bild jetzt geschützt war.

Für einen Moment fühlte es sich an, als würde es mich von innen zerreißen.

Mein Stolz...jeder Rest Würde, den ich noch hatte.....gegen die Liebe die ich für meine Eltern empfand.

Ein Kampf, der furchtbar wehtat.


Dennoch dauerte es nicht lange, bis eine Seite gewonnen hatte...


Ich schluckte schwer, bevor ich den Bilderrahmen wieder auf den Tisch stellte.

Meinen Gedanken, das Foto herauszuholen, hatte ich soeben verworfen.

Der Rahmen war die eine Sache von Tae sein, die ich annehmen würde.

Nicht für mich....sondern für meine Eltern.

Sie hatten es nicht verdient, so eine zerknitterte Erinnerung zu sein.

...

Aber alles andere...


Wieder lief ich zu der Mitte des Zimmers und legte mich auf den Boden.

Kein Bett, keine Dusche, kein Schreibtisch, kein Essen.

Und ich würde Tae nachher nach meiner Kleidung fragen.

Danach würde ich gar nichts mehr tun.

Einfach hier liegen.


Und warten, dass es endlich vorbei ging...


Funny Story-Telling zu diesem Kapitel:
Ich hab überlegt gehabt, was genau es sein könnte, was Tae Kookie ins Essen tut. Auch weil mir auffiel, dass Kookie ja eventuell abhängig von dem Zeug werden könnte, wenn er es regelmäßig einnimmt. Und dass er deshalb Schlafprobleme bekommen könnte (weil der Körper dann die Schlafmittel braucht, you know).
Also hab ich meinen Bruder (er ist im pharmazeutischen Bereich tätig)angeschrieben.
Und ihn gefragt, ob Schlafmittel abhängig machen, wenn man sie alle zwei Tage ungefähr nimmt. Bzw. ob er andere Betäubungsmittel kennt, die man Leuten ins Essen tun kann (das meinste wird ja eher gespritzt).
Für die Info, dass ich nur wegen einer Geschichte und nicht aus persönlichem Interesse frage, war er sehr dankbar. xD
Und er hat extra für mich in seinen Unterlagen nachgesehen x3

Also Phenobarbital wird normalerweise als Tablette eingenommen. In niedirgen Dosen wirkt es wie ein Schlafmittel, in höheren Dosen wird es betäubend und ab ner bestimmten Dosis kann man tatsächlich daran sterben.
Und er meinte noch, dass das in der Praxis eigentlich nicht verwendet wird, aber oft in Büchern und Filmen vorkommt, eben weil man es Leuten unauffällig verabreichen kann und das gut fürs Drama ist. xD
Unnützes Wissen to go~ Ihr könnt mir später danken ;)

Habt nen schönen Abend und passt auf euer Essen auf xD

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