29 | Höhle des Löwen
Cuties, ohne viel Blabla das nächste Kapitel.
Als Eliana am nächsten Morgen das helle Bürogebäude betrat, zog ihr Magen sich unheilvoll zusammen. Sie hatte die halbe Nacht nicht geschlafen, zu allem Überfluss auch noch mit Farid gestritten und sich mental auf einen Spießrutenlauf auf der Arbeit eingestellt. Zwar waren die verräterischen Bilder über Nacht bereits aus dem Netz verschwunden, aber erstens hatte sie Sorge, dass es längst zu spät war, und zweitens vergaß das Internet nicht, sodass sie jederzeit wieder auftauchen konnten.
Sie war bereits so verzweifelt, dass sie auf dem Weg hierher darüber nachgedacht hatte, ihren Kollegen die Möglichkeit vorwegzunehmen und das Thema selbst anzusprechen. Natürlich hatte sie nicht vor, ihnen von ihrer Beziehung zu Farid zu erzählen, aber möglicherweise konnte sie ihren Kopf ja noch aus der Schlinge ziehen, indem sie vorgab, dass sie mittlerweile ein freundschaftliches Verhältnis zueinander pflegten.
Dennoch huschte sie zunächst mit schnellen Schritten ins Büro und setzte dort ein unschuldiges Gesicht auf. Nico saß bereits an seinem Schreibtisch und musterte sie neugierig, als sie den Raum betrat. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie ihm ein Lächeln schenkte.
„Morgen", begrüßte sie ihn. „Alles gut?"
„Und selber?", fragte er und beobachtete sie dabei, wie sie ihre Jacke auszog und über den Stuhl hängte. Sie schluckte, als sein Blick auf ihr ruhte. Hatte er etwas mitbekommen?
„Ja, alles super", log sie und fiel auf den Schreibtischstuhl.
„Hast du auf dem Weg hierher schon die Releases angehört? Die neue Single von Capi ist echt krass", plapperte Nico zu ihrer Erleichterung drauf los.
„Nee, bin noch nicht dazu gekommen", erwiderte sie, denn sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Mirella per Sprachnachricht ihr Leid zu klagen und sie um Rat zu fragen.
„Hammer, sein Flow. Allein, wie der reinkommt... Einfach alles zersägt", quatschte Nico weiter, während sie den Laptop hochfuhr. Es tat gut, sich fürs Erste dahinter verstecken zu können. Nico gab ihr unterdessen einen umfänglichen Bericht zu den neuen Songs. Sie hatte gerade damit begonnen, sich durch ihre E-Mails zu arbeiten, als die neugierige Kollegin im Türrahmen auftauchte. Farid hatte ihr mittlerweile den Spitznamen „Noisy Nia" gegeben.
„Guten Morgen", trällerte Nia fröhlich, als sie das Büro betrat, und schaute neugierig zu Eliana herüber. „Na, gut geschlafen?"
Sie zog eine Augenbraue hoch, während sich ein spitzbübisches Grinsen auf ihren Lippen bildete. Eliana biss sich ertappt auf die Zunge und setzte ihr Pokerface auf. Nia machte einen weitaus misstrauischeren Eindruck als Nico, der gerade aufstand, um sich einen Kaffee zu besorgen.
„Wie ein Baby", lächelte Eliana dennoch, als Nico verschwunden war. „Und du?"
„Ich kann mich nicht beklagen", schwärmte Nia. „Obwohl ich sicher nicht so einen tollen Abend hatte wie du."
Eliana biss sich auf die Zunge. Es klang tatsächlich so, als hätte Nia etwas mitbekommen.
„So spektakulär war es auch wieder nicht", winkte sie trotzdem gelassen ab, um ihre Neugier im Keim zu ersticken. Nia legte interessiert den Kopf schief.
„Ich hab dir ja gleich gesagt, dass es keine gute Idee ist, Farid zu daten."
Eliana bemühte sich, nicht so betroffen auszusehen, wie sie sich fühlte, als Nia ihre Vermutung offen aussprach.
„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest", leugnete sie ernst, obwohl sie wusste, dass es eigentlich keinen Sinn mehr machte. Nia schüttelte unbeirrt den Kopf.
„Ich hab die Fotos auf Instagram gesehen, Eliana. Ich weiß also, dass ihr euch trefft", ließ Nia die Bombe platzen. Elianas Hals wurde trocken. Sie waren aufgeflogen. Dennoch würde sie nicht zugeben, dass es stimmte. Sie wusste, wie Farid dazu stand, jemandem von ihnen zu erzählen.
„Es ist nicht so, wie es aussah", log sie selbstbewusst. „Wir sind einfach nur Freunde."
Nia schnaubte verächtlich.
„Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde; dass du nicht auf meinen Rat gehört und dich trotzdem mit ihm getroffen hast oder dass du jetzt versuchst, mich für dumm zu verkaufen. Ich habe echt gedacht, wir wären Freundinnen. Ich bin mir sicher, Adrian wird das gar nicht gefallen", sagte sie anklagend und schüttelte enttäuscht den Kopf. Augenblicklich schlug Eliana das Herz bis zum Hals. Sie würde sowas von ihren Job verlieren. Noch während sie darüber nachdachte, wie sie Nias Vermutung zerstreuen konnte, stand die auf und warf ihr einen letzten abschätzigen Blick zu. Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort das Büro. Eliana folgte ihr.
„Hast du sie noch alle? Wenn du wirklich meine Freundin wärst, würdest du mir nicht damit drohen, Adrian irgendeine Scheiße zu erzählen", zischte sie, als sie sie am Ende des Ganges eingeholt hatte. Nia zog sie hinter sich her in ihr Büro und fuhr zu ihr herum.
„Glaubst du echt, ich würde sowas Linkes mit dir abziehen? Nachdem du mir so geholfen und mir darüber hinaus auch noch ein Geschenk gemacht hast?", fragte sie enttäuscht. Eliana musterte sie misstrauisch.
„Warum sagst du es dann?", wollte sie wissen. Nia zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.
„Hab ich doch gar nicht. Ich habe nur gemeint, dass ihm das gar nicht gefallen würde, würde er davon erfahren", stritt sie ab und hob abwehrend die Hände. Eliana kniff die Augen zusammen und sah ihr prüfend ins Gesicht. Stimmte es, was sie sagte, oder versuchte sie bloß, sich aus der Affäre zu ziehen, nur, um sie um nächsten Moment an Adrian zu verraten?
„Hör zu, Nia. Ich will keinen Streit mit dir. Aber es gibt Sachen, über die ich einfach nicht reden will. Und dazu gehört auch meine Freundschaft mit Farid. Ich weiß, dass das unprofessionell ist, aber es hat sich einfach so ergeben. Und ich habe es niemandem erzählt, weil er sehr viel Wert auf seine Privatsphäre legt", machte sie einen letzten hoffnungsvollen Versuch, die Wahrheit doch noch vertuschen zu können.
„Du verstehst echt nicht, dass ich es mit dir nur gut meine, oder?", fragte Nia kopfschüttelnd und strich sich die langen Haare nach hinten. „Mann, Eliana. Du hast so sehr für diesen Job gekämpft und machst ihn verdammt gut, aber wenn Adrian erfährt, dass du was mit Farid angefangen hast, wird er dich hochkant rauswerfen. Das ist ein absolutes No-Go", redete sie ihr eindringlich ins Gewissen. Eliana schluckte.
„Du hast was mit Farid?"
Eliana gefror das Blut in den Adern, als Adrian plötzlich aus dem Nichts hinter ihr aufgetaucht war. Sie war so in ihre Diskussion mit Nia vertieft gewesen, dass sie ihn gar nicht hatte kommen hören. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie zu ihm herumfuhr und er sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihr aufbaute.
Ein Kloß bildete sich in Elianas Hals, während Adrian ihr erwartungsvoll ins Gesicht schaute. Weil sie ihn nicht bemerkt hatte, wusste Eliana nicht, wie viel von ihrer Unterhaltung mit Nia er aufgeschnappt hatte. Also sah sie ihm betont unschuldig ins Gesicht.
„Nein, natürlich nicht", stritt sie ab, in der Hoffnung, er würde ihr ihre Lüge abkaufen. Ihr Chef schaute skeptisch zwischen Nia und ihr hin und her. Das Blut rauschte durch ihre Ohren, während ihr Hals noch ein wenig trockener wurde.
„Kann ich dich kurz allein sprechen?", sagte er schließlich. Sie nickte, setzte ihr Pokerface auf und folgte ihm mit wild klopfendem Herzen in sein Büro. Dort drückte er die Tür hinter sich zu und deutete auf einen der freien Stühle gegenüber seinem Schreibtisch. Dann ließ er sich dahinter sinken und sah ihr ernst ins Gesicht. Eliana hatte das Gefühl, gleich den Boden unter den Füßen zu verlieren, und war froh, dass sie sich bereits gesetzt hatte, sodass ihre Beine nicht nachgeben konnten. Selten war sie in ihrem Leben so nervös gewesen.
„Hör zu, Eliana. Es stimmt, was Nia gesagt hat. Du machst einen guten Job. Und natürlich ist es wichtig, dass unsere Partner sich in der Zusammenarbeit wohlfühlen", ließ er durchblicken, dass er einen Teil ihres Gesprächs aufgeschnappt hatte. Sie schluckte unmerklich, ließ die Hände locker in ihren Schoß sinken und sah ihm aufmerksam ins Gesicht.
„Aber wir legen hier großen Wert auf Professionalität. Ich habe gestern Abend Fotos auf Instagram von euch beiden gesehen und hinter den Kulissen wird gemunkelt, er hätte die Bilder löschen lassen. Für mich spricht das eine sehr eindeutige Sprache", sagte er ernst.
„Ich habe es Nia schon erklärt. Zwischen uns hat sich eine Freundschaft entwickelt, aber das heißt ja nicht, dass wir was miteinander haben. Er legt großen Wert auf seine Privatsphäre und wollte damit auch mich schützen", erzählte sie und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er ihr Glauben schenken würde.
„Und das auf dem Festival?", bohrte er nach und nahm sie prüfend ins Visier. Ihr stockte der Atem, als er das längst vergessen geglaubte Thema wieder anschnitt.
„Was meinst du?", gab sie sich ahnungslos, während ihre Gedanken sich überschlugen.
„Nia hat mir erzählt, sie hätte dich aus seiner Garderobe kommen sehen", offenbarte Adrian, dass ihm längst Details zu Ohren gekommen waren. Eliana schnappte nach Luft. Sie konnte nicht fassen, dass Nia unmittelbar alles an Adrian weitergetratscht und trotzdem eben noch so vorgegeben hatte, ihre Freundin sein zu wollen. Dabei hatte sie Eliana ans Messer geliefert, ohne noch einmal mit ihr das Gespräch zu suchen. Die Erkenntnis brachte ihr Blut zum Kochen. Doch noch viel wütender war sie auf sich selbst. Wie hatte sie so naiv sein und annehmen können, mit zwei blauen Augen davongekommen zu sein?
„Da muss sie was falsch verstanden haben", behauptete Eliana. „Wir haben nur über ein Geschenk für Nia gesprochen, und das habe ich ihr auch gesagt."
„Und wie erklärst du dir, dass sie ein Gespräch von euch mit angehört hat, indem er dir untersagt hat, wie ein Groupie an der Bühne zu stehen, weil er dich da nicht haben will?", fragte er und faltete provokant seine Hände zu einem Dreieck, während er sie mit seinem Blick regelrecht durchbohrte. Elianas Bauch fuhr Achterbahn, als sie realisierte, dass ihr jetzt nur noch die Flucht nach vorn helfen konnte und das Leugnen keinen Sinn mehr machte. Nia hatte im Hintergrund offenbar ganze Arbeit geleistet. Sie verstand bloß nicht, weshalb Adrian nicht schon viel früher auf sie zugekommen war.
„Stimmt das?", hakte der nun ungeduldig nach.
„Ja, aber es ist derselbe Grund wie mit dem Foto. Farid wollte mich beschützen, so, wie er das eben mit seinem Umfeld macht...", räumte sie ein.
„Und du", sagte Adrian skeptisch und deutete mit seinem Zeigefinger auf sie, „...gehörst also zu seinem Umfeld..."
Er zog prüfend die Augenbrauen hoch. Sie seufzte schwer.
„Wie gesagt, ich habe das nicht geplant und-"
„Weißt du, Eliana. Ich bin wirklich enttäuscht von dir. Du hast so viel Potenzial und machst dir das alles kaputt, weil du eine Regel nicht eingehalten hast", unterbrach er sie kühl.
„Stimmt. Ich habe Potenzial. Und meine Freundschaft zu ihm hat nichts mit meiner Arbeit zu tun. Oder hat die Qualität meiner Ergebnisse darunter gelitten? Im Gegenteil. Ich mache permanent unbezahlte Überstunden und reiße mir den Arsch auf. Nebenbei habe ich versucht, zu einem unserer Partner ein gutes Verhältnis aufzubauen, das uns auch in unserer Geschäftsbeziehung von Vorteil sein kann. Aber stattdessen werft ihr mir vor, ich würde mit ihm ins Bett gehen. Wenn du das gedacht hast, wieso bist du dann nicht früher damit zu mir gekommen?", platzte der ganze Frust der vergangenen Wochen aus ihr heraus.
„Weil du einen guten Job gemacht hast und ich erst eine Bestätigung haben wollte", offenbarte er ihr.
„Irgendwelche Fotos, die nicht mal verfänglich sind, sind deine Bestätigung?", fragte sie aufgebracht. „Echt jetzt?"
Adrian schaute ihr unbeeindruckt ins Gesicht.
„Wir wissen beide, dass du mich anlügst. Ich habe eine gute Menschenkenntnis und ich weiß, dass du gerade nicht ehrlich zu mir bist", sagte er ihr auf den Kopf zu. Eliana biss sich auf die Zunge. Sie fühlte sich von ihm in die Ecke gedrängt und hatte keine Ahnung, wie sie aus der Nummer noch unbeschadet herauskommen sollte. Sie wusste nicht, was schlimmer war; die Enttäuschung darüber, dass Nia sie unmittelbar nach dem Festival ans Messer geliefert hatte, oder die Wut auf sich selbst, dass ihre eigene Unvorsichtigkeit das überhaupt erst möglich gemacht hatte. Außerdem war sie maßlos enttäuscht darüber, dass all ihre Energie und ihre Bemühungen, einen guten Job zu machen, auf einmal nicht mehr zu zählen schienen.
„Es tut mir leid, aber unter diesen Umständen sehe ich keine andere Chance, als dich fristlos zu entlassen."
Ob er das ernst meint? Also ich an ihrer Stelle wüsste nicht, ob ich ausrasten oder kommentarlos meine Sachen nehmen und gehen würde. Dass er sie so an den Pranger stellt, finde ich übertrieben. Und ihr? Oder könnt ihr das aus Sicht des Chefs verstehen? Und wie findet ihr die ganze Aktion von Nia?
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