3 - Die Werkstatt

Staub tanzte im trüben Licht, als Rita die Rollläden nach oben zog. Ich erinnere mich gut daran, wie schicksalsträchtig mir der Ort vorkam, geheimnisvoll und vielversprechend, wenn auch etwas düster. Möglicherweise rührte diese gespenstische Aura auch daher, dass Professor Giordano, dem diese Werkstatt zuvor gehört hatte, erst seit ein paar Tagen beerdigt worden war.

Er hatte Kürbisse auf eine der Werkbänke gehäuft, die wohl in Vergessenheit geraten und langsam verrottet wären, wenn Rita sich nicht den Schlüssel erschlichen hätte.
Ich warf einen Blick zu ihr hinüber und überlegte, ob sie es kitschig fände, wenn ich eine Kürbislaterne für sie schnitzen würde.
Bei Rita wusste man nie so genau, ob eine solche Idee ihre Augen zum Funkeln brachten, ob sie die Schultern zucken oder verächtlich Abwinken würde, weil sie nicht mehr dreizehn Jahre alt war.

Die Werkstatt war in gutem Zustand. Falls uns kalt würde in den nächsten Monaten, könnten wir einfach ein Feuer in dem freistehenden schmiedeeisernen Ofen entfachen. Holz gab es dafür mehr als genug in dem Raum auf der Nordseite des Kollegiengebäudes.
Rundholz, dünne Bretter, Scheite, Äste. Eiche, Fichte, Lärche, Kirschbaum, sogar etwas, das wie Mahagoni aussah. Es lag und stand auf den dunklen Werkbänken, denen man deutlich ansah, dass sie schon vielen Professoren und Studenten gedient hatten, neben den angerosteten Sägen, angeschlagenen Schraubenziehern und herumliegenden Hämmern aller Größen.

Halbfertige Projekte des in seinen letzten Jahren etwas wunderlich gewordenen Professors residierten hier und da.
Mehrere Glaskolben, die er aufeinander geklebt hatte, sodass sie aussahen, wie ein verwachsenes durchsichtiges Unterwassergeschöpf, von dem Kabel wie Tentakeln abzweigten.
Ein Modellschiff saß in einer Glasscheibe, als wäre es im Eis des Nordpols gestrandet. Es musste sich um ein Kunstpojekt handeln, denn jemand hatte zwei Miniaturhundeschlitten auf das Glas vor dem Schiff gesetzt, als wären die Lenker in eine Hetzjagd vertieft.

Rita hatte keinen zweiten Blick für die seltsame Natur des Arbeitsplatzes übrig, den sie uns verschafft hatte.
Sie schob ein paar verschieden große Schraubenmuttern, die jemand achtlos liegen gelassen hatte, zur Seite und setzte sich im Schneidersitz auf eine der Werkbänke, bevor sie einmal mehr ihre Skizzenbücher aus der alten Tasche zog.

„Gefällt es dir?", fragte sie, während ich mich noch einmal um meine eigene Achse drehte, um den Raum in seiner staubigen, vollgestellten, geheimnisvollen Gänze wahrzunehmen.

„Ich habe noch nie an so einem Ort gearbeitet", lachte ich leicht, obwohl der Raum so düster war,
„Es ist ... gemütlich."

„Giordanos Geist geht hier sicher noch um", Rita schrak plötzlich so sehr zusammen, dass ich besorgt zu ihr herumfuhr, „Schau, da! "

Ich folgte reflexartig ihrem ausgestreckten Finger, fand aber nichts bis auf ein paar an der Wand hängende Zangen und vergilbte Listen mit unleserlichen Zahlen darauf vor.

„Lustig", ich ließ meine eigenen groben Zeichnungen, die ich zuvor feinsäuberlich zusammengerollt hatte, auf die zweite Werkbank im Raum fallen, während Rita breit grinste.
Für einen Moment war der Bann der alten Werkstatt gebrochen.
Ihr Lächeln leuchtete auf, wie die Spätsommersonne zwischen den grünen Blättern des Baumes vor der Universität, unter dem sie so oft saß. Es fuhr mir unter die Haut, wärmte mich bis tief in die Knochen, als würden ein paar Momente dieses Sonnenlichts schon reichen, um den langen Winter zu überstehen, den die immer länger werdenden Nächte ankündigten. Doch ich drifte in Schwärmereien ab.

„Ich habe dir Kaffee mitgebracht", sagte ich und hob die Thermoskanne in die Höhe, die sie mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.
Ich war verloren im Sonnenlicht, als ihre Lippen auseinanderdrifteten und beinahe gerade Zähne entblößten. Rita rieb sich voller Tatendrang die Hände.

„Ich kann es gar nicht erwarten. Niemand hat etwas Ähnliches eingereicht, Laurence, noch nie in der Geschichte dieser Universität", träumte sie, immer noch im Schneidersitz zwischen mit Drähten, Scharnieren und immer noch mehr Schrauben beladenen Regalen,
„Was sie wohl sagen werden?"

Obwohl ich aus Gewohnheit ihren Optimismus mit rationalen Argumenten dämpfen wollte, hielt ich mich zurück. Dieses Projekt lockte die beste Seite aus Rita hervor, die in den letzten Monaten stiller und abwesender gewesen war, als ich sie in Erinnerung hatte.

„Sie werden es lieben", versprach ich deshalb nur, während ich zwei Lötkolben in Augenschein nahm.
Ob in dieser Werkstatt irgendein Gerät jünger als zehn Jahre war?

„Wir brauchen Metall", sagte sie dann fast schüchtern, als ob sie darüber noch gar nicht nachgedacht hatte, „Das habe ich noch nicht ausfindig machen können."

„Ich kümmere mich darum", versicherte ich, während ich das kaputte der beiden Geräte zur Seite legte.

Rita ließ ihre Fingerkuppen über ein Kirschbaumbrett wandern, als müsse sie sich erst mit der Maserung vertraut machen, bevor sie es zur Hand nahm.
Würde sie das mit jedem der Teile machen?
Es schien fast, als würde sie etwas Lebendiges, etwas Atmendes, berühren, so zärtlich nahm sie das Holz zur Hand. Vielleicht hätte mir schon zu diesem Zeitpunkt auffallen können, dass etwas nicht ganz stimmte.

„Uns fehlen noch so viele Teile", sagte ich nur, während ich nun auf der freigeräumten Arbeitsfläche den großen Entwurf ausbreitete.
Rita kam herüber, um ihre ursprüngliche Konzeptskizze neben meinen ausgefeilten Plan zu legen.

„Dann lass sie uns suchen", forderte sie mich auf, „Eines nach dem anderen, bis wir sie zusammensetzen können. Wir haben das ganze Semester Zeit."

Sie griff nach meiner Hand und zusammen sahen wir hinunter auf das Kunstwerk, das wir erschaffen würden, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an Zweifel zu verschwenden. 

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