8 *

Erschrocken blickte ich Jesse in die Augen. Dieser stieß einen kurzen Fluch aus und zog die Tür einen kleinen Spalt auf, sodass wir einen Blick in die Bar erhaschen konnten.

Bei dem Anblick des Geschehens hinter der Tür riss ich ungläubig die Augen auf. Die Halbblüter und Monster, die eben noch in der Bar gefeiert hatten, hatten ihre Waffen gezogen und umkreisten misstrauisch ein zwei Meter großes undefinierbares Wesen. Während Med weiterhin an ihrem Tisch saß und in aller Ruhe ihre Spagetti verputzte. Das war typisch Med.

Ich widmete meinem Blick wieder diesem unbekannten Wesen. So etwas hatte ich wirklich bisher noch nie gesehen und ich hatte schon einiges in meinem Leben gesehen. Auf dem nackten und von monströsen Warzen übersäten Rücken dieses Wesen trug es eine von spitzen eisernen Dornen bespickte Keule. Was zum Tartarus war das? Ich tippte fast auf ein Monster, aber ich kannte jedes Monster und dieses Wesen ließ sich wirklich nirgendwo unterordnen. Vielleicht eine ganz neue Spezies von Monster?

„Hast du eine Ahnung was das da ist?" fragte ich Jesse flüsternd.

Er schüttelte auch nur ratlos den Kopf und ich musste mich bei dem Anblick seiner wunderschönen Augen wieder zusammenreißen und auf das Wesentliche besinnen: Ich hasste ihn doch schließlich.

Die Menge der Kämpfer, die das Wesen kampfbereit umkreisten, lichtete sich kurz und ich konnte das Wesen genauer betrachten. Mir stockte der Atem.

Das Wesen hatte riesige behaarte Füße. Seine Beine waren dagegen völlig unbehaart, aber Menschenhaut war das auch nicht. Es sah viel eher nach der Haut einer Schlange aus. Von der Hüfte aufwärts wurde es dann ganz skurril. Der Oberkörper spaltete sich in Höhe des Bauchnabels. Kurz unterhalb der Stelle, an der normalerweise das Schlüsselbein war, verbanden sich die zwei Hälften seines Körpers wieder zu einem. Das Loch das daraus entstand hatte irrsinnigerweise die Form eines Quadrats. Ich bin mir sicher, wenn ich ein Lineal, und es brannte mir in den Fingern das zu tun, genommen hätte und jede Seite dieses perfekten Loches gemessen hätte: Sie wären gleich lang gewesen. Und auch sonst schien irgendwas mit dieser Kreatur nicht zu stimmen. Es war als ob der Raum um sie herum sich bewege. Manchmal flimmerte der Körper ganz komisch und plötzlich tauchten neue Körperteile an dem Wesen auf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie als sie aus dem Boden geschossen war, noch nicht drei Arme hatte.

„Warte hier! Hier bist du in Sicherheit", meinte Jesse. „Ich gehe raus zu den Anderen und helfe ihnen, wenn dieses Ding angreift."

„Vergiss es!" schnaubte ich. Glaubte er wirklich, er könne mir Befehle erteilen. Außerdem glaubte ich aus irgendeinem mir nicht bekannten Grund, nicht das dieses Wesen beabsichtigte uns anzugreifen.

„Bitte Ty. Ich will nicht, dass dir etwas passiert", meinte er. Und schaute mich beschwörend an. Wollte er damit auf meine nicht unbedingt vorhandene Kampffertigkeit anspielen?

Bevor er noch etwas sagen konnte, schlüpfte ich zur Tür hinaus. Ich hatte es dort sowieso nicht mehr ausgehalten. So nah in Jesses Nähe gingen meine Gefühle Achterbahn fahren.

Ich hätte mich gern einfach zu Med an den Tisch gesetzt, um ihr von den letzten Geschehnissen zu erzählen, doch ungünstiger Weise versperrte mir das Wesen den Weg.

Im Näherkommen musterte ich das Wesen noch einmal genauer. Irgendwoher kam es mir seltsam bekannt vor, als würde ich es kennen. Doch ich kam nicht darauf. Es war, als würde es mir auf der Zunge liegen, doch ich konnte mich nicht erinnern. Ich schüttelte den Gedanken ab, woher sollte ich dieses Wesen schon kennen.

Plötzlich hielt mich jemand am Arm fest, und ein kleiner elektrischer Schlag zuckte an der Stelle durch meine Haut. Überrascht blickte ich auf. Es war Jesse. „Geh nicht näher ran", meinte er und deutete auf die riesige Keule, die das Wesen auf dem Rücken trug.

Ich nickte. Da hatte er wohl einmal recht. Mit dieser Keule konnte er die versammelten Halbgötter wegfegen, wie Unkraut.

Völlig unvermittelt begann das Wesen in der Luft herum zu schnuppern. Der Anblick erinnerte mich ein bisschen, wie die Werwölfe aus Filmen die Fährte aufnahmen. Es hielt inne und so blitzschnell, dass ich erschrocken einen Schritt zurücktaumelte, drehte es sich zu mir um und musterte mich mit seinen vier Augen. Ein freudiges Lächeln umspielte den Mund des Wesens und vor meinen Augen, schrumpften die vier Augen zu zwei Augen zusammen.

„Miss Taylor!" sprach das Wesen in seiner tiefen Bassstimme freudig. „Endlich habe ich sie wiedergefunden!"

Völlig perplex zog ich meine Augenbrauen hoch und starrte das Wesen entgeistert an.

„Du kennst das Ding?" fragte Jesse mich erstaunt.

„Ich, ähm, keine Ahnung", stotterte ich. Ich hatte das ungute Gefühl, dass die Spiele und Jesse nicht das einzige Übel heute Abend sein würden.

Das Wesen nickte kurz und sah ziemlich traurig dabei aus. „Oh, dass hatte ich vergessen. Ich denke du weißt mich nicht mehr wer ich bin, nicht wahr?"

Ich schüttelte nur den Kopf. Worte wollten meinen Mund gerade einfach nicht verlassen.

„Nun gut, darum geht es jetzt auch nicht. Ich habe eine Nachricht für dich", sprach das Wesen und schien währenddessen nochmal um einen halben Meter zu wachsen.


"Geschickt wurde ich von der Ersten,
um zu warnen, die Deinen.
Kind, musst du beweisen dich vor ihr, deiner Mutter. 

Schlafend für lange Zeit, an den Ort an dem sie herrschte, bevor die neue Ordnung kam.
Finde sie dort wo sie schon immer war. Verhindere das Unglück, dass in dir Selbst schlummert.
Finde sie bevor es dich selbst verschlingt.
IHR ZEICHEN TRÄGST DU."

Völlig ratlos, starrte ich das Wesen an. Was zum Hades hatte das zu bedeuten? „Es war schön dich wiederzusehen, Taylor!" sprach das Wesen und dann verschwand es einfach, während ich nur völlig irritiert dastand. Es löste sich einfach von der einen zur anderen Sekunde in Luft auf.



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