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Direkt vor mir stand ein Mädchen. Sie musste in meinem Alter sein. Ich kannte sie nicht, aber sie kam mir so seltsam vertraut vor, dass es mir schon Angst machte. Mein Kopf ratterte, aber es war, als würde irgendetwas meine Erinnerungen blockieren. Ich wusste genau, ich sollte sie kennen, aber ich konnte es einfach nicht greifen. 

"Hallo Ty", sprach sie mich mit meinem Spitznamen an. Wer war sie? Meine Gefährten waren aufgesprungen und hatten sich kampfbereit um mich versammelt, dass alles bekam ich nur am Rande mit. Ich war wie gelähmt. Schließlich als ich nach einer ganzen Weile nichts herausbekam, über nahm Jesse das Reden.

"Wer bist du?" Drei einfache Worte.

"Ich heiße Moira." Moira, Moira, Moira, die Worte hallten durch meinen Kopf, doch die Erkenntnis blieb aus. Irgendetwas versperrte meine Erinnerungen, aber ich wusste, dass da irgendetwas sein musste. Schließlich gelang es mich aus meiner Erstarrung zu befreien.

"Woher weißt du wie ich heiße?" brachte ich mühsam hervor. Seit wann fiel mir Sprechen nur so unendlich schwer?

Das Mädchen sah mich traurig an. "Wir kennen uns schon sehr lange, Schwester."

"Schwester?", krächzte ich und mir war, als fiele ich nun doch in den bodenlosen Abgrund der Schlucht.

"Vielleicht solltest du dich setzten. Ich glaube, ich habe einiges zu erklären", sprach Moira weiter. Das lies ich mir nicht zweimal sagen. Meine Beine waren sowieso Wackelpudding und hielten mich kaum. Ich konnte mich nicht an dieses Mädchen erinnern, doch tief in mir, wusste ich, dass sie nicht log. Sie war meine Schwester. So verrückt es war. So lange ich mich erinnern konnte, war ich vollkommen allein gewesen, ohne jede Familie. Oder ich konnte mich nur nicht mehr erinnern. 

Ich blickte zu Jesse, der das fremd vertraute Mädchen misstrauisch beobachtete. "Warum sollten wir dir irgendein Wort glauben?"

Das Mädchen zuckte zur Antwort nur mit dem Schultern. "Es ist an euch, was ihr glaubt und was ihr nicht glaubt. Doch lasst mich erst einmal erzählen. Es ist sehr wichtig, dass du das hörst Ty. Bevor es zu spät ist. Ich hätte dass schon fiel früher machen sollen."

Das Mädchen leis sich anmutig auf den sandigen Boden sinken. Sie trug einen weiten schwarzen Umhang, der fast ein bisschen, wie eine Kutte aussah. Die Kapuze hatte sie zurückgeschlagen, sodass ihr weißblondes Haar über ihre Schultern fiel. Als Moira meine Freunde erwartungsvoll ansah, setzten sich schließlich auch diese. Ihre Waffen ließen sie jedoch nicht aus ihren Händen gleiten. Meiner Schwester schien das nicht fiel auszumachen. Mit sanfter Stimme begann sie zu sprechen. 

"Wir waren einst drei Schwestern. Drillinge, auch wenn wir uns nicht unbedingt besonders ähnlich sahen." Ein weiteres Gesicht begann vor meinem inneren Auge Gestalt anzunehmen, doch ich konnte es einfach nicht richtig erfassen. "Wir wuchsen bei unserem Vater auf. Doch als er starb, trennten uns unsere Wege. Ich und unsere andere Schwester kamen zu unserer Tante und du wurdest in ein Waisenhaus gebracht." Irgendwas stimmte nicht an ihren Worten. Während ich mir vorhin so sicher war, dass sie die Wahrheit sagte, so war ich mir jetzt nicht mehr so sicher. "Wir waren noch sehr jung und es wundert mich nicht, dass du dich nicht mehr an uns erinnerst."

"Wer ist unsere Mutter?" unterbrach ich sie kurzerhand. 

"Ty... ", Moira seufzte. "Ich kann es dir nicht sagen. Es ist sehr wichtig, dass du das nie herausfindest. Ich kann dir nicht sagen warum, du musst mir vertrau..."

"Wie meinst du das?" Ich war ohne es wirklich zu bemerken aufgesprungen. "Hast du uns diese Illusionen auf den Hals gehetzt?" In meinem Kopf drehte sich alles.

"Ja, aber..." gab Moira zu, was ich schon längst gewusst hatte, doch ich unterbrach sie barsch.

"Du verstehst dass wohl nicht, ich muss wissen, was mein Zeichen zu bedeuten hat!" rief ich.

„Du darfst nicht weitergehen!" sagte das fremde Mädchen eindringlich. „Taylor, geh einfach wieder zurück. Glaub mir du willst nicht wissen, wer deine Mutter ist!" Und ob ich, dass wollte.

"Wieso tust du das?" In meinem Kopf raste es immer mehr. Doch je mehr ich an die Erinnerungen hinter der verschlossenen Türe gelangen wollte, desto mehr pochte meine Schädel. Es war ein gleisender Schmerz. "Ich glaube dir, dass du meine Schwester bist und ich glaube dir, dass ich noch eine Schwester habe, aber der Rest... Das macht doch überhaupt keinen Sinn! Was hast du zu verbergen?"

Moiras Augen blitzen. "Ich würde es dir gerne sagen, aber ich kann es nicht. Glaube mir es würden schlimme Dinge passieren, wenn du herausfindest wer Mutter ist!"

"Was bitte schön soll den schon passieren?" lachte ich, obwohl mir gar nicht zum Lachen zumute war. Ich war so kurz vor dem Ziel und ich war so verwirrt und...

"Unsägliches Leid", Moira sprach es so leise aus, dass ich es fast nicht hörte. Ich schüttelte jedoch nur ungläubig den Kopf. Diese Situation war komisch und irgendwie falsch. Ich fühlte tief in mir, dass Moira nicht die Wahrheit sagte. Zudem war es total unlogisch, in wie weit konnte das Wissen um meine Herkunft irgendein Leid bringen.

"Glaub mir ich will dich nur beschützen!" Moira hörte sich verzweifelt an und ich wusste, dass sie in diesem Punkt die reine Wahrheit sprach. 

"Ich habe das Recht zu Wissen wer ich bin! Wenn du es mir nicht sagen willst, dann finde ich es selbst heraus." 

"Es tut mir leid, aber dass kann ich wirklich nicht zu lassen." In Moiras Augen sah ich einen unendlich großen Schmerz. Ich wusste tief in mir, dass sie mir nichts Böses wollte, aber sie würde mich aufhalten. Hatte es schon die ganze Zeit versucht. "Glaub mir, wenn ich dir sage, dass deine Unwissenheit dich beschützt."

Ich schüttelte meinen Kopf. Unfähig dass alles zu begreifen. Vor wenigen Minuten wusste ich noch nicht einmal, dass ich zwei Schwestern hatte. Und jetzt wollte eine von beiden mich schon bekämpfen. Mein Kopf tat so schrecklich weh, von den Versuchen, diese Barriere in meinem Kopf zu durchbrechen. Ich hatte eigentlich keine Kraft mehr um zu kämpfen, zudem ich Moira wirklich nichts böses wollte, aber ich konnte jetzt nicht mehr weiter in dieser Unwissenheit leben. Wie sollte ich auch?

Und so traf ich die einzige Entscheidung, die ich treffen konnte. 




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