58
Fieberhaft suchte ich den Boden nach einem Stein oder ähnlichem ab. Dass ich nicht schon früher darauf gekommen war, ärgerte mich.
Schließlich fand ich einen, während ich mir der Blicke meiner Mitstreiter nur all zu bewusst war, die mich mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung musterten, wie ich da auf dem Boden herumkrabbelte und irgendetwas im Wüstensand suchte.
Ich hob den handgroßen grauen Stein auf und schleuderte ihn ohne weiter zu überlegen in die Schlucht. Es flimmerte kurz, dann war er verschwunden. Es hatte ausgesehen, wie wenn man einen Stein in einen See warf und sich kleine ringförmige Wellen darum herum bilden würden. Ich grinste.
Ich musste wirklich sagen: die Illusion war einfach perfekt. Im Ernst ich fühlte sogar den starken Wind so nahe am Abgrund. Aber ich war mir zu fast 99 Prozent sicher, dass das nicht echt war. Also setzte ich an einen Fuß in die Schlucht zu setzten.
Urplötzlich riss mich eine Hand zurück es war Jesse. "Was zum Hades tust du?" fuhr er mich fast schon entsetzt an. "Bist du jetzt lebensmüde?"
Vor Schreck zuckte ich zusammen. In meinem Tatendrang hatte ich die Anderen, die mich alle ziemlich erschrocken ansahen, fast schon vergessen. "Ähm, das hier" ich deutete auf die klaffende Schlucht vor uns, "ist nicht so wie es aussieht!"
"Also für mich sieht es so aus, als wärst du ernsthaft selbstmordgefärdet", meinte Med nur trocken.
Ich seufzte innerlich:" Ich meine diese Schlucht hier, die gibt es eigentlich gar nicht!"
"Ja, genau und ich bin der Weihnachtsmann", meinte Jace und schaute mich wütend an.
"Im Ernst Leute, dass ist genau wie mit dem Drachen. Das ist eine Illusion. Wer auch immer hinter dieser Magie steckt, möchte uns davon abhalten weiterzugehen", setzte ich zur Erklärung an.
"Aber wer sollte das sein? Wer könnte hinter all dem stecken?"
"Ich weiß es nicht. Aber wir müssen weiter! Die Schlucht ist kein Hindernis. Nicht wirklich", sprach ich zu meinen Gefährten.
"Also ich weiß nicht. Ich spüre den Wind, der durch die Schlucht peitscht. Das wäre schon eine ziemlich reale Illusion. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so etwas zaubern hätte können", gab Jesse zu bedenken.
"Vertraut mir. Das ist keine richtige Schlucht."
Zögernd gab Jesse schließlich meinen Arm frei und alle schauten mir mit angehaltenem Atem zu wie ich ansetzte mein Bein über den Rand der Schlucht zu schwingen. Ehrlich gesagt hatte ich selbst ziemliche Angst, dass ich falsch lag. Ich hatte wirklich keine Lust in die Schlucht zu stürzen und zu sterben. Ich konnte schon die Erzählungen vor meinem inneren Auge sehen: Die Halbgöttin, die sich in den Tode stürzte, weil sie dachte die Schlucht wäre keine Schlucht.
Aber mein Fuß stürzte nicht in die gähnende Leere der Schlucht. Dort wo kein Boden hätte sein sollen, war etwas festes unter meinem Fuß. Ich stand mitten in der Luft. Erleichtert stieß ich die Luft, die ich angehalten hatte, aus. Den Göttern sei Dank hatte ich Recht gehabt.
Fast schon triumphierend drehte ich mich zu Jesse um. "Na kommt!"
Erstaunt grinste er mich an und auch seine Erleichterung zeichnete sich klar auf seinem Gesicht ab. Auch die Anderen schnaubten erleichtert auf. Etwas zögerlich fingen wir an die Schlucht zu überqueren. Es war ein sehr befremdliches Gefühl, so in der Luft zu laufen, mit einem tiefen Abgrund unter den Füßen und nicht als unsichtbarem Boden dazwischen. Obwohl ich wusste, dass es eine Illusion war, grummelte mein Magen vor Furcht. Ich hatte ziemliche Höhenangst und es war einfach alles so real. Der Wind peitschte mir von unten durch die Haare, als wäre die Schlucht doch Wirklichkeit.
Ich erschrak bei dem Gedanken daran, wie mächtig die Person sein musste, die das hier geschaffen hatte. Doch ich konnte nicht begreifen, was der Grund für ihr handeln sein musste. Es kam mir vor, als ob sie mich daran hindern wollte, herauszufinden wer ich eigentlich war. Aber wieso nur? Wieso wollte sie nicht, dass ich herausfand, wer meine Mutter war?
Ich warf einen Blick auf meine Reisegefährten, die manche zögerlich, manche sicher durch die Luft liefen. Als mein Blick zu Med fiel, musste ich mir ein kleines Schmunzeln verkneifen. Meine beste Freundin war ziemlich grün um die Nase und schaute mit starrem konzentrierten Blick auf das Ende der Schlucht, als müsste sie sich mit aller Macht davon abhalten nach unten in den gähnenden Abgrund zu blicken.
Es war nicht mehr weit. Nach kurzer Zeit hatten wir die Schlucht überquert und konnten den Boden unter unseren Füßen wieder sehen. Jedem war ins Gesicht geschrieben, wir froh er darüber war, die Wanderung durch das Nichts hinter sich zu haben. Sogar Med war wieder zu einem Scherz aufgelegt und hatte wieder damit begonnen sich mit Jesse zu zanken. Wonder und Clyde waren in einer innigen Umarmung versunken. Ich konnte mir denken, dass die letzten Minuten ganz schön an seinen Nerven gezerrt haben mussten, nach seinen Erfahrungen mit dem Sturz vom Pegasus.
In der Ferne sah ich eine Felsformation in den Himmel ragen, die sich wohl perfekt für ein Lager für die Nacht eignen würde. "Leute? Lasst uns noch bis dort vorne wandern und dann unser Lager aufschlagen. Ich glaube jeder ist für heute mit den Nerven am Ende."
Med nickte und auch Wonder stimmte mir gleich zu. Auch Jesse nickte zustimmend. Nur Fyra hatte ihre Stirn in Falten gelegt. "Habt ihr nicht auch so ein ungutes Gefühl?" fragte sie in die Runde. Sie war ziemlich blass um die Nase, wie mir auffiel. Nymphen waren für ihre starke Intuition bekannt und so jagten mir ihre Worte einen kalten Schauder über den Rücken. Für meinen Geschmack reichte es langsam mit der Aufregung.
"Wie meinst du?" fragte Kaleb.
"Ich weiß nicht, es ist nur so ein Gefühl, als ob irgendetwas...kommt", meinte sie. "Wir sollten schnell weitergehen!"
Ich nickte und die Gruppe setzte sich mit bedrückter Stimmung weiter in Bewegung und wieder hing dieses Gefühl, der Ruhe vor dem Sturm knisternd in der Luft.
Die Felsformation war doch weiter entfernt, als angenommen und so hatte bereits die Dämmerung eingesetzt, als wir schließlich dort ankamen. Mit geübten Handgriffen begannen wir stillschweigend unser Lager aufzuschlagen. Jedem war die Anstrengungen der letzten Tage anzusehen. Eine Wanderung durch die Hölle war wahrlich kein Zuckerschlecken. Jeder wurde durch das hitzige Klima ausgezehrt, nur Clyde, der wohl durch seine göttlichen Gene gefeit war, schien es nichts auszumachen.
Ich zog gerade, völlig in meinen Gedanken versunken, meinen Rucksack aus und wollte darin nach meiner Wasserflasche suchen, als eine fremde und doch seltsam vertraute Stimme ertönte. Erstaunt hob ich den Kopf und erstarrte förmlich zur Salzsäule.
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