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"Med. Ich bin mir sicher, dass ich kein Gott bin. Das wäre doch vollkommen absurd!"

"Vielleicht. Aber überlege doch mal. Du weißt weder wer deine leibliche Mutter ist, noch wer dein leiblicher Vater ist. Und wenn wir mal ehrlich sind, dann bist du auch keine typische Halbgöttin. Du hast ein komisches Zeichen in deinem Nacken, das undeutbar ist und du verstehst dich mit Monstern fast besser als mit Halbgöttern. Außerdem begegnest du hinter jeder Ecke irgendeinem Gott, als würden sie dir nur so auflauern. Ein typischer Halbgott interessiert die Götter eigentlich nicht die Bohne."

"Na, vielleicht bin ich dann ja keine Halbgöttin, sondern ein Monster wie du!" lachte ich. "Das Ty-Monster. Nehmt euch in Acht. Ich liebe frisches Halbgötterfleisch!"

Med rollte nur mit den Augen. "Ich meine das ernst, Ty!"

"Ich doch auch", grinste ich und für mich war das Thema damit gegessen. Ich war keine Göttin, Schluss-aus-fertig. Bei diesem Punkt war ich mir sehr sicher. Kaum hatte ich meine Gedanken zu Ende gesponnen, kam mir ein Gedanke.

"Med?" fuhr ich mit großen aufgerissenen Augen zu ihr herum. 

"WAS?" erschrocken zuckte sie, aus ihren Gedanken herausgerissen, zusammen. 

"Was ist... nein...vergiss es", sagte ich zögerlich, als würde ich mich zieren etwas auszusprechen.

"WAS?" Ein leicht genervter Unterton schlich in ihre Stimme. Ich wusste genau, wie sehr sie es hasste, wenn man nicht gleich mit der Sprache rausrückte.

"Was ist ...hm, nein...das kann nicht sein..." grummelte ich extra langsam vor mich hin.

"Jetzt sag schon!" knurrte sie schon fast. Die Ungeduld hatte die Überhand genommen.

"Was ist, wenn ich deine Tochter bin?" meinte ich todesernst und konnte mich kurz darauf, bei ihrem Gesichtsausdruck schon nicht mehr halten. Ihre Kinnlade hing förmlich auf dem Boden und selbst wenn ich ihre Augen hinter den großen Sonnenbrillengläsern nicht sehen konnte, konnte ich mir den Ausdruck in ihnen nur all zu gut vorstellen.


~*~


Der restliche Tag verlief so ereignislos wie auch langweilig. Wir legten ein ganz gutes Stück zurück, sodass Fred meinte, dass wir im Laufe des nächsten Tages den Fluss erreichen würden. Doch je näher wir diesem kamen, desto mehr kochte ein ungutes Gefühl in mir hoch. Als würde irgendetwas versuchen mich zu warnen. Seit dem Mittag schon brodelte es in meinem Bauch und das wirklich nicht, weil ich Blähungen hatte. Ich hatte dieses Gefühl, der Ruhe vor dem Sturm.

Vorne stockte unser kleiner Menschenzug auf einmal. Ich reckte meinen Hals um zu sehen, wieso die Anderen angehalten waren. Clyde, der in erster Reihe lief war angehalten und hatte die Hand zur Faust geballt leicht in die Luft gestreckt, um uns zu bedeuten, anzuhalten. Ich streckte mich noch weiter, um zu sehen, was ihn dazu veranlasst hatte, doch ich konnte beim Besten Willen nichts erkennen. 

Clyde lief noch ein paar zögerliche Schritte weiter, den Blick vorsichtig auf den Boden gerichtet. Dann kam er wieder zu uns zurück. "Wir können hier nicht weiter!" begann er. "Vor uns erstreckt sich eine riesige Schlucht. Wir haben keine Change darüber zu kommen."

Ich zuckte zusammen. Wir hatten den ganzen Weg jetzt aber nicht umsonst gemacht. Ich hatte dutzende Blasen an meinen zerschundenen Füßen, meine Kehle tat weh, von dem ewigen Sand der Hölle und meine Kleider fühlten sich so verdammt ekelhaft auf meinem verschwitzen Körper an, dass ich mir nichts sehnlicher als eine Dusche wünschte. Ich konnte jetzt nicht auch noch einen unendlich langen Umweg in Kauf nehmen, geschweige denn unverrichteter Dinge umzukehren. 

Unwirsch drängte ich mich an Clyde vorbei, um die angeblich unüberquerbare Schlucht selbst in Augenschein zu nehmen. 

Kaum war ich an den Rand des Abgrundes getreten, riss ich erschrocken die Augen auf. Vor mir erstreckte sich eine Schlucht, die so tief schien, dass ich ihren Grund in der undurchdringlichen Schwärze, die dort unten herrschte, nicht ausmachen konnte. Die Felswand war so steil und teilweise auch so glatt, dass man ein Hinabsteigen, sowieso vergessen konnte. Und es gab auch keine Möglichkeit an das andere Ende zu gelangen, so breit war die Schlucht.

Ich wollte mich gerade enttäuscht abwenden, als ich ein komisches Flimmern an der Schlucht bemerkte. Ich hielt verdutzt inne. Jetzt war das Flimmern wieder verschwunden, doch es hatte mich an irgendwas erinnert, doch es wollte mir partout nicht einfallen. Grübelnd musterte ich die Schlucht, die scheinbar aus dem Nichts vor uns aufgetaucht war.

Meine Reisegefährten waren mittlerweile auch zu mir getreten und hatten eine rege Diskussion begonnen, ob man die Schlucht vielleicht doch irgendwie überqueren könne. Wonder hatte schon ein paar Enterhacken aus ihrem Rucksack gezaubert, während Clyde sie wütend anfuhr, dass das keinen Sinn hatte.

Ich klingte mich aus ihrem Gespräch aus. Irgendwas war hier falsch. Das Flimmern war zwar nicht wieder aufgetaucht, doch ich fühlte eine eigenartige Energie von der Schlucht ausgehen. So etwas hatte ich doch schon einmal gespürt. Angestrengt durchforstete ich meinen überfüllten Kopf. 

Schließlich durchzuckte es meinen Verstand wie einen Blitz. 


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