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Der Sturz dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Es fühlte sich so an, als würde mein Geist dabei auf ekelhafte Weiße verdreht werden. Schwer zu beschreiben, aber es fühlte sich grauenhaft an und mir wurde kotzübel. Unten war auf ein mal oben, wir wurden herumgewirbelt bis die Tortur schließlich ein jähes Ende fand und uns das Höllentor auf groben Fels ausspuckte.
Ein schmerzhafter Stich schoss mir durch den rechten Arm, als wir unsanft auf den harten Untergrund geschleudert wurden.
Jesse, der es unbegreiflicherweise geschafft hatte auf seinen Füßen zu landen, half mir auf. Als ich die Umgebung um mich herum sah, vergaß ich meinen verletzten Arm und riss einfach nur die Augen auf.
Hier würde ich also hinkommen, wenn ich tot war. Der Himmel und die ganze Luft um uns herum war ein einziges rotes Flimmern, wie ich es noch die zuvor gesehen hatte. Und die Hitze war allgegenwärtig. Ich hatte mir die Hölle immer als einen Ort vorgestellt, an dem es eiskalt war, aber das war ganz und gar nicht so. Jedenfalls nicht dieser Teil der Hölle.
Nur wenige Schritte von uns entfernt, eröffnete sich eine riesige Schlucht, in der es nur so von Gestalten wimmeln zu schien. Gestalten, die irgendwie durchsichtig schienen, wie Geister, aber farblos und grau.
"Das ist der Asphodeliengrund", erklärte Jesse uns.
"Der Ort an dem die Verstorbenen hinkommen", bemerkte Wonder fast lautlos vor Ehrfurcht.
Es war ein komischer Gedanke, aber irgendwann würden wir wohl alle dort hinkommen, wenn wir starben. Nun aller Wahrscheinlichkeit. Wenn man es so wollte gab es drei Orte in der Unterwelt. Da wäre einmal der Asphodeliengrund für die Normalos. Dann gibt es das Elysion für die Helden und zuletzt noch den Tartaros, die wahre Hölle. Mit dem Feuer, den Qualen und der Bestrafung, wie man sich eine Hölle eben so denkt.
"Wie geht es deinem Arm?" Jesse war an mich herangetreten und strich vorsichtig über mein Handgelenk. Ich schaute ihm überrascht in die Augen. In seine wunderschönen Augen... In Gedanken schüttelte ich mich, nein, nein, nein, nein. Ich durfte jetzt nicht wieder damit anfangen mich in ihn zu verlieben.
"Das ist nichts weiter. Nur eine oberflächliche Schürfwunde. Sie tut auch schon gar nicht mehr so weh", meinte ich nur und brachte unauffällig etwas Abstand zwischen uns beide.
"Und wohin müssen wir jetzt?" fragte Wonder und Riss mich damit aus meinen Gedanken, die sich natürlich nicht um Jesse gedreht hatten.
"Wir müssen zu Mnemosyne", meinte Jesse während er mich unverwandt anschaute. Wieso tat er das?
"Ja und wo liegt dieser Fluss genau?"
"Ähm", sichtlich aus dem Konzept gebracht, wandte sich Jesse ihr zu. "Das ist eine gute Frage."
"Du weißt nicht wo sie ist?" Ich musste mich wirklich beherrschen ihn nicht anzuschreien. Aber langsam war ich mit meinen Nerven wirklich am Ende. Nichts lief nach Plan und dann musste er mich die Ganze Zeit mit diesem verdammten Blick anstarren.
"Nein, ich dachte du weißt das. Du weißt doch sonst immer alles", auch er wurde jetzt etwas lauter.
"Es war deine Idee, schon vergessen? Komm Tay, springen wir mal kurz in die Unterwelt. Da gibt es diesen Fluss, der all unsere Probleme lösen kann. Ups, habe ich dir nicht gesagt, dass ich nicht einmal weiß wo dieser verdammte Fluss ist?" äffte ich ihn nach.
"Okay. Okay", mischte sich Wonder ein. "Stop! Das hilft uns jetzt kein bisschen." Ich schnaubte nur. Wir waren ohne Plan in der Hölle, was sollte uns jetzt noch helfen? "Wir müssen einfach jemanden finden, der die Unterwelt wie seine Westentasche kennt und ich weiß auch schon genau zu wem wir da müssen."
"Zu Hades? Spinnst du? Der frisst uns zum Frühstück", sagte ich nur entrüstet.
"Nein. Ich meine den Fährmann, Charon."
"Oh, ja das könnte klappen", lenkte ich ein. "Habt ihr etwas da um ihn zu bezahlen?" Ich fing an in meinem Rucksack zu kramen, während die anderen ihre Jackentaschen durchwühlten. Es war nicht die Beste Ausbeute, aber damit konnten wir bestimmt was anfangen.
"Charon müssten wir bestimmt am Ufer des Styx finden. Hoffen wir mal, dass er gerade auch auf der richtigen Seite ist", meinte Jesse. Ich nickte, "Also los. Finden wir den Fährmann der Unterwelt."
Der Marsch durch die Unterwelt war wirklich kein Zuckerschlecken. Die Hitze war schier unerträglich. Und die Landschaft war eintönig und grau. Den Ashpodeliengrund hatten wir mittlerweile weit hinter uns gelassen und wir steuerten mittlerweile auf den Tartaros zu. Je näher wir dem Ort der Schmerzen kamen, desto heißer wurde es. In der Ferne flimmerte die Luft verdächtig, als würde dort ein Feuer wüten.
Bisher waren wir noch keinem Monster oder Gott begegnet, wofür ich wirklich dankbar war. Weitere Komplikationen konnte ich im Moment wirklich nicht ertragen. Ich war langsam Nahe dran zusammen zu brechen. Seit wir hier unten waren, schien alles so hoffnungslos. Aber ich glaubte, dass war es was die Hölle mit einem anstellte. Sie raubte einem die Hoffnung.
Kennt ihr die Geschichte der Büchse der Pandora? In Kurzform: Die Büchse enthielt alle Übel der Welt und Pandora sollte sie eigentlich nicht öffnen, was sie dann letztendlich aber doch tat. Und das letzte und angeblich größte Übel darin war die Hoffnung. Pandora schloss die Büchse aber wieder, bevor die Hoffnung entweichen konnte, sodass sie immer noch in der Büchse gefangen war. Ich denke Pandora hat die Büchse nicht auf der Erde geöffnet, sondern in der Unterwelt. Und dass hier unten deshalb keine Hoffnung geben kann. Es war nur ein Märchen, aber irgendwie schien mir die Vorstellung plötzlich gar nicht mehr so abwegig.
Ihr müsst wissen, jede Geschichte enthält ein Körnchen Wahrheit.
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