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Also beschloss ich, bevor ich jetzt ewig scheinbar völlig sinnlos den Wald durchstreifte, schaute ich noch einmal kurz wegen dem Höllentor. Ich wusste selbst nicht, was genau ich dort suchte oder ich dort zu finden erhoffte. Wohl einfach irgendeinen Hinweis.
Ihr müsst wissen, dass Höllentore verdammt selten sind. Ich glaubte, es gibt fünf Tore auf der ganzen Welt, die bekannt waren. Und jetzt war einfach eines hier, mitten im Nirgendwo. Mein Bauchgefühl sagte mir, irgendetwas war hier gewaltig faul.
Das Erste was ich bemerkte, als ich in der Mitte des Schlachtfeldes ankam, war wie sehr sich das Tor bereits vergrößert hatte. Zuvor hatte es vielleicht einen Durchmesser von drei Metern gehabt, jetzt erschien es mir als wäre es bereits das Doppelte. Am Beängstigenden war allerdings, die undurchdringliche Schwärze des Loches. Beziehungsweise der rot glühende Schimmer, der doch durch die Finsternis drang. Und da hatte ich reinspringen wollen? Ich musste verrückt sein.
Das war wieder einmal eine absolute Schnapsidee von mir gewesen. Zu meinem Leidwesen hatte ich die des Öfteren.
Ich machte mich also daran das Höllentor genauer zu inspizieren mit dem letztendlichen Endergebnis, nach zehn Minuten, dass ich absolut nichts gefunden hatte.
Kein Hinweis von Med, Kaleb oder Fyra und das war dann das was mich am Ende stutzig werden ließ. Wenn die drei hier vorbei gekommen waren und das waren sie, denn warum hätte der Mantikor in diesem Punkt lügen sollen, er hatte schließlich nichts davon, dann hätten sie doch irgendein Zeichen hinterlassen. Klar, es war natürlich nicht sehr wahrscheinlich, dass wir genau diesen Platz finden würden. Aber wenn man in meiner Welt lebte, dann wusste man das das Unwahrscheinliche äußerst wahrscheinlich war. Macht das überhaupt irgendeinen Sinn?
Nun ja, ich kannte Med sehr gut und sie würde für den Fall der Fälle ein Zeichen für uns hinterlassen. Was sie aber offenbar nicht getan hatte. Also stellte sich mir die Frage warum nicht.
Im Ernst, ich kam mir langsam wirklich wie ein richtiger Detektiv vor. Es fehlte nur noch, dass ich mit einer Lupe und Fingerabdruckpulver die Statuen bearbeitete.
Aber der Gedanke ließ mich einfach nicht los. Irgendwas war hier passiert.
Wenig später beschloss ich, dass es sinnlos war und auch Jesse, ja selbst Wonder hatten den gleichen Gedanken gehabt, sodass wir fast zeitgleich bei unserem alten Lager am Waldrand ankamen.
"Habt ihr ihn gefunden?" fragte Wonder mit zitternder Stimme. Die Arme tat mir so leid, die Hoffnungslosigkeit war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben und wie durch einen Schleier fühlte ich, wie sie ihn ihrer Nähe auch zu mir durchdrang.
"Nein", Jesse schüttelte nur den Kopf. "Es ist aussichtslos. Es tut mir leid, Wonder."
Wonder nickte nur, als würde sie die Situation gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Ich trat vor und nahm sie einfach nur in den Arm. In diesem Moment war mir egal, ob ihre Gefühle mich zu überwältigen drohten. Auch wenn ich sie in der Akademie nie richtig leiden konnte, als Tochter des Ares, die "Hau den Minotaurus" gern spielte, waren wir durch die Reise doch irgendwie Freundinnen geworden und sie war mir ans Herz gewachsen. Das Ganze hier hatte sie nicht verdient und wenn man es nüchtern betrachtete, war es meine Schuld. Ohne mich gäbe es diese Mission nicht.
"Also was machen wir jetzt", meinte Wonder nach einiger Zeit und löste sich tapfer aus der Umarmung.
"Ich würde vorschlagen wir gehen in die Hölle", meinte Jesse vollkommen nüchtern.
Überrascht starrte ich ihn mit bestimmt offen stehendem Mund an. "Was?"
"Das ist jetzt aber nicht dein Ernst", meinte Wonder nur. "Sorry, aber ich habe jetzt wirklich kein Bock auf Späßchen."
"Doch. Klar die Suche nach diesem Mantikor in der Hölle ist vollkommen sinnlos, aber die Idee hat mich auf eine andere gebracht. Kennt ihr die Mnemosyne?"
"Ähm nein?!" schnaubte Wonder sichtlich genervt.
Jesse musste sich wohl ziemlich anstrengen bei ihrem Tonfall nicht die Augen zu verdrehen, denn sein linkes Auge zuckte verdächtig. "Das ist ein Fluss in der Unterwelt. Auch bekannt als Göttin der Erinnerung. Man sagt, wenn man aus dem Fluss trinkt, dann erinnert man sich an alles und wird mit der Gabe der Allwissenheit beschenkt. Sie kehrt die Wirkung von Lethe praktisch wieder um."
"Aus Lethe trinken die Toten, oder? Um ihr Leben zu vergessen", fragte Wonder auf einmal neugierig.
"Ja. Genau. Weißt du Tay, vielleicht kannte dich diese Theresia Svenson ja wirklich. Tote können nicht lügen. Vielleicht kannte sie dich also und du weißt es nicht mehr. Wenn du also aus Mnemosyne trinken würdest, dann könntest du dich wieder erinnern und vielleicht wüsstest du dann sogar, wer deine Mutter ist."
Ich schluckte schwer bei der bloßen Vorstellung daran mich an vergangene Leben wieder erinnern zu können, dass konnte doch nicht gut sein, oder?
"Also ich weiß nicht so recht", meinte ich zu Jesse.
"Ich denke nicht, dass du dich an alles erinnern würdest, wenn du nur ein kleinen Tropfen zu dir nehmen würdest und dich auf Theresia konzentrieren würdest. Aber es ist ein Risiko das stimmt. Letztendlich ist es deine Entscheidung, Tay."
Meine rechte Hand umklammerte krampfhaft Jesse Pranke, während meine linke nicht weniger fest Wonders Hand hielt. Gemeinsam standen wir vor dem Loch zur Hölle, dessen Boden ich beim besten Willen nicht erkennen konnte. Wollte ich das wirklich tun? Ich schaute an den Himmel, an dem Wanta unruhig über uns ihr Kreise zog. Eigentlich hatte ich den Pegasus schon längst nach Hause geschickt, ich konnte sie schließlich nicht mit in die Unterwelt mitnehmen. Da hatte ein Pegasus so gar nichts verloren. Aber die liebe Wanta hatte sich bis jetzt geweigert wegzufliegen. Offenbar hoffte sie, dass ich es mir noch einmal anders überlegen würde.
Es war ja nicht nur so dass die Unterwelt unvorstellbare Gefahren bereithielt, sondern auch das wir überhaupt keine Ahnung hatten, wie wir dort wieder herauskommen sollten. Sicher es gab Wege, es gibt immer Wege, aber die kannten wir nicht. Niemand von uns dreien war bisher in der Hölle gewesen. Aber es war eine Chance. Eine wahrscheinlich größere Chance, als der Weg über Circe. Und ich brauchte diese Antworten.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie es ist sein ganzes Leben nicht zu wissen, wer man ist. Ich musste es wissen und es war keine Option, das meine Mission erfolglos verlief. Ganz im Ernst Leute? Wenn ich mir aussuchen könnte gegen eine Schar Harpyien in beängstigender Höhe zu kämpfen oder eine Reise durch die Hölle zu wagen, dann würde ich mich ohne groß überlegen zu müssen für die Harpyien entscheiden. Aber es musste sein und deshalb würde ich es tun.
"Wenn ihr jetzt umkehren wollt, dann tut das. Ich wäre euch wirklich nicht böse", meinte ich mit zitternder Stimme zu Jesse und Wonder. Ich konnte sie schließlich nicht dazu zwingen diese Reise mit mir anzutreten. Insgeheim hoffte ich jedoch auf ihre Unterstützung. Bei dem Gedanken daran allein dort unten zu sein, wurde mir am ganzen Körper eiskalt.
"Ich lasse dich nicht im Stich", meinte Jesse nur entschlossen. Und auch Wonder nickte: "Wir sind ein Team. Wie heißt es in diesem lustigen Film? Einer für alle und alle für einen?"
Ich nickte nur dankbar. Ich war in diesem Moment nicht in der Lage dazu meine Erleichterung in Worte fassen zu können. "Dann los!" brachte ich schließlich hervor.
Und wir sprangen ins Ungewisse des schwarzen Höllentors.
~Med~
Die Landschaft hier unten war trostlos. Überall waren nur Felsen. Etwas anderes schien es nicht zu geben. Felsen und Feuer.
Die Schreie der Verdammten klangen mir schon in den Ohren. Ich war wirklich nicht gern hier unten, aber von Zeit zu Zeit zog es ein Monster eben wieder an diesen Ort. Wenn auch diesmal eher unfreiwillig. Die Hitze brannte mir schon seit Stunden unangenehm auf meiner Haut. Hier unten war es definitiv zu heiß für meinen Geschmack.
"Alles klar bei euch?" rief Kaleb von weiter vorne. Er stützte Fyra, die sich bei dem Sturz das Bein verstaut hatte.
"Ja", rief ich zurück und musterte den Jungen neben mir scharf, der seit er vom Himmel gestürzt war und uns mit hier herunter gerissen hatte, nicht viel geredet hatte.
"Hat eigentlich irgendjemand einen Plan, wie wir wieder hieraus kommen", motzte Fyra von vorne. Die Nymphe ging mir langsam so richtig auf den Geist. Wieso hatten wir sie auch mitnehmen müssen, wenn sie nicht gewesen wäre, dann wäre das alles nicht passiert. "Oder in der Unterwelt wo wir hier überhaupt genau sind?"
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