30
"Jesse?" entfuhr es mir einfach aus Überraschung ihn hier zu sehen. Mitten in einem Wald, wissen die Götter wo. Keine Sekunde später verfluchte ich mich aufs Übelste dafür, denn natürlich hatte er mich gehört und drehte sich nun Richtung Gebüsch um, in dem ich noch immer hockte. Ach die Welt meinte es gut mit mir. Peinlichkeiten wurden mir immer erspart.
"Ist da jemand?" fragte er herrisch, wie er immer war.
"Nein", antwortete ich in der Hoffnung, dass er seit unserer Trennung sehr sehr sehr viele Gehirnzellen verloren hatte. War leider nicht der Fall...
"Tay?" Fragte er völlig überrascht. "Bist du das?"
"Nein", probierte ich es nicht sehr optimistisch ein zweites Mal.
Jesse schnaubte gereizt. "Komm da raus, Tay."
Ich überlegte kurz es noch ein drittes Mal mit Nein zu probieren, denn schließlich waren alle guten Dinge drei. Aber ich entschied, dass das dann wohl zu lächerlich war.
Also trat ich wohl oder übel aus meinem Busch heraus, den ich jetzt schon vermisste. Jesse stand mit verschränkten Armen auf der Lichtung und funkelte mich mit seinen irritierend orangebraunen Augen an. Bernsteinfarben, fuhr es mir durch den Kopf, ja so könnte man die Farbe auch bezeichnen. Viel zu schön für dieses Arschloch.
"Hi", sagte ich unbekümmert und strich mir einige Blätter aus den Haaren. Ich legte den Kopf leicht schief und musterte ihn. Bloß nicht anmerken lassen, wie sehr seine Anwesenheit mich durcheinander brachte. "Was machst du denn hier?"
"Ich ... ach das geht dich nun wirklich nichts an. Aber was machst du hier?"
"Ach ... ich mache hier einen Spaziergang."
"Ist klar", antwortete er auf meine Aussage. "Mitten im Wald, fernab von der Zivilisation? Das ist ja auch genau dein Ding."
"Jep, ist es ich weiß. Sind diese Bäume nicht hübsch? Und erst dieser Boden... ach eine wahrliche Wohltat für die Seele", seufzte ich so kitschig glücklich, wie ich nur konnte.
Die Blumennymphe checkte es natürlich nicht und sprang sofort darauf an. "Ja nicht wahr? Es ist so hammer geil hier! Ich könnte nur ein bisschen mehr Licht hier unten vertragen. Meine Haut welkt schon ein bisschen..."
Ich nickte ihr verständnisvoll zu. "Ja, ich sehe es."
Ich konnte förmlich sehen, wie der Nymphe die Kinnlade runterfiel und sich ihr selbstsicherer Gesichtsausdruck in pures Entsetzten verwandelte. "WAS?? Meine Haut welkt? Mann sieht es? Siehst du es auch Jesson?" Ich verdrehte die Augen, als das Mädchen von diesem Namen gebrauch machte. Jesson. Er hieß Jesse. Jedenfalls, ... Nein, Jesson war gut. Ich sollte auch anfangen ihn so zu nennen. Das war formeller.
Jesse, Entschuldigung Jesson, funkelte mich böse an. Schnell drehte er sich zu seiner neuen Geliebten um und versuchte haare ringend sie zu beruhigen. Ach, herzallerliebst.
"Nein. Deine Haut welkt natürlich nicht. Du siehst wunderschön aus, wie immer."
"Ach, ich sehe heute aus wie immer? Wie immer? An diesem besonderen Tag sehe ich aus wie immer?"
"Oh, nein, du siehst hundertmal schöner aus als sonst!" beteuerte er ihr.
Sie schluchzte auf. "DU FINDEST ICH SEHE MIT WELKENDER HAUT SCHÖNER AUS, ALS SONST!!!" kreischte sie empört. Ich hielt mir die Ohren zu. WOW.
Doch es freute mich natürlich außerordentlich zu sehen, wie tief mein Ex gesunken war. Hach, das war wirklich ein schönes Gefühl und so schadenfroh war ich im Normalfall gar nicht. Sicher ich war schadenfroh ... manchmal ... keine Frage ... nein sehr selten ... wirklich sehr selten. Aber jetzt, oh, das war einfach zu gut. Ich stand bestimmt auf dieser Lichtung mit dem breitesten Honigpferdgrinsen meines Lebens.
Jesson versuchte derweil verzweifelt seine Blumennymphe zu beruhigen. Vergebens. Leute, ich glaube diese Beziehung hielt nicht mehr lange. Na ja, ich jedenfalls würde es mit keinem der Beiden lange aushalten, also hatten sie ja doch wenigstens eine Sache gemeinsam. Das und das Jessons Mutter ja auch eine Nymphe war. Oh Shit, vielleicht waren die zwei ja verwandt. OMG Inzucht, wie eklig!
Jesson kannte mich leider viel zu gut. Für eine Sekunde unterbrach er die Diskussion mit dem Mädchen, deren Haut übrigens perfekt war, oh ja ich war gemein, nur um mir zu zurufen: "Nein, sind wir nicht. Es ist immer wieder unglaublich auf was für kranke Gedanken du kommst."
Konnte er Gedankenlesen?
"NEIN!" kam es genervt zurück.
Ich starrte ihn an. "Ach jetzt tu nicht so geschockt. Ich kenne dich. Es ist nicht besonders schwer für mich zu erraten was du denkst."
Wow. So ein eingebildetes Arschloch. Wofür hielt er sich bitte?
"Und meine Mutter ist eine Windnymphe, nicht einmal eine Nymphe der Erde. Wir können gar nicht verwandt sein."
Ich verengte meine Augen sauer zu schlitzten. Im Kindergarten hatte ich damals alle immer zu Tode geängstigt, sogar die Erzieherinnen, erinnerte ich mich stolz. "Ach, entschuldige, ich war mir so sicher. Schließlich seid ihr euch so unglaublich ähnlich."
"Was soll das heißen?" mischte sich Blumi ein.
"Ach, keine Sorge, ich wollte damit sagen, das ihr einfach so wunderbar gut zusammenpasst. Ihr müsst Seelenverwandte sein."
"Ja, nicht wahr? Oh ich liiiiiiiiiebe diesen Kerl!" sprang Blumi natürlich sofort wieder darauf an. Wunderbar, freute ich mich innerlich, ließ mir äußerlich aber natürlich nichts anmerken. Hier ging es schließlich um's Geschäft.
"Ja, Ich weiß. Weißt du ich kann so was erkennen", log ich mit einem vertrauenserweckenden Grinsen auf den Lippen.
"Oh, bist du eine Tochter von Aphrodite?"
"Hm, vielleicht?"
"Oh, wie wunderbar! Wie wunderbar. Wie wunderbar!" Trallalalala, sag ich in Gedanken spöttisch mit.
Wow, jetzt fing sie wirklich an auf der Lichtung umher zu tanzen.
"Kann ich dich kurz allein sprechen, Tay?" fragte Jesson unvermittelt.
Ich grinste; "Ja, klar."
Wir gingen ein Stückchen von der Lichtung weg. Das Blumenmädchen merkte nicht mal das wir gingen. Sie war ganz in ihr gesinge und getanze vertieft.
"Deine Freundin ist ganz schön launisch, weißt du das?"
"Ach, was du nichts sagt", brummte er.
"Ja, sie ist echt komisch."
"Was machst du wirklich hier, Tay?"
"Ähm... einen Spaziergang?"
"Wer hat dich hierhergeschickt? Was es sie?"
"Nope, das war Fred."
"Fred?", fragte er völlig verwirrt, aber das durfte er ruhig sein. Schließlich war ich das langsam auch. Wer zum Hades war sie?
"Na Fred eben", lautete meine Antwort also trotzig.
"Ist das einer ihrer Gefolgsleute?" drängte er.
"Hm, keine Ahnung. Er ist ein genervtes Irrlichtchen."
Ich konnte förmlich spüren wie er aufatmete.
"Nun, sag jetzt aber vor wem hast du solche Panik? Wer ist sie?"
Jesse Augen fokussierten auf einmal irgendwas hinter mir. Er fluchte. "Scheiße. Tay? Lauf!"
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