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„Es tut mir so leid, Wonder", meinte ich, als wir in Kalebs Wohnung ankamen. Ich hatte ein unendlich schlechtes Gewissen, weil ich Wonder und die anderen in diese unmögliche Mission mit reingezogen hatte. Meinetwegen war Wonder vor einer Stunde noch ein Meerschweinchen gewesen.


„Machst du Witze", meinte Wonder und schaute mich mit einer undeutbaren Miene an. „Das war das abgefahrenste was mir je passiert ist. Ich war ein Meerschweinchen und jetzt werden wir diese angefahrene Mission erledigen."


„Du findest das gut?" Total überrascht starrte ich das Mädchen an. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich einen Herzinfarkt bekommen und wäre in eine Schimpftirade gefallen.


„Natürlich. Das ist so cool. Ich bin so unendlich froh, dass Jesse mich hatte überzeugen können, dir bei diesem Einbruch zu helfen. Endlich passiert mal etwas Spannendes in meinem Leben", meinte sie begeistert und grinste mich regelrecht an. Ich fragte mich, ob sie ein bisschen verrückt war.


Jesse lachte. „Wonder liebt Abendteuer", erklärte er mir.


„Oh, ich dachte...", meinte ich und hielt mitten im Satz inne.


„Du dachtest ich bin sauer auf dich?" lachte Wonder. „Keine Sorge. Im Gegenteil ich finde es ziemlich klasse endlich auf eine Mission gehen zu dürfen", meinte Wonder.


„Naja eine richtige Mission ist es ja nicht. Es wurde schließlich nicht vom Rat genehmigt", korrigierte ich sie. Sie würde am Ende keinen Orden bekommen, wenn wir die Mission erfolgreich erledigen konnten. Dies bezweifelte ich allerdings sowieso.


„Orden sind nicht wichtig", meinte Clyde und mischte sich in unsere Unterhaltung an. Er setzte sich neben Wonder auf die Couch und legte seinen Arm um das Mädchen. „Uns geht es um die Erlebnisse, Erfahrungen und die Geschichten. Hier in Olympus erleben wir nichts neues mehr."


Ich saß in Kalebs Zimmer auf dem Boden. Vor mir standen eine Schale voll Wasser und die Phiole mit dem Blut von Theresia Svenson. Ihren Ring drehte ich nervös zwischen meinen Fingern. Die ganze Gruppe hatte sich quer durch das Zimmer verteilt und schaute mich erwartungsvoll an.


Ich jedoch zögerte. Ehrlich gesagt hatte ich doch ein bisschen Angst vor den Antworten, die ich durch dieses Gespräch möglicherweise erhielt. Ich hatte Angst vor der Verbindung, die ich mit einer Frau hatte, die vor über 250 Jahren gelebt hatte. Eine Verbindung, die ich mir einfach nicht erklären konnte. Aber da musste ich jetzt durch. Und ich wollte die Antworten ja auch, doch Angst hatte ich trotzdem vor der Wahrheit.


„Nun mach schon", meinte Med unwirsch. Sie zappelte schon ganz vor Aufregung. Ich blickte durch die Runde. Sie hatten alle bereits so viel für mich getan. Ich wusste wirklich nicht, wie ich ihnen jemals danken konnte. Und dies war schließlich erst der Anfang.


Ich holte tief Luft und begann mit der Beschwörung. Ich schnippte mit den Fingern und entzündete somit die schwarze Kerze, die ich mir bereitgestellt hatte.


„Cooler Trick", kommentierte Wonder meine kleine Feuerspielerei.


Ich nahm den Ring und hielt ihn kurz in die Flamme der Kerze. Dann ließ ich das heiße Wachs, das sich mittlerweile in der Kerze gebildet hatte, in das Wasser tropfen. Nachdem ich auch den Ring und das restliche Blut aus der Phiole in die Schale gelegt hatte, rührte ich gegen den Uhrzeigersinn im Wasser.


Auch dieses Mal dauerte es eine Weile dann tauchte Theresia Svensons Gesicht auf der Wasseroberfläche auf. Still musterte sie mich und mir wurde heiß und kalt zugleich. Würde ich endlich die Fragen erhalten auf die ich schon so lange gewartet hatte und für die ich nun schon sogar kriminell geworden war?


„Woher kennst du mich?" platzte die Frage aus mir heraus.


Theresia legte die Stirn in Falten, als müsse sie schwer überlegen. „Ich weiß es nicht", meinte sie schließlich und das Bild von ihr flackerte kurz. Ich schluckte ungläubig.


„Aber du meintest, dass du mich kennst", meinte ich verzweifelt. „Also musst du doch auch wissen woher!"


„Ja, das stimmt", meinte Theresia und runzelte immer noch ihre Stirn. „Aber ich weiß nicht mehr woher ich dich kenne." Wieder flackerte ihr Bild. Ich brauchte die Antwort. Ich würde sie kein drittes Mal beschwören können, den für die Beschwörung hatte ich das letzte Blut aus der Phiole gebraucht.


„Kennst du mich gut?" versuchte ich es mit einer anderen Taktik und es funktionierte. Theresias Stirn glättete sich und damit glättete sich auch die Wasseroberfläche. Das hatte Kirce in dem Kurs auch erklärt. Man durfte Toten keine Fragen stellen, die sie nicht wussten, sonst brach die Verbindung ab.


„Ja, ich kenne dich sogar sehr gut", meinte Theresia und ein Lächeln lag dabei auf ihren Lippen.


„Waren wir befreundet?" fragte ich weiter.


„Ich denke schon", meinte Theresia, aber sie schien sich nicht ganz sicher zu sein.


„Wie alt war ich, als du mich zu Lebzeiten kanntest?" stellte ich die nächste Frage. Langsam wusste ich nicht mehr, was ich fragen sollte. Ich hatte damit gerechnet, dass sie mir gleich die erste Frage würde beantworten können und hatte mir kein weiteres Fragenkonzept überlegt.


„Ich...", stotterte Theresia und das Bild flackerte. Die Verbindung drohte zu unterbrechen.


„Wer bist du?" fragte ich schnell und das Bild glättete sich sofort wieder.


„Theresia Svenson", meinte sie.


„Von wem stammst du ab?" Das war eine Frage ins Blaue, aber ich wusste in dem Moment einfach nicht mehr, was ich hätte sonst fragen können. Und die Spirale die sie als Zeichen trug, war dieselbe die auf dem Münzanhänger mit meinem Zeichen verbunden war. Das musste irgendetwas zu bedeuten haben.


„Ich weiß es nicht!" Theresia schrie die Worte beinnahe. Erschrocken fuhr ich zurück. Das Wasser in der Schale begann heftig Wellen zu schlagen und drohte überzuschwappen.


„Wer bist du?" fragte ich schnell, doch es war zu spät. Das Wasser begann zu kochen, es blubberte und schlug Wellen. Das Abbild von Theresia Svenson verschwand und ich hatte keine brauchbare Antwort bekommen. Das einzige was ich herausgefunden hatte, war das Theresia Svenson scheinbar genauso viel wusste, wie ich. Nämlich gar nichts.


Der Spuck legte sich wieder, als das Wasser völlig verdampft war und nur noch der Ring in der Schale übriggeblieben war. Innerlich taub blickte ich auf das Desaster. Ich war genauso weit wie davor, nur das ich jetzt noch die unmögliche Mission von Kirce aufgebrummt bekommen hatte.


„Tut mir leid, Ty", meinte Jesse und machte Anstalten mich in den Arm zu nehmen.


„Schon gut", blockte ich ab. Das Problem war, das ich nur zu gern in seinen starken Armen versinken würde, aber das steigerte meine Probleme nur. Ich musste jetzt stark sein. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem es kein Zurück mehr gab.

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