16*
Hinter uns peitschte ein waschechter riesiger Drache durch die Luft. Er war kohlrabenschwarz, wie die finsterste Nacht. Und die Augen des Drachens funkelten mich böse an. Mein Gehirn raste auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Situation. Alles was ich über Drachen wusste, wusste ich aus meiner Ausbildung und das war nicht sonderlich viel. Bisher hatte ich geglaubt, dass Drachen so gut wie ausgestorben waren, aber da jagte mich ein Drache mitten in Deutschland durch die Lüfte.
Ich musste irgendetwas tun. Ein Drache war soweit ich wusste schneller als ein Pegasus. Im Moment schien das Ungeheuer nur mit seiner Beute, sprich Wanda und mir, zu spielen. Meine Hände schwitzen mittlerweile so sehr, dass es mir immer schwerer viel, mich an Wanda festzuklammern. Hätte ich nur ein Tornadoelixier dabei, dass würde Wanda um einiges schneller werden lassen. Doch ich hatte nichts dabei außer dem Dolch, der in meinem Stiefel steckte und mit diesem würde ich das Ungeheuer höchstens noch wütender machen.
So blieb mir letztendlich nichts anderes übrig, als Wanda zu vertrauen und zu hoffen, dass wir den heutigen Tag überleben würden. Und das fiel mir gar nicht so leicht. Schließlich befanden wir uns immer noch im Sturzflug mit hundert Sachen in Richtung sicheren Todes. Wenn ich diese Tortur wirklich überleben sollte, würde ich ein Buch über meine Nahtoderfahrung schreiben.
Vorsichtig drehte ich meinen Kopf, um zu sehen wie weit der Drache noch von uns entfernt war. Doch ich konnte ihn nicht mehr sehen. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Doch ich bezweifelte schwer, dass er uns einfach in Ruhe lies. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm. Wie wild drehte ich meinen Kopf in alle Richtungen, doch ich konnte ihn nirgends sehen.
Unvermittelt hielt Wanda in ihrem Sturzflug inne. Wodurch ich mit dem Kopf gegen ihren Hals prallte und fast aus dem Sattel flog. Fluchend rappelte ich mich auf. Wanda hatte die Ohren gespitzt und schaute sich aufmerksam um. Urplötzlich machte sie in der Luft einen Hopser und warf mich dabei fast von ihrem Rücken. Sie schnaubte schwer. Der arme Pegasus hatte nach dieser Jagd bestimmt einen Schock bekommen und ich befürchtete schwer, dass ich diesen auch hatte.
Nachdem zehn Minuten später immer noch kein Drache aus der nächsten Wolke hervorgeschossen kam, um uns aufzufressen, beruhigte ich mich langsam. Misstrauisch befahl ich Wanda den Weg zurück nach Olympus einzuschlagen.
Die Sache stank doch zum Himmel. Kein Drache hätte sich so verhalten, wie dieser. Er hatte uns schon so gut, wie sicher und dann lies er uns in Ruhe. Ich war total erleichtert, dass wir noch lebten, aber es war eigenartig. Ein normaler Drache hätte uns getoastet und verschlungen. Ich befürchtete weiterhin, dass er plötzlich von der Seite angeschossen kam, sodass ich Wanda antrieb schnell zu fliegen.
Doch es passierte nichts dergleichen. Wir landeten sicher in der Nähe der Ställe. Total erleichtert fiel ich von Wandas Rücken und legte mich flach auf den Boden. Ich presste mein Gesicht regelrecht in das angenehm kitzelnde Gras. Ich war am Leben. Ich konnte es kaum fassen. Ich atmete tatsächlich noch und wurde gerade nicht in einem Drachenmagen verdaut. Hysterisch begann ich bei dem Gedanken zu lachen.
Ein Räuspern ließ mich schließlich hochschrecken. Vor mir erkannte ich ein paar Füße, die in eleganten Lederschuhen steckten. Langsam hob ich den Kopf. Es war Kaleb. Wenn er es nicht davor schon getan hatte, musste er mich jetzt definitiv für verrückt halten. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie ich für ihn ausgesehen hatte: auf dem Boden liegend und lachend, wie jemand der reif für das Irrenhaus war.
Tollpatschig und mit knallroten Kopf rappelte ich mich auf. "Hey. Was gibt's", fragte ich, als hätte ich mich gerade nicht wie eine Irre benommen.
"Was machst du da?" fragte er mich, wohl zu Recht, irritiert.
"Das Leben feiern", antwortete ich und konnte mein Glück immer noch kaum glauben. "Was machst du hier?" lenkte ich von meinem merkwürdigen Benehmen ab.
"Ich habe dich gesucht", meinte er nur und starrte mich weiter an, als wäre ich ein rosa Einhorn, dass gerade einen Regenbogen produziert hatte.
Dieser Blick wurde mir langsam aber sicher immer unangenehmer. "Weswegen?", fragte ich gedehnt. Kaleb wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Wanda in vollem Galopp angeschossen kam und mich fast umrannte.
Zu den Göttern, den Pegasus hätte ich ja fast vergessen. Ich wollte sie an ihrem Geschirr packen, doch sie wich mir geschickt aus. Und galoppierte weiter über die kleine Wiese. Völlig panisch versuchte das arme Tier sich hinter einem Busch zu verstecken. Wanda stand völlig unter Schock.
„Was ist mit dem Pegasus los?" fragte Kaleb entgeistert.
Ich seufzte. „Ich erzähl dir die Geschichte später. Ich komme gleich wieder", meinte ich zu ihm und eilte schnell in Richtung der Ställe. Ich stolperte in meiner Eile über einen Besen, den jemand mitten im Stallgang liegen lassen hatte. Ich verfluchte die Person, während ich mich wieder mühselig vom Boden aufrappelte und eilte dann geschwind weiter an meinen Spind. Natürlich klemmte auch noch meine Spindtür. Heute war tatsächlich mein Glückstag. Vielleicht war ich die Tochter von Tyche, der Göttin des Glücks. Ich schnaubte, wäre dann auch zu schön.
Endlich bekam ich die Tür auf und angelte mir meinen Eimer voller Süßigkeiten heraus. Eines hatten alle Pegasi gemeinsam: Sie waren regelrecht süchtig nach Süßigkeiten und ich hatte die Hoffnung Wanda damit wieder zu beruhigen.
Als ich mit dem Eimer hinauslief machte Kaleb, der immer noch blöd in der Gegend rumstand, große Augen. Die verängstigte Wanda, die immer noch versuchte sich hinter dem Busch, der sehr viel kleiner war als sie, zu verstecken, interessierte ihn wohl nicht so sehr, wie mein Vorrat an Süßigkeiten. Typisch Mann, wenn er jetzt noch einen dummen Spruch los lies, konnte er aber etwas erleben.
Vorsichtig stellte ich den Eimer ab und fischte ein Knoppers aus der Süßigkeitenmenge. Ich packte es aus und hielt es Wanda behutsam hin. Der verängstigte Pegasus hob leicht den Kopf und schnupperte in die Luft. Langsam kam sie schließlich nach jeder einer Ewigkeit auf mich zu geschlichen, wobei sie sich immer wieder in alle Richtungen umsah. Doch als sie das Maul schließlich voller Leckereien hatte, war wieder alles in bester Ordnung und sie schnaubte vergnügt. Vorsichtig nahm ich sie am Geschirr und führte sie in ihren Stall. Kauend lies sie sich widerstandslos führen. Tyche war wohl ausnahmsweise auf meiner Seite. Völlig erschöpft knallte ich schließlich die Stalltür hinter mir zu. Ich nahm mir vor später zu Miranda zu gehen und ihr zu empfehlen Wanda in eine Therapie zu geben und mich am Besten mit dazu. Der Schock saß mir immer noch tief in den Knochen. Erschöpft glitt ich an der Stalltür hinab und sank auf den Boden.
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