13*

Lächelnd dankte Kirce ihren zwei Dienern, die gerade einen Leichensack in den Kursraum geschleppt hatten und diesen vorsichtig zu ihren Füßen abgelegt hatten. Die Zauberin öffnete den Reißverschluss fast genüsslich und ich war mir nicht mehr so sicher, ob Nekromantie wirklich etwas für mich war.


Erleichtert atmete ich auf, als ich nicht den Körper eines toten Menschen in dem Leichensack erblickte, sondern den eines Hundes. Trotzdem schluckte ich trocken, als Kirce mit ihrem Unterricht fortfuhr.


Sie fing an, den Körper des toten Tieres mit Wasser zu besprengen und stimmte einen unheimlich klingenden Singsang an. Bei dem es mir kalt den Rücken hinunterlief. Nicht fähig wegzusehen, beobachtete ich Kirce konzentriert. Triumphierend riss sie so urplötzlich die Hände gen Himmel, dass ich erschrocken zusammenzuckte. Die Zauberin fiel in sich zusammen und sank erschöpft auf die Knie.


Und der Hund schlug seine Augen auf. Etwas ungelenk stand er auf und blickte zu Kirce hinauf, die sich mittlerweile wieder gefangen hatte. Blickte sie einfach nur an. Kein Bellen, kein Winseln. Der Hund gab keinen einzigen Ton von sich.


Kirce lachte triumphierend. "Es hat geklappt!" freute sie sich. "Mein ganz eigener Zombiehund! Platz! Mein Zombiehündchen, mach Platz", befahl sie. Wie ein gesteuerter Roboter machte der Hund Platz. Wieder schauderte es mir. Das war nicht richtig. Es war komplett gegen die Ordnung aller Dinge, aber irgendwie fand ich es auch cool.


Während Kirce vergnügt mir ihrem Hündchen spielte, gab sie uns die Aufgabe uns an Stufe 1 zu versuchen. Jeder von uns bekam einen Gegenstand und eine Phiole Blut, dazu noch eine Schale gefüllt mit Wasser und eine schwarze Kerze.


In meinen Händen, die vor Angst oder vor Aufregung zitterten, fand sich ein alter verrosteter Ring wieder. Das Blut in der Phiole, die ich dazu bekam, war schon ganz vertrocknet. Ich entzündete die schwarze Kerze mit einem Fingerschnippen. Das war einer meiner Tricks, zugegeben einer meiner wenigen Tricks. Leider reichte es auch nur für einen Kerzenstummel und nicht etwa für einen riesigen Minotaurus oder Jesse aus.


Ich wartete bis sich flüssiges Wachs in der Kerze gebildet hatte. Dann nahm ich den Ring, hielt ihn kurz in die Flamme und verbannt so den Ring des Verstorbenen mit der Kerzenflamme. Anschließend ließ ich das heiße Wachs in die Schale mit dem Wasser fließen. Den Ring tat ich ebenfalls in die Schale und schließlich auch das Blut. Dreimal rührte ich mit dem Zeigefinger, nach Kirces Anleitung, gegen den Uhrzeigersinn im Wasser.


Ich starrte in die Schale, doch darin rührte sich nichts und irgendwie war ich deshalb auch ein bisschen erleichtert. Ich stellte es mir ziemlich gruselig vor mit einer toten Person zu sprechen. Ich schaute durch den Kursraum zu den anderen Teilnehmern und auch bei ihnen sah ich überall nur enttäuschte Gesichter.


"Ihr habt mich gerufen. Warum?" flüsterte eine fremde Stimme so plötzlich, dass ich fast meine Schale umgeworfen hätte. Langsam senkte sich mein Blick ohne mein Zutun, den ich wollte nicht hinsehen, runter zur Schale. Geschockt schaute ich in das Gesicht einer alten Frau. Falten durchzogen ihr bleiches Gesicht und ihre grünen Augen blickten mich fahl an. Sie sah tot aus.


"Wer seid Ihr?" fragte ich die Tote mit zitternder Stimme.


"Mein Name war Theresia Svenson", antwortete sie mir mit eintöniger Stimme.


"Wann seid Ihr gestorben?" fragte ich weiter. Kirce hatte uns aufgetragen, dass wir diese Fragen stellen sollten, sollten wir zu den Toten durchdringen.


"Im Jahre 1781." antwortete mir die Frau, ihre Stimme hörte sich unglaublich alt und erschöpft an. Am Liebsten hätte ich die Verbindung in diesem Moment unterbrochen, doch ich wollte auch meine Aufgabe erfüllen.


"Wie alt wart Ihr, als Ihr gestorben seid?" bohrte ich also weiter.


"69 Jahre." Die Verstorbene schien mich mit ihren toten Augen anzustarren. Erleichtert wollte ich gerade die Verbindung zu ihr abbrechen, da wir nur diese drei Fragen stellen sollten, als die Tote unaufgefordert anfing zu sprechen.


"Ich kenne euch", meinte die Frau leise. Und mir lief ein eisiger Schauer den Rücken hinunter.


"Wie bitte?" fragte ich perplex. Die Frau sollte nur auf meine Fragen antworten. Es sollte nicht möglich sein, dass sie unaufgefordert sprach.


"Ich kenne euch", wiederholte Theresia Svenson unheilvoll. Mir lief es erneut eiskalt den Rücken hinunter und mein Gehirn schloss kurz, sodass ich blitzschnell die schwarze Kerze ausblies und das Gesicht von Theresia verblasste bis nur noch normales Wasser und ein alter rostiger Ring übrigblieben. Ein Ring, der vor mehr als 200 Jahren von einer alten Frau getragen worden war.


Theresia sagte sie kenne mich. Mir war eiskalt und ich zitterte unkontrolliert. Meine Gedanken huschten unruhig durch meinen Kopf. Ich konnte nur noch an eines denken:


Tote können nicht lügen.


So gern ich es auch hätte, dass konnte kein Scherz dieser alten verstorbenen Dame gewesen sein. Aber es war unmöglich. 1781 lebte ich noch nicht. Geboren war ich erst am 28 Mai 1996. Sie konnte mich nicht kennen. Dass konnte sie nicht. 1781 gab es mich noch nicht.


„Alles in Ordnung?" fragte mich Nim, die offenbar meinen entsetzten Gesichtsausdruck gesehen hatte.


„Mir ist schlecht", meinte ich. „Ich glaube Nekromantie ist nichts für mich", behauptete ich. Ich konnte ihr wohl kaum die Wahrheit erzählen und ich hoffte sie hatte nicht mitbekommen was Theresia Svenson gesagt hatte.


„Ja, ich habe es nicht einmal geschafft. Ist schwieriger, als ich dachte", sagte Nim und lächelte mir freundlich zu.


"Und? Wer hat versagt?" fragte Kirce munter und unterbrach damit das Gespräch zwischen Nim und mir.


"Ani?" fragte sie. „Hast du es geschafft?" Diese schüttelte nur den Kopf. „Dahlia? Du hast bestimmt eine Verbindung bekommen", meinte Kirce und Dahlia nickte während sich ein stolzes Lächeln auf Kirces Gesicht schlich. „Was hast du erfahren?" fragte die Zauberin und Dahlia zählte die Daten auf, die sie von dem Verstorbenen erfragt hatte.


„Taylor? Hast du es geschafft" fragte Kirce anschließend und ich konnte sie nur anstarren. Ich war immer noch zu geschockt um irgendein Laut über meine Lippen zu bringen. Ich fragte mich, ob das vielleicht irgendein mieser Scherz von Kirce war. Ab und an machten die Unsterbliche so etwas ganz gerne, um sich ihre endlos lange Zeit zu vertreiben.


Kirce schnaubte ungeduldig und verdrehte die Augen: "Du hast deinen Toten erreicht?" Ich verwarf die Idee wieder.


"Ähm ja", sagte ich wahrheitsgemäß. Meine Stimme hörte sich in meinen Ohren furchtbar kratzig an. Erfreut und auch erstaunt forderte sie mich auf zu erzählen. Sie hatte mir wohl nicht zu getraut eine Verbindung herstellen zu können.


Mit zitternder Stimme fing ich also an zu erzählen. "Es war eine Frau. Ihr Name war Theresia Svenson. Gestorben ist sie 1781 im Alter von 69 Jahren. Und..."


"Ja?" fragte Kirce, als ich nicht weitersprach.


"Ach nichts. Das war alles was sie gesagt hat", log ich. Vielleicht hatte ich mir die letzten Worte von Theresia Svenson auch nur eingebildet. Ich hatte manchmal eine blühende Fantasie.


"Super! Wirklich super!" freute sich Kirce über meinen Erfolg und ich wünschte mir nur ich hätte es nicht geschafft eine Verbindung herzustellen. Wie konnten sich nur in kürzester Zeit so viele Fragen und Rätsel in meinem Leben bilden?

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