10 *
Am nächsten Tag traf ich mich mit Med in einem kleinen Café in Olympus. Ich trank in aller Seelenruhe meine heiße Schokolade während Med über den Versen des Wesens, das ich mittlerweile kurzerhand den „Changer" genannt hatte, brütete. Wir saßen schon seit heute Morgen hier und kamen einfach zu keinem Ergebnis.
Ich war wirklich nicht die geduldigste Person auf diesem Planeten und Med war das sicherlich auch nicht, sodass ich langsam wirklich eine Auszeit vom Rätselraten brauchte.
„Wir brauchen einen Nachkommen von Athene", unterbrach ich Med. Ich konnte den Rauch der vor geistiger Anstrengung aus ihren Ohren kam, fast schon sehen.
Erstaunt blickte sie auf. „Das ist eine gute Idee!" Nachkommen von Athene waren, wie auch ihre Göttin, unglaublich schlau. Man nannte sie oft auch die Kinder der Weisheit. „Kennst du den jemanden?"
„Nein, nicht wirklich", gab ich zu. „Hast du denn jemanden im Sinn?"
Med grinste: „Ja, ich glaube ich kenne da jemanden, der uns helfen kann. Lass mich die Sache regeln, wenn alles gut läuft, treffen wir uns heute Abend im Dions. Einverstanden?"
„Musst du ihn erst noch erpressen?" fragte ich mit gerunzelter Stirn.
„So in etwa!" grinste Med.
Während Med ihrer Sache nachging, von der ich ehrlich gesagt nichts wissen wollte, begab ich mich zu den Pegasusställen am Rande der Stadt. Ich war schon lange Zeit nicht mehr dort gewesen und es brannte mir in den Fingern, die paar Stunden, die ich noch hatte bis es dunkel wurde, einmal wieder auszureiten.
Von weitem sahen die Ställe aus, wie einzelne gelandete Ufos. Es waren gläserne riesige Kuppeln, die nach Außen hin in dem beruhigendem Blau hell erleuchtet wurden. Das machte die Besitzerin, um ihre Lieblinge vor den Blicken von neugierigen Halbgöttern zu schützten. Ein Pegasus hatte gerne seinen Freiraum, doch die meisten von ihnen schätzten es nicht sonderlich dauernd unter Beobachtung zu stehen und so konnte man von außen nicht in die Kuppeln hineinsehen. Wenn man jedoch in der Kuppel war, konnte man alles sehen, was draußen passierte.
Ich lief zu dem kleinen Häuschen, dass sich hinter der ersten Kuppel versteckte und klopfte energisch an die alte Holztüre.
„Immer herein!" flötete eine muntere Stimme im inneren des Häuschens.
„Miranda? Wo bist du?" Ich trat in das Häuschen und begutachtete die schöne Einrichtung. Wohin das Auge reichte, waren kleine Skulpturen von Pegasi verteilt. Selbst der Lampenschirm war mit kleinen Pegasi bemalt.
„In der Küche, Schätzchen!" rief Miranda.
Wenig später erblickte ich die alte Dame, die offenbar gerade dabei war einen Kuchen zu backen. Sie war leicht rundlich und klein. Die kurzen Haare hatte sie sich wie immer braun gefärbt und im Moment standen sie zerzaust in alle Richtungen. Über ihrem roten Pullover hatte sie sich eine gelbweiße Küchenschürze, die mit kleinen Blümchen bedruckt war, geschlungen.
„Oh Taylor, Schätzchen. Du bist es", sprach sie und schon landete ich in einer freudigen Umarmung.
„Hallo Miranda!" nuschelte ich in ihre Umarmung hinein.
„Du warst schon so lange nicht mehr hier. Komm setz dich. Ich backe gerade eine Linzertorte." Dankend setzte ich mich auf den dargebotenen Stuhl am Tisch. „Möchtest du einen Tee?"
„Gerne", antwortete ich und atmete den vertrauten Geruch, des Hauses ein.
„Was möchtest du lieber: Pfefferminz oder Fenchel?" fragte sie mich, während sie die beiden Teesorten bedeutsam hochhielt.
„Fenchel, danke", sagte ich und lächelte Miranda dankbar zu.
„Also mein Mädchen, was führt dich mal wieder zu der alten Miranda", fragte die Dame, als sie mir den fertigen Tee an den Tisch brachte.
„Ach, gestern war so viel los und ich wollte einfach mal wieder ausreiten, um den Kopf freizukriegen", meinte ich.
„Ja, da hilft ein Ausritt immer", lächelte Miranda. „Möchtest du darüber reden, was passiert ist?"
„Ach, ich weiß es selbst nicht. Ich war mit Med im Dions und dann war da auf einmal dieses komische Wesen, dass in Rätseln gesprochen hatte, und Jesse war auch dort gewesen. Keine Ahnung, ich bin einfach ziemlich durcheinander", sprudelte es aus mir heraus. Miranda war immer ein kleiner Omaersatz für mich gewesen.
„Oh je, Kindchen. Das hört sich kompliziert an. Erzähl mir doch einfach eines nach dem anderen."
„Also gut", sagte ich und erzählte ihr von dem gestrigen Abend. Nachdem ich geendet hatte, schwieg Miranda kurz.
„Ich würde sagen, dass es jetzt auch mal höchste Zeit wurde", meinte Miranda schließlich und grinste mir verschwörerisch zu.
„Wie bitte?" fragte ich verdutzt.
„Ich glaube du wurdest von deiner Göttin auf eine Mission geschickt. Als ich noch jünger war, da war das ganz normal. Auf meine erste Mission begab ich mich bereits mit fünfzehn Jahren", erzählte Miranda. „Mein Vater hatte seinen Dreizack verloren und ich und ein paar andere meiner Geschwister wurden auserwählt ihn wiederzufinden. Eine aufregende Geschichte, die ich dir unbedingt ein anderes Mal erzählen muss."
„Meinst du? Aber bei dem Rätsel weiß ich doch noch nicht einmal wo ich ansetzten soll!"
„Habe Vertrauen in die Schicksalsgöttinnen, Kindchen. Alles wird sich klären, da bin ich mir sicher. Du musst dich nur ein bisschen anstrengen, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass du den Sinn erkennen wirst."
„Ich hoffe du hast recht", meinte ich und nahm den letzten Schluck aus meiner Tasse.
„Immer doch", grinste Miranda. „So ich will dich nicht länger aufhalten. Möchtest du mit Wanda ausreiten?"
Ich nickte immer noch in Gedanken versunken. Wenn sich alles aufklären würde, dann wäre es zu schön.
„Na komm!" riss mich Miranda aus den Gedanken. „Ich nehme an du hast nicht ewig Zeit!" lächelte sie.
Wanda war ein sehr schöner Pegasus und mein absolutes Lieblingstier. Alles an ihr strahlte in reinem Weiß. Ich packte die Striegelbürste wieder weg und sattelte das Tier. Sie schnaubte dabei freudig. Wie gerne würde ich mich mit ihr verständigen können, doch dieses Privileg war für Nachkommen des Poseidon vorbehalten.
Als ich Wanda fertig gezügelt hatte, führte ich sie aus der Kuppel heraus und schwang mich elegant auf ihren Rücken. Ich drückte die Schenkel leicht zusammen und gab ihr damit das Zeichen zu starten. Freudig begann sie loszulaufen und wurde dabei immer schneller bis sie schließlich ihre Flügel ausbreitete und wir uns in die Luft erhoben. Ich liebte dieses Gefühl. In diesem Moment fühlte man sich so leicht und seine Probleme schienen so weit entfernt. Ich schloss die Augen und gab mich dem Gefühl der Schwerelosigkeit und dem Wind, der in mein Gesicht peitschte, hin.
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