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Schon im Kindesalter trug ich diese Stimme in mir, die mir sagte, dass ich nicht, wie die anderen Kinder war. Das erste Mal richtig klar, wurde mir das, als sich meine Grundschullehrerin direkt vor meinen Augen in Stein verwandelt hatte. Sie wollte mir gerade eine Strafarbeit erteilen und war drohend den Zeigefinger schüttelnd auf mich zugelaufen. Als Kind hatte ich nicht verstanden, dass diese Lehrerin direkt vor meinen Augen gestorben war und fand diese Situation ziemlich lustig. Ich weiß noch zu gut, wie ich und meine beste Freundin darüber gelacht hatten.
Zu meiner Verteidigung galt es zu sagen, dass besagte Lehrerin, keine sehr nette Lehrerin gewesen war, die nur allzu gerne ungerechte Strafarbeiten erteilte. Doch den Tod hatte sie nicht verdient. Aber wir waren nur Kinder und verstanden den Ernst der Situation einfach nicht. Dass Frau Müller nie wieder eine Strafarbeit erteilen würde, war uns damals nicht klar.
Andere Menschen in Stein verwandeln, konnte ich dennoch nicht. Nicht ich hatte Frau Müller in Stein verwandelt und das Schlamassel meines Lebens ins Rollen gebracht. Das war Medusa gewesen, wie ich später erfahren hatte. Das Monster, der griechischen Mythologie, mit den leuchtend roten Augen, die niemand der noch lebte je erblickt hatte. Anstatt Haaren trug sie lebendige Schlangen auf ihrem Kopf. Um Medusa rankten sich so einige furchteinflößende Mythen.
Dass war der erste Tag gewesen in dem ich mit meiner Welt in Kontakt gekommen bin. Der Welt der Götter, Monster und der der Halbgötter. Die Welt der mystischen Gesellschaft, wie sie die Göttlichen gerne nannten.
Von diesem Moment an, konnte ich jede Normalität in meinem Leben vergessen.
Sie hatten meine beste Freundin und mich in ein Internat geschickt, dass uns auf unser Leben, in der mystischen Gemeinschaft vorbereiten sollte. Sie wollten aus mir eine waschechte Heldin machen. Ich nannte es gerne Ausbildung zum beschissensten Job der Welt. Nun, dieser Versuch ist ihnen gründlich missglückt.
Während den anderen Halbgöttern in meinem Alter der Schwertkampf und das Retten von armen Kaninchen scheinbar im Blut lag, versagte ich bei den Schwertern hoffnungslos. Und ich war auch weder eine begabte Heilerin, Hellsichtige oder eine begabte Bogenschützin. Ein hoffnungsloser Fall, hatte mich mein Tutor einmal genannt, als er mit den Nerven völlig am Ende war, als ich aus Versehen eine andere Halbgöttin fast mit meinem Pfeil aufgespießt hätte. Das Ziel, auf das ich dabei hätte schießen sollen, war in der anderen Richtung gestanden, wie besagte Halbgöttin.
Während die anderen angehenden Halbgotthelden also wahre Wunder vollbrachten, verbreitete ich Chaos. Was mir auch den Spitznamen Chaostante einbrachte. Doch ich konnte es den anderen nicht verübeln, ich war das reine Chaos und der Vorfall mit dem Pfeil, war bei Weitem nicht der erste gewesen.
Dass ich eine Unbestimmte war, machte mir meine Zeit im Internat und auch allgemein in der mystischen Gemeinschaft auch nicht gerade leichter.
Jeder Halbgott bekommt ein Tattoo, ein Symbol, dass dieser seit der Geburt auf der Haut trägt. Diese Weisen ihn als Nachkomme eines bestimmten Gottes aus. Nachkommen des Poseidons tragen oft einen Dreizack auf dem Oberarm. Mit meinem Zeichen konnte allerdings niemand etwas anfangen. Ich trage es in meinem Nacken. Einen Kreis von dem acht Strahlen weglaufen. Wie eine kleine Sonne, weshalb ich früher auf Helios oder Apollon hoffte. Doch beide konnte ich mittlerweile als Vater ausschließen, aber diese Geschichte ist eine andere. Jedenfalls kannte niemand der Gelehrten der mystischen Gesellschaft mein Zeichen und so wurde ich als Unbestimmte abgestempelt.
Ich wusste nicht einmal, ob mein mütterliches oder mein väterliches Elternteil göttlich war. Ich kannte keinen von Beiden.
Ich rappelte mich mühsam aus meinem bequemen Sessel auf und legte das Wirtschaftsbuch, in dem ich gerade lernte, zur Seite. Die Bezugsrechtsberechnung von Aktien musste warten. Zu meinem Leidwesen hatte ich heute Abend noch eine Veranstaltung zu besuchen, auf die ich ehrlich gesagt lieber verzichtet hätte.
Nach meiner kläglich gescheiterten Ausbildung, lebte ich mittlerweile größtenteils in der Welt der normalen Menschen und hatte das Studentenleben für mich entdeckt, doch ab und zu musste man sich auch in der Welt der mystischen Gesellschaft blicken lassen, sonst würden sie noch anfangen zu glauben, dass man von einem bösartigen Monster verschlungen worden war. Was an sich nicht unbedingt schlecht war, aber auf den Suchtrupp, den sie daraufhin losschicken würden, konnte ich getrost verzichten. Außerdem gab es gewisse Pflichten, die man zu erfüllen hatte, auch wenn man ein komplett unfähiger Halbgott war.
Heute stand meine absolut liebste Spaßattraktion auf dem Programm. Sie nannte sich „Hau den Minotaurus". Eine wunderbare Beschäftigung für groß und klein für einen tollen Abend. Ich konnte mir nichts Besseres für den Freitagabend vorstellen.
Seufzend warf ich mir meine schwarze Lederjacke über und steckte meine zwei geliebten Dolche in meinen Gürtel. Man konnte schließlich nie wissen, welches Monster hinter der Haustüre lauerte. Vor allem nicht, wenn man auf dem Weg zur mystischen Gemeinschaft war. Ich angelte meinen Schlüssel von der alten Kommode, die neben der Türe stand und ging hinaus. Feiner Nieselregen hatte sich über die Stadt gelegt und ich hielt einen Moment inne um ihn zu genießen. Ich hatte nur eine halbe Stunde Autofahrt vor mir, bis zum Zentrum der mystischen Gesellschaft und zu meinem Leidwesen ging diese Zeit wieder viel zu schnell vorbei.
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