blümchen.

Da sitze ich. Mit Wilma und den kleinen Scheißern. Sie ist eine verdammte Terroristin. Sie erpresst mich. „Wenn du nicht mitmachst, werde ich das deinem Sozialarbeiter melden." Verdammte Ökotussi. Wenn sie das macht, bekomme ich richtig Ärger. Körperverletzung ist nun mal kein Kavaliersdelikt. Sie sitzt eindeutig am längeren Hebel. Ich beobachte die Scheißer. Sie zappeln auf der Bank und plappern ohne Ende.

„Duuuu, Raphael was basteln wir?", fragt mich die Kleine neben mir und guckt mich an.

„Ich weiß es nicht", sage ich ehrlich.

Wilma schnaubt verächtlich. „Wir basteln heute wunderschöne Gänseblümchenkränze", sagt sie und grinst als hätte sie gekifft. Ich hasse ihre krächzende Stimme.

„Stimmt", sage ich mit verstellter Stimme, „wir basteln heute wunderschöne Gänseblümchenkränze."

Die Kinder lachen, aber Wilma sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. Was denn? Soll ich jetzt mitmachen oder nicht? Wilma legt einen ganzen Berg abgerissener Gänseblümchen in die Mitte des Tisches.

„Also", sagt sie und nimmt ein Gänseblümchen, „ihr nehmt euch so ein Blümchen und legt es vor euch auf das Brettchen". Sie redet mit den Kindern als wären es verdammte Vollidioten. Kein Wunder, dass sie sie nicht ausstehen können.

„Und dann macht ihr mit dem Messerchen einen kleinen Schnitt hier hin." Sie schneidet in den dünnen Stiel der Blume. „Aber seid vorsichtig mit den Fingerchen!" Sie wedelt mit dem Messer in der Luft. Verdammter Freak. Ich nehme mir auch so eine Blume und mache es ihr nach.

„Dann nehmt ihr euch noch eine zweite Blume", sagt sie und hält eine Blume in die Luft. „Und dann steckt ihr sie soooo durch den Schlitz." Sie fummelt an der armen Blume herum und kneift dabei ein Auge zu. „Und das machen wir so lange, bis wir ein schönes Kränzchen haben." Schön? Das ich nicht lache. Aber was solls. Ich habe sowieso keine Wahl. Die Terroristin beobachtet mich und ich stecke die blöde Blume durch den Schlitz. Ich mache das ein paar Mal und ich muss zugeben, das sieht irgendwie schon schön aus. Ich muss an Hannah denken.

Ich unterdrücke ein Gähnen. Ich habe nicht viel geschlafen letzte Nacht. Ich habe lange über Hannah nachgedacht und mich gegen sie entschieden. Ich bin nun mal kein Beziehungstyp. Ich kenne das nicht und ich kann das nicht. Ich will das nicht. Ich will mich nicht binden. Ich will von niemandem abhängig sein. Ich will meine Freiheit. Nachts habe ich in Gedanken meine Rede für Hannah vorbereitet und anschließend habe ich Sarah für Mittwoch zugesagt. Diese Treffen sind so zwanglos, so einfach. Es geht nur um Sex. Und das reicht mir.

Nach dem Frühstück wollte ich mit Hannah reden. Doch sie ist wie ein verdammter Magnet. In ihrer Nähe fühle ich mich ferngesteuert. Ich habe sie beim Frühstück beobachtet. Sie ist so anders, so besonders. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte sie geküsst. Vor allen anderen. Ich habe auf sie gewartet. Es fühlt sich so gut an, wenn ich sie im Arm halte. Ich habe sie um einen Neuanfang gebeten. Ich kann nicht anders, ich muss es versuchen. Ich weiß wirklich nicht, ob das mit uns eine gute Idee ist aber ich glaube, mit ihr kann ich es mir vorstellen. Shit. Ich muss Sarah schreiben. Ich muss ihr absagen, denn ich glaube, ich bin nicht mehr single.

„Raphael, machst du auch mit?", krächzt Wilma und ich würde ihr am liebsten den Mittelfinger zeigen.

„Selbstverständlich. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen", sage ich und nehme noch eine verdammte Blume. Langsam nimmt dieser dämliche Blumenkranz Form an. Ich glaube, ich fände es schön, wenn Hannah ihn um ihr Handgelenk tragen würde und mache weiter. Wie groß muss es sein? Sie hat so dünne Arme. Ärmchen, würde Wilma sagen.

„Magst du das mal anprobieren?", frage ich ein kleines Mädchen neben mir. Es ist das Mädchen, das sich immer an meine Hannah kuschelt. Meine Hannah. Ich habe mich entschieden. Meine.

„Ja", sagt sie und streckt mir ihr kleines Ärmchen entgegen. Vorsichtig streife ich es ihr über. Ihr würde es passen. Für Hannah bräuchte ich nur noch zwei oder drei Blumen mehr.

„Ist das für mich?", fragt sie mich mit ihrer piepsigen Stimme. Oh, sie denkt es ist für sie. Sie hält mir immer noch ihren Arm hin.

„Ja.", sage ich schnell. „Echt?" Ihre Augen werden groß.

„Ja. Das ist für dich."

„Danke" schreit sie und lässt dabei ihren komischen Teddy fallen.Ich hebe ihn auf und fange an, noch ein Armband zu machen. Diesmal für Hannah. Meine Hannah.

Endlich habe ich die Bastelstunde überstanden. Ich helfe Wilma nicht beim Aufräumen. Das soll sie ruhig selber machen. Das war nicht Teil des Deals.

Ich möchte Hannah das Armband geben. Das hat sie jetzt davon, dass sie mich ausgelacht hat. Jetzt muss sie mein Armband tragen. Obwohl es wirklich nicht so hässlich ist, aber das würde ich nie zugeben. Ich gehe über die Wiese zur Feuerstelle aber ich kann sie nicht finden. Ich gehe zu ihrem kleinen Zelt.

„Hannah?", frage ich leise. Falls sie schläft, möchte ich sie nicht wecken. Sie wirkt oft so schwach. „Hannah?" frage ich nochmal vorsichtig. Ich bekomme keine Antwort und deshalb befestige ich das kleine Armband am Reißverschluss ihres Zeltes. Gestern war sie so süß, als sie die Taschenlampe nicht mehr gerade halten konnte. Sie war so unbeschwert, so betrunken. Sie hat so viel gekichert und sich an mich gekuschelt. Ihre Nähe gefällt mir. Verdammt.

Ich könnte nach diesem ganzen Blumenmist ein Bier gebrauchen. Ich schleiche mich ins Speisezelt und hole mir eins aus dem Kühlschrank. Vorsichtig drehe ich mich um. Wenn ich Pech habe bemerkt mich Wilma und hält mir Moralpredigten. Doch ich habe Glück, sie ist noch mit Aufräumen beschäftigt. Und das wird hoffentlich noch eine Weile dauern.

Ich entdecke Dennis bei der Feuerstelle. Er legt das Holz in die Asche. Ich hole ihm eine Flasche aus dem Kühlschrank und gehe zu ihm. „Oooh, ist die Bastelstunde schon zu Ende?", fragt er. Ich zeige ihm den Mittelfinger und halte ihm die Flasche hin. Er lacht und nimmt sie. Wir setzen uns auf die Bank. Hier bin ich noch nie gesessen. Es ist Hannahs Bank. Hier sitzt sie immer mit der kleinen Anna und sieht mich an. Sie denkt, ich würde es nicht bemerken. Doch ich schwöre, ich spüre, wenn sie mich ansieht. Da ist irgendeine verdammte Verbindung zwischen uns.

„Seid ihr jetzt zusammen?", fragt Dennis und rempelt mich mit der Schulter an, doch er prallt an mir ab wie ein Gummiball. Wenn er nicht aufpasst prellt er sich noch seine Schulter.

„Wer?", frage ich und bekomme schon wieder dieses doofe Grinsen. „Na, Hannah und du?" Irgendwie grinst er genauso doof.

„Ich weiß nicht", sage ich, denn ich kann es selbst nicht glauben.

„Ihr passt gut zusammen", sagt er, „sie, die Schöne und du das Biest" Er lacht.

„Leck mich!" Wieder zeige ich ihm den Mittelfinger und er lacht noch mehr.

„Jetzt mal ernsthaft", sagt er und stellt seine Flasche ins Gras.

„Ich habe immer noch nicht so genau verstanden, woher ihr euch kennt." Das ist eine beschissene Geschichte. Eigentlich habe ich keine Lust, es ihm zu erzählen. Aber irgendwie mag ich ihn. Er ist unkompliziert. Ich schätze, er ist ganz in Ordnung. Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und hole Luft.

„Mein jüngerer Bruder, Tobi war mit ihr zusammen. Das hast du ja schon mitbekommen."

„Ja", sagt er und nickt.

„Sie haben zusammen gewohnt. Ich habe sie deshalb nur ein paar Mal gesehen, wenn er sie zu meinen Eltern mitgebracht hat. Tobi ist ein Wichser, weißt du?" Ich sehe ihn an, doch er runzelt die Stirn. Er weiß es nicht. Woher auch. Aber ich weiß es. Durch seine Adern fließt kaltes Blut glaube ich.

„Ich hab keine Ahnung was mit ihm nicht stimmt. Er hat sie mehrfach betrogen." Mehrfach. Ich weiß es. Ich habe ihn gesehen.

„Scheiße", sagt Dennis. Gut. Er spricht meine Sprache.

„Und sie weiß es? Sind sie deshalb nicht mehr zusammen?", fragt er.

„Ja. Ich habe keine Ahnung wie sie es rausgefunden hat. Darüber haben wir noch nicht gesprochen". Ich würde es gerne wissen, aber ich möchte sie nicht noch mehr verletzen.

„Scheiße", sagt Dennis wieder. „Und weißt du, was die größte Scheiße ist?", frage ich ihn. Ich warte seine Antwort nicht ab. „Dass er sie mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Sie hat es vorgestern rausgefunden."

„Was?", fragt Dennis viel zu laut mit weit aufgerissenen Augen. Ich nicke nur und exe mein Bier. „Das ist heftig", sagt er und ext sein Bier ebenfalls. Ja. Es ist heftig.

„Raphael?", fragt er und ich drehe mich zu ihm. „Ist sie die eine? Also, ist sie diejenige weswegen du die Sozialstunden machen musst?"


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