... ist die Dämmerung am nächsten.




Hallo ihr Lieben,

hier habe ich für euch das zweite Kapitel, bei dem auch Gabriel mit ins Spiel kommt!

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und freue mich über eure Meinungen dazu!

Eure Lila Leonie

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Deswegen bemerke ich das schwarze Auto neben mir erst, als der Fahrer einmal hupt. Erschrocken zucke ich zusammen, bevor ich meinen Blick auf den jungen Mann im Inneren des vermutlich treuen Fahrzeugs richte. Er sieht gut aus, keine Frage. Trotzdem haben Sarahs Erklärungen mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Dieser Beruf ist nichts für mich. Bevor ich aber überhaupt etwas sagen kann, werde ich bereits von ihm angesprochen.

„Was machst du denn hier?" Verwirrt darüber, dass er mich duzt, mustere ich ihn jetzt genauer, auffällige blaue Augen, braune ordentlich gestylte Haare, markante Gesichtszüge und einen akkurat sitzenden Anzug, wie diese ganzen Geschäftsmänner, auf die ich in letzter Zeit überhaupt nicht gut zu sprechen bin und die immer so viel Wert auf die Etikette und die korrekte Ansprache legen. Warum duzt er mich also? Er kommt mir auch nicht bekannt vor. Oder ist das bei dieser Form von Geschäftsbeziehung so üblich?

„Ähh, ich bin gerade auf dem Heimweg. Wenn Sie Spaß haben wollen, sollten Sie sich an eines der anderen Mädchen wenden.", versuche ich ihn möglichst schnell abzuwimmeln.

„Was?" Seine Stirn legt sich in Falten, bevor er einen kurzen Blick in den Rückspiegel wirft. Anschließend richtet sich sein Augenmerk wieder auf mich und er scannt mich einmal mit seinen leuchtenden Augen. Erst danach scheint er zu verstehen und der Ausdruck in seinem Gesicht verdunkelt sich schlagartig.

„Du arbeitest nicht wirklich in dieser Branche?!", entrüstet er sich und zieht seine Augenbrauen zusammen. Der raue Ton seiner Stimme sorgt für eine Gänsehaut, die sich über meinen Körper zieht. Ich weiß nicht warum, aber irgendetwas an seiner Art veranlasst mich dazu, mich rechtfertigen zu wollen.

„Das ist nicht das, wonach es aussieht!"

„Weißt du eigentlich, wie gefährlich dieses Geschäft ist? Du steigst jetzt sofort ein und dann fahre ich dich nach Hause.", sagt er mit einer unglaublichen Entschlossenheit in der Stimme.

„Was? Nein! Warum sollte ich einfach bei einem Fremden ins Auto steigen?", widerspreche ich ihm vehement, um den unvermittelten Drang zu unterdrücken, augenblicklich ohne Widerstand auf seine Forderung einzugehen.

„Aber wenn ich ein Freier wäre, hättest du damit kein Problem?", wirft er mir mit einem undefinierbaren, fast schon anklagenden Unterton vor. Da es mir jetzt einfach zu schräg wird und ich bereits zu oft von den Personen, die mir nahestehen, als Schlampe bezeichnet wurde, will ich einfach wortlos umdrehen und meinen Weg fortsetzen.

„Synthia, warte!", werde ich in diesem Moment von seiner nun wieder ruhigen Stimme aufgehalten. Darüber verwundert, dass er meinen Namen kennt, schaue ich ihn fragend an.

„Ich bin kein Fremder. Wir kennen uns von der Schule. Du bist in meine Parallelklasse gegangen.", erklärt er mir, woraufhin mein Gehirn anfängt auf Hochtouren zu arbeiten, aber vergeblich. Offensichtlich bemerkt er meine Verwirrung.

„Du kannst dich nicht an mich erinnern, oder?", vermutet er schließlich. Auf mein zustimmendes Nicken meine ich einen enttäuschten Ausdruck über sein Gesicht huschen zu sehen, sicher bin ich mir aber nicht, da er im nächsten Moment bereits abwinkt.

„Kein Problem, in der Schule war ich auch eher der unscheinbare Typ." Diese Aussage überrascht mich sehr, da er auf mich alles andere als unscheinbar wirkt. Doch aus eigener Erfahrung weiß ich sehr gut, dass sich in fünf Jahren viel zu viel verändern kann.

„Bitte lass mich dich sicher nach Hause bringen." Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er seine Worte diesmal wirklich als Bitte und nicht als Aufforderung formuliert, an dem freundlichen Ton seiner Stimme oder an dem sympathischen Lächeln, das seine Lippen ziert, aber irgendetwas veranlasst mich dazu, ernsthaft über sein Angebot nachzudenken.

Als ich genau in diesem Moment zu allem Überfluss einen dicken, kalten Regentropfen auf meiner Nase spüre und der mit dunklen Wolken behangene Himmel auf einen kräftigeren Schauer hindeutet, werfe ich alle Vorsicht über Bord, lasse mich auf dem bequemen Beifahrersitz nieder und freue mich über die angenehme Wärme im Inneren des Fahrzeugs. Erst als der Kerl, dessen Name ich noch nicht mal kenne, losfährt und sich die Autotüren automatisch verriegeln, wird mir bewusst, wie naiv es ist, einem völligen Fremden zu vertrauen.

Über mich selbst geschockt, fange ich panisch damit an, in den Untiefen meiner Tasche nach meinem Handy zu kramen. Dabei schlägt mein Herz so laut, dass ich nichts anderes wahrnehmen kann, bis ich mein Mobiltelefon endlich in meinen leicht zittrigen Händen halte und somit nur ein Klick nötig ist, um den Notruf zu betätigen. Durch dieses Gefühl der Absicherung kann ich mich allmählich etwas beruhigen und bemerke jetzt auch den fragenden Blick, der immer wieder in meine Richtung wandert. Wahrscheinlich ist mir gerade irgendetwas entgangen.

„Ähh, wie bitte?" So unauffällig wie möglich versuche ich ihn von der Seite prüfend zu mustern. Dadurch entgeht mir weder, wie er kurz misstrauisch eine Augenbraue hochzieht, noch wie sein Augenmerk für den Bruchteil einer Sekunde zu meinem Handy zuckt, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert.

„Wo soll ich hinfahren?", wiederholt er die Frage, die er mir offensichtlich bereits vorhin gestellt hatte und löst damit gleich die nächste Hysterie in mir aus. Wohin will er mit mir fahren und vor allem warum? Schlagartig wird mir wieder bewusst, in welchem Viertel er mich aufgegabelt hat. Was kann ein Mann schon von einer Frau wollen, die er dort in sein Auto gelockt hat? Hat er etwa nicht verstanden, dass ich kein Interesse an einer näheren Bekanntschaft mit ihm habe? Krampfhaft überlege ich, wie ich meine nächsten Worte formulieren kann. Mir ist klar, dass ich jetzt auf keinen Fall Schwäche zeigen darf.

„Ich weiß gerade nicht, wovon Sie sprechen." Obwohl ich mich so sehr bemüht habe, meiner Stimme einen festen Klang und damit mehr Überzeugung zu verleihen, kann ich selbst hören, wie unsicher ich klinge.

„Um dich nach Hause fahren zu können, wäre es vorteilhaft, wenn du mir deine Adresse gibst.", erklärt er jetzt ausführlicher und sorgt dafür, dass ich erleichtert ausatmen kann, nur um mir im nächsten Moment der Peinlichkeit dieser Situation bewusst zu werden. Um meine Verlegenheit zu überspielen, will ich ihm sofort antworten, schwenke aber noch schnell um und nenne ihn letztendlich einen Ort, der aufgrund einer Fußgängerunterführung nicht weit von meinem Zuhause entfernt liegt. Schließlich muss er nicht wissen, wo genau ich wohne.

„Darf ich dir eine Frage stellen?" Weil ich froh bin, dass er mich anspricht, bevor sich eine unangenehme Stille im Auto ausbreiten kann, stimme ich ihm zu.

„Ich hoffe, dass ich dir damit nicht zu nahe trete, aber ich habe bereits damals nicht verstanden, warum du eigentlich die Schule abgebrochen hast? Du warst doch eine der besten Schülerinnen unseres Jahrgangs.", spricht er ein Thema an, mit dem ich absolut nicht gerechnet hätte und über das ich auch nur äußert ungern sprechen möchte.

„Das hatte familiäre Gründe.", entgegen ich deswegen nur ausweichend.

„Achso, und was machst du jetzt beruflich?", will er fast wie beiläufig erfahren, allerdings kann ich an dem kurzen Blick, den er mir dabei zuwirft und der sich geradezu brennend in meine, nur mit dem knappen Rock, bekleideten Beine bohrt, deutlich spüren, dass er herausfinden will, ob ich in der Branche tätig bin, die er, zugegebener Weise berechtigt, vermutet.

„Ich bin zurzeit leider arbeitslos.", spreche ich die Tatsache aus, die in letzter Zeit für so viele schlaflose Nächte gesorgt hat und mich letztendlich zu dieser hirnrissigen Idee heute getrieben hat.

„Verstehe." Was? Dieses eine Wort macht mich rasend. Als wenn er mich verstehen würde! Offensichtlich hat mich mein erster Eindruck doch nicht getäuscht, er ist genauso wie alle anderen Anzugträger, mit denen ich in den vergangenen Wochen Kontakt hatte. Sie beurteilen Menschen nur anhand oberflächlicher Fakten.

„Du kannst mir glauben, dass ich alles dafür geben würde, um die Möglichkeit zu bekommen, mich auf dem Arbeitsmarkt zu bewähren. Allerdings ist das nicht so einfach. Sobald die potenziellen Arbeitgeber sehen, dass ich die Schule vorzeitig abgebrochen habe und keine Berufsausbildung vorweisen kann, ist das Gespräch gelaufen. Aber ich finde, dass man eigentlich jedem eine zweite Chance im Leben zugestehen sollte.", rede ich mich in Rage und verrate damit mehr, als mir eigentlich lieb ist. Zudem habe ich nun auch noch ungewollt in die Du-Form gewechselt.

Da sich anschließend Schweigen über uns legt, bereue ich sogleich meine Unbeherrschtheit, weil ich davon ausgehe, dass er mir meinen Gefühlsausbruch übel nimmt. Als ich mich allerdings zu ihm drehe und gerade zu einer Entschuldigung ansetzen möchte, bemerke ich keinen wütenden Ausdruck in seinen Gesichtszügen, sondern eher einen nachdenklichen. Augenblicklich vergesse ich meinen ursprünglichen Vorsatz. Stattdessen fällt mir seine Aussage von vorhin wieder ein, dass er mich bereits von früher kennt.

„Wie heißt du eigentlich?", gebe ich schließlich der plötzlich über mich hereingebrochenen, unkontrollierbaren Neugierde nach.

„Gabriel Gardner" Ohne es verhindern zu können, liegt sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf ihm, um ihn nun ungeniert zu mustern und dabei nach Ähnlichkeiten mit dem Gabriel Gardner aus der 10a zu suchen. Mein wahrscheinlich geschocktes Gesicht scheint ihn zu amüsieren, denn sein rechter Mundwinkel verzieht sich zu einem einseitigen Lächeln. Genau in diesem Moment wird mir schlagartig bewusst, dass ich ihn kenne, denn dieses halbe Grinsen hat mich schon damals immer total fasziniert.

Das ist einfach unglaublich! Warum habe ich ihn nicht sofort wiedererkannt? Nur, weil vor fünf Jahren diese auffällige Brille sein Gesicht dominiert hatte und somit seine blauen Augen durch die dicken Gläser nicht so strahlend geleuchtet hatten wie jetzt. Oder liegt es an seinen Haaren, die zu Schulzeiten durch den strengen Seitenscheitel immer so brav gewirkt hatten, wohingegen sein aktueller Lock ihn ein unglaublich attraktives Aussehen verleiht? Vielleicht sind es aber auch der leichte Bartschatten, der ihn maskuliner erscheinen lässt oder seine inzwischen so ausgeprägten Muskeln, die sich trotz des Jacketts deutlich erahnen lassen?

Erst als Gabriel sich komplett zu mir dreht und meinen Blick erwidert, wird mir bewusst, wie lange ich ihn angestarrt habe. Peinlich berührt wende ich mich schnell ab, nur um festzustellen, dass wir zwischenzeitlich sogar unser Ziel erreicht haben und er deswegen das Auto am Seitenrand geparkt hat. Zudem hat der Regen glücklicherweise nachgelassen, so dass nur noch einzelne Tropfen auf die Frontscheibe fallen.

„Wohnst du hier wirklich?", reißt er mich aus meinen Überlegungen. Dabei ist sein Ausdruck so intensiv, dass mich das Gefühl beschleicht, er könne mich wie ein offenes Buch lesen.

„Nicht direkt, aber in zwei Minuten gelange ich von hier aus nach Hause." Da er mir jetzt kein Unbekannter mehr ist und ich ihm fürs Heimfahren sehr dankbar bin, beschließe ich bei der Wahrheit zu bleiben.

„Meinst du diese Gegend ist sicher genug für eine junge Frau alleine im Dunklen?", kritisch betrachtet er unsere Umgebung für einen Moment, bevor er weiterspricht.

„Außerdem nieselt es immer noch leicht. Und ehrlich gesagt wäre es mir auch lieber, dich bis vor die Haustür zu bringen, damit dir nichts passieren kann!" Verwundert muss ich feststellen, dass aufrichtige Sorge aus seiner Stimme heraus zu hören ist und es mir deswegen unwillkürlich ganz warm ums Herz wird.

„Äh, ... nein, das musst du nicht. Es ist wirklich nicht mehr weit, nur durch diese Unterführung." Ich streiche mir verlegen eine Strähne hinters Ohr. Irgendwie macht mich seine Ausstrahlung und die Art und Weise, wie er mich betrachtet und mir damit das Gefühl von aufrichtigem Interesse vermittelt, extrem nervös und unsicher.

„Ok, ausnahmsweise lasse ich dich hier raus, aber nur, wenn du morgen zu einem Vorstellungsgespräch in meinem Büro erscheinst?", sorgt er bei mir ein weiteres Mal für Verwirrung. Perplex starre ich ihn an. Das kann doch gar nicht sein!!

„Was?" Da ich mir so sicher bin, mich verhört zu haben, muss ich einfach nachfragen.

„Morgen früh um neun Uhr hast du ein Bewerbungsgespräch bei mir! Und bring deine Unterlagen mit!" Es klingt fast wie ein Befehl, allerdings ist das gerade nebensächlich. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass er mir eine Visitenkarte entgegenhält, die ich sprachlos an mich nehme. Erst, als ich die Kontaktdaten schwarz auf weiß vor mir sehe, begreife ich, dass ich ihn richtig verstanden habe und mich morgen in der Firma vorstellen darf, in der er arbeitet.

„Aber, ... aber ich habe ... doch keine Ausbildung ... und die Schule ...", stammle ich überrumpelt vor mich hin, weil ich meinem Glück noch nicht so recht trauen will. Immerhin kennt er so viele Gründe, die gegen mich als einen zuverlässigen und kompetenten Arbeitnehmer sprechen würden. Warum sollte er also seine kostbare Zeit mit einem hoffnungslosen Fall wie mir verschwenden und sich damit womöglich Ärger mit seinem Vorgesetzten oder dem Geschäftsführer einhandeln?

„Ja, ich weiß. Doch meine Meinung ist ebenfalls, dass jeder eine zweite Chance verdient hat!", bezieht er sich auf meinen unbedachten Redeschwall und schafft es damit unbewusst meine selbst aufgerichtete Schutzmauer, die mich vor weiteren Enttäuschungen schützen soll, zum Bröckeln zu bringen.

„Ok, äh, ... danke!" Da mich in diesem Moment eine riesige Welle an Emotionen überflutet, springe ich nach einer raschen Verabschiedung zügig aus seinem Wagen. Allerdings geht meine Beherrschung bereits nach den ersten paar Metern flöten, die ich mit schnellen Schritten zwischen uns gebracht habe. Nun kann ich die ersten Freudentränen nicht mehr zurückhalten und ein glückliches Lächeln haftet sich auf mein Gesicht.

Während ich so dämlich vor mich hin grinsend durch die Dunkelheit auf mein Wohnhaus zu steuere, muss ich automatisch an die Begehung mit Gabriel zurückdenken und da wird mir bewusst, dass er eigentlich viel mehr verdient hätte, als dieses einfache ‚Danke!'. Schließlich hat er mir gerade durch sein Angebot etwas so Kostbares geschenkt, etwas, dass ich schon so lange in meinem Leben vermisst habe, nämlich HOFFNUNG!!!!!

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Jetzt würde es mich brennend interessieren, wie euer erster Eindruck von Gabriel ist? Wer von euch möchte außerdem gerne etwas mehr über das Verhältnis der beiden in der Vergangenheit erfahren?

Und würden euch Gabriels Überlegungen auch interessieren?

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