15. Alles klar dahinten?

Hermine Granger p.o.v.

~*~

Kalter Wind weht durch meine Haare, während ich hinter Draco auf dem Besen sitze. Diese Situation ist ohnehin schon unangenehm, dass er jetzt auch noch um meine fürchterlichen Flugkenntnisse weiß, macht es noch schlimmer. Unter meinen Händen spüre ich seine Atmung. Nachdem ich die erste halbe Stunde meine Augen zugekniffen habe, traue ich es mir nun zu einen Blick nach unten zu werfen. Hastig rucke ich mit meinem Kopf wieder nach oben. Oh Gott, oh Gott. Das ist höher als ich dachte.

≫Alles klar da hinten?≪, fragt er amüsiert. Ich kann nicht mehr tun, als mit meinem Kopf, der noch immer an seinem Rücken liegt, zu nicken. ≫Okay. Es sind übrigens noch 2.5 Stunden, vielleicht solltest du dich ein bisschen entspannen. Wir können auch in einer Stunde kurz anhalten, dann sind wir über der Isle of Arran.≪

In einer Stunde erst? Mein Hintern tut jetzt schon unheimlich weh. Wie können Quidditchspieler nur so lang auf einem Stock sitzen? Ich hoffe nur, dass Neville nichts passiert ist. Dracos Reaktion auf meine Ankündigung war mehr als alarmierend.

Immer wieder spüre ich, wie Draco den Wärmezauber erneuert. Dadurch ist mir noch immer nicht kalt, obwohl wir bald seit 90 Minuten unterwegs sind. Gerade driften meine Gedanken wieder zu Neville, als ich spüre, dass wir tiefer fliegen. Vermutlich halten wir jetzt an. Ich sehe mich ein bisschen um und vergesse fast zu atmen, ob der wunderschönen Natur. Grüne Hügellandschaften so weit das Auge reicht, dazu noch kleine Seen und Dörfer, die sich von der Umgebung abheben. Es ist so wunderschön.

Wir halten auf einem der Hügel, mit Blick auf einen See. Draco und ich strecken kurz unsere Beine. ≫Das ist Loch Tanna.≪, erklärt er und nickt zu dem Gewässer. Über den Berg, auf dem wir stehen, pfeift ein starker Wind, der unsere Umhänge aufplustert. Die Umgebung des Sees ist baumlos und kieselig, aber auch Wiesen begrenzen ihn.

≫Es ist wirklich schön hier.≪, flüstere ich. Draco nickt zustimmend, als auch er die Umgebung sondiert. ≫Willst du was trinken? Frage ich und ziehe eine Flasche Wasser aus meiner kleinen Umhängetasche.≪, verblüfft sieht er mich an.

≫Wie-≪

≫Unaufspürbarer Ausdehnungszauber.≪, erkläre ich stolz und reiche ihm das Wasser, von dem er einen großen Schluck trinkt. Wahrscheinlich hat er beim Packen nicht bemerkt, dass ich die Kleidung ebenfalls in der Tasche verschwinden lassen habe.

≫Sehr praktisch.≪, antwortet er. Dann versinken wir in einer unangenehmen Stille. Ich weiß nicht recht über was ich reden soll, also frage ich: ≫Was glaubst du ist Neville geschehen?≪

Er druckst herum, gibt mir die Flasche zurück, ehe er antwortet: ≫Ähm, naja in den Sümpfen Irlands sind viele Dämonen und böse Geister unterwegs. Es könnte alles gewesen sein.≪, so richtig glücklich bin ich mit seiner Antwort nicht, aber er hat recht. Wir wissen nicht was ihm zugestoßen ist. ≫Wir müssen weiter, wir sollten heute Abend noch nach ihm suchen. Zuerst sehen wir uns sein Zimmer an.≪, ich nicke.

Ein paar Minuten später befinden wir uns erneut in schwindelerregender Höhe, die mir langsam aber sicher weniger ausmacht, als zu Beginn. Wir passieren eine weitere Insel, um darauffolgend das Meer zu überqueren und endlich Irland zu erreichen. Langsam werde ich ein bisschen müde, die ganze Anstrengung und der Stress machen mir zu schaffen. Dennoch haben wir es irgendwann geschafft und stehen vor der Zaubererherberge, die Neville in seinem Formular angegeben hat. Wir betreten das Gebäude und gehen auf die Theke zu.

≫Guten Tag, ein Neville Longbottom hat ein Zimmer bei Ihnen gebucht, ist das richtig?≪, frage ich die Empfangsdame.

≫Herzlich Willkommen. Die Personendaten darf ich leider nicht herausgeben, tut mir leid.≪, sagt sie und wirkt absolut nicht bedauernd.

≫Sie sollten wissen, dass er einer meiner Angestellten ist und nicht zurückgekehrt ist. Ich muss wissen, ob er in den letzten zwei Tagen wieder hier war.≪, ich versuche wirklich mich zu beherrschen, das falsche Lächeln der Dame macht es mir jedoch ziemlich schwer.

≫Ich kann Ihnen nicht-≪

≫JETZT ANTWORTEN SIE SCHON.≪, donnert Draco und schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. Sie zuckt zusammen und starrt ihn an. Super Draco, jetzt hast du sie ihn Schockstarre versetzt.

≫Wir wollen nur wissen, ob er in den letzten beiden Tagen hier war. Er ist auf einer Firmenreise.≪, versuche ich es noch einmal beschwichtigend. Langsam schüttelt sie den Kopf. ≫Er war also nicht hier?≪

≫Nein.≪

≫Haben Sie noch Zimmer frei?≪, frage ich sie, falls wir es am heutigen Abend nicht schaffen ihn zu finden.

≫Ja- aber, aber nur ein Doppelzimmer.≪, stottert sie. Sobald ich mit ihm allein bin kann er was erleben, er hat die arme Frau ja zu Tode geängstigt.

≫Das geht n-≪, fängt er an, aber ich würge seine Aussage ab. Wenn er jetzt noch anfängt Drama zu machen meuchele ich ihn eigenhändig.

≫Wir nehmen es für zwei Tage, wie viel bekommen Sie?≪, ungläubig beobachtet er das weitere Verfahren, bei dem ich der Frau 30 Galleonen aushändige und ein Formular ausfülle. ≫Wenn Sie mir den Zimmerschlüssel für das Zimmer von Mister Longbottom aushändigen verspreche ich ihnen, dass Sie den Typ hier-≪, ich zeige auf Draco, ≫-nicht mehr sehen müssen, während wir hier sind.≪

Während er mich mit seinem Blick zerhackstückelt, landet der Schlüssel schneller auf der Theke, als ich hätte Houdini sagen können. Zufrieden klimpere ich damit und gehe in die Richtung, die mir die Dame genannt hat.

Kaum sind wir allein, beginnt er zu meckern: ≫War das da gerade dein Ernst?≪

≫Ja. Und ich habe noch ein paar Hinweise für dich: Ja, es war nötig das Zimmer zu nehmen, weil es hier weit und breit keine andere Unterkunft gibt und du wohl kaum in eine Muggelunterkunft gegangen wärst. Außerdem solltest du dich ein wenig in den Griff kriegen, die arme Frau war ganz verängstigt, weil du sie so anschreien musstest.≪, schimpfe ich und tippe dabei gegen seine Brust. Mürrisch erwidert er meinen Blick und nickt schließlich. Seitdem er um seinen Job bangt habe ich es einfach mit ihm. Das hätte ich niemals gedacht. Zufrieden setze ich meinen Weg fort, Draco folgt mir, bis wir vor Nevilles Zimmer stehen. Ich schließe es auf und wir treten ein. Das Zimmer sieht verlassen und etwas unaufgeräumt aus, aber nicht so, als wäre er entführt worden, es sei denn er wäre freiwillig mitgegangen. Nur kann ich mir das bei bestem Willen nicht vorstellen. Ohne etwas zu sagen durchquere ich das Zimmer und suche nach Dingen, die uns Hinweise über seinen Aufenthalt geben könnten. Auch Draco geht zu einem seiner Nachttische.

≫Hier liegt eine Liste. Ich glaube da wollte er nach den Setzlingen suchen.≪, sagt er plötzlich. Ich gehe zu ihm und schaue ihm über die Schulter.

≫Lough Beagh...≪, flüstere ich. Es ist der letzte, nicht abgehakte, Stichpunkt.

≫Das ist der See, an dem Minerva unterwegs war. Lass uns da nachsehen. Zuerst gehen wir an der Oberseite lang.≪, er dreht sich zu mir um. ≫Er muss dort irgendwo abhandengekommen sein.≪

≫Okay, lass uns kurz die Umhänge in unserem Zimmer ablegen und praktischere Kleidung anlegen.≪

Wir betreten unser Zimmer, das klein aber gemütlich ist. Das Doppelbett steht in der Mitte vor einem Fenster, links und rechts ein Nachttisch. Natürlich nur mit einer großen Bettdecke. Gegenüber dem Bett und rechts neben der Eingangstür ist ein kleiner Kamin, daneben an der Wand eine Kommode und ein Schreibtisch. Auf der anderen Seite, links neben dem Bett, ist eine weitere Tür, die dem Anschein nach ins Badezimmer führt. ≫Romantisch, nicht?≪, scherze ich angespannt. Ich hoffe einfach, dass wir die Nacht hier nicht verbringen müssen.

≫Ja, kann mich kaum halten.≪, presst er hervor und wirft seinen Umhang aufs Bett. ≫Gibst du mir meine Sachen?≪, fragt er und verschränkt seine Arme. Auch ich lege meinen Umhang ab, falte ihn und lege ihn ordentlich auf die andere Seite des Bettes. Dann fische ich alles, das wir eingepackt haben aus meiner Tasche. Hosen, Jacken, Stiefel, Pullover. Heute nieselt es ein wenig und draußen sind maximal 15°C. Er nimmt mir die Sachen ab, legt sie auf seinen Umhang und beginnt sich auszuziehen. Ohne darüber nachzudenken, dass ich direkt neben ihm stehe, knöpft er sein Hemd auf und lässt es zu Boden segeln. Wie vereist stehe ich auf der anderen Seite, kann meinen Blick nicht von ihm lösen. Seine Haut ist blass und an manchen Stellen vernarbt. Ein paar blonde, aber getrimmte Haare säumen seine Brust. Er scheint sich trotz seines Lehrerberufs sportlich zu betätigen, stelle ich fest. Er hält sein T-Shirt in der Hand und sieht mich an: ≫Mach schon. Ich guck schon nicht hin. Wir müssen los.≪, drängt er und ich taue wieder auf, denn es stimmt.

Schnell ziehe ich mir die Bluse über den Kopf und die Hose aus. Ich drehe mich mit dem Rücken zu ihm und fange an mir die anderen Sachen anzuziehen. Ich versuche zu vergessen, dass ich neben Draco in meiner Unterwäsche stehe.

Startklar stehen wir vor der Unterkunft.

≫Bis zum See sollten wir fliegen, danach zu Fuß gehen, es könnte sein, dass wir aus der Luft nicht alles sehen können.≪, darauf steigt er wieder auf seinen Besen. Ich rolle kurz mit den Augen und setze mich hinter ihn. Ich hasse es.

Wenig später stampfen wir durch das Unterholz eines kleinen Waldes am Rande des Lough Beagh. Den Besen haben wir an unserem Landeplatz versteckt und mit einem Ortungszauber versehen, damit wir ihn wiederfinden.

≫Neville!≪, rufe ich alle paar Minuten, in der Hoffnung, dass er mir antwortet. Wir halten Ausschau nach allen möglichen Spuren: Fußabdrücke im Matsch, Stofffetzen, umgestoßene Pilze, herausgerissene Pflanzen. Also alles, das durch Fremdeinwirkung verändert wurde. Es vergeht eine halbe Ewigkeit, in der nur meine Rufe die Stille durchbrechen, die sonst von leisem Plätschern und Gluckern erfüllt ist. ≫Sag mal, ich weiß, Minerva hatte einen Herzinfarkt, aber... möglicherweise ist es relevant, dass sie hier unterwegs war und... woran ist sie wirklich gestorben?≪, frage ich leise, in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen. Sein Gesichtsausdruck ist verschlossen, als er antwortet:

≫Du bist gut.≪, gibt er anerkennend zu. ≫Ich habe schon ein paar Mal gesagt, dass es hier böse Geister gibt, die Besucher heimsuchen. Ich glaube einer davon hat sie erwischt. Es ärgert mich, dass ich nicht doch von vornherein dabei war, vielleicht hätte ich helfen können.≪

≫Oder es hätte dich auch erwischt.≪, gebe ich zu bedenken.

≫Kann sein.≪, ich will ihm aus irgendeinem Grund nicht abnehmen, dass er den Grund nicht kennt, er wirkt sehr angespannt.

≫Und du weißt sicher nicht, was es war?≪

≫Wenn ich es dir doch sage!≪, wütet er.

≫Schon gut.≪, beschwichtigend hebe ich meine Hände. Seiner Reaktion nach zu urteilen, ist das ein sensibles Thema, daher lasse ich es vorerst dabei bewenden.

Wir sind gerade dabei einen Berg zu besteigen, als es langsam dunkel wird. Meine Uhr sagt mir, dass es inzwischen 21:00 Uhr ist. Außerdem wird es zunehmend kühler, ein leichter Niesel kommt auf.

≫Vielleicht sollte wir den Rest morgen absuchen, wir haben heute immerhin die halbe Strecke geschafft.≪, sage ich zu Draco. Er wiederum nickt. Wir apparieren Seit-an-Seit zurück zu seinem Besen und fliegen zur Herberge.

Erschöpft setze ich mich auf den Rand des Bettes und lasse meinen Kopf in meine Hände sinken: ≫Das kann doch nicht wahr sein.≪

≫Wir finden ihn schon.≪, Draco lehnte links von mir an der Kommode, ich hebe meinen Blick.

≫Wie kannst du so entspannt sein?! Was ist, wenn er..., wenn er...≪, ich mache eine undefinierbare Geste mit den Händen.

≫Der kann sich doch auch verteidigen.≪

≫Ja, aber wenn dieser Dämon oder was auch immer, Minerva fertig gemacht hat, dann kann es auch ihn fertig machen.≪, langsam bin ich mit meinem Latein am Ende.

≫Aber er wusste ja, dass es gefährlich ist.≪

≫Das macht es nicht besser.≪, murre ich. ≫Die Gerüchte sagen, sie wollte Zutaten für einen Trank gegen Vergessen beschaffen. Wofür?≪

≫Der ist Stoff der 6. Klasse.≪, antwortet er knapp.

≫Warum geht nicht Horace los und besorgt die Zutaten? Oder lässt sie sich in der Winkelgasse besorgen?≪

≫Sie war krank, okay?≪

≫Und dann macht sie sich allein auf den Weg, um Zutaten zu besorgen?≪, immer mehr Zweifel aufgrund seiner ausweichenden Verhaltensweise drängen sich in meinen Hinterkopf.

≫Sie wollte nicht, dass es jemand erfährt. Hat mir nur einen Brief hinterlassen, indem sie alles erklärt, deshalb wusste ich, wo ich sie finde.≪

≫Welche Krankheit?≪, gespannt musterte ich ihn. Ich kann nicht verstehen, warum sie es nie jemandem gesagt hat. Und ich denke daran, dass er es jemandem hätte sagen müssen. Was ist mir ihrer Familie?

≫Kannst du dir das nicht denken? Wenn der Trank gegen Vergessen helfen sollte?≪, verärgert zieht er seine Augenbrauen zusammen. Ich fröstele unter seinem Blick, dann trifft mich die Erkenntnis.

≫Alzheimer Demenz.≪, hauche ich.

≫Gut erkannt.≪, er stößt einen anerkennenden Pfiff aus und klatscht.

≫Mach dich nicht darüber lustig! Ich hatte keine Ahnung, woher soll ich es denn wissen?≪, frage ich aufgebracht. Tränen sammeln sich in meinen Augen, während ich daran denke, dass Minerva deshalb vielleicht schon alle Vorkehrungen getroffen hatte. Vielleicht hatte sie bei ihrer Besorgung sogar Hoffnung auf ein Ende, dieser Gedanke macht mich noch trauriger.

~*~

A.N.: Kapitel 2 kommt morgen. Schönes Wochenende!

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