Die Trauerfeier
Kate öffnete die Tür ihres Autos und half Thymian Ariadne sicher auf die Rückbank zu setzten.
Es später Nachmittag und die Sonne hing tief, stach Kate in den Augen. So ging ein wunderschöner Sommertag zu ende.Lächelnd strich sie ihr knielanges rotes Kleid zurecht und begutachtete sich noch einmal im Spiegel.
"Sitzt du gut?" fragte Thy Ariadne besorgt.
Kate fand seine Sorge rührend. Aria nickte nur und presste die Lippen aufeinander bis sie weiß waren. Sie hatte sicherlich schmerzen, doch es war ihr Wunsch gewesen zu dieser Trauerfeier in die Schule zu fahren. Kate hatte ihr ein dunkelblaues Kleid geborgt, etwas konservativer als die anderen. Es war hoch aufgeschlossen und hatte weiße Spitzen.
Thy setzte sich neben sie in das alte Auto und schloss die Tür hinter sich. Auch er hatte sich feiner angezogen als normal. Das braunes Jackett das er trug betonte seine dunklen Augen wunderbar. Kate war stolz auf ihre modischen Ratschläge und war sicher so konnten ihre beiden neuen Freunde vor die anderen Einwohner treten. Sie stieg vorne ein und startete den Motor.
"Ist Amy noch in der Schule?" fragte Aria und lehnte sich etwas nach vorne. "Ja, wir werden sie dort treffen. Sie ist sehr aufgeregt wegen dieser Veranstaltung. Ich denke nicht, dass sie wirklich weiß warum wir sie machen. Frau Rosen hat alle Eltern eingeladen und die Kinder gleich in der Schule behalten. Es wird also eine Menge los sein."
Im Rückspiegel sah Kate wie Thy seinen Arm um Arias Schultern legte und sie sanft an der Schläfe küsste. Ihr Herz schmerzte als sie an ihre eigene verflossene Liebe dachte. Daniel hatte sie zerstört, da gab es nichts mehr das sie retten konnte. Kate atmete tief durch, vertrieb diese dunklen Gedanken und lächelte wieder, so wie sie es seit Jahren tat.
"Ist euer Auto schon repariert?"
"Ja, ich hab einen Anruf erhalten. Es ist wieder wie neu und das Beste ist das wir dank Maddie genügend Geld aufgetrieben haben um die Rechnung bezahlen zu können."
Thymain klang glücklich und zufrieden mit sich. Aria runzelte die Stirn und sah ihn verwirrt an.
"Wer ist Maddie?" Kate sah die Eifersucht in Arias Augen aufblitzen und unterdrückte ein kichern.
"Ähm, ich meine Frau Rosen. Die Schulleiterin, sie ist eine wirklich schöne und nette Frau noch dazu sehr engagiert." Kate verdrehte die Augen und fragte sich ob Thy wohl etwas noch schlechteres sagen hätte können. Er war sich der Größe von Eifersucht in einer noch jungen Beziehung offensichtlich nicht klar. Aria zog die Augenbrauen zusammen und sah ihn gereizt an. Kate beschloss ihn zu retten und meinte beiläufig.
"Das stimmt, Maddie ist toll. Ich hab gehört, dass sie einen erwachsenen Sohn hat und lesbisch wäre." Gut, das letzte war gelogen, doch immerhin zeigten ihre Worte Wirkung. Aria beruhigte sich und lehnte sich entspannt zurück. Nun war es Thy der bei dieser Aussage verwirrt dreinsah und sich wunderte. Doch zu seinem Glück erwiderte er nichts.
Vor der Schule herrschte Chaos.
Beinahe jeder Einwohner von Abbeville war gekommen um den verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Alle trugen sie dunkle Farben und viele weinten. Jugendliche standen in Gruppen zusammen und rauchten oder versuchten ihren Kummer in Alkohol zu ertränken. Leider, so musste sich Kate eingestehen, hatte sie heute schon eine Menge Erwachsener bedient, deren Methoden der Trauerbewältigung die gleichen waren. Thy trug Aria auf dem Arm als wäre sie eine Feder und wieder wunderte sich Kate über seine versteckte Stärke. Als ihr Auto heute Morgen in eine Grube hinterm Haus gerutscht war, hatte Thy es alleine rausziehen können. Seltsam.
"Mama!" rief die kleine Amy und lief ihr entgegen.
Sofort waren alle Gedanken an Thy, die Arbeit oder ihren Herzschmerz vergessen. Kate breitete die Arme aus und fing ihre kleine Tochter auf. Sie sah ihn ihre Augen und erkannte das einzig Gute in ihrem Leben. Amy war für sie immer ein Anker gewesen, jemand der sie daran erinnerte das es das Gute auf der Welt noch gab.
"Hallo, meine Kleine. Hast du uns ein paar Plätze frei gehalten? Aria kann immer noch nicht lange stehen." Amy nickte wild und zog sie in Richtung der Sporthalle. Diese befand sich in einem abgetrennten Haus neben der Schule. Frau Rosen hatte die Sporthalle als letztes renovieren lassen, weshalb sie nun neu glänzte. Das Gebäude bestand aus alten Ziegelsteinen, doch innen war es mit Holz verkleidet.
Die Schulleiterin hatte keine Kosten gespart um den Boden mit weichem Holz auszulegen und die neuesten Geräte für Turnübungen anzuschaffen. Eine Zeitlang galt das Gerücht, dass sie dies nur für den neuen Turnlehrer tue. Doch als dieser ein Jahr nachdem er hergezogen war, eine Frau aus Abbeville heiratete, hörten die Gerüchte auf. Kate hatte diesen Schwachsinn sowieso niemals geglaubt.
Sie empfand Hochachtung für Maddie Rosen, da diese streng aber gerecht war. Amy sprach von ihr nur als die wundervolle Mrs. Rosen.
In der Sporthalle herrschte reges Treiben. Kinder räumten Sessel an den Rand und bauten Stände auf. Anscheinend sollte die Trauerfeier wie eine Vernissage aufgebaut werden.
Überall standen schon die Bilder und Lebensläufe von den Gestorbenen. Blumen in Form von Kränzen und dichten Sträußen lagen den Bildern zu Füßen. Es war kühler als draußen und ein schauer überkam Kate als sie sich umsah.
"Beinahe wie der Hauch des Todes", flüsterte Kate zu sich. Thymian folgte Kate und sah sich um. Als Amy ihren neuen besten Freund sah ließ sie Kates Hand los und lief zu ihm und Aria.
"Aria, wie geht es dir? Ich freu mich so, dass ihr es geschafft habt." Aria lächelte Amy an und meinte mit gespielter Entrüstung:
" Also wirklich, Amy. Glaubst du etwa wir würden dich und deine Mutter an so einem Tag alleine lassen. Ihr seid doch unsere Familie."
Die letzten Worte schienen ihr aus Versehen rausgerutscht zu sein, denn plötzlich verstummte Aria und strich sich nervös eine ihrer Haarsträhnen hinter ihr Ohr. Kate empfand ihre Worte als freundlich und zeigten ihr, dass sie tatsächlich eine Familie werden könnten. Dafür müssten die beiden sich allerdings noch etwas mehr öffnen. Kate hatte so viele Fragen und bevor sie wie Amy die beiden vollkommen ins Herz schließen konnte, mussten diese beantwortet werden.
"Hallo, Thy. Ich freue mich, dass du deine Familie mitgebracht hast." Maddie Rosen, schön und stark wie immer, trat zu ihnen und begrüßte Kate.
"Danke, das sie das alles hier organisiert haben, Frau Rosen. Unsere Stadt bracht das." Maddie lächelte traurig und drückte ihre Hand noch einmal fest.
"Ich freue mich wenn ich meiner Stadt helfen kann. Nennen sie mich doch bitte Maddie. Ich denke an diesem traurigen Tag sollten wir uns nicht mit Höflichkeiten befassen." Maddie lächelte noch einmal und trat dann zu Thymian und Ariadne. Sie lächelte auch Ariadne an und streckte ihr die hand entgegen.
"Ich bin Maddie Rosen, die Schulleiterin. Du musst Thys Freundin sein." Aria ergriff die ausgestreckte Hand und erwiderte das Lächeln.
"Ja die bin ich. Mein name ist Ariadne. Ich meine Aria." Maddie sah überrascht aus.
"Ariadne, wie in der griechischen Sage vom Minotaurus? Das Mädchen, dass dem Helden ein Garn mitgibt und damit hilft aus dem Labyrinth zu kommen?" Aria lachte.
"Ich glaube wir haben nur den Namen gemeinsam." Maddie stimmte mit ein.
"Ja, ich glaube auch. Verzeih wenn ich frage und du musst mir auch nicht antworten wenn es dir zu persönlich ist, aber sind deine Beine gelähmt oder kannst du aus einem anderen Grund nicht laufen?"
"Ich wurde während des Massakers von einem Jungen niedergestochen." Erstaunt riss Maddie die Augenbrauen in die Höhe." Tatsächlich. Aber ich dachte ihr seid noch rechtzeitig von dort weggekommen."Thymian wollte etwas sagen, doch Aria kam ihm zuvor.
"Nein, wir waren mittendrin. Es war furchtbar. Aber immerhin habe ich es überlebt oder?"
Maddie sah Thymian schief an. Thymian wusste nun das seine Lüge aufgeflogen war. Was Maddie allerdings mit dieser Information anstellen wollte war noch unklar.
"Ich bin froh, dass ihr es beide überlebt habt. Wenn ihr mich nun entschuldigt. Wir wollen bald anfangen und es gibt noch eine Menge zu tun. An den Seiten stehen Stühle, nehmt euch so viele wie ihr bracht."
Maddie ging. Aria sah zu Thymian und lächelte. "Du hast recht, sie ist nett. Nur gut dass sie auf Frauen steht. Ich glaube bei dieser Figur, trauern einige Männer."
Thymian nickte verkniffen und ging zu den Stühlen. Kate war sich nicht sicher was zwischen Thymian und Maddie gerade vorgefallen war, doch im Grunde ging sie das auch nichts an.
Es war seine Entscheidung, wie und wann er sich öffnete und ihre Hilfe erbat. Kate würde da sein und sie ihm gewähren.
"Mist, Mist, Mist!!! Wir sind zu spät. Mom wird stinksauer sein!" meinte Elijah und stieg fluchend in sein Auto. Lucy rannte ihm nach und versuchte dabei ihre widerspenstigen Locken zu frisieren.
"Nun, komm schon, Luc. Wir müssen los. Die Trauerfeier könnte jeden Moment anfangen." Lucy fluchte, stieg ein und zeigte ihm den Mittelfinger.
"Danke, Lucy, das hilft jetzt wirklich weiter." Elijah parkte aus und fuhr in Höchstgeschwindigkeit los.
"Es war nicht meine Schuld das wir so spät dran sind. Wer wollte denn den Quickie unter der Dusche, hm? Du hast mich verführt und deshalb sind wir so spät. Und du wirst Maddie die Sache auch erklären."
Elijah schnaubte wütend. "Ach, das heißt es hat dir nicht gefallen?"
"Das hab ich nicht gesagt!"
Sie sahen sich eine Minute wütend an und schwiegen dann für den Rest der Fahrt. Bei der Schule angekommen, schaltete Elijah den Motor ab und stieg aus. Es war niemand zu sehen.
Nur hunderte von Autos parken rund um die Schule und die Sporthalle. Anscheinend hatte die Feier schon angefangen.
Die Sonne verschwand nun gemächlich in einem roten Farbenkleid vom Horizont. Lucy stieg ebenfalls aus und stellte sich neben ihm.
"Sieht man meine Farbe?" fragte sie ihn immer noch mit einem Hauch von Wut in ihrer Stimme.
Elijah drehte sich zu ihr und sah sie genau an. Seine Wut ebbte ab, als er ihr unsicheres Gesicht sah. Sie hatte Angst vor dieser Aufgabe und eigentlich hätte er sie unterstützten und nicht noch unsicherer machen sollen. Schuldgefühle nagten an ihm. Sanft legte er eine Hand an ihre rosigen Wangen und sah ihr in die Augen.
"Du bist wunderschön. Die Sonne lässt dich strahlen, aber deine Haut siehst nicht rot aus. Wir werden das hier erledigen und danach das mit unserem Geheimnis klären, in Ordnung?" Lucy nickte und umarmte ihn fest.
Elijah strich über das seidige schwarze Kleid, dass sie sich von seiner Mutter geborgt hatte. Unter seiner Berührung fühlte er die Hitze ihrer Haut und seufzte. Lucy lehnte sich zurück und sah ihn skeptisch an.
"Wir werden nicht auf einer Trauerfeier Sex haben." Elijah lachte und küsste sie sanft. "Du bist schon viel zu gut für mich."
Die Halle war hell erleuchtet und randvoll mit Menschen. Lucy fasste Elijahs Hand und gemeinsam suchten sie nach Maddie. Schrein für Schrein passierten sie und sahen sich dabei die Bilder der jungen Leute an die ihr Leben gelassen hatten.
"Ich weiß, da kommt der Dämon in mir durch aber.."
"Aber was?"
"Ich wusste gar nicht wie antörnend so eine Feier sein kann."Elijah lächelte schief und erwiderte gelassen.
"Solche Trauerfeiern sind immer mit dem Gedanken des Todes verbunden und der wiederrum ist mit dem Gedanken verbunden wie wenig Zeit wir auf Erden haben." Lucy nickte verständnisvoll.
"Daher hat jeder das Gefühl, er müsse so viel Spaß haben wie möglich." Elijah nickte und sah sich in dieser Menschmasse um, bis er den blonden Schopf seiner Mutter erkannte.
Schnell drängte er sich einen Weg durch die Masse, zog Lucy einfach hinter sich her.
"Mom!" Maddie drehte sich um und begrüßte ihren Sohn strahlend. "Ihr seid hier." Lucy holte Atem.
"Es tut uns so leid, Maddie. Wir..." "Sind aufgehalten worden. Sorry Mom." beendete Elijah Lucys Satz. Maddie lächelte sie an.
"Das ist in Ordnung. Hauptsache ihr seid nun hier. In etwa zehn Minuten werden wir jeden Jugendlichen vorstellen und es werden einige Worte gesagt."
"Mom, wir sollten uns dringend wegen dieses Briefes zusammensetzten. Es ist wichtig." Maddie runzelte die Stirn und dachte nach.
"Ich kann jetzt nicht. Alle hier zählen darauf, dass ich der Fels in der Brandung bin. Wir reden später darüber." Damit verschwand Maddie wieder in der Masse und sie blieben alleine zurück. "Was machen wir denn jetzt? Ich war noch nie auf einer Trauerfeier, was macht man da so?" fragte Lucy unsicher und sah ihren Freund an. Elijah sah sich seufzend um und zeigte auf eine Reihe von Stühlen, die an der Wand standen.
"Wie wäre es wenn wir uns erst mal setzten und aus dieser Masse von Leuten kommen. Da kriegt man ja Platzangst."
Lucy lachte und folgte Elijah als dieser sich einen Weg zu den Stühlen bahnte. Es saßen bereits ein junger Mann, eine schöne junge Frau und ein etwa zehnjähriges kleines Mädchen dort. Elijah blieb vor ihnen stehen und fragte freundlich:
" Sind diese Plätze noch frei?"
"Natürlich. Bitte setzt euch." antwortete der junge Mann in seinem tiefen Bariton. Elijah setzte sich neben den Mann und zog Lucy mit sich auf den Platz neben ihm. Lucy sah den Fremden genauer an. Er hatte längeres schwarzes Haar und war etwas größer als Elijah. Allerdings wesentlich weniger Muskulös. Lucy bewunderte immer wieder Elijahs Muskeln.
Das Mädchen, das neben dem jungen Mann saß, sah sie ebenfalls neugierig an. Sie hatte langes beinahe weißes Haar und wache blaue Augen.
Sie saß vollkommen steif und versuchte ihren Oberkörper wenig zu bewegen. Anscheinend war sie verletzt. Lächelnd streckte das Mädchen ihre Hand aus und hielt sie Lucy entgegen. Beide Männer mussten sich stark zurücklehnen um es ihr einfacher zu machen über sie drüber zu greifen.
"Ich bin Aria. Das ist mein Freund Thy. Kanntet ihr die Verstorbenen?"
Lucy beugte sich weit nach vorne und nahm Arias Hand.
"Ich heiße Lucy. Der Süße hier heißt Elijah. Und nein, wir kennen niemanden der Toten." Etwas in der Körperhaltung Thys änderte sich.
Er war für einen Moment ganz steif geworden und hatte angestrengt zugehört. Denn obwohl das hier eine Trauerfeier war, war der Lärmpegel doch recht hoch. Lucy ließ Arias Hand wieder los und Thy drehte sich zu Elijah.
"Elijah. Ein ungewöhnlicher Name, oder? Woher kommst du?" fragte er ihn neugierig. Lucy wurde misstrauisch.
Es war als hätte Elijahs Name irgendetwas in den beiden ausgelöst.
Elijah schien es nicht zu bemerken. "Ich komme von nirgendwo und überall. Ich bin viel gereist. Kanntet ihr die Verstorbenen?" Thy sah Aria an, bevor er antwortete. Die beiden schienen in Gedanken ein Gespräch zu führen. Sie runzelte die Stirn und Thy nickte langsam.
Aria seufzte laut und drehte sich weg. Anscheinend hatte Thy ihren Kampf gewonnen. "Elijah, könnte ich mit dir draußen reden?" Elijah nickte und bat Thy vorzugehen.
Dieser beugte sich hinunter und hob Aria hoch. Mit ihr in seinen Armen gingen sie quer durch die Menschmassen nach draußen. Lucy hielt Elijah auf.
"Ich hab ein komisches Gefühl bei den beiden. Vielleicht sollten wir deine Mutter holen."
"Luc. Beruhig dich. Meiner Mom ist diese Trauerfeier wichtig, also verhalten wir uns ruhig. Reden wir kurz mit ihnen und gehen dann wieder zurück." Lucy nickte angespannt. Das kleine Mädchen zupfte an Elijahs Jacke und meinte zitternd:
"Du. Mir ist kalt, krieg ich deine Jacke?" Elijah sah sie mit hochgehobenen Augenbrauen an. "Wo ist deine Mom, frag sie doch."
Das Mädchen sah ihn verärgert an.
"Sie ist grad nicht da. Bitte, du kriegst sie auch bestimmt zurück. Mir ist nur so kalt."
"Es ist warm hier, wie kann dir kalt sein?"
Das Mädchen antwortete nicht, sondern schob die Unterlippe vor und verschränkte die Arme.
Lucy wurde das kleine Spiel der beiden zu nervig, deswegen schritt sie ein. "Elijah gib der Kleinen dein Jackett." Elijah schnaubte trotzig und überreichte dem Mädchen seine Jacke. Diese zog sie an und kuschelte sich in das dunkelblaue Jackett. Elijahs Lieblingsjackett. Elijah sah die Kleine noch einmal genau an und nahm dann Lucys Hand. Zusammen folgten sie den Fremden nach draußen.
"Das ist eine blöde Idee!" zischte Aria ihrem Geliebten ins Ohr.
"Wir reden doch nur mal kurz mit ihm. Vielleicht ist er ja gar nicht unser Elijah." Aria schnaubte und schüttelte verärgert den Kopf.
Thy stieß die Tür auf und atmete die frische Nachtluft ein.
Die Sonne war nur noch ein kleiner Klecks am Horizont und die Grillen zirpten ihr nächtliches Lied. "Also Thy, worüber wolltest du mit uns reden?" Elijah stand entspannt und ruhig lächelnd vor ihnen. Aria bemerkte seine Muskeln, seine Stärke.
Sie hatte Angst, dass gerade dies ihr Verhängnis werden könnte. "Es ist schwierig zu erklären. Wo fange ich bloß an." Thy biss sich in die Unterlippe und überlegte fieberhaft. Aria seufzte und meinte gelassen.
"Er ist ein Dämon und hat von einer Dämonin namens Becca den Auftrag erhalten einen Elijah auf der Erde zu finden und zu ihr zu bringen."
Da weder Elijah noch Lucy darüber lachten war nun klar wie ihr Gespräch verlaufen würde. Aria lächelte traurig.
"Natürlich müssen wir uns nicht einmal anstrengen um dich zu finden. Meine Güte."
"Was habt ihr jetzt vor?" Elijahs Stimme war ruhig aber mit einem bedrohlichen Unterton.
"Wir werden uns wirklich unterhalten. Mein Name ist Thymian, ich komme aus dem dritten Höllenkreis und will hier leben." Lucy lächelte ihn an.
"Ich komme aus dem vierten."
Aria schüttelte lachend den Kopf. "Na gut. Zumindest haben wir etwas gemeinsam. Dann werden wir uns jetzt hinsetzten und ein wenig plaudern. Ich glaube nämlich allmählich werde ich zu schwer für meinen armen Ritter." Dabei sah sie Thymian an.
Elijah setzte sich ins trockene Gras, die anderen folgten seinem Beispiel. Thy setzte Aria ganz besonders sanft ab und versuchte ihr zu helfen eine angenehme Position zu finden.
Am Ende lehnte sie sich mit ausgestreckten Beinen an ihn.
"Hast du dich verletzt?" fragte Lucy neugierig.
"Wir waren bei dem Massaker dabei. Ich hab ein Messer in den Bauch bekommen. Tut höllisch weh."
"Kann ich mir vorstellen. Aber bei einem Dämon heilt das ja schnell."
Aria lächelte verlegen.
"Ich bin kein Dämon. Ich bin ein Engel. Ein Jungengel. Bei uns heilt das nicht ganz so schnell." Elijah sah sie überrascht an.
"Ein Engel, unterwegs mit einem Dämon? Das ist was Neues."
Thy nahm Arias Hand und hielt sie fest. Elijah wurde ernst, es gab immerhin Wichtigeres zu besprechen als die verzwickten Liebesverhältnisse in denen sie wohl alle zu stecken schienen.
"Was will diese Becca von mir?"
"Sie hat gesagt, das du wichtige Informationen gestohlen hast und sie will diese zurück. Mich hat sie nur ausgewählt, weil ich mich gut in die Menschenwelt integrieren kann." Elijah nickte.
"Verständlich. Ich hätte dich nie für einen Dämon gehalten. Du wirkst sehr menschlich. Ihr beide tut das."
"Wir wirken vielleicht so, aber wir haben immer noch Probleme uns an alles zu gewöhnen." meinte Aria leise.
Lucy runzelte die Stirn.
"Wie meinst du das?" Thymian antwortete ihr.
"Das Massaker. Es war meine Schuld. Wir haben getanzt und ich habe die Kontrolle über meine dämonische Aura verloren. Ich hatte keine Ahnung, dass so etwas passieren kann."
Elijah sah ihn verständnisvoll an. "Keine sorge das geht vielen so."
Thy war verwirrt. "Ich habe nicht gelogen, als ich sagte ich sei viel gereist. Über die Jahre habe ich viel gesehen und ob ihr es glaubt oder nicht, auf der Erde wimmelt es nur so von Dämonen und Engel.
Es heißt zwar das so ein Verhalten verboten ist, aber es gab immer Engel oder eben Dämonen die nicht so sein wollten wie sie sein sollten.
Ich habe vielen geholfen. Vielleicht kann ich euch auch helfen." "Das wäre toll. Wir haben uns schon Jobs gesucht, aber Geld ist immer noch etwas befremdlich."
Elijah lachte. "Kann ich mir vorstellen. Hat Becca etwas gesagt, wann sie dich zurück erwartet?" Thy schüttelte den Kopf."Es war mir auch egal.
Ich hatte nie vor zurück zu kommen, selbst wenn ich dich finden sollte, war mir immer klar, dorthin gehe ich nicht zurück."
"Aber wird sie dir keine Verfolger auf den Hals hetzten?" "Das ich hier bin, ist alleine Grund genug um Krieg anzufangen, noch ist es ihr dafür aber zu früh. Sie wird niemanden schicken, da bin ich sicher."
Bor niste und wischte sich mit dem Handrücken den Rotz von der Nase. Es war endlich Abend geworden und er konnte sich auf den Weg zu seinem Sohn machen.
"Na gut. Wie ist es bei dir Ariadne? Wird dir jemand folgen?" Aria nickte angewidert. "Ich bin aus der Engelacademie geflohen.
Was einfacher ist als es sich jetzt anhört. Sie haben nicht damit gerechnet, dass ich abhauen würde. Ich denke, dass sie vielleicht ein oder zwei Schutzengel auf mich ansetzten werden, aber solange ich mich ruhig verhalte ist alles in Ordnung."
Lucy verzog das Gesicht und erwiderte.
"Man sie bewachen euch ja ganz schön."
"Ist wie im Gefängnis da oben. Langsam komme ich zu dem Schluss, dass selbst gut nicht wirklich gut bedeutet."
"So ist es auch.", alle drehten sich zu der Stimme um und sahen Maddie Rosen mit verschränkten Armen vor der Tür der Sporthalle stehen. "
"Mom."
"Mom?" fragten Thy und Aria unison.
Maddie lachte und kam langsam auf sie zu.
"Was für ein bunter Haufen ungewollter Kinder. Zwei Dämonen, die die Erde ihrem Paradies von Verdammnis und Zerstörung vorziehen. Ein Engel, dem der Himmel zu gut ist. Ein Halbengel, dessen Mutter sich dem System nicht hatte anpassen können." Thymian sah sie an und lächelte.
"Aber wir alle finden auf der Erde unser Zuhause und unsere Familie."
Ein himmelblauer Van fuhr um die Ecke und bog langsam in ihre Straße ein. Maddie und die anderen drehten sich zu ihm um.
Vielleicht ist es jemand der zu spät gekommen ist, dachten sie sich.
Der Van stoppte vor ihrer Sporthalle und Maddie erkannte das Gesicht der Fahrers wieder.
"Lauft!" schrie sie in dem Moment als die Kriegerengel das Feuer auf ihre Gruppe eröffneten. Thy reagierte instinktiv , schnappte sich Aria und sprintete los. Elijah und Lucy waren nicht so schnell.
Eine Frau mit langem schwarzen Haar und einigen Narben im Gesicht schoss mit tödlicher Genauigkeit.
Elijah ging zu Boden und blieb liegen. Lucy und Maddie zogen ihn um die Ecke. Maddie starrte fassungslos auf das viele Blut, dass aus dem Leib ihres Sohnes quoll. "Verdammt ich habe keine Waffe!" rief Lucy verärgert. Maddie sah sich um und grub dann mit bloßen Händen eine Grube in die trockene Erde.
Plötzlich tauchte von der anderen Seite Thy auf und hockte sich zu ihnen. "Ich kann ihn tragen."
"Wo ist Aria?" "Sie wartet am Waldrand.Wenn du ihr hilfst zu laufen, nehme ich Elijah."
"Das bringt nichts wenn wir kein Ablenkungsmanöver haben."
Maddie drehte sich wieder zu ihnen um, die Pistolengeschosse kamen immer näher, ihnen blieb nicht mehr viel Zeit.
In Maddies Hand befanden sich zwei Kleinkalibrige Handfeuerwaffen.
Eine davon steckte sie Lucy zu, die andere entsicherte sie.
"Ich halt sie auf, aber schafft meinen Jungen hier weg!" schrie sie und feuerte um die Ecke los. Maddies Waffen waren lauter als die der Engel, anscheinend benutzten sie Schalldämpfer.
Thy Band seine Jacke um die Wunde an Elijahs Schulter und hob in vorsichtig hoch. Mit Lucy als Rückendeckung und Maddie als Ablenkung rannten sie los. Die Hintertür wurde aufgerissen und eine schockierte Kate kam heraus. "Ich habe Schüsse gehört."
Thy drehte sich nur eine Sekunde lang um, es war allerdings genug um Kate zu zeigen wie schwer Elijah verletzte war.
Ohne zu zögern rannte Kate ihnen nach.
Gemeinsam erreichten sie den Waldrannt, wo Aria ruhig auf sie wartete. "Wir brauchen ein Auto." meinte Aria angespannt.
"Ich kann eines klauen. Elijahs hat es mir beigebracht." erwiderte Lucy. Alle nickten, Thy zog den provisorischen Verband um Elijahs Schulter enger. Elijah murmelte etwas und verzog sein Gesicht.
Alle werten dies als gutes Zeichen und wollten weiter. Lucy und Kate übernahmen jeweils eine von Arias Seiten und rannten so schnell sie konnten. Nicht weit weg von der Hauptstraße, brach Lucy ein Auto auf.
Es war ein Pickup, nicht das beste model aber genug Platz für sie alle.
Kate stieg mit Elijah und Thy hinten auf die Lagefläche und sah nach Elijah. Lucy setzte sich ans Steuer und Aria neben sie.
Der Motor heulte und schon waren sie auf den Weg raus aus Abbeville.
Thy sah überrascht zu wie professionell Kate die Wunde untersuchte.
"Wo hast du das gelernt?" Kate lächelte.
"Ich habe Medizin studiert."
"Ich dachte, es sei was mit Management gewesen."
"Ja, auch, ich habe mich an vielen unterschiedlichen Studienrichtungen versucht. Was zählt ist, dass ich genug Basiswissen habe, um ihn bis zum Krankenhaus lebendig zu erhalten."
Über den Motorlärm, rief Lucy. "Wir können nicht ins Krankenhaus. Da würden sie zuerst nach uns suchen!"
Völlig fassungslos starrte Kate sie an. "Dann wird er hier verbluten!" Lucy starrte gerade aus und ließ sich keine Gefühlsregung ansehen.
"Nein, wird er nicht." murmelte sie.
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