25. Bereit für den Kampf

Daisy Hessel rannte blind durch den angrenzenden Wald um ihr Haus. Sie war auf der Suche nach einem Notfallkoffer, denn Violet und sie vor einer gefühlten Ewigkeit versteckt hatten.
Der bloße Gedanke an ihre liebe kleine Schwester brachte sie zur Verzweiflung. Also schüttelte sie den Gedanken ab und sah sich um. Der Koffer mit Kleidung, Bargeld und Papieren sollte hier in der Nähe sein. Nur wo? Daisy sah sich hektisch um und erkannte eine Schnitzerei im Baumstamm eines alten Baumes. Daisy strich sanft darüber, sie hatte sie damals angebracht in der Hoffnung nie danach suchen zu müssen.

Schnell fing sie beim Baumstamm an zu graben und förderte einen alten, abgewetzen braunen Koffer zu tage. Sie riss ihn auf und zog gleichzeitig ihr Kleid aus. Es war voller Blut. Wesen Blut es war, wollte sie nicht wahrhaben. Als sie sich umgezogen hatte, schloss sie den Koffer und rannte weiter Richtung Stadt. Dort würden Busse weit weg fahren und sie so weit wie möglich von dieser furchtbaren Erinnerung wegbringen. Niemand fragte wer sie war, niemand wollte es wissen. Daisy lächelte beinahe, es war so einfach in Amerika zu verschwinden. Sobald sie im Bus saß und endlich wieder atmen konnte, sah sie aus dem Fenster. Es war mittlerweile dunkel geworden und regen kündigte sich an. Unbewusst strich sie über das Papier in ihrer Hand, sie hatte es nicht ein einziges Mal aus der Hand gegeben seit Elijah es ihr gereicht hatte.

Ihre Schwester war durch dieses Papier gestorben und ein Teil von ihr wollte es vernichten, wollte es brennen sehen. Doch etwas hielt sie auf. Es war der Anblick ihrer vor Freude tanzenden Schwester. Sie hatte sie seit Jahren nicht mehr so fröhlich gesehen. Violet wollte ein Mensch sein. Sie hätte es nach all den Jahren verdient.

"Ich sollte dieses Geschenk nicht vernichten. Andere wollen es sicher auch.", flüsterte sie sich zu und strich beinahe liebevoll darüber.

"Was ist das?", fragte plötzlich jemand hinter ihr. Daisy fuhr erschrocken herum und sah in der Gesicht eines etwa 16-jährigen Mädchens. Sie hatte dunkle Haut und wirres schwarzes Krausehaar, das sie mithilfe eines blauen Haarbandes aus ihrem Gesicht hielt. Daisy sah sie verwirrt an.

"Was meinst du?", fragte sie stotternd. Das Mädchen zeigte auf Daisys Hand, die das Papier umklammert hielt und setzte sich ungefragt neben sie.

"Das ist nur etwas das meiner Schwester gehört hat." Die Fremde biss sich auf die Unterlippe.

"Tut mir leid das sie gestorben ist."

"Wer sagt das sie tot ist?", fragte Daisy panisch. Die Augenbrauen des Mädchen zogen sich verwirrt zusammen.

"Aber du hast doch in der Vergangenheitsform von ihr geredet. Ich habs einfach angenommen, du siehst so traurig aus." Daisy atmete tief durch und packte das Papier sicherheitshalber weg. Sie musste sich beruhigen oder sie würde anderen Leuten ebenfalls auffallen. Ruhe war der Schlüssel zur Freiheit.

"Ich heiße Xiomara und du?"

"Daisy. Reist du alleine?" Xiomara nickte traurig.

"Ich auch. Xiomara hört sich ungewöhnlich an. Hat es eine besondere Bedeutung?" Das Mädchen lachte und sah Daisy das erste Mal in die Augen. Strahlend grüne Augen lächelten Daisy an, sie sahen Jung und gleichzeitig sehr alt aus. Das Kind musste auch einiges erlebt haben, irgendwie fand sie ihre Gesellschaft tröstlich. Eine Sekunde lang hatte sie Angst Xiomara zu verderben, aber dann erkannte sie ihren großen Irrtum. Sie war nun ein Mensch, sie konnte Freunde haben, sie konnte mit diesem Mädchen befreundet sein. Sie konnte sich sogar um sie kümmern, wenn diese es wollte.

"Xiomara bedeutet: Bereit für den Kampf." Daisy lächelte und sah aus dem Fenster in die stürmische Nacht. Sie war bereit für den Kampf. Egal was kommen würde.

Sie würde weder ihre Schwester noch Elijah vergessen.

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