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Ich hob meinen Kopf und mein Mund klappte beinahe auf.
In your face, Bitch! Was war das denn für ein Anwesen?
Bis jetzt hatte ich in den engen Wohnungen von New York, zwischen Hunderten von Autos und Straßen oder in den Penthäusern von Chicago gelebt. Auch in Los Angeles und Miami gab es nur kleine Häuser, in denen ich bei Pflegefamilien gewohnt hatte und deswegen übertraf das jetzt alles. Meine Tante schien Geld zu haben.
Viel Geld.
Uhhh...
Wahrscheinlich nicht so viel wie ich geerbt hatte, aber dennoch genug um sich etwas so großes zu leisten.
Buhhh...
Boah, was willst du denn?
Von nahem gesehen war das Haus zwar schon alt und an manchen Stellen hatte sich die rot weiße Farbe bereits abgelöst, aber ich hatte mich verliebt. Sofort.
Wolltest du das nicht, nicht mehr tun? Fast erinnerte mich Moon Lake, die kleine verwunschene Stadt im Bundesstaat Oregon an ein Dorf weit oben in Finnland, wo ich einmal hatte untertauchen müssen, wegen...
Ach ne uninteressant. Auf jeden Fall war damals tiefer Winter und in der Hütte ganz im Norden hatte es keine Heizung gegeben.
Lol.
Schnauze.
Ein großer neuer Zaun ramte das Anwesen ein und verschwand rechts und links irgendwo im tiefen Wald. Hinter dem Zaun zog sich gepflegter Rasen entlang bis zum Ufer eines Sees. Ein Motorboot schaukelte einiger Meter entfernt im Wasser, festgemacht an einem Pfal.
Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, dann wäre ich nie darauf gekommen, dass hier in diesem Ort einmal alles begonnen hatte.
Hier begann meine Ausbildung und nach seinem Tod sollte sie hier enden.
Es war Herbst und die bunten Blätter der Bäume, feuerrot oder gelb wie die Schale eines unreifen Apfels, lagen ordentlich auf zwei Haufen verteilt genau an den zwei Pfosten des Tores.
Die Bäume trugen nur noch wenige Blätter und verloren langsam ihre majestätischen grünen Kronen und Wipfel, die im Sommer in ihrer ganzen Pracht erstrahlten.
Meine Tante hatte gesagt sie wäre zu Hause und ich bräuchte nur klingeln. Wer wusste schon ob das stimmte, zwei Pflegefamilien hatten mir auch erzählt, dass sie mich vom Flughafen abholen würden und sind nicht aufgetaucht.
Legende.
Ich machte einen Schritt auf das Tor zu atmete tief durch und drückte auf den Knopf. Kurz wartete ich. Es geschah nichts.
Hahaha.
Ich kniff meine Augen zusammen und drückte noch einmal. Ich erwischte mich dabei, wie sich Enttäuschung in mir breit machte. Ich hatte gehofft.
Ein drittes mal klingelte ich. Wütend auf mich selbst warf ich ein Blick auf die Haustür an der ein Kranz aus Tannenzapfen und Ästen hing. Eigentlich sah es gemütlich aus.
Hast du etwa geglaubt sie wären zu Hause? Jemand der dich wahrscheinlich eh nicht da haben will?
Ich rollte mit den Augen. Meine innere Stimme hatte sich schon wieder eingemischt.
Freundlich wie immer.
Plötzlich schwang die Tür auf und ein junger Mann, vielleicht Anfang 30 eilte hinaus. Schon von weitem sah ich sein strahlendes Lächeln, was eindeutig mir galt. Er hatte braune Haare, einen leichten Stoppelbart und trug ein kariertes und dazu eine dunkle Arbeitshose. Er sah aus wie der typische Waldarbeiter.
Ein Waldarbeiter? Und was bitte macht ein Waldarbeiter im Haus deiner Tante?
Klappe!
Er war mir sofort sympathisch.
"Du musst Marley Raven sein. Deine Tante hat schon viel von dir erzählt. Schön, dass du jetzt hier bist."
Ach ja. Ich hieß jetzt ja nicht mehr Avery.
Versteht mich nicht falsch. Eigentlich heiße ich Marley, aber für das, was ich die letzten Jahre war, hatte ich eine neue Identität annehmen müssten. Dort war ich Avery Reeves. Niemand kannte mich, niemand wusste von mir. Ich war der dunkle Hintergrund in jeder Geschichte. Der Nebel im Wald. Der Schatten der Bäume, die Dunkelheit im Licht.
Hier, im echten Leben war ich Marley Raven. Tochter und einzige Erbin von dem erfolgreichsten Architekt und Bauunternehmer Amerikas Daniel Raven und der weltbekannten Tänzerin Gwendolyn Chesterfield, die den Namen Raven später angenommen hatte. Die, die ein Vermögen geerbt hatte, von dem niemand wusste wie groß es war. Die die ein riesiges Anwesen und mehrere Ferienhäuser in Mexiko, Australien und Europa geerbt hatte, weil ihr Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Gefühlskalt und...
Dumm.
Ok, jetzt hätte ich beinahe los gelacht, meine innere Stimme war schon lustig. Ich hatte mich aber gerade noch unter Kontrolle.
Ich nickte knapp, schenkte ihm dennoch ein kleines Lächeln.
Er öffnete das Tor mit einem automatischen Knopf und ließ mich das Anwesen betreten.
"Ich bin Joseph, du kannst mich aber Joe nennen. Du fragst dich sicher wer ich bin, nicht war? Der Verlobte deiner Tante. Wir sind schon 9 fast 10 Jahre zusammen."
Waaas?
"Wie alt bist du denn dann?"
Joe grinste, was mich an das Lachen eines kleinen Jungen erinnerte.
"34, ich weiß das ist eine lange Zeit und deine Tante und ich wollen bald heiraten."
Halleluja. Was für Neuigkeiten.
"Komm mit."
Ich kam zwar nicht einmal zum reden, aber dass schien Joe nicht zu stören und ich folgte ihm kopfschüttelnd. Wenigstens war jemand zu Hause.
"Moment mal. Wo ist denn dein Gepäck?"
Joe drehte sich um und seine graublauen Augen suchten Koffer, die nicht existierten. Außer meiner Sporttasche mit dem nötigsten Zeug besaß ich nichts.
"Ich habe nur das hier."
Kritisch musterte er die Tasche. "Tja, da wird deine Tante wohl noch ein bisschen was besorgen müssen," lachte er, dann ging er weiter.
Der Kiesweg, der zur Tür führte war schmal und knirschte unter meinen schwarzen Nike Sportschuhen. Dann erblickte ich in der großen offenen Garage neben dem Haus zwei Autos, die meine Augen groß werden ließen. Ein gut aussehender Jeep und daneben ein neuer Audi R8. Oh mein Gott!
Oh mein Gott ein Audi R8! Himmel Donner Wetter, dass ist nur ein Auto! Du hörst dich an wie ein hirnamputierter Autofanatiker!
Hey! Das bin ich doch auch! Nur nicht hirnamputiert.
Davor war ebenfalls ein Geländewagen, ein Toyota Hillux abgestellt worden, der dagegen ziemlich dreckig aussah.
"Ah du hast die Autos entdeckt. Nicht wundern, wegen den beiden Geländewagen. Der Toyota ist meiner, ich bin Ranger des Waldes hier. Der Jeep gehört uns beiden und den Audi hat Maggie uns besorgt. Aber sie ist gerade mit dem Lamborghini unterwegs."
"Also habt ihr vier Autos?"
Joe zog seine Augenbrauen nach oben.
"Mein Hobby sind nebenher Geländewagen und an Autos herumschrauben."
Ach was für ein großer Zufall. Ihr habt Geld für 4 Autos und ein riesiges Anwesen und die Ausrede ist, der Verlobte bastelt gerne an Autos herum. Und das Haus? Ihr wohnt gerne in einer teuren Bude, die von außen alt aussieht? Da stellte sich mir die Frage, was man an einem neuen Lamborghini groß herum schrauben konnte? Nichts, er bestand nämlich aus so viel, dass da keiner mehr einen Überblick hatte. Noch schlimmer war allerdings Tesla. Der war völlig automatisch. Schwachsinn.
Hahaha.
Was bitte findest du eigentlich immer so witzig?
"Maggie hat dich übrigens schon in der Schule angemeldet. Es ist eine Privatschule, wobei viele in Oregon eine Privatschule besuchen, da es hier nicht wenige Leute mit viel Geld gibt. Vor allem in Moon Lake. Übermorgen fängt sie an."
Erwartungsvoll sah er mich an. Was? Sollte ich jetzt Juhu schreien? Das übermorgen die Schule anfing?
"Danke," sagte ich einfach nur und rang mir ein lächeln ab. Sie hatten sich große Mühe gegeben, aber die Zeit hatte mich verändert. Ich ließ niemanden sofort an mich heran und Freunde zeigte ich schon gar nicht.
"Warte mal."
Joe öffnete die Haustür.
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