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Ich saß am Boden vor dem Lagerfeuer und ließ den Schleifstein über die Schwertschneide gleiten. Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter... Es war Bestandteil meiner täglichen Routine, genauso wie essen, trinken, schlafen. Ich hatte mich schon vor langer Zeit an das Geräusch gewöhnt und mittlerweile empfand ich es als beruhigend. Ich liebte wie der Stahl durch die Flammen leuchtete. Neben mir mahlte Varius gerade seine Gerste. Der arme Kerl hatte gestern ein paar Becher Wein zu viel getrunken und bekam jetzt nur Viehfutter. Ein anderer goss sich Öl auf das Brot. Irgendwo summte jemand eine Melodie.

Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter... Hinter uns und der Pfahlwand erhob sich der alte Wald, in dem es nie leise zu sein schien. Rascheln, knacksen, Tiere. Am Himmel funkelten die kleinen Lichter, es war ungewöhnlich klar. Vor ein paar Tagen hatten wir den großen Strom überquert um den Befehl des Legaten auszuführen - einmal mehr die Markomannen überfallen, damit sie wieder besser zu kontrollieren waren. Ich nahm einen Schluck Posca.

Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter... Ich diente seit ein paar Jahren in der fünfzehnten Legion - dem Gott des Lichts, der Heilung und Reinheit geweiht. Über allen Zelten wehte das Banner des Greifen. Seit einiger Zeit war ich principalis in der 7. Kohorte, mit meinen Verdiensten würde es nicht mehr lang dauern bis ich den Posten des optio ad spem inne hatte. Irgendwann wäre ich Centurion und dann lag mein Ziel nicht mehr allzu weit entfernt: Praefectus Castrorum - Lagerkommandant. Wohl das Beste, das ich mir mit meiner Geburt erhoffen konnte.

Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter... Meine Armbewegungen wurden langsamer, bald wäre ich fertig. Der Mulio ging vorbei und sah mich wie immer grimmig an. Ich mochte den Sklaven nicht, dasselbe galt wohl auch umgekehrt. Immer wenn mein Blick auf seine Stichwaffe fiel, bekam ich ein unangenehmes Gefühl. Die Stichwaffe dort hatte zwar den Zweck, dass er sich selbst verteidigen konnte, doch man hörte sehr oft von Sklaven, die anscheinend dumm genug waren, sich mehreren tausend ausgebildeten Soldaten mit einem kleinen Messer entgegenzustellen.

Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter... irgendwo weiter hinten im Lager schien es unruhig zu sein. Ich überlegte was es wohl sein könnte. Ein Training, ein Gelage oder eine Prügelstrafe? Wenigstens war es hier friedlich. Ich plante meinen weiteren Abend. Das Schwert an seinen üblichen Platz legen, den schweren, gefilzten Wollumhang und den Gürtel ablegen, meinen Getreidebrei zubereiten... Es schien lauter zu werden und ich fragte mich wie ich heute schlafen würde.

Rauf, runter, rauf - ich hörte Schritte. Schnell, laut. Jemand kam zwischen den Lagerfeuern zum stehen und brachte unter Keuchen ein „Feinde!" heraus. Dann kam anstatt der Worte Blut aus seinem Mund und er sackte zusammen. Mit einem Mal war alles anders. Ich hörte Klirren und Trampeln. Ich riss mich aus meiner Trance und steckte mein frisch geschliffenes Gladius in den Gürtel. Ich rannte zu meinem nicht allzu weit entfernten Zeltplatz und nahm als erstes meinen verzierten Schuppenpanzer, als nächstes die Wurfspieße und zum Schluss den Helm. Irgendwann hatte ich ein blondes Haarbüschel darauf, aber nachdem ich es in einem Gemetzel verloren hatte, hatte ich es nie wieder ersetzt. Ich brauchte ohnehin keinen Glücksbringer, irgendwo im Lager hatten wir unseren Legionsadler. Das Tuch ließ ich wo es war, es würde nur wertvolle Zeit verbrauchen, es um meinen Hals zu legen. Meinen Dolch hatte ich ohnehin immer bei mir also packte ich mein Schild und lief los.

Ich rannte durch ein paar Zeltgassen und bog dann auf die Via sagularis, wobei mir immer wieder Soldaten wie aufgescheuchte Hühner entgegenkamen, und suchte nach dem Centurion. Ich erinnerte mich, dass er am anderen Ende - ironischerweise dem dem Feind zugewandten Tor - mit den immunes trainieren wollte. Als ich dort ankam, wurde nicht mehr trainiert, stattdessen lief auch hier alles kreuz und quer. Als ich den Centurion entdeckte - leicht zu erkennen, da er sein Schwert auf der linken Seite seines Bandeliers trug -, brüllte er bereits Befehle. Natürlich würde man zuerst ihm jemand berichten. Langsam sammelten sich meine restlichen Kameraden und meine Nervosität verebbte.

Plötzlich sah ich, wie der Kopf meines Centurion mit einem Pfeil durchbohrt wurde. Er stand noch da und schrie, wobei er aber immer leiser wurde. Jemand hatte die Chance wohl genutzt, dass er seinen Helm mit dem querstehenden Kamm noch nicht aufgezogen hatte. Als ich in die Richtung des tödlichen Geschosses blickte, stand dort ein Mulio mit einem Bogen. Auf diese Entfernung konnte ich nicht erkennen, ob es unserer war, aber sein Lachen war zu sehen, denn seine hellen Zähne leuchteten im Dunkeln. Irgendjemand warf seinen Wurfspieß auf ihn und seine Zähne verschwanden. Was für eine Verschwendung, dachte ich. Seinen Pila sollte man für besseres aufheben. Wir drehten uns um, denn wir erwarteten keine weitere Bedrohung mehr, und nachdem unsere Formation schon fast fertig eingenommen war, wären wir dort ohnehin nicht mehr angreifbar. Weiter hinten sah ich Flammen auflodern. Jemand musste mit Brandpfeilen auf die Zelte schießen. Der Anblick verschwand hinter meinem Schild. Diese Schlacht würde nur eine von vielen anderen auf meinem Weg zum Ruhm werden. Ich nahm meinen Wurfspieß und dann fingen wir zu marschieren an...

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