Kapitel 36 - Flucht
Rey
Am nächsten Morgen war die andere Seite des Bettes kalt, als ich aufwachte. Mein Freund musste sich schon früh aus der Krankenstation geschlichen haben, damit sein Verschwinden niemanden auffiel. Lando konnte uns schließlich nicht ewig die Wachen vom Hals halten. Ich fragte mich, was Hans alter Freund wohl von unserer Beziehung hielt. Er schien auf jeden Fall nicht nachtragend zu sein, was Ben anging.
Wir treffen uns heute Nacht am großen Landeplatz. Lando sagt, er kann uns ein Schiff besorgen. Ich liebe dich.
Bens Botschaft, die er mir durch unsere Verbindung zukommen ließ, erinnerte mich an die Geschehnisse der letzten Nacht. Vor ein paar Tagen dachte ich noch, ich würde das Kind allein aufziehen müssen. Und dann...Mein Herz füllte sich immer noch mit Wärme, wenn ich an Bens Reaktion zurück dachte. An seine Worte, seine Küsse, seine zärtlichen Berührungen, den festen Halt seiner Arme. Ich hatte das nicht erwartet und war deswegen umso überraschter gewesen. In diesem Moment wusste ich, dass alles gut werden würde.
Schon in ein paar Stunden würden wir ein neues Leben zusammen beginnen. Der Krieg, die Erste Ordnung, der Widerstand...all das spielte dann keine Rolle mehr. Wir würden einfach nur Rey und Ben sein. Frei von Verpflichtungen, Druck und irgendwelchen Titeln. Ich konnte es kaum erwarten.
Ich liebe dich mehr.
Mehrere Jahre hatte ich für andere gekämpft. Jetzt war meine Familie an der Reihe.
Ich setzte mich auf und schlug die Bettdecke ein Stück zurück. Meine Hand wanderte automatisch zu meinem Bauch und ich schloss meine Augen. Seit Ben mir die Verbindung zwischen mir und dem Baby gezeigt hatte, sehnte ich mich erneut nach diesem wunderschönen Gefühl. Es machte unsere Situation realer.
"Guten Morgen" lachte ich, als die schwache Präsenz des kleinen Wesens in der Macht aufflammte. Die neue Machtenergie war geradezu erfüllt von Licht und Leben. Wie hatte ich jemals eine Abtreibung in Betracht ziehen können?
Ein Klopfen an der Tür unterbrach mich. Connix kam mit einem Klemmbrett in der Hand herein.
"Hallo, Rey! Wie ich sehe geht es dir besser?" begrüßte sie mich freundlich.
"Sehr viel besser." bestätigte ich ihre Vermutung, während sie zu dem Monitor neben meinem Bett ging. Sie notierte sich einige Dinge, wahrscheinlich meine angezeigten Vitalwerte.
"Okay, wir führen noch eine abschließende Untersuchung durch. Wenn dabei keine Auffälligkeiten auftreten, darfst du danach die Krankenstation verlassen."
Schon wenig später wurde ich vom stellvertretenden General in einen Untersuchungsraum gebracht. Connix breitete ein steriles Tuch auf der Untersuchungsliege aus, bevor ich mich hinlegte.
"Doktor Kalonia kommt bestimmt gleich." Mit diesen Worten wollte Connix mich zurücklassen und sich zum nächsten Patienten begeben, doch ich stoppte sie ehe sie die Tür erreichen konnte. Vielleicht würde ich sie nie wiedersehen.
"Danke für alles, Connix." Sie war die Erste gewesen, die von meiner Schwangerschaft erfahren hatte und stand mir seitdem unterstützend zur Seite. Lächelnd drehte sie sich zu mir um.
"Es ist selbstverständlich, dass man seinen Freunden hilft." Das sie uns schon als Freunde betrachtete überrumpelte mich etwas, schließlich kannten wir uns erst seit wenigen Wochen. Davor waren wir uns immer nur flüchtig über den Weg gelaufen. Rückblickend betrachtet hätte ich schon viel früher mal mit ihr in Kontakt treten sollen. Connix war eine gute Zuhörerin, die immer zuerst an das Wohl anderer dachte und niemanden voreilig verurteilte. Sie verbrachte so viel Zeit in der Kommandozentrale und wenn man sie doch einmal nicht dort antraf, half sie kranken Widerstandskämpfern.
Bevor einer von uns noch etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür und Doktor Kalonia betrat das Zimmer.
"Guten Tag, Miss Rey." begrüßte mich die Ärztin und Connix ging.
"Sind nochmal irgendwelche Beschwerden aufgetreten? Bauchkrämpfe? Blutungen?" fragte mich Doktor Kalonia, während sie sich auf den Stuhl neben mir setzte und etwas an einem Gerät einstellte. Zum Glück konnte ich jede ihrer Fragen verneinen.
"Okay, das ist schon einmal gut. Ich werde noch einen Ultraschall durchführen, um zu sehen, ob wirklich alles in Ordnung ist." Nachdem ich meine Tunika hochgezogen hatte, verteilte sie wieder eine großzügige Menge des kalten Gels auf meinem Bauch. Wie beim letzten Mal zuckte ich dabei kurz zusammen, wahrscheinlich würde ich mich nie daran gewöhnen. Angespannt schaute ich auf den Bildschirm, als Doktor Kalonia das Gerät auf meinen Unterleib ansetzte. Schon bald erschien der vertraute, weiße Punkt. Es schien etwas gewachsen zu sein, aber so recht konnte ich das nicht beurteilen.
"Geht es dem Baby gut? Ist es immer noch zu klein?" wandte ich mich ängstlich an die Ärztin, welche seit mehreren Minuten nichts gesagt hatte.
"Nein, ganz im Gegenteil. Es hat genau die richtige Größe für die achte Woche und auch sonst sieht alles gut aus." sagte sie sichtlich zufrieden und ich atmete erleichtert aus. Sie vergrößerte das Bild etwas.
"Wenn Sie genau hinschauen, können Sie schon den Kopf erkennen, der beginnt sich zu entwickeln." Fasziniert betrachtete ich das kleine Wesen auf dem Bildschirm. Tatsächlich konnte man schon die leichte Form eines Kopfes ausmachen.
"Bitte entschuldigen Sie mich kurz." sagte Doktor Kalonia, als draußen auf dem Flur nach ihrer Anwesenheit verlangt wurde. Doch das bekam ich nur am Rande mit, zu gebannt war ich von dem Anblick meines Kindes, dass jeden Tag ein Stück mehr wuchs. Dieser Ultraschall war der Beweis: Ich würde wirklich eine Mutter werden.
"Hallo, du." flüsterte ich zärtlich in die Richtung des Bildschirmes.
"Ich weiß, dass die letzten Tage ein einziges Chaos waren. Aber ich bringe das in Ordnung, das verspreche ich. Dein Vater und ich werden dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist. Wir werden ein schönes Zuhause für dich suchen, einverstanden?" Der bohnenförmige Punkt bewegte sich ein wenig.
"Das nehme ich dann mal, als ein Ja." Lächelnd streichelte ich meinen Bauch. Wie lange es wohl dauern würde, bis ich die Bewegungen spüren konnte?
"Ich kann Ihnen ein Ultraschallbild ausdrucken, wenn sie wollen." bot Doktor Kalonia an, als sie zurück kam und den glücklichen Ausdruck auf meinem Gesicht bemerkte.
"Das wäre toll." bedankte ich mich und musste sofort an Ben denken. Wenn er schon nicht dabei sein konnte, sollte er wenigstens auf diesem Weg über den Entwicklungsstand seines Kindes informiert werden.
"Können Sie noch ein zweites ausdrucken?"
Je tiefer die Sonne am Horizont stand, desto nervöser wurde ich. Mittlerweile war es später Nachmittag und meine Abreise rückte immer näher. Nachdem ich aus der Krankenstation entlassen worden war, hatte ich wirklich alles versucht um mich abzulenken. Ich hatte mir extra viel Zeit beim Mittagessen in der Kantine gelassen, meine wenigen Habseligkeiten gepackt und war eine große Runde um die Basis gelaufen. Unbewusst landete meine Hand dabei andauernd auf meinen Bauch. Bei den vorherigen Arztterminen war immer der Gedanke im Raum gewesen, dass ich meine Schwangerschaft vielleicht abbrach. Deswegen hatte ich es vermieden lange auf den Monitor zu schauen, um bloß nicht viel Zuneigung aufzubauen. Aber die Untersuchung heute war anders gewesen. Ich hatte eine Entscheidung getroffen und nun auch noch Ben an meiner Seite. Zum ersten Mal hatte ich mich wirklich darauf eingelassen und meinen Blick nicht von dem Baby abwenden können. Meinem Baby, das gerade dabei war seine ersten, winzigen Bewegungen zu tun und bereits einen Kopf besaß. Mein Herz war angeschwollen vor Liebe, Erleichterung und auch einer kleinen Portion mütterlichen Stolzes.
Jetzt konnte ich die Entscheidung meiner Eltern, ihr einziges Kind wegzugeben, noch weniger verstehen. Wie konnte man als Mutter einen Teil von sich hilflos zurücklassen, der neun Monate lang mit einem eng verbunden gewesen war? Außer natürlich sie wollten mich von Anfang an nicht, aber das würde wohl für immer ein Geheimnis bleiben.
"Rey?" ertönte Roses Stimme auf der anderen Seite der Tür und zog mich aus meinen trübsinnigen Gedanken. Schnell schob ich den gepackten Beutel unter mein spärliches Bett.
"Kann ich reinkommen?" Kaum hatte ich ihre Frage bejaht, öffnete sich die Tür und die Mechanikerin betrat mein Quartier. Von all meinen Freunden war sie die Einzige, die ich seit meinen Zusammenbruch noch nicht gesehen hatte. Und auch jetzt wirkte sie sehr unsicher.
"Geht es dir besser? Und was ist dem Baby?" begann sie schließlich zu fragen und sah ehrlich besorgt aus. Doch so schnell vergeben wollte ich ihr auch nicht, dafür hatte sie mich genau wie die anderen einfach zu sehr verletzt. Ich fragte mich immer noch, was der Grund für ihr Verhalten gewesen war. So kannte ich Rose gar nicht. Normalerweise war sie die Liebenswürdigkeit in Person.
"Ja, mir geht es gut. Und mit dem Baby ist auch alles in Ordnung, ich hatte heute Morgen erst eine Untersuchung." antwortete ich und zwang mich zu einem kleinen Lächeln.
"Das freut mich wirklich." sagte Finns Freundin, dann herrschte wieder für ein paar Minuten Stille.
"Es tut mir wirklich leid, was in den letzten Wochen passiert ist. Du hast mir damals geholfen, über den Tod meiner Schwester hinweg zukommen, so wie man es von jeder guten Freundin erwarten würde. Ich war nichts dergleichen, als du mich gebraucht hast und ich hoffe, dass du mir irgendwie verzeihen kannst." Tränen gepaart mit tiefem Bedauern und Schuld glitzerten in ihren Augen, als sie ihren Blick wieder hob und mir direkt ins Gesicht schaute.
"Warum? Warum konntest du nicht für mich da sein? Ich weiß, dass das nicht deine Art ist, Rose." war alles, was ich herausbringen konnte und immer mehr Tränen liefen meiner Freundin über das Gesicht. Ich hatte dagegen keine mehr übrig, was aber nichts an dem stechenden Schmerz in meiner Brust änderte.
"Liegt es an mir? Habe ich etwas falsch gemacht?" warf ich ein, als sie nichts sagte. Auch meinen anderen Freunden hatte ich diese Fragen gestellt, aber sie hatten immer andere Gründe gehabt. Und auch Rose verneinte meine Vermutungen schnell.
"Nein. Es liegt an mir. Eigentlich ist es fast lächerlich." lächelte sie traurig und ich wartete gespannt darauf, was sie mir zu sagen hatte.
"Du musst wissen, eines der ersten Dinge, die ich über Finn wusste war, dass er eine beste Freundin namens Rey hatte. Und als ich dich dann traf, eine mutige Jediritterin, die Hoffnung des Widerstandes...ich habe mich so unbedeutend neben dir gefühlt. Ich war fest davon überzeugt, dass Finn niemals etwas von mir, einer einfachen Mechanikerin, wollen würde, wenn er doch dich hatte. Und selbst als wir zu meiner Überraschung und Freude doch zusammen gekommen sind, verschwanden meine Zweifel nicht." Da waren wirklich einige Dinge schief gelaufen.
"Rose, Finn und ich sind nur gute Freunde." wandte ich sofort ein, doch wie sich im weiteren Verlauf des Gespräch herausstellte, hatte mein bester Freund ihr auch das schon erklärt. Für viele wirkte das Verhältnis zwischen uns intimer, als nur rein freundschaftlich. Auch Ben war am Anfang sehr eifersüchtig gewesen, wenn ich von dem ehemaligen Sturmtruppler sprach, egal wie gut er es versuchte zu verstecken. Die Wahrheit war: Nach den vielen Jahren, die ich umgeben von Unkar Plutt und seinem Gesindel in der trostlosen Wüste verbracht hatte, war Finn nun mal die erste Person seit langem gewesen, die mir freundlich gegenüber getreten war. Durch ihn hatte ich gelernt, wie wichtig es ist wahre, zuverlässige Freunde in seinem Leben zu haben. Und genau das würden wir immer bleiben: Gute Freunde.
Ich hatte mit Ben schließlich den aufmerksamsten und liebevollsten Freund, den sich eine Frau nur wünschen konnte. Niemand könnte mich jemals besser verstehen, wie er es tat. Unsere Liebe basierte nicht nur auf Gefühlen oder gemeinsamen Erlebnissen. Sie basierte auch auf der Verbindung, welche die Macht zwischen uns geknüpft hatte. Es war unsere Bestimmung gewesen, uns in diesem Wald auf Takodana zu begegnen. Ich war sein Schicksal, genauso wie er meines war.
Und was Finn betraf: Spätestens wenn man bemerkte, wie er Rose ansah, war einem alles klar. Es gab überhaupt keinen Grund für die Beiden eifersüchtig zu sein.
„Er liebt dich wirklich, Rose. Er spricht andauernd über dich und auch seine Blicke dir gegenüber sind mehr als eindeutig." beteuerte ich ihr und sie nickte dankbar. Hoffentlich war dieses Problem jetzt ein für alle Mal beseitigt.
"Also ist das Baby nicht von Finn, ja?" scherzte sie, was uns beide zum Lachen brachte.
"Nein! Oh Gott nein."
"Und wer ist dann der Vater?" fragte sie neugierig und mein Lachen verstummte so schnell wie es gekommen war. Rose bemerkte ebenfalls meine Verhaltensänderung, denn sie setzte sofort hinterher: "Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst." Ob ich meinen Freunden wohl jemals von meinen Gefühlen für Ben erzählen würde? Vielleicht war der Krieg in ein paar Jahren ja vorüber und die alten Wunden verheilt? So gern ich es ihr auch gesagt hätte, momentan war das nicht möglich. Rose war zwar einer der gutmütigsten Personen die ich kannte, aber die Erste Ordnung hatte Paige, ihre Schwester auf dem Gewissen. Sie würde Ben die Schuld für ihren Verlust geben, egal was ich unternehmen würde, um sie vom Gegenteil zu überzeugen.
"Ich kann es einfach nicht." sagte ich und Rose reagierte wie erwartet verständnisvoll.
"Ich bin auf jeden Fall immer für dich da. Also wenn ich dir bei irgendetwas helfen kann, dann sag einfach Bescheid. Ich wäre zum Beispiel bestimmt eine super Beraterin, wenn es um darum geht Sachen für das Baby zu besorgen." Über das Thema hatte ich mir tatsächlich noch gar keine Gedanken gemacht. Was brauchte ein Baby überhaupt alles? Zum Glück blieb mir dafür noch reichlich Zeit.
"Danke" hauchte ich und zog sie in eine Umarmung. Rose wäre bestimmt eine riesige Unterstützung gewesen, genauso wie meine anderen Freunde.
Nach diesem Gespräch fiel es mir definitiv noch schwerer den Widerstand zu verlassen.
Ben
Seit Stunden lief ich ungeduldig in der düsteren Zelle auf und ab. Die einzigen beiden Sachen, welche mir Lando gesagt hatte, waren der Ort unserer Abreise und der Zeitpunkt, an dem er mich aus diesem Drecksloch holte, gewesen. Immer wieder hatte ich aus dem kleinen, vergitterten Fenster geschaut und mich über jeden Meter, den die Sonne am klaren Himmel Alogas gesunken war, gefreut. Jetzt wurde die Zelle schon seit mehreren Stunden vom Licht des Vollmondes erhellt und der Schmuggler war noch nicht aufgetaucht. Zumindest fühlte es sich an wie mehrere, es könnte aber auch nur eine Stunde gewesen sein. Ich wollte mich auch gar nicht beschweren, schließlich war Landos Hilfe nicht selbstverständlich, nach all meinen Taten in den vergangenen Jahren. Ich war nur so unglaublich nervös. Diese Flucht heute Nacht war völlig etwas anderes, als meine Abkehr von der Ersten Ordnung. Mit Ausnahme von Revan, hatte mich nichts mehr bei dieser Organisation gehalten und inmitten eines Angriffes unbemerkt zu fliehen war ein Leichtes. Doch dieses Mal ging es nicht nur um mich, es ging vor allem um Rey und unser Kind. Unser Kind. Egal wie oft ich es wiederholte, es hörte sich immer noch surreal an. Die ganze letzte Nacht fühlte sich surreal an. Natürlich war ich im ersten Moment geschockt gewesen, als mir meine Freundin diese besondere Nachricht überbracht hatte. Es gab eindeutig bessere Zeitpunkte, um diesen wichtigen Schritt als Paar zu gehen. Schließlich war der Krieg noch längst nicht vorüber und schien sich mit dem Eingreifen der Chiss sogar drastisch zu verschlimmern. Doch schon eine Sekunde später war der Schock durch grenzenlose Freude ersetzt worden. An Reys Gesicht hatte ich ablesen können, dass sie keinesfalls mit einer glücklichen Reaktion meinerseits gerechnet hatte, aber genau das war ich gewesen. Es war keine Selbstverständlichkeit ein Kind zu bekommen und dann auch noch dieses Wunder mit der Frau erleben zu dürfen, welche man über alles liebte. Seit ich mich erinnern konnte, suchte ich nach Zugehörigkeit, nach einer Familie. Erst bei meinen Eltern, dann in Lukes Akademie und daraufhin bei Snoke. Mit Rey hatte ich sie zwar gefunden, aber erst unser Kind machte sie komplett. Ich würde bald meine eigene, kleine Familie haben. Und das Verrückteste daran war, dass ich nicht einmal wusste, womit ich so viel Glück verdient hatte.
Heute Nacht würde Rey ihre Freunde und den ersten Ort, an dem sie sich in ihrem Leben Zuhause gefühlt hatte, verlassen. Es hatte lange gedauert sie von meinem Plan zu überzeugen, aber spätestens, als sie meine Erinnerungen an die Raumschlacht mit Zurco otuk rerus Flotte sah, begriff auch sie, dass es beim Widerstand momentan nicht sicher war. Dazu kam die Tatsache, dass mich Typen wie Dameron und FN-2187 sicherlich nicht mit offenen Armen begrüßen würden. Und ehrlich gesagt konnte ich ebenfalls für nichts garantieren, sollte ich mal die Gelegenheit haben, mit Poe Dameron allein zu sein. Der Pilot hatte immerhin meine Freundin belästigt und hegte auch zu diesem Zeitpunkt noch Gefühle für sie, obwohl sie mehr als offensichtlich zu jemand anderen gehörte.
Plötzlich brach draußen eine laute Diskussion unter den Wachleuten aus, bei welcher ich ganz klar Landos Stimme heraus hören konnte. Das wurde auch Zeit. Irgendwann verstummten die Gespräche endlich und die Zellentür wurde von niemand geringeren als Lando persönlich geöffnet. Wie hatte er das nun wieder angestellt?
"Bereit, Kleiner?" Ich nickte fest, woraufhin der alte Freund meines Vaters etwas aus seinem Mantel zog. Es war mein Lichtschwert, was die Widerstandskämpfer mir kurz nach meiner Ankunft abgenommen hatten.
"Ich dachte, dass du das vielleicht gebrauchen könntest." Dankend nahm ich es entgegen. Das vertraute Gewicht, der von mir eigens gefertigten Waffe, in meiner Hand, gab mir Sicherheit. Auch der Schmuggler zückte seinen Blaster, während wir uns mit zügigen Schritten in die Richtung des Fahrstuhls begaben.
"Was hast du mit denen gemacht?" fragte ich mit Blick auf die Soldaten, welche bewusstlos auf dem Boden des Bunkers lagen. Sie wiesen keine äußerliche Verletzungen auf, also musste Landos Befreiungsaktion friedlicher abgelaufen sein, als angenommen. Mein Begleiter zuckte nur lässig mit den Schultern.
"Ein bisschen Schlafmittel löst doch so einige Probleme." Schlafmittel? Wie zum Teufel hatte er ihnen denn das verabreicht? Lando, der meine Gedanken zu erahnen schien, hielt einen durchsichtigen Beutel hoch.
"Ist das Kuchen?" Amüsiert beäugte ich die braunen Teigklumpen, welche sogar eine dicke Zuckerglasur bekommen hatten. Warum wunderte ich mich überhaupt? Lando war schon immer besonders einfallsreich gewesen, genau wie mein Vater. Aber diese Eigenschaft brauchte man wohl, wenn man seinen Lebensunterhalt mit schmutzigen und risikoreichen Geschäften verdiente.
Das Glück schien dieses Mal auf unserer Seite zu sein, denn selbst in der obersten Etage begegneten wir keiner Menschenseele. Meine Schritte wurden immer schneller, je näher wir dem vereinbarten Treffpunkt kamen. Lando hatte sichtlich Probleme mit mir mitzuhalten, aber er beschwerte sich nicht.
Ob sie es wohl geschafft hatte, unbemerkt zu verschwinden? Was war, wenn sie aufgehalten worden war? Oder wenn das Schiff doch irgendwelche Schäden aufwies? Oder wenn uns doch irgendjemand entdeckte und somit auch Lando entlarvte? Oder...Meine Bedenken lösten sich augenblicklich in Luft auf, als ich die Ecke zum Landeplatz einbog und Rey erblickte. Sie stand neben einem der größeren Schiffe und schaute sich angespannt um.
Ben
Ein breites Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie meine Präsenz in der Macht wahrnahm und unsere Augen sich schließlich trafen. Dort wartete mein neues Leben auf mich, nach den ganzen kräftezehrenden, dunklen Jahren. Dieses Mal wusste ich genau was ich zu tun hatte. Ich rannte auf sie zu, schloss sie in meine Arme, ergriff diese zweite Chance, die mir die Macht gegeben hatte. Reys Gepäck fiel ihr aus den Händen, als sie den restlichen Abstand zwischen uns überwand und mich küsste. Der Kuss war geprägt von gegenseitiger Erleichterung und Sehnsucht. Meine Seelenverwandte hatte unserem geheimen Treffen anscheinend genauso entgegen gefiebert wie ich. Landos lautes Räuspern ließ uns verlegen auseinander fahren und erinnerte uns daran, dass wir immer noch in der Basis des Widerstandes waren. Mit verschränkten Händen folgten wir dem Piloten zu dem von ihm ausgewählten Schiff. Es war ein älteres Modell und hatte seine besten Zeiten definitiv hinter sich, aber für unsere Zwecke würde es schon reichen. Zumal ich sowieso nicht vorhatte, es ewig zu behalten. Wenn man seine Aufenthaltsort geheim halten wollte, dann musste man von Zeit zu Zeit seine Fortbewegungsmittel wechseln.
"Es tut mir leid, dass ich euch nichts besseres anbieten oder mehr für euch tun kann."
"Du hast genug für uns getan, Lando. Ohne dich ständen wir nicht hier." erhob Rey zum ersten Mal seit unserer letzten Begegnung das Wort und ich stimmte ihr zu. Wir hatten es einzig und allein ihm zu verdanken, dass wir uns versöhnen und aussprechen konnten, und nun gemeinsam den Planeten verließen.
"Wenigstens konnte ich auf diese Weise meine Schuld etwas lindern. Jahrelang habe ich nichts von mir hören lassen in einer Zeit, wo mich meine Freunde dringend gebraucht hätten. Wo du mich gebraucht hättest, Ben." wandte er sich explizit an mich und ich widersprach ihm nicht, weil es die Wahrheit war. Wenn auch nur einer von ihnen, egal ob meine Eltern, Luke, Lando oder Chewbacca, sich meiner angenommen hätte, dann wäre es vermutlich nie soweit gekommen.
"Ich hoffe du findest alles, was du suchst. Und pass ja gut auf diese übermütige Jedi an deiner Seite auf." setzte er noch hinterher, bevor wir das Schiff betraten.
"Das werde ich." versprach ich ihm mit einem leichten Lächeln auf den Lippen und auch Rey brachte Landos Bemerkung zum Lachen. Mit einem letzten Augenzwinkern in meine Richtung entfernte er sich schließlich langsam von uns und ich schloss die Schiffsluke, nachdem wir die Rampe erklommen hatten. Nachdem Rey unser Gepäck im hinteren Teil des Schiffes verstaut hatte, nahm sie neben mir Platz. Das war auch gut so, denn ich war mit der Palette an Knöpfen im Cockpit etwas überfordert. Plötzlich vermisste ich die einfache Handhabung meines TIE Fighters sehr.
"Und wo starte ich jetz-" setzte ich an, da hatte meine Freundin schon ihren Arm ausgestreckt und einen der Knöpfe betätigt. Der Schiffsreaktor ächzte laut und mehrere Lichter sprangen an. Schnell erklärte sie mir die Funktion der anderen Knöpfe und Hebel, während wir abhoben und die Widerstandsbasis allmählich hinter uns ließen. Als wir die Atmosphäre von Aloga durchbrachen, warf Rey einen letzten, langen Blick zurück.
"Du tust das Richtige, glaub mir." Ich wusste genau, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen war, aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben.
"Ich weiß." erwiderte sie nur mit fester Stimme und konzentrierte sich voll und ganz auf die unendlichen Weiten der Galaxis, welche sich uns vor den Fenstern des Cockpits darboten. So viele unbekannte Welten, die nur darauf warteten entdeckt zu werden. Ich hatte mir selbst geschworen, sie irgendwann alle mit Rey zu bereisen. Aber fürs Erste ging es zurück nach Naboo. Wir waren uns beide darüber einig gewesen, dass sich das frühere Anwesen meiner Großmutter im Seenland perfekt als Rückzugsort eignete.
Nachdem ich das Schiff auf Kurs gebracht und den Autopilot aktiviert hatte, ging ich zu meiner Begleiterin hinüber, welche fasziniert aus dem Fenster schaute.
"Hast du eigentlich einen Lieblingsplaneten?" hörte ich sie neugierig fragen, als ich mich hinter sie stellte und ihr einen Kuss auf den Kopf gab. Nachdenklich ging ich all die Orte durch, zu denen es mich bisher verschlagen hatte.
"Es gibt schon einige schöne Plätze in der Galaxis. Takodana, Naboo, Aloga..." murmelte ich laut vor mich hin, bis Rey mich unterbrach.
"Nennst du sie wegen ihrer traumhaften Natur oder weil du dort Zeit mit mir verbracht hast?" Ihr neckender Unterton war kaum zu überhören und jetzt wurde auch mir klar, warum ich mit den ausgesuchten Planeten überwiegend positive Erinnerungen verband. Rey war der Grund. Takodana würde mir immer als der Ort unserer ersten Begegnung im Gedächtnis bleiben. Auf Naboo hatten wir uns schließlich unsere Liebe gestanden und wundervolle Stunden zusammen verbracht. Und unser Gespräch auf Aloga markierte den Anfang unseres neuen Lebens.
"Vielleicht wegen beidem?" gab ich daraufhin zurück und erntete für diese Bemerkung einen spielerischen Schlag auf meine Schulter. Das war Rey, wie ich sie kannte. Zum ersten Mal seit Wochen ging keine Verzweiflung oder Angst von ihr aus. Da war einfach nur Ruhe und Freude. Sie wirkte regelrecht gelöst.
"Ich habe übrigens Neuigkeiten." brach es plötzlich aus ihr heraus. Sofort wurde ich hellhörig. Angesichts der vergangenen Stunden war es nicht schwer zu erahnen, um welches Thema es ging. Rey hatte mir gestern alles erzählt, auch dass sie fast eine Fehlgeburt erlitten hätte. Deswegen konnte ich die Panik, die meinen Körper bei ihren nächsten Worten erfasste, nur schwer in Schach halten.
"Ich hatte heute einen Arzttermin und-" Mein Blut wurde augenblicklich kalt. Sie war ein weiteres Mal in sehr kurzer Zeit untersucht worden. Das konnte nichts gutes bedeuten.
"Was ist los? Ist alles in Ordnung?" ließ ich sie gar nicht erst ausreden, drehte sie aufgeregt zu mir herum und packte sie an beiden Schultern. Erst Reys leises Lachen und ihre Hand auf meinem Arm brachten mich dazu innezuhalten.
"Oh Ben, du musst dir keine Sorgen machen. Mir und dem Baby geht es gut." sagte sie sogleich, zog etwas aus der Tasche ihrer Weste hervor und reichte es mir. Verwirrt nahm ich das Stück Papier entgegen, völlig unvorbereitet auf das was ich sehen würde. Meine Händen fingen an unkontrolliert zu zittern, als ich das schwarzweiße Bild in mir aufnahm. Ein warmes Kribbeln breitete sich in meinen Augen aus, während ich die kleine Silhouette betrachtete und ich gab mir erst gar keine Mühe die Tränen zurückzuhalten. Warum sollte ich auch, wenn dieser Moment zu den schönsten meines Lebens gehörte? Das hier war mein Baby. Die pure Manifestation meiner Liebe für die Frau, die nun neben mich trat. Unserer Liebe.
"Ich glaube i-ich kann schon die Arme und Beine erkennen." Erstaunt zeigte ich Rey die winzigen vier knospenartigen Gebilde, die sich deutlich vom länglichen Körper abgrenzten. Sie bestätigte meine Vermutung und deutete mit ihrem Finger auf einen weißen Punkt ganz in der Nähe.
"Siehst du das? Das ist das Herz." erklärte sie mir und ihre Augen wurden ebenfalls glasig. Absolut überwältigt vergrub ich mein Gesicht in Reys Haaren und gab mich meinen Gefühlen hin, als sie sich an mich lehnte. Es war eine Sache zu wissen, dass sie schwanger war und die Machtenergie des Kindes wahrzunehmen. Aber eine völlig andere, es wirklich zu sehen. Da waren ein Kopf, winzige Arme und Beine und sogar ein schlagendes Herz. Ein ganz neues Leben war dabei zu entstehen und ich würde alles in meiner Macht stehende dafür tun, um es zu beschützen. Ich würde zu den entlegensten Planeten reisen, unter den missgünstigsten Bedingungen leben und die gefährlichsten Risiken eingehen, damit die Beiden in Sicherheit waren. Meine Familie.
Vermutlich hatte deswegen die Beziehung meiner Eltern nicht funktioniert. Mein Vater stand seit ich denken konnte mit einem Bein im Falken, jederzeit bereit sich bei einem auftauchenden Problem aus dem Staub zu machen. Und meine Mutter nutzte die politischen Krisen, um sich von ihren persönlichen abzulenken. Sie schauten weg, liefen weg, entschieden sich für den einfacheren Weg, ohne zu bemerken, dass sie die Situation dadurch nur verschlimmerten.
Normalerweise fiel ich in ein tiefes Loch, sobald ich an meine Vergangenheit dachte. Aber dieses Mal war es anders. Sie schwächte mich nicht, sondern bestärkte mich nur in meinem Vorhaben. Rey und ich würden unserem Kind alles geben, wonach wir uns in unserer Kindheit gesehnt hatten: Mitgefühl, Sicherheit, Zugehörigkeit und bedingungslose Liebe. Es würde niemals den gleichen Schmerz erleben müssen, wie wir.
Als ich mich wieder gefangen hatte, drückte ich Rey an mich und hob sie hoch. Mehrmals drehten wir uns zusammen im Kreis. Hätte ich letzte Nacht so reagiert, in der Krankenstation auf der Widerstandsbasis, dann wären wir mit großer Sicherheit aufgeflogen, allen Bemühungen von Lando zum Trotz. Doch hier gab es niemanden außer uns und den vorbeiziehenden Weltraum.
"Oh mein Gott, ich werde Vater!" rief ich laut in die Galaxis hinaus und Rey klammerte sich kichernd fester an mich.
"Das hast du aber schnell begriffen." Nach zwei Umdrehungen setzte ich sie wieder auf den Boden ab, hielt sie aber nach wie vor dicht bei mir. Lange Zeit dachte ich, ich wäre gar nicht in der Lage etwas anderes als Hass, Trauer und Schmerz zu fühlen. Und jetzt stand ich hier und sah der Frau in die Augen, die mir das Gegenteil bewiesen hatte. Rey hatte mich buchstäblich gerettet und es gab nichts was die Schuld, in welcher ich deswegen bei ihr stand, aufwiegen könnte.
"Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich." wisperte ich ihr zu und ertränkte sie in Küssen. Ich wünschte ich hätte heute neben Rey in dem Untersuchungszimmer sitzen, ihre Hand halten und zusammen mit ihr das Baby bestaunen können. Rey erwiderte sofort den Druck meiner Lippen und das Ganze wäre vermutlich noch ewig so weitergegangen, wenn uns nicht ein alarmierendes Geräusch unterbrochen hätte.
"Der Tank ist fast leer." stellte ich fest, nachdem ich mich widerwillig von ihr gelöst und einen Blick auf das Armaturenbrett geworfen hatte. Beinahe gleichzeitig verfluchten wir Lando in unseren Gedanken. Und dabei hatte ich vor unserer Abreise noch einmal alles überprüft. Das musste mir wohl entgangen sein.
"Wir müssen unverzüglich eine Notlandung einlegen und neuen Sprit besorgen." sagte Rey und drückte ein paar Knöpfe, wodurch eine Karte vom Planetensystem auf einem Monitor in der Mitte erschien.
"Der nächstgelegenste Planet ist Corellia." Wohl wissend was dieser Ort in mir auslöste, nahm sie meine Hand in ihre und wartete auf meine Zustimmung. Von allen Möglichkeiten, musste natürlich ausgerechnet der Planet in der Nähe liegen, auf welchem mein Vater aufgewachsen war. Aber uns blieb keine andere Wahl. Also nickte ich und Rey tippte die neuen Zielkoordinaten in den Bordcomputer ein. Zum Glück würde das kein langer Besuch werden.
"Ich liebe dich übrigens auch, Ben." sagte sie lächelnd und stellte sich wieder neben mich, als das Schiff seinen Kurs änderte.
Ich weiß gar nicht wie lange es schon her ist, seit ich was gepostet habe.
Es tut mir wirklich leid, aber in letzter Zeit hat die Arbeit meinen Tag so ausgefüllt, dass ich kaum noch zum Schreiben gekommen bin. Ich hoffe, dass ändert sich bald wieder und euch hat das Kapitel zumindest gefallen :). Rey und Ben schweben ja gerade wirklich auf Wolke 7 haha.
Denkt ihr der Stopp in Corellia verläuft reibungslos?
Eure starline20002 :)
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