Kapitel 30 - Eine Wüste aus Eis
Revan
Wir erreichten das Sperrgebiet noch vor Tagesanbruch. Es war ein langer, beschwerlicher Weg durch unzählige Schneestürme gewesen, aber wir hatten ihn gemeistert. Zum Glück waren uns im Dorf keine weiteren Soldaten auf die Schliche gekommen, sodass ich nicht nochmal zu meiner Waffe greifen musste. Ein Toter war schon mehr als genug. Allerdings sprach Zisila immer noch kein Wort mit mir. Was war nur mit mir los? Früher hatte ich mir doch auch nichts daraus gemacht, was andere von mir hielten. Ich bereute von Minute zu Minute mehr, dass ich mich auf das Ganze hier eingelassen hatte. Ben lag jetzt höchstwahrscheinlich auf einer Wiese in Naboo, während ich mir sämtliche Gliedmaßen ab fror. Selbst auf Hoth war es wärmer, als hier. Zisila lenkte ihren Speeder urplötzlich scharf nach rechts und beschleunigte, als der von ihr prophezeite Stacheldrahtzaun vor uns aufragte. Die fallenden Schneemassen machten es mir noch schwerer ihr zu folgen, als es ohnehin schon war. Wo zum Teufel hatte sie gelernt so gut zu fliegen? Ich beschleunigte meinen Speeder ebenfalls und versuchte mich an ihrem roten Mantel zu orientieren. Zu meiner Erleichterung kamen wir bald auf der Rückseite eines nahe grenzenden Gletschers unter einem Felsvorsprung zum Stehen. Zisila sprang als erstes von ihrem Schiff und stellte es an der hohen Wand aus Eis ab. Ich ließ ebenfalls mein Schiff und meinen Helm zurück, bevor ich sie mit einem fragenden Blick betrachtete. Der Gletscher bot uns ausreichend Schutz, sodass wir unsere Kapuzen abnehmen konnten. Meine Begleiterin klopfte sich den Schnee von ihrer Kleidung und ich wurde den Gedanken nicht los, wie schön sie mit den Schneeflocken in ihren Haaren aussah.
"Also, wo geht es lang?" Sie entschied sich dafür mich weiter mit Ignoranz zu strafen und ging stapfend voraus. Ich musste das dringend wieder hinbekommen und zwar nicht nur, weil wir gerade mit der Entscheidung ein verbotenes Gebiet zu betreten unsere Leben riskierten. Die Tatsache, dass ich der Grund für ihren Kummer war, nagte mehr an mir, als ich zugeben wollte.
"Zisila, können wir reden?" brach ich das unerträgliche Schweigen ein weiteres Mal, als wir dabei waren ein ins Eis geschlagene Loch zu betreten. Sie schüttelte nur kaum merklich ihren Kopf und begann schneller zu laufen. Wie sich herausstellte hatten die Chiss einen ganzen unterirdischen Tunnel im Gletscher angelegt. Ich schloss zu ihr auf, packte ihren Arm und wirbelte sie zu mir herum.
"Lass mich sofort los!" giftete sie eingeschnappt und versuchte meine Hand weg zuschlagen. Davon konnte sie lange träumen. Langsam riss auch mein Geduldsfaden.
"Wenn du endlich mit mir redest, dann liebend gern." sagte ich mit einem scheinheiligen Lächeln. Zisila schnaubte bedauerlicherweise nur empört.
"Warum sollte ich mit dir reden, du Monster?" Sie hatte Recht. Nichts anderes war ich. So viele waren durch meine Hand gestorben. Ich hatte bei der Zerstörung von ganzen Planetensystemen und der Entführung unzähliger Kinder einfach nur zugeschaut. Obwohl ich doch am besten wusste, wie es sich anfühlte in den Händen anderer gefangen zu sein.
"Ein Monster was du immer noch an deiner Seite haben willst. Oder irre ich mich da?" Es war die reine Wahrheit. Zisila, der es regelrecht die Sprache verschlagen hatte, versuchte sich nun nicht mehr aus meinem Griff zu befreien. Schweigend wartete sie meine nächsten Worte ab.
"Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut. Aber ich hatte die Wahl und habe mich dafür entschieden, dich zu beschützen." Schon lange hatte ich nicht mehr dieses Bedürfnis verspürt. Seit ich meine Schwester verlor, war ich anderen stets mit Distanz begegnet. Mit Ausnahme von Ben natürlich, was wohl daran lag, dass ich mich bei ihm auf Anhieb verstanden gefühlt hatte. Ich kannte Zisila erst wenige Stunden, aber ich hatte mich selten jemandem so verbunden gefühlt. Die Chis schluckte schwer und ich ließ sie los. Ich musste sie wohl sehr mit meinen Worten überrumpelt haben, denn es dauerte ewig, bis sie sich wieder gefasst hatte.
"Nur sehr wenige wissen von dem Tunnel, deswegen denke ich, dass dort keine Wachen platziert sind. Sei trotzdem vorsichtig." sagte sie irgendwann und wandte sich von mir ab, um unsere Mission fortzusetzen. Sie tat so, als wäre nie irgendetwas passiert. Es gab so vieles was ich ihr in diesem Moment sagen wollte, aber ich bekam kein einziges Wort über die Lippen.
Das Schicksal meinte es heute zur Abwechslung mal gut mit uns. Vor der massiven Tür am Ende des Tunnels, die wir nach einem ewigen Fußmarsch erreichten, waren keine Wachen platziert. Erleichtert atmete Zisila neben mir aus und kramte in den Taschen ihres Mantels herum. Zwei Masken kamen zum Vorschein, von denen sie mir eine reichte.
"Was soll ich damit?" fragte ich verwirrt, während sie sich ihre über Mund und Nase zog.
"Hast du meinem Bruder in der Besprechung überhaupt zugehört? Angeblich geben die Flaws hochgiftige Sekrete in die Luft ab. Ich gehe ganz bestimmt kein Risiko ein." lächelte sie amüsiert über meine Unwissenheit. Das konnte doch nicht wahr sein. Zugegebenermaßen waren meine Gedanken in dem gestrigen Meeting oft bei Zisila gewesen, aber ich dachte wirklich ich hätte alles Wichtige mitbekommen. Ben war ja auch nicht gerade aufmerksam gewesen und so blieb mir nur zu hoffen übrig, dass wenigstens Hux aufgepasst hatte. In solchen Situation war man dann doch ganz froh den nervigen General zu haben.
Seite an Seite standen wir, als die Tür sich mit einem lauten Zischen öffnete und den Blick auf ein mit grell leuchtenden, roten Pflanzen übersätes Feld freigab. Ich griff instinktiv nach ihrer Hand und drückte sie. Ein Versprechen, dass ich alles in meiner Macht stehende dafür tun würde, dass wir hier lebend raus kamen. Dieses Mal zog sie ihre Hand nicht weg und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Vorsichtig traten wir ein paar Schritte nach draußen und sahen uns nach allen Seiten um. Zurco otuk rerus Tochter hatte mir erklärt, dass mehrere Wachtürme um den Zaun herum verteilt waren. Aber das Gebiet war so groß, dass zumindest die Hoffnung bestand, dass sie uns nicht sofort entdeckten. Sie erwiderte meinen Händedruck, als wir uns weiter vorwagten. Ich spürte ihre Angst und Nervosität in jeder Faser meines Körpers. Wir gaben uns gegenseitig Halt, denn mir ging es kein Stück anders.
Als wir ein großes Exemplar erreichten stoppten wir. Ich musste sie wohl oder übel los lassen, damit sie sich nach unten bücken konnte, um unseren Fund aus zu graben. Meine Aufgabe in der Zeit war es mich nach möglichen Wachen um zu sehen. Bis jetzt lief alles perfekt nach Plan. Trotzdem konnte ich es nicht erwarten von hier wegzukommen. Dieser Ort behagte mir ganz und gar nicht. Sobald sie die Pflanze sicher in einem luftdichten Gefäß verstaut hatte, nahm ich wieder ihre Hand und wir traten den Rückweg an. Keine Sekunde zu früh, denn nach den ersten paar Metern ging ein ohrenbetäubender Lärm los. Aus meinem Augenwinkel sah ich den gespannten Strick, auf welchen wir getreten waren. Er war dünn, fast unscheinbar, aber er reichte um einen Alarm auszulösen. Mehrere kleine Lichter am Zaun blinkten auf und Schüsse ließen nicht lang auf sich warten. Ich drehte mich ruckartig zur Seite, wobei ich Zisila bewusst hinter mich schob. Mit einer Handbewegung ließ ich die Schützen nach hinten fliegen, was uns aber auch nur wenige Minuten Zeit verschaffte. Es würde nicht lange dauern, bis weitere Soldaten kamen. Hand in Hand rannten wir auf das Tor zu, aus welchem wir gekommen waren. Immer wieder landeten Schüsse knapp hinter uns im Schnee und brachten uns gefährlich ins Stolpern. Wir wussten beide, dass uns der Tod blühte, sollten wir hinfallen.
"Revan, die Tür!" rief Zisila entsetzt und dann sah ich es auch. Unser Ausweg verschloss sich direkt vor unseren Augen. Wir würden ihn nicht mehr rechtzeitig erreichen. Bestimmend zog ich sie nach links, geradewegs zu einem Stück des Zauns wo noch keine Wachen platziert waren.
"Was soll denn das werden?" schrie sie atemlos und folgte mir äußerst widerwillig.
"Nur so eine Idee." murmelte ich. Dieser spontan geschmiedete Plan musste einfach funktionieren. Uns lief die Zeit davon. Als wir endlich den Stacheldraht erreichten warf ich einen prüfenden Blick nach oben. Das was ich gleich versuchen würde überstieg vielleicht meine Fähigkeiten, aber vielleicht auch nicht. Und wir hatten nun mal keine Wahl, wenn wir hier lebend raus kommen wollten. Zisila wollte schon wieder etwas einwenden, aber ich ließ sie erst gar nicht zu Wort kommen.
"Vertraust du mir?" fragte ich und verlor mich in den roten Augen, die mich jedes Mal aufs Neue in ihren Bann zogen. Seit unserer ersten Begegnung faszinierte mich diese Frau und das würde sie auch immer tun. Ihr Nicken ließ mein Herz augenblicklich schneller schlagen. Ich wusste, dass Zisila schon sehr oft in ihrem Leben verletzt, betrogen und ausgenutzt worden war. Ihre Entscheidung mir ihr Vertrauen zu schenken, bedeutete mir dementsprechend mehr als alles andere. Sie fiel in meine ausgebreiteten Arme und schlang ihre eigenen so fest um meinen Rücken, dass ich ihren Herzschlag spüren konnte. Der Körperkontakt ließ ein Kribbeln meine Wirbelsäule entlang gleiten, welches sich bald in allen Winkeln meines Seins ausbreitete. Ich schloss meine Augen, um meine Gedanken besser zu fokussieren. Ich malte mir die andere Seite des Zaunes so genau wie möglich in meinem Kopf aus. Die umliegenden Gletscher, weiten Schneefelder und versteckten Tunnel. Und natürlich unsere Freiheit. Zisila klammerte sich stärker an mich, als wir vom Boden abhoben, unsere Stiefel den Stacheldraht streiften und schließlich wenige Sekunden später im Schnee einsanken. Wir hatten uns noch nicht mal voneinander gelöst und ich vermisste schon jetzt dieses Gefühl sie in den Armen zu halten und ihren Geruch einzuatmen. Triumphierend sah ich sie an. Mein Plan war perfekt aufgegangen.
"Jetzt bilde dir ja nichts darauf ein." lächelte Zisila und zog verwirrt ihre Augenbrauen zusammen, als ich mit meiner Hand durch ihre Haare fuhr, in denen sich schon wieder unzählige, kleine Schneeflocken befanden. Alles in mir schrie danach ihr noch näher kommen zu wollen.
"Was ist?"
"Du bist wunderschön." Eine Schneeflocke fiel auf ihre Lippen und das war der Moment, wo ich entschied mutig zu sein. Ich lehnte mich vor, um den Eiskristall von ihren Lippen zu küssen. Es war eine federleichte Berührung und binnen weniger Sekunden vorbei. Zisila war wie erstarrt, unsicher darüber was sie tun sollte. So oft hatte ich mich gefragt, wie es sich anfühlte jemand anderem so nahe zu sein und nun, wo ich die Antwort kannte, wollte ich für immer in diesem Moment leben.
"Was fällt dir eigentlich ein?" Ich strauchelte mehrere Schritte nach hinten, als sie mich von sich stieß. Zisila folgte mir und schubste mich weiter, bis ich schließlich komplett im Schnee landete.
"Was sollte das? Du denkst auch du kannst dir alles erlauben, oder?" schrie sie wütend weiter und bemerkte den Soldaten hinter ihr nicht. Ich rappelte mich auf, hob meine Hand und schmetterte ihn mithilfe der Macht gegen den geladenen Zaun. Zisila drehte sich kurz erschrocken um, schenkte dem Vorfall aber ansonsten nicht viel mehr Aufmerksamkeit. Momentan hatte sie nur Augen für mich, aber leider nicht aus den von mir erhofften Gründen.
"Ich...es tut mir leid!" Was war nur in mich gefahren, dass ich sie einfach so geküsst hatte? Und vor allem: Warum wollte ich es am liebsten schon wieder tun? Meine Gefühle waren komplett durcheinander.
"Wow, das ist schon deine zweite Entschuldigung heute. Was soll das Ganze hier, hm? So langsam glaube ich, dass deine Absichten anders sind, als du vorgibst!" Ihre Stimme zitterte und ich hatte das Gefühl, dass sie sich nur von mir abwandte, damit ich ihre Tränen nicht sah. Es war als hätte man mir tausende Messer gleichzeitig ins Herz gestoßen.
"Zisila, bitte! Ich würde dich niemals ausnutzen. Ich bin nicht wie dein Vater oder Bruder!" rief ich und rannte ihr so schnell hinterher, wie es in dem hohen Schnee möglich war.
"Du weißt rein gar nichts über meine Familie! Verschwinde doch einfach!" erwiderte sie lautstark mit brüchiger Stimme, was lediglich bewirkte, dass ich meine Bemühungen zu ihr zu kommen verstärkte. Ich erreichte sie erst bei der Gletscherspalte von vorhin. Wortlos setzte sie sich auf ihren Speeder und wollte schon los fahren, als ich mich ihr in den Weg stellte.
"Geh weg oder ich fahre dich um!" drohte sie mir, aber ich dachte gar nicht daran, auch nur einen Schritt zur Seite zu gehen. Mit verschränkten Armen sah ich zu ihr hoch.
"Darauf kannst du lange warten. Es tut mir leid, dass ich dich einfach geküsst habe. Können wir nicht so tun, als wäre nie etwas passiert?" flehte ich, aber sie schüttelte sofort ihren Kopf.
"Das kannst du sowas von vergessen! Ich werde die Mission allein zu Ende bringen. Lass mich vorbei!" Der Motor des Schiffs sprang an, aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken. Wir hatten so viel zusammen durch gestanden. Wir waren gerade zusammen dem Tod entronnen verdammt nochmal. Ich würde sie jetzt ganz bestimmt nicht so einfach gehen lassen.
"Zisila, bitte!" versuchte ich es nochmal. Sie kämpfte sichtlich mit sich, aber erst als Tränen über ihre Wangen hinunter fielen hörte ich auf. Ich hatte es mal wieder gründlich versaut und alles was ich jetzt noch tun konnte war, es nicht noch schlimmer zu machen.
"Jetzt lass mich vorbei!" Bereitwillig trat ich zur Seite und musste schmerzlich dabei zusehen, wie sie von den Schneemassen verschluckt wurde. Auch als sie schon lange verschwunden war, stand ich noch an derselben Stelle, das gefrorene Wasser ignorierend, was immer tiefer in meine Kleidung eindrang. Meinen Blick hatte ich sehnsüchtig in die Ferne gerichtet, während mich nur diese eine Frage quälte:
Würde ich sie jemals wiedersehen?
Endlich, endlich, endlich habe ich das Kapitel fertig! Ihr wisst gar nicht, wie froh ich darüber bin. Ich hoffe euch hat auch dieses Kapitel gefallen. Was denkt ihr: Sind die Flaws jetzt ungefährlich oder nicht? Und fandet ihr Zisilas Reaktion berechtigt?
Eure starline20002 :)
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