Kapitel 3 - Auftrag
Kylo
Als Rey vor meinen Augen verschwand, stützte ich meinen Kopf in meine Hände. Bald würde uns die Verbindung erneut zusammen führen. Ich hatte mir geschworen, sie zu ignorieren, sie zu vergessen. Doch dann hatte eine Erschütterung meinen Körper erfasst und schon hatte die Macht uns ein weiteres Mal zusammen geführt, hatte mir sie gezeigt. Vor Schmerz zusammen gekrümmt und von Tränen überströmt. Noch nie hatte ich Rey so verletzlich erlebt. So schwach und verzweifelt. Ich war zurück gezuckt, als ich sah wie leer sie war. Ohne Hoffnung. Und dann hatte sie mich an ihrem Schmerz teilhaben lassen. Leia Organa war tot. Meine Mutter war gestorben und ich konnte mich noch nicht ein Mal verabschieden. Meine Augen brannten, als ich mich der Maske zuwendete. Der Maske meines Großvaters. Jedes Mal aufs neue hoffte ich, dass ich dadurch gestärkt werden würde. Durch Darth Vader.
Ich hatte sie geliebt. Trotz allem hatte ich meine Eltern immer geliebt. Egal wie oft sie sich stritten, egal ob sie mich weg schickten zu Luke. Ich hatte sie geliebt. Wie schon bei meinem Vater fraß der Zorn mich auf, das Gefühl, dass es meine Schuld war. Mit dem aufleuchten des roten Lasers, entlud sich meine Wut, mein ganzer Schmerz. Tränen benetzten meine Wangen, als ich den Tisch vor mir zerteilte. Meine Schreie hallten von den Wänden wieder, das Holz splitterte und verteilte sich im ganzen Raum. Sie hätten ein glückliches Leben haben können, wäre ich nicht gewesen. Ich hatte die Familie zerstört, die sie sich erträumt hatten. Ich hatte den Sohn vernichtet, den sie geliebt hatten. Und ich hatte ihr den Mann genommen, der ihr Leben gewesen war.
"Wenn sie schon ihr Zimmer verwüsten, können sie wenigstens beim nächsten Mal so leise sein, dass es man es nicht durch die ganze Station hört." Es fehlte nicht viel und Hux hätte heute zum zweiten Mal dran glauben müssen. Doch ich durfte mich nicht noch angreifbarer machen, als ich ohnehin schon war. Konzentriere dich Kylo. Beachte ihn nicht.
"General Hux. Haben sie nun endlich erfreuliche Nachrichten für mich?" sagte ich also stattdessen und setzte mich auf meinen Thron. Ich schaffte es sogar ein amüsiertes Lächeln auf zu setzen. Hux und ich konnten uns schon zur Zeit von Snokes Regentschaft nicht wirklich ausstehen, geschweige denn gut zusammenarbeiten. Genauso wie jetzt. Doch ich hatte die Oberhand, ich hatte sein Schicksal in der Hand und irgendwann würde ich eines Tages sein Leben beenden. Ich würde es genießen zu sehen, wie er seinen letzten Atemzug tat und die Welt von seiner Anwesenheit befreite. Doch bis dahin, konnte ich mich nur damit begnügen ihn ordentlich herum zu kommandieren, was meine Laune auch heute erheblich besserte.
"Ja...Oberster Anführer." Ich merkte sofort, wie schwer er sich damit tat diesen Namen auszusprechen. Er wollte immer selbst ganz oben an der Spitze stehen, das hatte ich bereits bei unserer ersten Begegnung gemerkt.
"Wir haben mehrere Spione entsandt und sie melden alle das gleiche was den momentanen Standort des Widerstandes betrifft. Allerdings scheint es, als hätte unser Feind Verstärkung bekommen von außerhalb, weshalb wir uns lieber in Ruhe auf einen Angriff vorbereiten sollten." sagte er. Seine aufrechte Haltung strahlte jahrelanges Wissen und Erfahrung aus, denn er wusste wovon er sprach. Ein weiterer Grund, warum ich ihn noch nicht ausschalten konnte. Es war schwer einen Ersatz für diesen General zu finden, denn in solchen Situationen zeigte sich, dass er doch zu was gebrauchen war. Aber sobald dieser Krieg vorbei war, würde ich ihn schnellstmöglich verschwinden lassen.
"Wenn du nichts dagegen hast, Hux, würde ich doch lieber noch einen Spion von mir persönlich entsenden, der euch bei weiteren Auskundschaften behilflich sein wird." Ich genoss es zu sehen, wie seine Gesichtszüge entgleisten. Wie er alle Mühe aufbringen musste, um seine Wut nicht offen zu zeigen. Er hasste es wie die Pest, wenn jemand an seinen Qualitäten zweifelte.
"Oberster Anführer, das ist wirklich nicht nötig." Und wie das nötig war. Hux konnte vielleicht gute Pläne entwickeln, sie aber in die Realität umzusetzen war eine ganz andere Nummer, was sich an seinen letzten Einsätzen gezeigt hatte. So ziemlich alles war schief gegangen.
"Diesmal werde ich mich selber von ihrer Arbeit überzeugen und dafür sorgen das wir keine unnötigen Verluste erleiden, wie beim letzten Mal. Verstanden?" Da hatte ich ihn schon mit der Macht zu mir gezogen und am Kragen gepackt. Dieses ekelhafte Grinsen.
"Aber natürlich." säuselte er und fluchte, als er mit der Nase voraus, Bekanntschaft mit dem polierten Boden machte.
"Revan! Begleite ihn, ich bin mir sicher du wirst mich nicht enttäuschen." sagte ich und Hux fluchte erneut. Revan würde ihn in die Mangel nehmen und auf den Zahn fühlen. Das war auch dem General bewusst. Mein Stellvertreter nickte entschlossen, bevor er den Raum verließ. Hux folgte ihm humpelnd, mit einem gebührenden Abstand.
Revan meldete sich über seinen Comlink bei mir.
"Oberster Anführer-" fing er an, doch ich unterbrach ihn.
"Lass den Mist, Revan. Hux soll mich so nennen, aber doch nicht du. Nenn mich bitte einfach wie immer Kylo." sagte ich und ich glaubte unter seiner Maske ein Lächeln zu erkennen. Wir kannten uns seit wir Kinder waren. In Lukes Akademie war ich ihm das erste Mal über den Weg gelaufen.
Ich floh aus meinem Zimmer, hinaus in die Nacht. Weg von der Dunkelheit, die mich zu erdrücken drohte und der Stimme, die einfach nicht verschwand. Sterne erfüllten den Himmel und der Vollmond tauchte das hohe Gras in silbernes Licht. Verschwommen erhoben sich vor mir die Umrisse der Akademie. Sollte ich zu meinem Onkel gehen und ihm davon erzählen? Oder würde er mich ein weiteres Mal weg schicken? Unentschlossen tat ich den ersten Schritt auf die Stufen, dann den zweiten und dann...da sah ich ihn wieder. Den Jungen von heute Morgen, der Kiera beim Schwertkampf ausgeschaltet hatte. Niemand hatte das bisher geschafft. Er schien mich noch nicht bemerkt zu haben, denn er saß weiter zusammen gesunken auf der Treppe. Den Kopf in den Händen vergraben, die Knie nah an den Körper gezogen. Von seiner Stärke von heute Morgen war nichts übrig geblieben. Er sah genauso verloren aus, wie ich mich fühlte. Ich konnte ihn doch nicht einfach hier lassen, während ich...
"Möchtest du mit zu Luke kommen? Ich wollte eh gerade..." Dann brach meine Stimme und mir wurde bewusst, was ich mir hier vor machte. Würde Luke mir überhaupt zu hören? Woher sollte ich wissen, ob er mich dieses Mal ernst nehmen würde oder ob nicht vielleicht doch die Stimme Recht hatte. Ein kalter Schauer erfasste mich, als ich zu meiner Hütte schaute und ich merkte die Tränen, noch ehe sie mir über das Gesicht flossen. Sie wartete doch nur darauf mich erneut zu quälen.
"Kannst du auch nicht schlafen?"
Ich schüttelte unmerklich den Kopf und sah in blaue, verquollene Augen. Und obwohl die Tränen mir die Sicht nahmen, erkannte ich die Überraschung in diesen. Dann sah ich seine Hand, die kaum größer war als meine eigene, neben sich zeigen.
"Wenn du willst...Platz ist ja genug." Ohne zu zögern setzte ich mich neben den Jungen. Das Mondlicht ließ seine blonden Haare noch heller scheinen. Es hatte etwas tröstliches, mit ihm hier zu sitzen und einfach hinauf in die Sterne zu schauen. Er drängte mich nicht dazu darüber zu reden, genauso wenig wie ich ihn nach dem Grund für seinen Schmerz fragte. Da war einfach nur diese Wärme, die mir Halt gab in dieser schwierigen Nacht, denn die Sterne ließen mein Heimweh einfach nur unerträglich werden.
"Früher hat mich mein Vater oft Nachts in seinem Schiff mitgenommen. Vom Cockpit aus hatte man immer das Gefühl, als könnte man nach den Sternen greifen, sie berühren." Früher wo noch alles gut war. Wo ich nur Angst vor der Reaktion meiner Mutter hatte, wenn sie erfuhr, dass mein Vater mich mal wieder heimlich mit genommen hatte.
"Dein Vater ist der berühmte Han Solo oder? Und deine Mutter Leia, die Prinzessin von Alderaan? Jeder kennt die Geschichte." Die Geschichte von dem Kampf der Rebellen gegen das Imperium. Vom Duell meines Onkels mit Darth Vader. Meinem Großvater.
"Ja.." antwortete ich nur knapp und wandte mich von ihm ab.
"Berühmte Eltern zu haben, ist nicht so toll wie du denkst."
"Aber es ist besser, als keine zu haben oder?" Mit einem Satz hatte ich mich wieder umgedreht und sah die Tränen aufschimmern in seinen blauen Augen.
"Meine Schwester mochte die Sterne auch weißt du? Solche Nächte hat sie geliebt." Da erst fiel mir die lange Narbe an seiner Schläfe auf. Einmal war mein Vater von seinem Kurs abgekommen und wir mussten eine Zwischenlandung auf Tatooine einlegen, weil uns der Treibstoff ausgegangen war. Damals hatte er mir erklärt, warum die Jungen, die kaum älter als ich sein konnten, den großen, schweren Kanister zum Millenium Falken schleppen mussten. Warum sie so zerlumpte Sachen trugen und eine Narbe ihr Gesicht zeichnete.
'Das sind Sklaven. Die Narbe zeigt an, dass sie ein Leben lang ihrem Herrn gehören.'
Doch ich wollte den Jungen nicht fragen, woher er kam. Für wen er gearbeitet hatte und wie er es geschafft hatte, zu fliehen. Denn irgendetwas sagte mir, dass seine Schwester etwas damit zu tun hatte und deswegen nicht mehr am Leben war.
"Ich heiße Ben. Und du?" fragte ich stattdessen.
"Revan." sagte er und ein kleines Lächeln umrundete seine schmalen Lippen.
Und trotzdem hatte ich ihm nichts erzählt. Über die Zerstörung der Star Killer Base und über Snokes Tod. Über den wahren Grund für den Tod des früheren Obersten Anführers. Stattdessen hatte ich die gesamte Schuld auf Rey abgeladen. Aus den beiden verzweifelten Jungen waren erbarmungslose Krieger geworden, die längst selbst nicht mehr wussten, ob sie für das richtige kämpften. Ich spürte Revans Zweifel, genauso wie er meine Zerrissenheit spürte. Doch darüber gesprochen hatten wir nie.
"Nun gut Kylo. Ich kann dir zwar keine neuen Informationen von der Lage des Widerstandes überbringen, dafür bin ich an etwas anderem dran."
"Und an was?" fragte ich misstrauisch. Er sollte sich eigentlich an Hux halten, damit ich sicher sein konnte, dass dieser meine Befehle richtig ausführte. Bei dem Kerl wusste man nie.
"Seit wann gibt es denn eine neue Jedi?" Seine Stimme war verzehrt von Hass und ich wusste warum. Er wollte sich rächen, für Snokes Tod. Er und die anderen kannten das wahre Gesicht unseres früheren Meisters nicht. Und ich würde dafür sorgen, dass sie niemals raus finden würden, was er mir in all den Jahren angetan hatte.
"Rey" Ihr Name spukte durch meinen Kopf. Für einen kurzen Moment stand ich erneut auf der Lichtung in Takodana. Fühlte wieder den Schmerz in jener eisigen Nacht, als ihr Lichtschwert meine Wange streifte. Sah sie ein weiteres Mal, in eine Decke gewickelt, vor dem Lagerfeuer. Spürte dieses unfassbare Gefühl nochmal, als unsere Hände sich berührten, genauso wie ich Snokes Leib wieder für sie durchtrennte. Und musste wieder verzweifelt zu schauen, als sie die Rampe des Falken vor meinen Augen schloss.
"Im Moment trainiert sie direkt vor mir an einem See. Soll ich sie ausschalten?" Ich merkte wie sehr er sich zurück halten musste, um nicht gleich auf sie los zu gehen. Weil er wusste, dass ich das letzte Wort hatte. Und ich selbst?
"Kylo?" Rey. Irgendwann musste ich sie eliminieren, doch ich konnte es nicht. Ich konnte es einfach nicht, genauso wenig wie ich anderen den Befehl dazu geben konnte. Revan hatte eine längere Ausbildung genossen und seine Axt verfehlte nie ihr Ziel. Besonders nicht, wenn er aus dem Hinterhalt agierte. Sie würde diesen Kampf nicht gewinnen.
"Nein, Revan eliminiere sie nicht. Betäube sie nur und bring sie zu mir. Sie wird uns lebend mehr von Nutzen sein, als tot." Was war nur aus mir geworden? Snoke hätte mir erstmal eine zusätzliche Lektion erteilt, wäre er noch am Leben. Hatte ich nicht alles getan, um dem Licht Einhalt zu gebieten?
"Wieso lässt du dir so eine Chance entgehen? Das könnte-" Fing er schon wieder damit an? Was glaubten die eigentlich alle, dass sie einfach alleine entschieden, was das richtige war.
"Revan, ich bin der Oberste Anführer und du tust das was ich dir sage!" Ich hatte keine Zeit für Zweifel. Nicht wenn eine ganze Organisation von meinen Entscheidungen abhängig war.
"Ich dachte so soll ich dich nicht ansprechen!" Er klang empört über das was ich zu ihm sagte und auch wie ich mich aufführte.
"Und ich dachte du bist anders als Hux und befolgst meine Befehle ohne sie zu hinterfragen!" erwiderte ich sofort und schaute ihn wütend an, bis er nachgab.
Sein Bild vor mir erlosch und am liebsten hätte ich meinen Komlink an die gegenüberliegende Wand geworfen. Wieso rettete ich sie schon wieder? Warum konnte ich sie nicht einfach beseitigen und vergessen? Das wäre doch das beste für mich.
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