XIII
Meine Hände, mit denen ich zuvor versucht hatte, mich zu befreien, hatte ich nun nach hinten gestützt, während ich meinen Verfolger weiterhin mit großen Augen ansah.
„Hilfe! Bitte!" Es war ein letzter, hoffnungsloser Versuch, doch ich wusste, dass ich ihm ausgeliefert war und es kein Entkommen gab.
Er war noch gut ein paar Meter von mir entfernt und seine Schritte wurden immer größer und schneller. Irgendetwas glänzte silbern in seinen Händen auf, vielleicht etwas Klingen Ähnliches und grinste dabei diabolisch. Zwar hatte er eine Kapuze auf, aber die untere Hälfte seines Gesichts konnte ich dennoch erkennen.
„Ich habe so lange auf den Moment gewartet und jetzt ist er endlich gekommen. Mein Meister wird ziemlich erfreut sein", meinte er noch, ehe er nach vorne schnellte und sich mein Herzschlag wieder verschnellerte.
Ich schloss meine Augen, verzog das Gesicht, wobei die Wunde über meinem Auge brannte, und wartete auf das Schlimmste. Auch, wenn ich die naive Hoffnung hatte, dass es wie in meinen Träumen gleich gut enden würde.
Doch es passierte nichts. Nur ein quälender Schrei direkt vor mir. Jedoch erstickte der Laut so plötzlich wie er gekommen war. Ich hörte nur noch, wie ein Körper auf den Boden prallte und dann Stille. Meine Augen hatte ich wieder geöffnet, nur konnte ich in der Dunkelheit kaum etwas erkennen. Nur eine Gestalt vor mir. Ängstlich rutschte ich nach hinten. Dabei zerkratzte die Ranke noch weiter mein Bein und meinen Rücken lehnte ich an einen der Baumstämme hinter mir. Erst jetzt merkte ich, dass mir schon einzelne Träne über die Wange liefen.
„Laila?", hörte ich auf einmal eine ziemlich atemlose und besorgte Stimme.
Doch vor Angst hörte ich nur halb zu und reagierte nicht. Ich konnte die Stimme daher auch nicht einordnen und beruhigte mich nicht wirklich. Der Schreck saß noch zu tief, weswegen ich meine Augen wieder schloss und mein Gesicht mit meinen Augen bedeckte. Kurz darauf hörte ich schnelle Schritte, die auf mich zukamen und direkt vor mir anhielten.
„Hey, Laila", sagte die Person mitfühlend und ich spürte dabei eine Hand, die die meine berührte. Sie war so schön warm und schob meine langsam von meinem Gesicht. Doch meine Augen waren fest geschlossen und ich zitterte stark. „Laila, ich bin's. Darryl", meinte er jetzt mit etwas festerer, aber immer einfühlsamer Stimme.
Darryl? Langsam und vorsichtig öffnete ich meine Augen und sah sofort und die zwei Grünen meines Gegenübers, der sich vor mich gehockt hatte. Erst jetzt dämmerte es mir. Darryl!
Vor Freude schnellte ich nach vorne und warf mich ihm in die Arme. Ich krallte mich so sehr an ihm fest, als würde ich ertrinken, doch ich hatte nur Angst davor allein gelassen zu werden. Dabei ließ ich alles raus und meine Tränen nahmen ihren Lauf. Darryl war von der plötzlichen Umarmung etwas überrascht und da er nur in der Hocke da saß, taumelte er kurz nach hinten. Allerdings fand er sehr schnell sein Gleichgewicht wieder und kniete sich jetzt hin, wobei er seine Arme fest um meinen Körper schlang und mich fest an sich drückte.
„Es ist alles gut. Er kann dir nichts mehr tun", versuchte er mich zu beruhigen und strich mir dabei langsam über den Rücken.
Doch meine Schluchzer und Tränen wollten nicht aufhören. Das mir mittlerweile ganz schön kalt war, war mir egal. Darryl war immerhin schön warm und so drückte ich mich etwas mehr an ihn, wobei ich seine Muskeln unter dem Pullover spürte.
Mit der Weile hatte der Schwarzhaarige es aufgegeben mich mit Worten beruhigen zu wollen. Stattdessen hielt er mich einfach fest und streichelte immer wieder meinen Rücken entlang. So verweilten wir eine ganze Weile, bis Darryl irgendwann den Kopf hob und in den Himmel sah.
„Wir sollten langsam gehen. Deine Freundin macht sich bestimmt schon Sorgen um dich", sagte er.
Jedoch krallte ich mich weiter an ihn. Ich wollte nicht zurück und schon gar nicht wollte ich allein sein, nach dem was gerade passiert war. „Nein... las mich bitte nicht allein", wimmerte ich. Mir war es im Moment einfach egal, dass ich mich bei Darryl ausheulte.
Er seufzte kurz leise und schien nachzudenken. „Okay, dann kommst du eben mit zu mir", murmelte er mehr zu sich selbst und klang dabei so als wäre er nicht mit sich selbst im Einklang. Allerdings konnte ich ihm im Moment sowieso nicht ganz zuhören. Der Schock saß noch immer tief und ich wollte einfach nur bei ihm sein. Der Rest war mir egal. Also nickte ich kurz an Darryls Brust und er erhob sich. Mich dabei noch immer an sich gedrückt.
Ich war mir sowieso nicht sicher, ob ich laufen könnte. Mein Bein brannte höllisch und ich war ziemlich müde, durch das Rennen im Wald. Doch er wirkte auch nicht so als wollte er mich loslassen, weswegen ich mich einfach von ihm tragen ließ.
Keine Ahnung, woher er wusste, wo der Weg war.
Es war stockdunkel, doch Darryl lief zielsicher durch den Wald, ohne einmal anzuhalten oder sich umzudrehen. Meine Augen hatte ich mittlerweile geschlossen und meinen Kopf hatte ich auf Darryls Schulter gelegt. Dabei spürte ich nur die Bewegung, die beim Laufen entstand und hörte hin und wieder Blätter rascheln und Zweige knacksen.
Ich öffnete meine Augen erst als ich bemerkte, dass der Schwarzhaarige angehalten hatte. Verwirrt drehte ich leicht meinen Kopf und sah auf ein riesiges Holztor. Wir waren noch immer mitten im Wald und deswegen wunderte ich mich, als mein Blick weg von dem Tor entlang der riesigen Mauer glitt. Der graue Stein sah ziemlich veraltet aus und dennoch war am Eingang eine Art Sprechanlage.
Dort gab Darryl irgendetwas ein, ehe er anfing zu sprechen. „Ich bin's", sagte er knapp.
Und kurze Zeit später ertönte die Stimme eines aufgebrachten Mädchens. „Wo zum Geier warst du?!", schrie sie ihn durch das Gerät an.
Ich konnte Darryl frustriert ausatmen hören. „Kann dir doch egal sein, Jessie, lass mich einfach rein!", knurrte er autoritär.
Man hörte nur noch ein genervtes Gebrabbel und kurz danach öffnete sich das Tor langsam mit lauten Geräuschen. Darryl setzte sich in Bewegung und betrat den riesigen Innenhof des Geländes. Da es dunkel war konnte ich nicht viel erkennen, aber die wenige Beleuchtung ermöglichte mir einen Blick auf die ganzen Leute und vereinzelte Häuser.
Wäre ich im Moment nicht so müde gewesen, wäre ich wahrscheinlich total geschockt über die Situation.
Bei einem der großen Häuser angekommen, stieß Darryl die Holztür mit dem Fuß auf und ging in das schwach beleuchtete Haus. Es war relativ altmodisch eingerichtet mit jede Menge Holz und hellen Stein. Dieser etwas rustikale Look war ungewohnt, aber irgendwie gemütlich.
Bei meinem ganzen Umsehen bemerkte ich überhaupt nicht, dass Darryl mittlerweile die große Holztreppe hochlief und auf eins der Zimmer zu ging. Jetzt drehte ich meinen Kopf nach vorne, um alles sehen zu können und unerwartete Überraschungen zu vermeiden.
Hinter der Tür kam ein recht großes Zimmer mit Doppelbett und demselben Holz und Stein Look zum Vorschein. An der Wand hingen einige Bilder, die ich nicht genau erkennen konnte und die Vorhänge verdeckten zur Hälfte die Fenster. Die weißen Wände, mit der hölzernen unteren Hälfte passten perfekt dazu und der dunkle Holzboden machte es komplett. Bis auf das Bett gab es noch einen recht großen Schrank und eine Kommode, ebenso aus Holz. Nur der große Schrank passte nicht ins Bild, er war grau, offenbar aus Stahl, war abgeschlossen und sah aus wie ein übergroßer Safe. Zudem war er in der Wand drinnen, so dass man nur seine Türen sehen konnte.
Mit einem kurzen Handgriff schaltete Darryl das Licht an. Kein modernes helles, eher ein warmes abgedunkeltes, was aber dennoch für genügend Licht sorgte. Er setzte mich auf dem schwarzbezogenen Bett ab und ging dann zur Kommode. Unsicher sah ich ihm dabei zu.
„Du kannst dich ruhig hinlegen. Brauchst du was zum Schlafen?", fragte er mich, da er zu wissen schien, dass meine blaue Jeans und das enge weiße Top wohl unbequem waren.
Ich nickte nur. Mir war das ziemlich unangenehm, aber irgendwie freute es mich, dass sich Darryl um mich kümmerte.
„Gut, du kannst was von mir haben. Dürfte nur etwas zu groß sein", sagte er weiter und kramte in seinen Klamotten, bis er mir schließlich ein dunkles Shirt und ne kurze Jogginghose reichte. Das wäre ja ein halbes Kleid, dachte ich mir und sah skeptisch die Klamotten an. Da würde ich ja zweimal reinpassen, aber naja besser als nichts.
Unschlüssig stand Darryl nun vor mir, bis ihm einfiel, dass ich mich vor ihm wohl nicht umziehen würde. „Oh, sorry. Also du kannst das Bett ruhig für dich allein haben", meinte er und ging zur Tür. „Gute Nacht", murmelte er noch leise, ehe er in den Flur trat und die Tür ran zog.
Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen und schloss kurz die Augen.
Das war alles ein bisschen viel für eine Nacht. Schweigend zog ich mich um und schlüpfte dann unter die Decke. Alles roch nach ihm. Es war ein Mix aus Wald und noch etwas, was ich nicht identifizieren konnte. Irgendwie war es schade, dass er gegangen war, aber vielleicht war es ja ganz gut so. Zufrieden schloss ich meine Augen und ließ mich in den Schlaf fallen.
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