26. Kapitel

Ja, hier stehe ich nun, unschlüssig darüber was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich versuche krampfhaft mich auf eine Lösung aus dieser Scheiße, entschuldigt meine Wortwahl, zu konzentrieren. Jedoch lasse ich mich gerade von jeder Kleinigkeit ablenken, wie zum Beispiel diese wunderschöne anthrazit farbene Handtasche der alten Dame rechts von mir. Dies ist womöglich dem Champagner zu verdanken, der mit jeder verstreifenden Sekunde mehr Wirkung zeigt. Auf einmal scheinen schon die kleinsten Dinge mich von meinen wirklich riesigen Problemen abzulenken. Es scheint gar nicht mehr so wichtig, dass Jofan nur wenige Meter weg von mir mit unbekannten Leuten redet und mich jederzeit entdecken könnte, genauso wenig wie die Tatsache, dass hier irgendwo Noah herumläuft und nur darauf wartet sich in einem schwachen Moment auf mich zu stürzen. Für mich oder zumindest den Alkohol ist das einzig interessante und wichtige diese Handtasche neben mir. Sie hat wunderschöne goldene Stickereien, die wie tausende kleine Flüsse über den Stoff verteilt sind und in die Nähte mit übergehen. Sodass gar nicht zu erkennen ist was von dieser wunderschönen goldenen Schnur nun Verzierung ist oder eine die Tasche zusammenhaltende Naht. Ich schüttel den Kopf und stelle das Glas in meiner Hand auf den nächst gelegenen Tisch.
Ich muss hier weg.
Und ich muss aufhören dieses Zeug zu trinken.
Ohne einen klaren Kopf komme ich ganz bestimmt nicht weit. Ich kann ja nicht einfach so gehen. Aber was bleibt mir sonst übrig? Variante 1 mit dem Prinzen plaudern, Variante 2 mit Noah? Um Gottes Willen, nein. Zu beidem.
Ich sehe mich im Saal um, schleiche taumelnd hinter den Rücken' der Gäste vorbei, in der Hoffnung ungesehen verschwinden zu können. Allerdings muss ich zugeben, dass ich es mir einfacher vorgestellt hatte in hohen Schuhen zu laufen, überhaupt zu laufen... Der Hinweg ging leichter... Immer wieder muss ich kurz anhalten und mich sammeln, um nicht hinzufallen. Ständig bleibt mein Blick an irgendeinem Accesoire hängen, von denen ich mich komischer Weise frage wie teuer sie wohl waren. Ich muss dringend ausnüchtern. Diese ständigen Modegedanken sind ja nicht zum Aushalten.
Ich komme der Tür immer näher, der Weg scheint fast frei... Doch dann geraten die großen Wachmänner in mein Blickfeld. Na toll. So weit habe ich jetzt nicht gedacht. Wie soll ich an denen unauffällig vorbei kommen? Die lassen mich ja nicht einfach allein da durch marschieren. Okay Planänderung. Es gäbe noch die Möglichkeit durch einen der Bediensteteneingänge zu gehen, jedoch würde ich mit diesem Kleid hier total auffallen. Also auch keine Option. Wo sind noch gleich die Toiletten? Eigentlich müssten die nächstgelegenen Toiletten auf dem Flur sein, von dem aus ich in die Korridore der Schlafsäle gelangen kann. Ich schaue mich weiter um, ob ich jemanden abfangen kann der eventuell Richtung Waschraum unterwegs sein könnte.
Nach zehn Minuten des Wartens entdecke ich endlich eine junge Frau die sich Richtung Ausgang bewegt, unauffällig versuche ich sie noch rechtzeitig einzuholen. Geschafft.
Mit einem unschuldigen Lächeln laufe ich neben ihr her, als wäre es das normalste der Welt. Ich muss mich wirklich konzentrieren einigermaßen gerade zu laufen. Sie dreht verwirrt ihren Kopf und mustert mich kurz. Ihrem Blick nach zu urteilen sehe ich wohl genauso aus wie ich mich fühle, beschissen. Ein kleiner Lacher entweicht ihr, als ich erneut über den Saum meines Kleides stolpere. "Entschuldigen sie die Frage, aber geht es ihnen nicht gut? Sie sehen zumindest danach aus." Fragt sie und versucht ihre Belustigung über mich zu verbergen. "Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich froh gleich eine Toilette in der Nähe zu haben." Antworte ich und zucke verlegen mit den Schultern. Hoffentlich kauft sie es mir ab, zumal es ja auch zur Hälfte der Wahrheit entspricht, ich wäre gerne in der Nähe einer Toilette, meiner. "Eigentlich wollte ich gar nicht Richtung Bad... Aber wenn ich sie so sehe, kann ich sie wohl kaum allein gehen lassen, in ihrem Zustand." Sie sieht mich von der Seite freundlich an und ich nicke dankend. Gott sei dank. Allerdings wird es so schwierig werden zu verschwinden, wenn sie jetzt nur mitkommt, um ein Auge auf mich zu haben. Im nächsten Moment ergreift sie meine Hand und zieht mich selbstbewusst an allen Wachen vorbei, diese lassen sie auch mit einem freundlichen Lächeln passieren, bis wir auf dem Flur stehen. Dann zieht sie mich weiter zu einer imposanten goldenen Tür, hinter der sich die Toiletten befinden.

Sie geht voraus und kontrolliert kurz ob wir alleine sind, bevor sie sich ans Waschbecken stellt und mich zu sich winkt. "Die Luft ist rein, wir können also ungestört reden. Wir wollen ja nicht zum Tratsch des ganzen Volkes werden nicht wahr?" Sie zwinkert mir zu und widmet sich dann kurz ihrem Spiegelbild. Zum ersten Mal fällt mir auf wie hübsch sie ist, haselnussbraunes langes Haar, blasse Haut und die typischen goldschimmernden Augen, kleine Grübchen zieren ihre Wangen und sie trägt ein wunderschönes bordeaux farbenes Kleid, das genau die richtigen Stellen ihres zierlichen Körpers betont. Sie ist nicht sehr groß, aber auch nicht zu klein, ihre Größe ist perfekt. Im Gegensatz zu anderen Vampiren, die ich kennengelernt habe, wirkt sie auf mich kein bisschen einschüchternd oder gefährlich, sie wirkt völlig normal, freundlich, sympathisch, fast als wäre sie menschlich. "Weißt du, eigentlich dachte ich, ich hätte schon einen beschissenen Abend gehabt, aber du scheinst als wäre deiner noch schlimmer gewesen." Lacht sie und reißt mich damit aus meinem Starren. Ich komme näher zu ihr und werfe auch vorsichtig einen Blick in den Spiegel, oh man.. Sie hat recht. Mein Kleid und meine Haare sitzen zwar noch wie sie sollten und auch mein Make up sah noch wirklich fabelhaft aus, aber meine Augen wirken toter als die einer Leiche und meine Körperhaltung ist völlig dahin, ich sehe aus wie ein toter Fisch. "Wieso war dein Abend beschissen?" Frage ich an sie gewandt und stütze mich etwas am Waschbecken ab, da mich der Alkoholgehalt in meinem Körper sehr schwächeln lässt. "Ach weißt du, ich wollte eigentlich gar nicht kommen. Ich habe nichts mit dem Prinzen zu tun, geschweige denn mit dem Rest der königlichen Familie und ich will es auch nicht. Aber mein Vater schleift mich immer mit zu diesen Festlichkeiten, seit meine Mum nicht mehr da ist. Er ist erster Offizier in der königlichen Armee und weißt du.. Vor einigen Wochen bei genau so einem Fest hab ich mich ein bisschen zu sehr gehen lassen und was mit einem dieser Schnösel da draußen angefangen. Es war ein Fehler und das habe ich ihm heute auch gesagt, aber er hat wohl noch nicht so viel Erfahrung damit, dass Frauen ihn abweisen. Er ist völlig ausgetickt und direkt zu meinem Dad. Leider habe ich da erfahren, dass er ein ganz schön hohes Tier ist und ich damit den Ruf unserer Familie in den Dreck gezogen habe, mein Dad ist echt sauer." Beendet sie ihren Satz und seufzt. Ich hätte nicht gedacht das sie so offen ist und einer wildfremden einfach alles so erzählt, aber ich war ihr mehr als dankbar dafür. Einfach mal zu reden tat verdammt gut. Ich finde es schön ihr zuzuhören, mal etwas aus dem Leben anderer zu erfahren, zu sehen das auch diese Monster einen Funken Menschlichkeit besitzen, zumindest manche von ihnen. "Das tut mir echt leid... Da kann ich verstehen wieso du hier weg willst." Ich lächle sie aufmunternd an und trinke dann ein bisschen Wasser aus dem Hahn, um wieder etwas nüchterner zu werden. "Ja.. Aber jetzt erzähl mal, was war bei dir los?" Sie lehnt sich gegen die Wand und sieht mich interessiert an. "Ich weiß nicht genau ob es eine gute Idee ist darüber zu reden." Sage ich schlicht. Auch wenn sie gerade so ehrlich zu mir war und es sie wahrscheinlich verletzt, ich kann darüber mit keinem reden. Es geht nicht. Es würde mich mein Leben kosten. "Naja mir hilft es immer über meine Probleme zu reden, aber wenn es dir zu privat ist, verstehe ich das natürlich... Ich bin übrigens Lana. Lana Feith." "Catalina." Meinen Nachnamen ließ ich bewusst aus, schließlich war dieser nicht mehr wirklich etwas wert. "Du bist ein Mensch oder?" Ich nicke wahrheitsgemäß, eigentlich wusste sie es sowieso schon, man sieht es schließlich an meinen Augen. "Darf ich fragen was dein Zuständigkeitsbereich ist? Also das soll jetzt nicht blöd oder so klingen aber... Für einen Menschen in dieser Welt ist dein Outfit sehr teuer. Oh man das klang echt doof... Tut mir leid..." Ich nehme ihr die Frage nicht übel, denn sie hat Recht. Menschen in dieser Welt sind Sklaven, Diener, ohne Besitz, ohne Rechte. Es ist wirklich ein seltenes Phänomen einen Menschen überhaupt in etwas anderem zu sehen als Arbeitskleidung und alten Säcken. "Hey es ist okay. Ich bin dir nicht böse, deine Frage ist berechtigt. Ehrlich gesagt verstehe ich es selbst nicht so wirklich, wieso ich heute hier bin und so aussehe..." ich deute auf mein Kleid und lache verlegen. "Ich bin Spielzeug des Prinzen... du weißt schon..." Sie reißt die Augen auf und schluckt. "Du... du gehörst dem Prinzen persönlich? Ich meine ähm.. Natürlich gehörst du ihm nicht.. Du bist dein eigener Herr.. du.." stottert sie nervös. "Ganz ruhig, ja ich 'gehöre' dem Prinzen. Glaub mir, ich hab's mir nicht ausgesucht." "Ich bin ehrlich, nur weil ich ein Vampir bin, heißt das nicht, dass ich befürworte was sie euch Menschen antun. Nur weil ihr nicht die gleichen Fähigkeiten habt, seid ihr nicht weniger Wert als wir. Es ist falsch euch so zu behandeln, als wärt ihr Tiere. Ihr habt genauso einen freien Willen verdient wie alle anderen auch." Sie verschränkt die Arme und grübelt einige Minuten. "Ich hätte nicht gedacht so etwas jemals von.." "einem Vampir zu hören?" Fragt sie lachend und legt ihren Kopf schief. "Glaub mir es gibt eigentlich sehr viele, die das so sehen, aber kaum welche die es zugeben würden." Ich zucke mit den Schultern. "Was würde es ändern? Auch wenn sie es zugeben würden, es gibt viel zu wenige die so denken. Sie allein könnten nie etwas ändern. Aber ich bin froh, das es überhaupt welche gibt, danke." "Wofür?" "Das du mir gezeigt hast, dass es welche gibt." Ich lächle, seit Ewigkeiten nochmal ein ehrliches Lächeln, dass auf meinen Lippen liegt. Sie lächelt ebenfalls. "Wie wärs wenn wir uns einen besseren Ort zum reden suchen, und du mir erzählst wie du hier gelandet bist?" Auch wenn ich womöglich besser sofort gehen sollte, wenn mich dieses Gespräch hier in unendliche Gefahr bringt... Kann ich nicht anders. Ich nicke und folge ihr nach draußen.

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Ein fettes SORRRRRYYYY!!!

Wie lange ist das letzte Kapitel her? Ein paar Monate?
ABER hey, nach einer kleinen... großen Schreibpause geht es jetzt endlich weiter! Ich hoffe sehr euch hat das Kapitel gefallen!

SPOILERALARM:
Im nächsten Kapitel wird aufgeklärt wie sich die Auktion abgespielt hat * und was in der ersten Nacht mit dem Prinzen wirklich passiert ist **!

* Kapitel 5-6 (für alle die nicht mehr genau wissen was ich meine)

** Kapitel 6-7

Wie immer fleißig Voten und Kommentieren und nicht vergessen:
#Nolina
#Jolina

Die Frage für dieses Kapitel: Würdet ihr Lana vertrauen und mit ihr reden? Oder lieber schnell das Weite suchen?

Wir sehen uns im nächsten Kapitel (und diesmal dauert es nicht 8173828 Jahre haha)

Bella :*

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