Kapitel 8 - Verblüffung, Verwirrung, Verärgerung
LOKI LAUFEYSON
Als ich an diesem Morgen aufwachte, lag keine Sylvi neben mir. Wie auch? Ich hatte sie gestern aus meinem Bett gescheucht, nachdem June uns gesehen hatte. Wieso? Wusste ich auch nicht genau. Normalerweise hätte ich in Genugtuung schwelgen sollen. Normalerweise hätte ich mich gefreut ein weiteres, lästiges Weib von dem Glauben abbekommen zu haben, dass ich auch nur im Entferntesten etwas für es empfinden würde. Doch als ich die pure Enttäuschung in Junes Augen gesehen hatte, hatte sich etwas in meinem Inneren geregt. Und dieses Etwas verschaffte mir direkt nach dem Aufstehen schlechte Laune. Konnte ich dieses verdammtes Zimmermädchen nicht einfach verdrängen? So wie ich Sylvi verdrängt hatte.
Der Blick meiner Mutter bohrte sich in mich, als ich das ganze Frühstück über lustlos an meinem Kelch nippte. Hoffentlich bemerkte sie nicht, dass sich in diesem kein Traubensaft befand. Thor schaufelte wie immer Speck und Eier in sich rein und auch Vater schien Mutters und meinen stummen Blickaustausch nicht zu bemerken.
Ich spürte genau, wie ihre Augen fragten: Was ist los, Loki?
Nichts, gab ein genervter Blick von mir zu verstehen.
Erst als Thor mit Vater verschwunden war, fing sie an: "Loki... Ich weiß genau, wenn einer meiner Söhne etwas auf dem Herzen hat. Sprich mit mir!"
Genervt rollte ich mit den Augen: "Ich kann nur wiederholen: Mit mir ist nichts!" Heftiger als nötig stand ich auf, sodass der Stuhl drohte, umzukippen. Dann drehte ich mich zum gehen.
"Es ist wegen dieser Dienerin - June, habe ich Recht?" Angewurzelt blieb ich stehen. Mein verdammtes Herz setzte einen Schlag aus.
"Erstens: Sie ist keine Dienerin und zweitens: Was sollte mit ihr sein?", entgegnete ich harsch und ballte meine Hände zu Fäusten. Musste sie mir eigentlich überallhin folgen? Machte es total leicht, alles zu verdrängen.
Meine Mutter fing nur an zu lächeln. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Fluchtartig wollte ich den Saal verlassen, doch sie hielt mich zurück.
"Halt Loki und komm her!" Augenrollen meinerseits.
Wiederstrebend bewegten sich meine Beine wieder zum Esstisch. Diese Frau wollte mich quälen!
Mutter sah mich noch immer mit diesem Lächeln an und beugte sich über den Tisch.
"Merk dir eins: Es ist nie gut, seine Gefühle zu unterdrücken und wird nur zu Schmerz führen."
"Ich. unterdrücke. meine. Gefühle. nicht.", presste ich mit bebender Stimme hervor. Sie warf mir nur einen skeptischen Blick zu.
"Früher oder später wirst du meinen Rat zu schätzen wissen", meinte sie nur, stand auf und ließ mich im Saal stehen.
Ich atmete tief durch. Fehlte nur noch dass ich June jetzt höchspersönlich traf.
Mein Weg führte mich in den Schlossgarten, weit weg von meinem Gemach, um June nicht treffen zu müssen, die sich sicherlich gerade in dessen Nähe aufhielt.
Die warme Frühlingssonne erhellte mein schlechte Laune. Zwischen den gestutzten Rosenbüschen und den in voller Blüte stehenden Kirschbäumen fand ich erstmals Ruhe an diesem Tag. Mein Blick schweite ziellos durch die Gegend, streifte die Schönheit zarter Blüten, jungen Knospen und June.
June?
Nein, bitte lass sie es nicht sein!, betete ich innerlich, doch ein genauerer Blick auf die junge Frau ließen kein Zweifel übrig. Diese kurzen, kastanienbraunen Haare und diese schlanke Figur konnten nur ihr gehören. Mit Faszination beobachtete ich, wie sie leichthändig Bettlaken ausschüttelte und über die Leine hing. Mit fiel auf, dass sie die Winterganitur der Zimmermädchen gegen eine leichtere, kürzere ausgetauscht hatte. Die kurzen Träger und der nun etwas tiefere Auschnitt entblößten ihre helle Haut und ihre leicht hervortretenden Schlüsselbeine.
Etwas weniger Stoff würde mir mehr gefallen, ertönte ein böses Stimmchen in meinem Kopf. Zähneknirschend wandte ich den Kopf von ihrem Anblick ab. Was war nur aus meinen Vorsätzen geworden? Langsam schlendernd ging ich weiter und hoffte, June habe mich nicht gesehen. Mein Blick gen Himmer gerichtet betrachtete ich die schnell vorbeiziehenden Wolken. Bald würde es einen Sturm geben.
Plötzlich wurde ich von der Seite angerempelt. Überrascht blieb ich stehen und blickte nach links. Das kann jetzt echt nicht wahr sein.
June lag neben mir auf dem Boden. Ihr Kleid war soweit hoch gerutscht, dass ich einen perfekten Blick auf ihre Oberschenkel hatte.
Schnell wendete ich den Blick von ihren Beinen ab und erwiderte stattdessen ihren geschockten Blick. Ich konnte nicht anders, als zu grinsen. Ihr böser Blick machte es nicht besser. Eigentlich hätte ich jetzt einen bissigen Kommentar abgeben können, doch entschied mich anders und streckte ihr meine Hand hin.
June ignorierte die Geste jedoch völlg, griff nach ihrem Wäschekorb und stand leichtfüßig auf. Mit gerunzelter Stirn beobachtete ich, wie sie den Staub von ihrem Kleid klopfte, den Korb auf ihrer Hüfte abstützte und giftete: "Eure Hilfe brauche ich nicht." Und ohne einen Knicks oder ein höfliches Abschiedswort ließ sie mich stehen.
Eine Mischung aus Verblüffung, Verwirrung und Verärgerung machte sie in mir breit. Verblüffung darüber dass sie, June, es gewagt hatte, so zu mir zu sprechen, nachdem sie bei jedem unserer Treffen immer höflich und unsicher war. Verwirrung darüber, wieso sie sich auf einmal anders verhielt und Verärgerung, weil mir ihr Verhalten nicht gefiel.
So hatte noch kein Diener, keine Bedienstete je mit mir gesprochen und dann wagte es dieses Zimmermädchen, mich zu demütigen. Bildete sie sich ein, dass sie plötzlich nach dieser Nacht von gleichem Stand wie ich war?
Und das schlimmste war: Etwas von mir mochte diese neue Einstellung von June. Dennoch konnte ich ihr Verhalten nicht akzeptieren. Es musste Konsequenzen haben. Womöglich würde sich sonst noch herumsprechen, dass man mit dem Prinzen umgehen konnte, wie man wollte...
JUNE
Die Begegnung mit Loki war mehr als peinlich gewesen und umso stolzer war June, dass sie dem Prinzen gezeigt hatte, dass sie nicht von ihm abhängig war und er nicht mit ihr umgehen konnte, wie er wollte. Andererseits hatte sie das dunkle Gefühl, Loki würde das nicht auf sich sitzen lassen.
Der Tag war anstrengend gewesen, was nicht nur der Begegnung mit Loki geschuldet war. Auch Tilda hatte sie nur ganz kurz beim Mittagessen sprechen können. Deshalb hatten sie sich darauf geeinigt, sich nach der Arbeit zu treffen, um den Tag bei einem Glas Wein ausklingen zu lassen. Obowhl June müde war, freute sie sich auf das bevorstehende Treffen. Es würden einige Stunden sein, in denen sie sich von Loki ablenken konnte. Seufzend öffnete das Zimmermädchen die Tür zu ihrer Kammer, öffnete ihren strammen Zopf und schaltete das Licht ein. June erstarrte. Das ist nicht sein Ernst?
"Was macht Ihr hier?", konnte June nur geschockt hervorbringen. Wollte er sie jetzt für diesen einen unhöflichen Satz zur Rechenschaft ziehen?
Loki hatte seine Beine gemütlich auf ihrem Bett ausgestreckt, während er in einem Sessel daneben saß. Seine Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt, aus seiner ganzen Körperhaltung sprach Gleichgültigkeit.
"Loki! Ihr könnt nicht einfach so in meinem Zimmer auftauchen und mein Bett als Fußablage missbrauchen!" June wusste selbst nicht richtig, woher auf einmal ihr Mut kam. Wahrscheinlich lag es an der unbändigen Wut, die wieder einmal in ihr aufstieg, als sie den Prinzen so auf ihrem Sessel sitzen sah, als wäre nichts gewesen.
Loki nahm seine Beine von dem Bett und stand auf. Obwohl June relativ groß war, überragte der Prinz sie noch immer um einiges, sodass das Zimmermädchen fürchtete, er würde sich an der niedrigen Decke stoßen. Aus seinem grünen Blick sprach Zorn, als er ihr immer näher kam. Mit klopfendem Herzen trat June einen Schritt zurück - und prallte gegen die Wand.
Was bei Odin hat er vor?
June musste schwer schlucken, als der Prinz plötzlich so dicht vor ihr stand, dass sich fast ihre Fußspitzen berührten. Sein bedrohlicher Blick tackerte sie an die Wand. In June stieg langsam aber sicher die Angst auf. Sie fühlte sich wie Beute, die von seinem Jäger in die Ecke getrieben worden war und auf sein Todesvollzug wartete.
"Was WOLLT Ihr, Loki?", wiederholte June lauter. Ihre Stimme zitterte. Lokis Augenbrauen zogen sich zu einem verärgerten Strich.
"Wann habe ich Euch erlaubt, mich Loki zu nennen? Solchen wie Euch ist es nicht erlaubt mich bei meinem Namen zu nennen. Ihr seid unter mir, also was FÄLLT EUCH EIN mir so gegenüberzutreten?" Loki hielt nur mühsam seine Stimme unter Kontrolle. Seine Brust hebte und senkte sich schnell.
June blinzelte verängstigt mit den Wimpern. Ihre Hände fingen an zu schwitzen. Sie wollte etwas erwidern, doch kein Wort verließ ihren Mund.
Auf einmal lehnte er sich näher zu ihr. Seine Arme stützte er neben ihrem Kopf ab. Ein Teil von ihr wollte nicht, dass er ihr so nahe kam. Es war der wütende, verletzte Teil, der Loki immer noch nicht vergeben konnte, dass er mit einer anderen Frau geschlafen hatte, obwohl das nicht Junes Sache war. Der andere Teil von ihr sehnte sich nach seinen Berührungen, nach seiner Zuneigung und dem Gefühl, geliebt zu werden.
June konnte seine dichten Wimpern bewundern, die seine unglaublich schönen, grünen Augen umrahmten. Und sie konnte sein Lippen betrachten, die sich matt rot von seiner hellen Haut abhoben.
"Was machst du nur mit mir?", flüsterte der Prinz. Sein Atem streifte ihre leicht geöffneten Lippen. Junes Herz schlug zum zerspringen schnell. Der andere Teil in ihr nahm Überhand.
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