Kapitel 23 - Unendlicher Schmerz
JUNE
"Ich kann dir das nicht verzeihen. Du hättest dir vorher überlegen sollen, ob deine Rache dir wirklich so viel wert ist."
Es war, als würde Junes Herz ein zweites Mal zerbrechen wollen. Obwohl sie eine solche Antwort erwartet hatte, war es schmerzhaft, sie wirklich ausgesprochen zu hören. Mit verschwommener Sicht blickte sie ein letztes Mal in Lokis Augen, in denen Schmerz und Verachtung tanzte. Dieser Ausdruck war wie ein Mahnmal, das sie immer und immer wieder an ihren fatalen Fehler erinnerte.
Dann senkte June ihren Blick zu Boden. Sie konnte Loki nicht mehr ansehen. Sie wollte diese Enttäuschung und Verachtung nicht mehr in seinen Augen sehen. Das schlimmste war, dass sie dafür verantwortlich war.
Dieses Gespräch hatte June gezeigt, dass diese kurze Beziehung zwischen ihnen endgültig der Vergangenheit angehörte und diese Tatsache stach ein schwarzes Loch in ihr Herz. Sie war bis über beide Ohren in ihn verliebt gewesen, und war es immer noch. Auch nur der Gedanke daran, dass sie ihn nie mehr zärtlich berühren konnte oder seine ganz ihr gewidmeten, frechen Sprüche vernehmen würde, schnürte ihr die Brust zu.
"Ich wünschte, ich hätte dich niemals getroffen", schleuderte Loki ihr mit zornerfüllter Stimme entgegen, bevor er an ihr vorbeirauschte.
Diese Worte hatten gerade gefehlt, um den letzten Zweig, der ihre Selbstbeherrschung vor dem Zusammenfall bewahrte, zu zerbrechen. June versuchte, ein klägliches Wimmern zu unterdrücken, solange Loki noch in Hörweite war. Er sollte nicht mitbekommen, wie sehr sie seine Worte getroffen hatten.
Doch nur wenige Sekunden später war es um June geschehen. Sie konnte einfach nicht mehr. Sie konnte den Schmerz aufgrund Tildas Tod und Lokis Verlust nicht mehr standhalten. Sie wollte diesen unendlichen Schmerz in ihrer Brust nicht mehr spüren, der ihre Kehle zuschnürte und jede Faser ihres Körpers in Flammen der Trauer aufgehen ließ.
June wollte nicht wahrhaben, dass sie Loki so abgrundtief verletzt hatte. Dass sie ihren Prinzen, in den sie so verliebt war, verloren hatte. Und sie allein trug Schuld daran.
June kam es wie eine Unendlichkeit vor, bis ihre Tränen versiegt waren. Der Schmerz hatte einer unerträglichen Leere und Erschöpfung Platz gemacht und sie wollte nichts weiter, als zu schlafen und nie mehr aus diesem Alptraum zu erwachen.
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Am nächsten Morgen kam sie kaum aus dem Bett. Ihre Augen sahen verquollen aus, ihr Rücken schmerzte und ihre Haare waren kaum zu entknoten. Zusammengefasst: sie fühlte sich elend.
Zum Glück hatte sie von ihrer Abteilungsleiterin aufgrund Tildas Tod frei bekommen. June entschloss, ausgiebig und heiß zu duschen. Danach fühlte sie sich nicht mehr ganz wie durchgekaut und hochgewürgt. Mit knurrendem Magen machte sie sich auf den Weg zur Kantine, am vorigen Tag hatte sie kaum etwas essen können.
Dabei versuchte sie jeden Gedanken an Loki oder Tilda auszublenden. Als sie sich mit einem Tablett, beladen mit heiß dampfendem Haferbrei und Früchten, zu Merena an ein Fenster setzte, ignorierte sie gekonnt den sorgenvollen Blick ihrer Freundin, der sich in sie bohrte.
"June! Du siehst ja echt mitgenommen aus", stellte Merena ungeniert fest.
Das Zimmermädchen warf ihr einen Todesblick zu.
"Danke", meinte sie trocken, nahm sich einen Löffel und schaufelte den heißen Haferbrei in sich hinein. Zufrieden seufzte sie bei dem süßlich-himmlischen Geschmack auf. Der Morgen war gerettet.
"Lass mich raten, du hast mit Loki geredet? Oder es zumindest versucht?", bohrte Merena schonungslos weiter. June hätte sich bei der Nennung von Lokis Namen beinahe verschluckt. Hustend ließ sie den Löffel in die Schüssel fallen und bekam sich erst wieder ein, als Merena ihr auf den Rücken geklopft hatte.
"Tut mir Leid", murmelte Merena, "Ich wusste nicht, dass es so schlecht gelaufen ist."
June nahm zitternd einen Schluck von ihrem Tee, räusperte sich und entgegnete mit schwacher Stimme: "Ist schon okay. Aber ich sage mal so: Es ist noch viel schlechter gelaufen, als ich erwartet hatte. Er hat mir in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass er mir nicht verzeihen wird und dass es ein riesiger Fehler gewesen ist, mit mir zusammen zu sein."
Die Blondhaarige sah sie erschrocken und mitfühlend zugleich an. Dann ergriff sie ihre Hand und streichelte sanft mit dem Daumen über ihren Handrücken, bevor sie leise erwiderte: "Das tut mir so Leid für dich, June."
June blinzelte die aufkommenden Tränen zurück. Sie konnte nicht schon wieder weinen.
"Ich hätte damit rechnen müssen. Er hätte trotzdem etwas weniger verletzend sein können. Ich glaube, das wird nie wieder etwas zwischen uns."
"Willst du denn, dass ihr wieder zusammen kommt?"
"Ja, das wünsche ich mir aus ganzem Herzen. Aber ich muss Lokis Wunsch respektieren. Und wenn er ohne mich besser glücklich werden kann, dann werde ich nicht versuchen, ihn wieder für mich zu gewinnen."
Merena nickte und drückte Junes Hand. Sie erkannte wahre Liebe zu Loki in den Worten ihrer Freundin und sah zugleich, wie sehr June daran zerbrach, Loki freigeben zu müssen.
"Vielleicht überlegt er es sich ja nochmal anders", versuchte sie, June Hoffnung zu geben. Diese sah sie jedoch nur aus Trauer verhangenen Augen an und schüttelte den Kopf.
"Loki war ziemlich eindeutig. Und so wie ich ihn kenne, wird er nie einem einfachen Zimmermädchen verzeihen können, dass er sie erst an sich rangelassen hat, nur um dann von ihr verletzt zu werden. Das muss ihn auch tief in seinem Stolz getroffen haben", überlegte June und konnte immer mehr Lokis gestrige Rage verstehen.
"Dann lass uns nicht mehr länger über diesen Trauerkloß reden. Wir zwei unternehmen heute etwas schönes und lassen es uns richtig gut ergehen. Wie wäre das?", fragte Merena und schenkte June ihr strahlenstes Lächeln, von dem sie sofort angesteckt wurde.
"Das ist eine gute Idee."
Und zum ersten Mal nach Stunden der Tränen und der Trauer schlich sich ein winziges Lächeln auf Junes Lippen.
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LOKI LAUFEYSON
Alles an ihr rauszulassen, hatte unglaublich gut getan, doch zugleich fühlte sich ein Teil von mir schlecht, ihr noch mehr Schmerz zugefügt zu haben. Beflügelt von dem Gefühl der Rache stolzierte ich auf den Thronsaal zu. Hoffentlich war bei dem Gespräch mit Odin nicht auch der Trottel mein Bruder dabei.
Als mir die schweren, vergoldeten Flügeltüren zum Thronsaal aufgemacht wurden, erkannte ich jedoch schon von weitem den roten Mantel Thors. Schlagartig verwandelte sich meine Laune in Missmut und Zorn. Ich konnte auch ihm nicht verzeihen, dass er mit meiner Geliebten geschlafen hatte.
Gezwungenermaßen setzte ich ein kaltes Lächeln auf. Thor und Odin sollten nicht mitbekommen, wie verletzt ich noch immer war.
"Vater", begrüßte ich Odin nickend und ignorierte dabei geflissentlich Thor, der mich von der Seite zuerst gegrüßt hatte.
Falls Odin den Zwist zwischen mir und Thor bemerkt hatte, so ging er darüber hinweg. Wahrscheinlich wurden ihm unsere Streitereien so langsam Leid.
"Guten Morgen meine Söhne. Ich habe wichtiges mit euch zu besprechen. Seit dem Angriff der Dunkelelfe steht Asgard in Alarmbereitschaft. Das Volk wird zunehmend unruhiger, da es sich nicht länger sicher fühlt. Es ist nicht mehr gewährleistet, dass Heimdall jeden Eindringling sehen kann, woran jedoch hoffentlich eure Mutter und du, Loki, arbeiten."
Er warf mir einen scharfen Blick mit seinem eisblauen Auge zu, bevor er fortfuhr.
"Ich habe beschlossen, einen Aufklärungstrupp nach Svartalfheim zu schicken. Wir müssen diese Angriffe dringend aufklären."
"Wieso lassen wir sie nicht mit Blut bezahlen?", rief Thor dazwischen, "Sie haben die Ehre Asgards verletzt und den Prinzen versucht, zu töten!"
Genervt verdrehte ich die Augen. Musste Thor uns immer an seiner Dummheit teilhaben lassen?
"Immer mit der Ruhe, Thor. Ein weiser König wird niemals einen Krieg suchen, aber er muss stets bereit sein für ihn. Ich setze nicht den Frieden der Neun Welten aufs Spiel, damit du deine Kampfeslust stillen kannst", wies Odin ihn zurecht und ich grinste Thor gehässig an. Dieser warf mir jedoch nur einen genervten Blick zu und zog grimmmig die Augenbrauen zusammen.
"Ist der kleine Thor beleidigt?", flüsterte ich ihm zu und lachte auf, als er mir nur einen weiteren, bösen Blick zuwarf.
"Ruhe!", verordnete Odin und stieß seinen goldenen Stab mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden, "Wir sind hier nicht auf einem Spielplatz! Also verhaltet euch auch so! Weitere Taktiken werden wir im Kriegsrat besprechen. Bitte entschuldigt mich." Und damit stieg er die Stufen zum Thron herab und verschwand hinter der nächsten Tür.
Mir sollte ein Krieg mit Svartalfheim Recht sein. Dann konnte ich wenigstens June für eine Zeit vergessen.
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Hallo meine Lieben! ☺️
Wieder mal ein spätes Update. 😅 Ich hoffe trotzdem, dass euch das Kapitel gefällt!
Nur noch 4 Tage, bis die Loki Serie rauskommt, ich werde immer gespannter😱
Ich weiß immer noch nicht genau, wie ich die FF enden lassen sollen, aber in euren Kommentaren habe ich gelesen, dass ihr euch ein Happy End wünscht. Zugegeben: ich fände ein Sad End auch blöd. Also mal sehen, was sich da machen lässt. 😂
Habt noch einen schönen Abend und bis zum nächsten Kapitel!
PS: Für Verbesserungsvorschläge bin ich immer offen! 😊
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