Kapitel 22 - Fliederduft und Tränen

Eine alles zerquetschende Qual sollten die nächsten Stunden werden. Hätte meine Mutter mich nicht aufgesucht, wäre ich wohl auf ewig in meinem Gemach geblieben und hätte nichtsnützig in die Leere gestarrt. Stattdessen musste ich einen Wasserfall an Worten meiner Mutter über den Angriff über mich ergehen lassen, der nimmer enden wollte. Und Frigga gab nicht eher Ruhe, bis sie nicht jedes kleinste Detail über den Vorfall aus mir herausgequetscht hatte.

Als ich glaubte, sie endlich losgeworden zu sein, fing sie auch schon an, mich mit weiteren Fragen zu foltern.

"Loki Liebling, ich spüre, dass dich noch etwas anderes bedrückt. Was ist los mit dir?", fragte sie mich sanft und ergriff meine Hand, die ich ihr jedoch schnell wieder entzog. Ich hatte keine Lust auf Streicheleien.
"Es ist nichts", gab ich mürrisch von mir und blickte genervt zu Boden. Konnte man mich nicht einfach nur in Ruhe lassen?

"Es ist wieder wegen June, hab ich Recht?", meinte meine Mutter. Natürlich musste sie mal wieder Recht haben. Ich zog nur grimmig die Augenbrauen zusammen, was meiner Mutter wohl Antwort genug war.
"Loki, du kannst nichts vor mir verbergen, dafür kenne ich dich viel zu gut!" Ein Lächeln schwang in ihrer Stimme mit und ich rutschte unwohl auf dem gepolsterten Stuhl hin und her. Dann merkte ich, wie Frigga ihre schlanke Hand auf meinen Oberschenkel legte und langsam über den schwarzen Stoff strich.

"Ich weiß, dass du nicht mit mir über sie reden möchtest, aber du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe." Ihre Hand stoppte auf meinem Knie und entfernte sich wieder, als sie sich von dem schwarzen Ledersofa erhob und über den hellen Marmorboden auf die Tür zuging.

"Sei nicht betrübt, mein Liebling, das zwischen euch wird schon wieder!", sagte meine Mutter noch, bevor sie hinter der gewaltigen Flügeltür verschwand. Ob ich auch wollte, dass es "wieder zwischen uns wird", war eine andere Frage.

Als die Sonne ihren Zenit überschritten hatte, raffte ich mich dazu auf, mein Gemach zu verlassen. Ich musste einen freien Kopf bekommen und irgendwie June vergessen. Ansonsten konnte ich jeden nüchternen Gedanken wohl vergessen.

Das Rauschen der blühenden Kastanie und das sanfte Wogen der Mohnblumenköpfe beruhigten mich soweit, dass ich mich mitten auf einer Wiese hinlegte und für einen Moment die Bilder von Thor und June in meinem Kopf vergessen konnte. Winzige Wölkchen malten weiße Klekse an den strahlend blauen Himmel und die Sonnenstrahlen umarmten mich mit Wärme und Helligkeit. Blinzelnd wandt ich den Kopf zu dem Birkenwäldchen, an dessen Seite ich und June uns vor wenigen Tagen näher gekommen waren.

Mir kam es vor wie ein anderes Zeitalter, indem die Welt noch so perfekt und friedlich gewesen war, wie diese Idylle der Natur. Wenn ich ehrlich in mein Innerstes horchte, konnte ich ein bedauerndes Stimmchen heraushören, dass sich June zurück wünschte mit ihrem süßen Duft nach Flieder, den sanften, dunkelgrünen Augen und ihren federleichten Küssen, die noch gestern meinen gesamten Körper bedeckt hatten.

Mein Ego würgte bei der Vorstellung, je etwas wieder mit dieser Frau anzufangen. Sie hatte mit meinem Bruder geschlafen, wie könnte ich da je wieder mit ihr zusammen sein wollen?

Genervt setzte ich mich in einen Schneidersitz und seufzte auf. Ich wollte keinen Gedanken mehr an diese Frau verschwenden.

"L-loki?", kam es da schwach hinter mir. Mein Hände ballten sich zu Fäusten, augenblicklich schlug mein Herz schneller und die so erfolgreich unterdrückte Wut kochte schlagartig wieder in mir hoch. Schneller als ein Pfeil sprang ich auf und drehte mich zu der Frau um, die mein Vertrauen in Menschen wohl endgültig zerstört hatte.

"Wie kannst du es wagen, mir auch nur unter die Augen zu treten?" Meine Stimme war mühsam beherrscht und mein Atem ging stoßweise. June stand verängstigt vor mir. Ihr weißes Kleid war zerknittert, ihre Augen gerötet und ihre Haare unordentlich.

"I-ich wollte n-nur-"
"WAS wolltest du nur?", schrie ich sie an, ihr verängstigtes Verhalten brachte mich zur Weißglut, "WAS?! Du hast nicht mal mehr das Recht, mit mir, dem Prinzen von Asgard, zu reden! ALSO KNIE lieber vor mir oder ich vergesse mich!"

An Junes zitternden Händen sah ich, wieviel Angst sie vor meiner Reaktion auf ihr Fremdgehen gehabt hatte und immer noch hat. Zögerlich ging sie in die Hocke, bevor ihre Knie endlich das Gras berührten.
Zufriedener, doch nicht minder wütend, setzte ich mein herablassenstes Grinsen auf und fuhr mit einer ruhigen Stimme fort: "So ist es brav. Denn weißt du, im Dreck ist der richtige Platz für dich, Zimmermädchen."

June schluckte und krallte ihre Finger in den leichten Stoff ihres Kleides, bevor sie mit zittriger Stimme zu einer Entgegnung ansetzte: "Lass...lass es mich bitte erklären."
Gehässig musste ich auflachen. Das kann doch jetzt nicht ihr Ernst sein?
"Was willst du mir erklären? Wie du erst mit meinem Bruder rumgemacht und dann dich von ihm hast ficken lassen? Nein danke, ich brauche keinen Aufklärungsunterricht."

Mit Genugtuung beobachtete ich, wie June bei jedem Satz zusammenzuckte. Tränen begannen, in ihren Augen zu glänzen und das kleine, blöde Stimmchen in meinem Inneren flüsterte, dass ich vielleicht etwas hart zu ihr gewesen war. Mürrisch verschränkte ich die Arme vor meiner Brust und ignorierte das Stimmchen. Soll sie doch heulen.

"Loki bitte!", weinte sie, eine Träne hatte sich über ihre Wange gebahnt, "Es tut mir Leid! Es tut mir wirklich unendlich Leid und ich kann nicht von dir erwarten, dass du mir verzeihst, obwohl ich es mir so sehr wünsche.
Ich kann das nicht wieder gut machen, aber du musst verstehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt so sehr von dir verletzt war, wie du es jetzt von mir sein musst. Ich konnte einfach nicht mehr und habe mich nach Zuneigung gesehnt.
Und wenn ich ehrlich zu dir bin, dann wollte ich dir auch damit wehtun, weil ich dachte, dass du mir wehgetan hast. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung für mein Vergehen, aber vielleicht kannst du es jetzt wenigstens etwas nachvollziehen."

Und dann sah sie mich aus diesen tiefgründigen, verweinten Augen an, denen ich noch nie hatte widerstehen können. Das innere Stimmchen schrie mich aus Leibeskräften an, ihr zu verzeihen, doch es blieb ungehört.

"Ich kann dir das nicht verzeihen. Du hättest dir vorher überlegen sollen, ob deine Rache dir wirklich so viel wert ist."

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Hallöchen!

Erst einmal: entschuldigt das verspätetete Update, aber ich habe es gestern einfach nicht mehr geschafft. :'(
Des weiteren hoffe ich, euch hat das Kapitel gefallen. Ich bin mir noch unklar über den genauen weiteren Verlauf. Soll ich Loki die Sache mit June verzeihen lassen oder nicht? Hmmm... Fragen über Fragen! Aber wenigstens haben wir übermorgen ein schönes, erholsames, langes Wochende.

Genießt es und bis zum nächsten Kapitel! :D

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