Kapitel 21 - Fatale Erkenntnis
Junes Herz wurde von riesigen Felsbrocken verschüttet. Sie konnte den verwirrten Malik einfach nur mit geöffnetem Mund anstarren.
"Was ist los?" wollte Tildas Bruder wissen und rüttelte June an den Schultern. Seine dunkelbraunen Augen durchbohrten sie.
"Aber...aber...das hat mir Tilda erzählt! Sie hat mir erzählt, dass sie einige Tage weg gewesen sei, um ihre kranke Tante zu besuchen!"
Malik schüttelte den Kopf, seine Augenbrauen waren soweit zusammengekniffen, dass sie sich beinahe berührten. Plötzlich wurde seine Haut noch fahler als zuvor. Seine Augen weiteten sich und in seinem Blick lag Verwirrung und Unglauben.
"Was weißt du über... ihren Tod?", fragte er atemlos, seine Hände hielten die ihren fest im Griff. Bei der Erinnerung an Tildas Tod stiegen June wieder heiße Tränen in die Augen, die sie mühsam wegzublinzeln versuchte. Sie wollte nicht weinen. Nicht schon wieder.
"L-l-loki. E-er hat sie... er hat sie g-getötet", hauchte June, ihre Stimme brach ab.
Maliks Stimme zitterte, als er die alles verändernden Worte aussprach: "Aber Tildas Leichnam wurde im Schlossgarten gefunden. Und allen Anzeichen nach war es schon einige Tage her, dass sie...getötet wurde."
June wurde heiß und kalt zugleich. Ihre Gedanken überschlugen sich und sie erinnerte sich an ihr letztes Gespräch mit Tilda, bevor sie gesehen hatte, wie Loki sie tötete.
"Und was das mit Thor angeht bin ich mir sicher, dass er einen Narren an dir gefressen hat. Wenn das mit Loki nicht klappt, kannst du es ja immer noch mit ihm versuchen."
"Erstens: ich bin nicht an ihm interessiert. Zweitens: was ist mit dir? Hättest du gar nichts dagegen?"
"Wieso sollte ich?"
"Na, du wolltest doch mal was von ihm! Oder hat sich deine Schwärmerei ins Nichts aufgelöst?"
"Das war einmal. Inzwischen ist mir aufgefallen, was für ein eingebildeter Schnösel er ist."
Und dann noch diese Fragen, von denen June erst jetzt auffiel, wie komisch sie waren...
"Wann ist er denn mal alleine?..."
"Wo ist eigentlich sein Gemach?"
Dazu hatte sie nicht mehr gewusst, wo sich die Kantine befand...
Auf einmal fiel es June wie Schuppen von den Augen. Panik und Angst stiegen in ihr hoch und ihre Hände fingen an, unkontrolliert zu zittern. Malik beobachtete ihr Schweigen besorgt.
"Was denkst du?"
June blickte in die dunkelbraunen, glitzernden Augen Maliks, die sie so an Tilda erinnerten. Die Erkenntnis zog ihr das letzte Stückchen Boden unter den Füßen weg, auf dem sie bis jetzt tapfer balanciert hatte.
Ihr Atem verschnellerte sich und die Welt um sie herum begann, zu wanken. Das durfte alles nicht wahr sein. Wenn Loki wirklich eine Person getötet hatte, die nur wie Tilda aussah, hatte sie einen fatalen Fehler begangen.
Es war alles zu viel. Schwarze Schemen zogen an den Rand ihres Sichtfeldes, das Atem fiel ihr schwerer. Und ohne es zu bemerken, kam sie auf hartem Steinboden auf.
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LOKI LAUFEYSON
"ICH HASSE DICH", brüllte ich Thor entgegen, als er es wagte, in mein Gemach zu treten. Tränen der Wut glitzerten in meinen Augen, als ich mich aus dem Sessel erhob, von dem ich die gesamte Zeit auf die dunklen Flecken in meinem Teppich gestarrt hatte, die das Blut gemalt hatte und nicht mehr wegzukriegen waren.
Jede Faser meines Körpers war erfüllt von Wut und Trauer. Wut wegen Thor und June und Trauer, weil letztere mich verraten hatte.
"RAUS!", schrie ich ihn weiter an und stürmte auf ihn zu. Thor setzte nicht zur Gegenwehr an, als ich mit der Faust ausholte und sie ihm mit voller Wucht auf die Wange schlug. Ein willkommener Schmerz breitete sich an meinen Fingerknöcheln aus und in blinder Rage schlug ich noch ein zweites Mal zu.
Mein Atem ging schnell, als ich zu Thor sah. Das Blut, das aus zwei klaffenden Wunden an seinen Wangenknochen rann, verschaffte mir Genugtuung, konnte meinen Zorn jedoch nur gering lindern.
Thor hob beschwichtigend die Händen und sagte mit ruhiger Stimme: "Loki, ich will nur mit dir reden."
"Über WAS reden? Dass du dein Dingen ausgerechnet in June stecken musstest? Dass du dich nicht zurückhalten konntest, mit der einzigen Frau Asgards zu schlafen, die mir etwas bedeutet? Ein scheiß Bruder bist du!", schleuderte ich ihm entgegen, mein Herz pochte noch immer wild in meiner Brust. Wie konnte er es wagen, mir jetzt unter die Augen zu treten?
"Hätte ich gewusst, dass sie dir etwas bedeutet, hätte ich das niemals getan!", beteuerte Thor, doch seine Worte waren mir egal. Wieso musste er mir immer alles wegnehmen, was ich begehrte? Erst den Thron und dann auch noch June.
"Ach nein? Mir ist deine Zuneigung zu June bewusst. Deine Blicke sagen alles." Meine Stimme troff vor Spott und ich verspürte wieder den brennenden Drang, Thors Nase zu zertrümmern. Mit geballten Fäusten kam ich ihm wieder näher, doch diesmal fing Thor meinen Schlag ab und hielt auch meinen andere Hand in einem eisernen Griff.
Nur mühsam konnte ich meinen Zorn bändigen, am liebsten hätte ich ihn angeschrien, doch das würde mich nur noch lächerlicher wirken lassen
"Loki höre mir zu. June war am Ende, als ich sie gestern gefunden habe. Ich dachte, es wäre aus zwischen euch. Sie hat mich gebeten, bei ihr zu bleiben. Wie hätte ich da nein sagen können?"
"Es war aus zwischen uns, als du dich dazu entschieden hast, deine verdammte Zunge in ihren Hals zu stecken!", stieß ich aus und erdolchte ihn mit meinen Blicken, "Und außerdem: wieso hast du ihr nicht erzählt, dass es nicht ihre Freudin war, die ich getötet habe, sondern verdammt nochmal eine Dunkelelfe aus Svartalfheim!"
Thors Gesichtsausdruck fror ein. Er starrte geschockt auf mich und ließ mich los.
"Was?! Bei Odin, was ist gestern passiert?"
Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Wollte er mich verarschen?
"Tust du nur so blöd oder weißt du wirklich nichts?"
"Von was?"
Die Wut erglühte wie ein reißendes Feuer in mir, wie konnte er mir nur so unverschämt ins Gesicht lügen?
"Lüg. mich. nicht. an.", brachte ich hinter zusammengebissenen Zähnen hervor, "Du warst gestern bei der Feier. Du musst es wissen."
"Bei allen Göttern, wovon sprichst du?!"
Meine Wut verwandelte sich in wahren Unglauben. Er wusste augenscheinlich wirklich nicht, was gestern geschehen war.
"Die Angreiferin war wieder da. In Gestalt von Tilda. Ich habe keine Ahnung, wie sie es geschafft hat, in mein Gemach zu gelangen. Sie griff mich aus dem Hinterhalt an. Hätte ich ihr nicht den Dolch abnehmen und sie töten können, wäre ich tot. June sah, wie ich ihre vermeintliche Freundin tötete. Doch was sie nicht sah, war ihre Verwandlung, als sie tot auf dem Boden ankam."
"Sie war die Angreiferin?", rief Thor voller Unglauben aus und stolperte ein paar Schritte zurück, "Was ist mit der echten Freundin?"
"Sie wurde tot im Schlossgarten aufgefunden."
"Aber...aber wie ist das möglich? Wieso konnte Heimdall sie nicht sehen?"
"Die Angreiferin muss einen Zauber der Verschleierung verwendet haben. Mutter und ich sind schon auf der Suche danach", schloss ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"June hat gedacht, du hättest ihre beste Freundin umgebracht! Deshalb war sie gestern auch so aufgelöst", meinte Thor entsetzt, "Wir müssen sie unbedingt über die Wahrheit aufklären!"
"Und doch wird das nichts daran ändern, dass sie mit dir geschlafen hat", murmelte ich bitter, die Enttäuschung und der Verrat stachen spitz in mein Herz, "Ich komme nicht, damit ich nochmal diese kleine Verräterin sehen muss."
Thor seufzte.
"Sie hat einen Fehler gemacht. Aber bitte fühle dich doch mal in ihre Situation ein. Wie sie sich gefühlt haben muss, als sie sah, wie vermeintlich ihre Freundin stirbt. Und das auch noch durch die Hand von jemandem, den sie liebt."
Obwohl die Worte meines Bruders tief in meinem Inneren etwas auslösten, verbarg ich meine Emotionen hinter einer kalten Maske.
Ich war derjenige, der hintergeht. Ich war nicht derjenige, der hintergangen wird. Und das auch noch von June. Noch immer schmerzte mich diese Erkenntnis so sehr, dass sich mein Herz bitter zusammenzog. Wieso musste ich auch ihr vertrauen? Einem Zimmermädchen? War doch absehbar, dass sie nur mit mir etwas anfing, um einen Rang höher steigen zu können.
Und ich hatte ihren vergifteten Blicken, Worten, Küssen geglaubt. Ich, Loki, Gott der Lügen und des Schabernacks. Dafür würde sie bitter bezahlen müssen.
"Das kann ich ihr nicht verzeihen. Hätte sie mich wirklich geliebt, dann hätte sie das niemals getan", kam es bitter von mir. Ich wollte nicht mehr an June denken.
"Hättest du dich an ihrer Stelle nicht auch nach glühender Rache gesehnt? Ihr seid euch zu ähnlich."
Ich warf Thor nur einen vernichtenden Blick zu und zischte: "Wage es nicht, mich mit ihr zu vergleichen!"
Thor bedachte mich nur mit einem skeptischen Blick und legte seine rechte Hand auf die Türklinke.
"June hat so unschuldig und rein gewirkt, wie keine andere. Vielleicht hast du dich einfach nur in ihrem sanften Gemüt getäuscht." Und ohne dass ich ihm antworten konnte, war er auch schon hinter der Tür verschwunden und ich starrte in die stille Leere meines Gemachs.
June war ein Engel gewesen. Ein Engel, der hinabgefallen war vom blütenweißen Himmel, als ihr Herz gebrochen wurde.
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Hallo meine Lieben!
Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen und ihr seid nicht zu geschockt über die Auflösung. 🤣
Und habt ihr schon den neuen Eternals Trailer gesehen? Ich bin so gespannt auf den Film! Vor allem mit meinen Lieblingsschauspielern von Game of Thrones kann das doch nur gut werden. 😱
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