Kapitel 30

Ich kneife meine Augen fest zusammen und öffne sie dann wieder in der Erwartung, dass ich halluziniere und mir Damon nur eingebildet habe. Bestimmt sehne ich mich nur so sehr nach Rettung, dass mein Hirn mir etwas vorspielt. Oder aber es ist wieder ein Traum und der dunkelhaarige Vampir jagt mir gleich einen Holzpfahl durchs Herz.

Doch nichts dergleichen passiert. Stattdessen zückt er einen Schlüssel, den er sich wohl unbemerkt besorgen konnte, und macht sich daran, mich aus den Ketten zu befreien, während er endlich auf meine Frage, woher er plötzlich kommt, antwortet: "Das ist eine etwas längere Geschichte, für die wir im Moment keine Zeit haben. Erst einmal müssen wir hier rauskommen."

"Ich kann es kaum erwarten", sage ich wahrheitsgemäß, und in der nächsten Sekunde fallen die Ketten von meinen Handgelenken ab und ich spüre festen Boden unter meinen Füßen. Allerdings habe ich kein Gefühl in meinen Beinen, weswegen ich fast wegknicke, aber von Damon davor bewahrt werde. Wenn er will, kann er auch ganz hilfsbereit sein. "Danke. Ich weiß, du magst mich nicht besonders."

Daraufhin verdreht er seine Augen und meint: "Jetzt bloß nicht sentimental werden", doch ich glaube, ein Zucken seines rechten Mundwinkels zu erkennen. Auch wenn unser Verhältnis zueinander eher schwierig war, bin ich froh, ihn wiederzusehen, und muss lächeln.

"Leute, ich könnte Hilfe gebrauchen!", ertönt auf einmal Stefan's Stimme. Dass er seinem Bruder Raum gegeben hat, um mich zu befreien, indem er sich Klaus in einem Kampf stellt, hätte ich beinahe vergessen. Irgendwie habe ich alle Hintergrundgeräusche ausgeblendet.

Während Damon sich sofort zu den Gängen begibt, bleibe ich noch etwas perplex stehen. Was soll ich tun? Ich habe kaum Kampferfahrung, weiß nicht, wie ich mich gegen Feinde duchsetzen kann, und in der besten körperlichen Verfassung bin ich auch nicht. Jedoch kann ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, die Salvatore-Brüder allein zu lassen, und eile dem älteren der beiden mehr oder weniger zügig nach.

Als ich mitten im Geschehen bin, sehe ich zunächst Rebekah bewusstlos auf dem Boden liegen. Die Schrammen in Stefan's Gesicht machen dennoch den Eindruck, als hätte er sich mit mehr als nur einer Person angelegt, was leider Beweis genug dafür ist, dass der Hybrid ein ernst zu nehmender Gegner ist. Hoffentlich hat er Stefan noch nicht mit einem Biss erwischt, denn der würde ohne Klaus' Blut tödlich enden.

"Ah, der verlorene Bruder ist aufgetaucht", spottet Klaus und macht einen Schritt auf Damon zu. "Gutes Timing würde ich sagen, sonst sähe die Lage für dein Bruderherz ziemlich aussichtlos aus." So wenig ich ihm auch recht geben möchte, ich muss ihm zustimmen. Während er nämlich ein abgebrochenes hölzernes Stuhlbein in der Hand hält, liegt Stefan am Boden und hält sich am Bein fest. Erst jetzt merke ich, dass eine sehr schlimme Wunde an seinem Unterschenkel klafft, bei der die Heilung wohl erst später einsetzen wird. Es wäre ein Leichtes für Klaus, Stefan mit dem Stuhlbein zu durchbohren.

Ohne etwas zu erwidern, stürzt sich Damon auf den Urvampir und überrascht ihn damit so sehr, dass dieser das Holz fallen lässt. Was für ein Glück für Damon - ich will mir nicht ausmalen, wie schnell Klaus ihn damit verletzen würde, wenn er das Stuhlbein noch in Besitz hätte.

Stefan hat es indessen geschafft, sich in eine Ecke zurückzuziehen, liegt aber immer noch vor Schmerzen stöhnend auf dem Boden. Ich laufe also auf ihn zu, damit ich ihm hochhelfen kann, wobei ich hin und wieder ein Auge auf die zwei anderen werfe.

Als ich bei ihm angekommen bin, ist es, als ob mir eine Last von den Schultern genommen würde. Die Art und Weise, wie er mich ansieht, lässt mein Herz höherschlagen, und ich verfluche es dafür, da jetzt definitiv nicht der richtige Zeitpunkt ist. Doch in seinem Blick liegt nach einer gefühlten Ewigkeit wieder diese Wärme, durch die ich mich bei ihm so geborgen gefühlt und die ich nur allzu sehr vermisst habe.

"Wir müssen dich hier rausschaffen", sage ich nah an Stefan's Ohr, während ich unter seine Arme greife. Obwohl ich ihm schon deutlich näher war, reagiert mein Körper erneut. Total unpassend, weshalb ich unauffällig meinen Kopf schüttele. "Mit der Wunde bist du uns keine große Hilfe und dazu noch leichter verwundbar. Ich will nicht, dass dir was passiert."

"Das ist ja echt lieb von dir, aber ich fürchte, das könnte sich als etwas schwierig gestalten", entgegnet er darauf, was mich meine Augenbrauen verwirrt zusammenziehen lässt. Auf meinen fragenden Gesichtsausdruck nickt er in die Richtung hinter meinem Rücken.

Ich drehe mich um und weiß, auf was er mich aufmerksam machen wollte. Rebekah scheint gerade wieder zu Bewusstsein gekommen zu sein, denn sie drückt sich mit den Händen vom Boden ab und sieht einmal um sich, als ob sie sich erst einmal orientieren müsste. Allerdings dauert das nicht lange, und sie schaut mich direkt an. Hilfe.

Am liebsten würde ich jemand anderem den Vortritt lassen, aber diese Möglichkeit besteht nun nicht. Damon kämpft gegen Klaus und Stefan ist verletzt. Ich bin die einzige Person, die zumindest eine Chance hat, die Blondine in Schach zu halten, und ich habe keine Wahl: Ich muss über meinen Schatten springen und eigene Kampfstrategien entwickeln, ob ich will oder nicht.

Zunächst locke ich sie in den Raum, in dem sie mich gefangen gehalten haben, damit sie ja nicht auf die Idee kommt, sich Stefan zu nähern. Dabei bin ich aber unaufmerksam und stelle erst fest, dass sie sich ein Messer von irgendwoher besorgt hat, als es schon fast zu spät ist. Haarscharf fliegt es an meinem Kopf vorbei und prallt an der Wand hinter mir ab, was mich etwas aus der Fassung bringt.

Diesen Augenblick nutzt Rebekah natürlich aus, schließt ihre Hände um meinen Hals und drückt zu. Ich versuche, ihre Hände von mir abzubringen, aber es gelingt mir nicht. In Gedanken bereite ich mich bereits darauf vor, gleich zu ersticken. Zwar wäre ich dann nicht endgültig tot, doch ich wäre für eine Weile ausgeschaltet, und das kann ich mir ganz und gar nicht leisten.

"Du stehst auf ihn", kommt es vollkommen unerwartet von ihr, als ich verzweifelt nach Luft ringe. "Stefan, meine ich. Die Blicke, die du ihm eben zugeworfen hast, waren eindeutig. So habe ich auch einst jemanden angesehen." Ich bin nicht fähig, selbst etwas zu diesem Gespräch beizutragen, weil höchstens ein Krächzen herauskommen würde und sie auch schon fortfährt: "Schade, dass es für euch nun zu spät ist."

"Das würde ich nicht sagen", ertönt eine Stimme seitlich von mir, gefolgt von einem Schuss, der sich den Weg zu der Urvampirin bahnt und sein Ziel offensichtlich erreicht. Rebekah's Griff lockert sich und sie macht Bekanntschaft mit dem Boden.

Heftig atmend schaue ich zur Seite und erkenne Jeremy, der mit seiner Armbrust dasteht. "Habe ich dir nicht gesagt, dass du das nächste Mal ruhig früher auftauchen könntest?"

Auf meine Frage reagiert der Braunhaarige mit einem Lachen. "Tut mir leid, ich bin einfach unverbesserlich", meint er. "Komm, lass uns gehen. Die Menge an Eisenkraut ist zu gering, als dass es sie lange aufhalten würde." Daraus schließe ich, dass er auch Klaus überraschen konnte.

Bevor wir uns zu den Salvatore-Brüdern aufmachen, halte ich ihn zurück. "Ich habe keine Ahnung, wie viel du von Rebekah's Worten mitbekommen hast, aber du erzählst es niemandem weiter, ja?" Er nickt. Gut so, denn ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich auf Stefan stehe. Da brauche ich niemanden, der Gerüchte verbreitet. Ich weiß lediglich, dass ich etwas für ihn empfinde. Was genau das allerdings ist, muss ich erst noch herausfinden.

Jetzt, da dies geklärt ist, gehen wir zu den beiden anderen. Ich sehe mir Klaus nur kurz an, gehe dann zu Stefan und stütze ihn auf der linken Seite. Damon tut es mir gleich und positioniert sich auf der rechten Seite. Gemeinsam helfen wir ihm aus dem Gebäude.

Auf dem Weg muss ich mich mehrmals zusammenreißen. Immer wieder verlässt mich meine Kraft, doch wenn ich jetzt auch noch gestützt werden müsste, kämen wir nur mühsam voran. Deswegen versuche ich, mir nichts anmerken zu lassen.

Als wir endlich an der frischen Luft sind, stelle ich fest, dass Damon's Wagen nur ein paar Meter von uns entfernt steht, und kann mein Glück kaum fassen. So sehr habe ich mich nie über eine Mitfahrgelegenheit gefreut.

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Heute ein Kapitel, das ich irgendwie besonders mag. Vielleicht ist es die Handlung, vielleicht aber auch die Tatsache, dass ich endlich nicht mehr eine halbe Ewigkeit dafür gebraucht habe🙈

Vor fünf Stunden habe ich meine zweite Impfung bekommen und ich mein Arm tut so langsam wieder weh. Aber sonst ist mit mir noch alles in Ordnung. Ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Wie geht's euch so?❤️

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