Kapitel 25

Ich überlege, ob ich mein Handy einfach klingeln lassen und an genau der Stelle weitermachen soll, an der Stefan und ich gerade aufgehört haben. Doch diese Überlegung hält nur für den Bruchteil einer Sekunde an, weil ich mir denke, dass es vielleicht etwas Wichtiges ist. Nach dem, was ich von Bonnie über Damon gehört habe, wäre das ja durchaus möglich.

Als ich schließlich etwas Abstand zwischen Stefan und mir bringe, mein Telefon aus meiner Hosentasche hole und auf das Display sehe, wird mir jedoch klar, dass der Anruf nichts Übernatürlichem geschuldet ist. Es ist nämlich Shane, mein stinknormaler Bruder.

"Was willst du?", entgegne ich ihm, sobald ich abgehoben habe, und bemühe mich um eine stabile Stimme. Ich muss gestehen, dass ich von gerade eben etwas außer Atem gekommen bin.

"Nette Begrüßung. Hattest du einen schlechten Tag, oder was?", lacht Shane darauf, was mich meine Augen verdrehen lässt. Glücklicherweise erwartet er keine Antwort von mir, sondern schildert mir gleich sein Anliegen. "Jedenfalls, ich wollte dich nur kurz fragen, wo du bleibst. Wir warten alle auf dich."

Das ist seltsam. Sonst interessiert es meine Familie kaum, wenn ich mal nicht wie geplant nach Hause komme, und jetzt auf einmal fragen sie sich, wo ich stecke. Dabei wäre ich, wenn ich mit Olivia gefahren wäre, auch erst vor etwa zehn Minuten angekommen. Aber gut, die meiste Zeit sind meine Eltern auch gar nicht daheim, nur heute haben sie ausnahmsweise mal beide frei.

"Wieso das denn? Habe ich etwa vergessen, dass wir etwas zusammen unternehmen wollten oder so?", frage ich und setze mich derweil auf den Badewannenrand. Stefan beschließt in diesem Moment, das Bad zu verlassen. Vermutlich kümmert er sich um die Frau - oder besser gesagt, vermutlich schafft er sie aus dem Schlafzimmer und verfrachtet sie irgendwohin, wo sie ihn nicht mehr stört. Wenn ich Zeit habe, komme ich vielleicht noch einmal hierher. Die arme Frau hat es schließlich nicht verdient, durch den Ripper zu sterben, und erst recht nicht, dann in seinem Keller zu verweilen.

Weil ich ganz in Gedanken versunken bin, zucke ich beim Klang von Shane's Stimme in meinem Ohr ein wenig zusammen. "Nein, hast du nicht", erwidert er. "Aber ich selbst habe heute wieder ein Date und ich bin bereit, sie euch vorzustellen. Ich habe das Gefühl, es ist etwas Ernstes mit ihr und aus uns könnte wirklich etwas ganz Festes werden. Deswegen will ich, dass ihr sie kennenlernt. Heute in nur wenigen Minuten."

Daraufhin muss ich erst einmal stutzen, denn damit habe ich kein bisschen gerechnet. Vor allem nicht jetzt, aber wer tut das schon, wenn man einen Moment zuvor an den Lippen eines Typen hing? Okay, stopp, meine Gedanken gehen schon wieder in die falsche Richtung. Außerdem hatte es ja absolut keine Bedeutung, wie Stefan gesagt hat, wahrscheinlich war es eine einmalige Sache. Also sollte ich es einfach vergessen, weswegen ich kurz meinen Kopf schüttele und mich wieder meinem Bruder zuwende. "Okay, ich bin gleich da. Bin ja gespannt, wer dieses Mädchen ist, das es mit dir aushält."

"Ha ha", macht Shane nun, lässt seine Stimme genervt klingen und legt ohne ein weiteres Wort auf. So sehr er sich zwar um Glaubwürdigkeit bemüht, weiß ich doch ganz sicher, dass er grinsen muss. Auch meine Mundwinkel bewegen sich nach oben.

Als ich mein Handy wieder in meiner Hosentasche verstaut und mir meine Jacke über den Arm gelegt habe, mache ich mich auf ins Schlafzimmer und sehe, dass die Frau weg ist. Was mir aber viel interessanter erscheint, ist, dass Stefan an einem Bilderrahmen verweilt und mich nicht bemerken zu scheint. Beim Näherkommen meine ich zu erkennen, dass es sich um ein altes Bild von ihm und Damon handelt. Ob es in ihm irgendetwas auslöst, auch wenn er den Schalter noch immer umgelegt hat?

Die Antwort werde ich wohl nie erfahren, denn als ich beinahe davorstehe, befreit er aus seinem Tunnel und stellt sich direkt in den Weg, sodass ich es nicht mehr betrachten kann. "Ist was?", brummt er.

Ich beschließe, nicht auf das Bild einzugehen. "Ich muss jetzt gehen", sage ich deshalb, ohne eine genauere Erklärung. Meine Familie hat ihn immerhin nichts anzugehen. "Bitte pass auf, dass du nicht noch jemanden aus Versehen umbringst." Und damit verschwinde ich.

Da heute komischerweise viele Leute draußen sind und sich um ihren Rasen kümmern, muss ich ausnahmsweise auf die Vampirgeschwindigkeit verzichten und mich wie ein normaler Mensch fortbewegen. Meinem Bruder zuliebe erhöhe ich mein Tempo etwas, was dann jedoch dazu führt, dass ich ziemlich außer Atem zuhause ankomme. Sport war einfach noch nie meins.

"Warum siehst du aus, als wärst du einen Marathon gelaufen?", fragt Shane direkt, als ich das Haus betreten und die Tür hinter mir geschlossen habe. Ich beschließe, nicht darauf einzugehen, und betrachte ihn. Offensichtlich hat er sich extra schick gemacht. Sein Date muss ihm ja wirklich viel zu bedeuten, dass sie einen so großen Einfluss auf ihn hat.

"Was stehst du eigentlich so im Gang hier rum?", erkundige ich mich bei ihm. Irgendwie sieht er aus wie bestellt und nicht abgeholt.

Daraufhin schaut er in Richtung Esszimmer, vergewissert sich anscheinend, ob die Tür geschlossen ist, und erklärt mir flüsternd: "Ich will nur dafür sorgen, dass ich die Tür aufmache, wenn sie kommt, und nicht Mom oder Dad. Du weißt doch, wie peinlich sie sein können. Nachher erzählen sie ihr super unangenehme Geschichten über mich, das muss ich unbedingt vermeiden."

Na ja, ehrlich gesagt kann ich nicht behaupten zu wissen, wie unsere Eltern sich verhalten, wenn eines ihrer Kinder ein Date nach Hause einlädt, weil es bei mir noch nie so weit gekommen ist. Auch wenn ich es sehr gern getan hätte, doch immer wurde mir ein Strich durch die Rechnung gemacht. Allerdings kann ich Shane's Gedanken durchaus nachvollziehen. Deshalb nicke ich.

Zufälligerweise klingelt es genau in diesem Moment an der Haustür. Sofort geht mein Bruder auf sie zu und ich drehe mich etwas weg, um schnell meine Haare glattzustreichen, nachdem sie auf meinem Heimweg ein wenig durcheinandergeraten sind. Schließlich möchte ich keinen allzu schlechten ersten Eindruck machen.

Hinter mir höre ich bereits, wie Shane das Mädchen begrüßt und sie hereinbittet. Sie bedankt sich, und ihrer Stimme nach zu urteilen hört sie sich ganz nett an. Dann drehe ich mich um und blicke in ein Gesicht, das von langen, blonden Haaren umrahmt wird. Ihre blauen Augen stechen extrem hervor und machen auf mich irgendwie einen vertrauten Eindruck. Allgemein kommt sie mir aus irgendeinem Grund sehr bekannt vor, als wäre ich ihr schon einmal begegnet.

Im nächsten Moment streckt sie mir ihre Hand hin und stellt sich vor: "Hi, ich bin Rebekah." Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen und bei mir schrillen alle Alarmglocken.

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Willkommen bei der Lesenacht! Ich hoffe, euch hat das erste Kapitel gefallen und ihr seid gut reingekommen. Das letzte Update war ja nicht gerade gestern🙈

In einer Dreiviertelstunde geht es weiter😊

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