Kapitel 2

Auch wenn ich zunächst absolut keine Ahnung hatte, wo ich war, habe ich den Weg sehr schnell gefunden. Glücklicherweise haben weder Elena und Stefan noch dieser Damon mich verfolgt. Wenn sie mir noch mehr von diesem Quatsch erzählen, werde ich wahnsinnig werden. Ich muss jetzt dringend auf andere Gedanken gebracht werden.

Nachdem ich die Tür unseres Hauses geöffnet und wieder geschlossen habe - ich nehme mir so gut wie immer einen Schlüssel mit -, höre ich schnelle Schritte auf mich zukommen. Kurz darauf erscheint meine Mom vor mir und macht einen erleichterten Eindruck. "Oh Gott, Kiara, da bist du ja!", gibt sie von sich und zieht mich sofort in eine Umarmung. "Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Wo warst du denn die Nacht über?"

Wenn ich ihr das bloß sagen könnte. Ich meine, ich weiß ja selbst nicht einmal, was gestern los war. Doch wenn ich ihr dies erzählen würde, würde sie sich nur noch mehr sorgen. Deswegen überlege ich mir eine Notlüge: "Ähm, ich habe noch Olivia getroffen und bin dann zu ihr gegangen. Ich wollte dir eigentlich schreiben, aber mein Handy hatte keinen Akku mehr. Mir geht es jedenfalls gut."

Olivia ist schon seit Jahren meine beste Freundin und ich habe auch schon mehrmals bei ihr übernachtet, weshalb meine Mutter mir die Geschichte, ohne noch einmal nachzuhaken, abkauft. Ich hasse es, sie anlügen zu müssen, aber manchmal sehe ich einfach keine andere Möglichkeit.

"Komm, lass uns ins Esszimmer gehen. Dein Dad und Shane essen gerade. Ich bin mir sicher, sie werden echt froh sein, zu wissen, dass du wohlauf bist", meint sie nun und legt die Hand an meinen Rücken, um mich dann in besagtes Zimmer zu führen.

Als wir dort angekommen sind und die beiden mich erkennen, springen sie auf der Stelle von ihren Stühlen auf und nähern sich mir. Wie auch meine Mom eben, schließen sie mich in ihre Arme. Dabei muss ich daran denken, dass ich es früher gehasst habe, wenn mein Bruder auch nur einen Arm um mich gelegt hat. Das hat sich mittlerweile geändert. Jetzt ist er viel größer als ich, obwohl er jünger ist, und irgendwie haben wir uns doch noch liebgewonnen.

Ich stehe auf meinen Zehenspitzen, damit meinen Kopf überhaupt auf seiner Schulter ablegen kann. Der Duft seines Aftershaves kommt mir entgegen, welcher leicht in meiner Nase kitzelt. Doch das ist nicht alles, da ist noch etwas anderes. Auf einmal höre ich wieder dieses Rauschen und meine Atmung beschleunigt sich.

Es ist das gleiche Gefühl, das ich vorhin noch bei der Frau verspürt habe. Dabei kann das doch gar nicht sein. Elena und die beiden Jungs haben mich nur verarscht. Das, was sie gesagt haben, kann nicht stimmen. Oder?

Egal ob es nun der Wahrheit entspricht oder nicht, ich darf das Risiko nicht eingehen, meinen Bruder oder gar meine ganze Familie zu verletzen. Aus diesem Grund löse ich mich abrupt von Shane und stoße ihn sogar von mir zurück. Auf die zum Teil erschrockenen Gesichter von ihm und meinen Eltern erwidere ich nur: "Tut mir leid, ich brauche Zeit für mich alleine", und stürme die Treppe nach oben und in mein Zimmer.

Ich krame nach dem Zimmerschlüssel und schließe die Tür zu, sodass keiner zu mir kommen und mich in Versuchung bringen kann. Wenn ich meinen Geliebten etwas antun würde, könnte ich mir das niemals verzeihen.

Nachdem dies getan ist, lasse ich mich auf mein unangerührtes Bett fallen und schließe die Augen, versuche mich zu entspannen und einfach mal an nichts zu denken. Aber da ist immer diese Stimme, die mich dazu überreden will, Blut zu trinken, und ich kann sie mir nicht aus dem Kopf schlagen. Das macht mich ganz verrückt.

Vielleicht ist es auch eher kontraproduktiv, nichts zu tun, und ich muss mich mit etwas beschäftigen. Also verlasse ich mein Bett wieder und hole mir ein Buch. Beim Lesen blende ich meine Umwelt normal immer komplett aus und tauche vollständig in das Geschehen der Story ein. Wenn das micht nicht von diesem Wahnsinn ablenkt, weiß ich auch nicht.

Ich entscheide mich für einen Liebesroman namens "Save Me", den ich zwar schon einmal gelesen habe, aber bei dem ich nichts gegen ein zweites Mal hätte. Als ich die erste Seite gelesen habe, bin ich zunächst im Glauben, dass ich jetzt eine Lösung für mein Problem gefunden habe. Doch dann fangen auf einmal die einzelnen Wörter an, auf mich zuzukommen, und mir wird leicht übel.

Frustriert schmeiße ich das Buch weg und gehe zu meinem Schreibtisch, auf dem ich immer eine Wasserflasche lagere, um nach dieser zu greifen und ein paar Schlücke zu mir zu nehmen. Es tut tatsächlich gut, meinem trockenen Hals eine Erfrischung zu geben, aber die Übelkeit ist keinesfalls verschwunden.

Ganz im Gegenteil, denn im nächsten Augenblick fängt sich alles zu drehen an und das Ticken der Wanduhr wird beinahe so laut wie das Trampeln eines Elefants. Ich werde zunehmend verzweifelter und kann mir nicht mehr weiterhelfen. Ich versuche das Geräusch abzudämpfen, indem ich mir die Ohren zuhalte, doch es bringt überhaupt nichts. "Was stimmt mit mir denn nicht?!", rufe ich aus und spüre, wie mir die Tränen kommen.

Ein erneutes Mal schmeiße ich mich auf das Bett und ziehe die Decke bis über meinen Kopf. Unter dieser ist es fast so dunkel wie das Schwarz vor meinen Augen, bevor ich, umzingelt von Elena, Stefan und Damon, auf dem Boden aufgewacht bin.

***

Ich muss wohl irgendwie eingeschlafen sein, da die Sonne bereits nicht mehr durch mein Fenster scheint, als ich die Decke zurückschlage. Der Blick auf die Wanduhr, deren Ticken sich anscheinend wieder normalisiert hat, verrät mir, dass es kurz nach sechs Uhr abends ist. So lange habe ich noch nie mittags geschlafen...

Selbst wenn ich nun einige Stunden Schlaf bekommen habe, fühle ich mich kein bisschen ausgeruhter. Das wird mir ebenso in dem Moment verdeutlicht, in dem ich aufstehen und ein paar Schritte gehen möchte. Großen Halt habe ich nicht, denn meine Beine geben sogleich nach und ich knicke zusammen.

Ich bin plötzlich viel schwächer und das ist besorgniserregend, sogar für mich. Irgendetwas läuft gewaltig aus dem Ruder. Mein Zustand in den letzten Stunden bis jetzt und dieses Gefühl, wenn ich vor meinem Bruder stehe, lassen mich an Elena's letzten Worte an mich denken. Kiara, bitte, du musst uns glauben!

Womöglich haben sie, Stefan und Damon mich gar nicht verarscht und ich verwandle mich wirklich in so ein Wesen. Was auch immer es ist, ich muss mit ihnen sprechen, und das dringend.

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Ja, ihr geht es ziemlich schlecht. Aber zumindest hat sie eingesehen, dass sie sich an die anderen wenden sollte😅

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