Kapitel 16

Etwas mehr als eine Woche später stehe ich wie immer am Fenster im Gang und warte darauf, dass Olivia's Auto erscheint. Es ist noch ziemlich dunkel, so früh morgends, aber als ein Wagen am Straßenrand auf der Höhe unseres Hauses hält, bin ich mir sicher, dass es meine Freundin ist.

Wer sollte es auch sonst sein? Caroline fährt für gewöhnlich mit Tyler und Bonnie mit Jeremy. Und Stefan? Der hat sich inzwischen entschlossen, von der Schule fernzubleiben, um nach weiteren Hinweisen für das Verschwinden von Damon und Elena zu suchen. Seit Bonnie's Lokalisierungszauber waren wir nämlich erfolglos, und das ist nun schon bald drei Wochen her. Von uns allen leidet er am meisten darunter.

Jedenfalls öffne ich in diesem Moment die Haustür, begebe mich nach draußen und schließe sie wieder. Auf dem Weg zum Auto weht mir der eisige Wind ins Gesicht und zerstört mir ein klein wenig meine Frisur. So langsam heißt es, vom Sommer Abschied zu nehmen und den Herbst und somit die kälteren Temperaturen, wenn auch widerwillig, zu begrüßen.

Nachdem ich endlich eingestiegen bin, streiche ich mir erst einmal meine Haare glatt. Dabei werde ich von Olivia beobachtet. "Wow, damit habe ich jetzt nicht gerechnet", sagt sie verblüfft. "Ich dachte, du wärst der Meinung, blonde Haare würden dir überhaupt nicht stehen?"

"Ach, weißt du", erwidere ich und zucke leicht mit den Schultern, "irgendwie hatte ich Lust auf eine kleine Typveränderung. Zuerst waren nur Strähnchen geplant, aber dann hat mich meine Friseuse umgestimmt."

"Die wusste eindeutig, was sie tut", sagt Olivia und startet den Motor. Den Blick auf mich gerichtet, schiebt sie grinsend nach: "Steht dir wirklich sehr gut." Während ich mich bedanke, setzt sie schließlich den Blinker und fährt los, nachdem ein Auto an uns vorbeigefahren ist.

Da heute der Tag der Matheprüfung ist und wir sie schon in den ersten drei Stunden schreiben werden, erklären wir uns gegenseitig, wie wir bei verschiedenen Aufgaben vorgehen müssen. Meine Freundin scheint mittlerweile sehr sicher zu sein, weshalb ich ein klein wenig stolz bin.

Als wir nach einigen Minuten aussteigen und uns mit klopfenden Herzen von den Schülerparkplätzen in das Klassenzimmer begeben, in dem wir die Prüfung schreiben werden, laufen wir an vielen genauso nervösen Schülern vorbei. Letztendlich betreten wir den Raum und setzen uns auf unsere zugewiesenen Plätze.

***

"Gott sei Dank haben wir es jetzt hinter uns!", ruft Olivia nach drei anstrengenden Stunden erleichtert aus, woraufhin so gut wie jeder, der sich in unserem Umkreis befindet, ihr mehr als nur zustimmt. "Bei der fünften Aufgabe bin ich fast verzweifelt."

"Ja, die war schon etwas knifflig", pflichte ich ihr bei. "Am Ende habe ich zwar ein Ergebnis herausbekommen, aber ob es richtig ist, ist natürlich die andere Sache. Allerdings sollten wir uns darüber jetzt keine Gedanken machen. Wir sollten einfach froh darüber sein, dass wir die erste Prüfung schon geschafft haben."

"Du hast ja recht, blöde Angewohnheit von mir", gibt sie zurück. "Ich überdenke alles zu sehr, was wirklich nicht gut ist, weil es mich ständig unter Druck setzt und stresst, aber irgendwie kann ich es nicht abstellen. Hast du vielleicht eine Idee, wie -"

Die zweite Hälfte ihrer Frage bekomme ich nicht mehr mit. Meine Aufmerksamkeit gilt plötzlich nicht mehr ihr, sondern einem Jungen, den ich seit ein paar Tagen nicht mehr hier an diesem Ort gesehen habe. Mit einem Rucksack auf dem Rücken spaziert er eilig durch die Schulgänge und scheint uns wieder bewusst aus dem Weg zu gehen, indem er stur geradeaus läuft.

Nicht aber mit mir! Ich habe ihm erst vor nicht allzu langer Zeit gesagt, dass wir zusammenhalten sollten, und eigentlich hatte ich den Eindruck, als wäre er schließlich derselben Meinung gewesen. Jetzt jedoch ignoriert er uns wieder, und das habe ich sowas von satt. Deswegen fasse ich den Entschluss, Stefan damit zu konfrontieren.

Folglich entschuldige ich mich bei meiner Freundin und haste mit schnellen Schritten auf den Vampir zu, um ihn dann bei den Schultern zu packen und ihn zu mir umzudrehen. "Was machst du denn hier?", frage ich ihn auf der Stelle. Nachdem ich mich kurz umgedreht habe, damit ich sicherstellen konnte, dass Olivia mir nicht nachgegangen ist, fahre ich flüsternd fort: "Ich dachte, du würdest so lange nicht mehr in die Schule kommen, bis du Damon und Elena gefunden hast. Heißt das, sie sind wieder bei uns?"

"Du hast wirklich noch Hoffnung, was?", stellt Stefan sofort eine Gegenfrage. Ich möchte ihm gerade mit einem "Natürlich" antworten, doch da spricht er bereits weiter. "Wir suchen schon seit Wochen nach ihnen und wir haben nicht einen einzigen weiteren Hinweis gefunden. Nicht einmal Bonnie bekommt mehr heraus. Unsere Suche ist total nutzlos. Wahrscheinlich ist es am besten, wir brechen sie ab und konzentrieren uns wieder auf unseren Abschluss."

Ich kann nicht glauben, was ich da eben gehört habe. Dementsprechend werde ich auch etwas lauter: "Das kannst du doch nicht ernst meinen! Stefan, es geht hier um deinen Bruder! Du kannst ihn doch nicht einfach so aufgeben!"

Keinesfalls kann ich es zulassen, dass er aufgibt. Und ich werde, wenn es nötig ist, so lange auf ihn einreden, bis er mir dabei zustimmt. Doch im nächsten Augenblick ertönt schon wieder der Schulgong und der Vampir macht sich blitzschnell aus dem Staub. Als ich versuche, ihn zurückzuhalten, schüttelt er mich einfach ab.

Na schön, dann eben nicht jetzt. Aber wenn er glaubt, dass er mich nun los hat, hat er sich gewaltig geschnitten. Ich war schon immer hartnäckig und auch heute lasse ich nicht locker. Nach der Schule werde ich ihm einen Besuch abstatten, ob er will oder nicht.

***

Ein paar Stunden später setze ich meinen Plan in die Tat um. Olivia habe ich gesagt, dass ich noch etwas anderes erledigen müsste, weswegen ich nicht mit ihr nach Hause fahre. Zu Fuß mache ich mich also auf den Weg zum Salvatore-Anwesen.

Da ich bereits einmal hereingebeten wurde, kann ich ohne Umschweife eintreten. Es ist gar nicht so schwer, Stefan ausfindig zu machen, denn er sitzt auf der ledernen Couch und nimmt einen Schluck aus einem Glas voller Bourbon zu sich. Der Whiskey, den Damon für gewöhnlich regelmäßig trinkt.

Sein Kopf schnellt in meine Richtung, aber anstatt mit mir zu reden, starrt er mich einfach nur an. Aus diesem Grund mache ich den Anfang: "Ein bisschen früh, um mit dem Trinken zu beginnen, meinst du nicht?"

Daraufhin zuckt er lediglich mit den Schultern und murmelt mit Blick auf das Glas vor sich hin: "Ich bin nicht besonders gut gelaunt und auch nicht wirklich erpicht darauf, mit dir darüber zu reden." Mehr kommt da nicht.

"Na ja, jeder hat mal einen schlechten Tag...", erwidere ich und werde dann jedoch von Stefan unterbrochen, der nun anscheinend doch nichts gegen ein Gespräch mit mir hat.

"Einen schlechten Tag? Bloß einen?", meint er leicht aufgebracht, stellt das Glas auf dem Tisch ab und stellt sich vor mich hin. "Ohne Damon und Elena sind alle meine Tage unerträglich. Die beiden sind wichtige Bestandteile meines Lebens, vielleicht sogar die wichtigsten. Ich will nicht ohne sie sein. Allerdings scheint das meine Zukunft zu sein, angesichts der fehlenden Hinweise, und das lässt mich beinahe zerbrechen."

Diese Worte zu hören, tut mir in meinem Herzen weh. Und das Schlimme ist, dass ich keine Worte finde, um ihn wenigstens ein klein wenig aufzumuntern. Wäre Shane schon so lange verschollen, wäre ich auch am Boden zerstört.

"Ich kann dich vollkommen verstehen, Stefan", sage ich deshalb, "aber..." Weiter komme ich nicht.

"Kein Aber", beschließt er sofort. "Ich kann das einfach nicht mehr. Ich will diesen Schmerz nicht mehr fühlen. Und genau deswegen sehe ich keine andere Möglichkeit."

Bevor ich fragen kann, was er damit meint, schließt er für einen Moment seine Augen. Und als er sie wieder öffnet, ist da nichts außer Kälte.

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Dam dam dam...😂

Ich hab seit heute leider wieder Schule und jetzt kommen auch noch die ganzen Arbeiten😅

Wie geht's euch so?❤️

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