Kapitel 15
Auch die nächsten Tage gibt es keinen Grund zum Feiern. Damon und Elena sind unglücklicherweise noch immer unauffindbar, und die erste Prüfung im Fach Mathematik findet kommende Woche statt.
Da ich den Stoff, den wir in einer Unterrichtsstunde behandelt haben, immer direkt wiederhole und ihn mir einpräge, kann ich bereits ziemlich viel aus meinem Gedächtnis aufrufen und auf einzelne Aufgaben anwenden. Bei Olivia sieht es allerdings etwas anders aus, weswegen sie mich gebeten hat, ihr zu helfen.
Aus diesem Grund treffen wir uns heute bei mir zuhause. Der Dienstag ist einer der wenigen Tage, an denen wir auch noch die Mittagsschule über uns ergehen lassen müssen. Ist zwar blöd, dass wir dann trotzdem lernen müssen, aber immerhin ist es für unseren Abschluss.
Als ich auf die Wanduhr in meinem Zimmer schaue, stelle ich fest, dass Olivia jeden Moment an der Haustür stehen und klingeln könnte. Sie meinte nämlich, dass sie sich um fünf nach drei Uhr nachmittags auf den Weg machen würde. Mittlerweile ist es schon fünfzehn nach.
Mein Schreibtisch ist aufgeräumt, sodass wir genug Platz haben, unsere College-Blöcke darauf abzulegen. Während ich weiter nach rechts schweife, bleibt mein Blick jedoch auf meinem Bett hängen, worauf sich eine leere Blutkonserve befindet. Die kann ich auf keinen Fall da liegen lassen.
Schnellen Schrittes stürme ich auf mein Bett zu, greife nach dem Beutel und entsorge ihn im Mülleimer des anliegenden Badezimmers. Dort müsste er für's Erste gut aufgehoben sein. Olivia wird ja wohl kaum den Eimer durchsuchen.
Wie auf's Stichwort klingelt es nun an der Haustür. Mit einem "Ich gehe schon", das sich an meine Mom richten soll, laufe ich die Treppen herunter und lasse meine Freundin herein, worauf wir uns freudig umarmen. Dafür hat sie ihre Stofftasche, in der sich vermutlich ihre Mathe-Sachen befinden, kurz abgestellt.
Nachdem wir uns voneinander gelöst haben und sie ihre Hand auf den Türgriff gelegt hat, um die Tür zu schließen, kommt jemand aus der Richtung des Wohnzimmers. Da ich mit dem Rücken zu dieser Person stehe, weiß ich zunächst nicht, um wen es sich handelt. Aber durch das ungewohnt sanfte "Oh, hey" wird es mir bewusst - mein Bruder Shane hat sich zu uns gesellt.
"Wusste gar nicht, dass du Besuch bekommst", wendet er sich an mich, woraufhin ich mich zu ihm umdrehe. Dabei ruht sein Blick jedoch ausschließlich auf Olivia. Die Aussage, er sei schon längst über sie hinweg, verliert dadurch an Authentizität.
"Wir wollen auch Mathe lernen, da hast du nichts zu suchen", erkläre ich ihm. "Und so wie du aussiehst, möchtest du ja eh irgendwohin gehen." Tatsächlich trägt er momentan einen schwarzen Anzug, was nur sehr selten der Fall ist, und seine Haare sind stylisch nach hinten gegelt. Ein Date kann es ja schon einmal nicht sein.
Während er auf seine Armbanduhr schaut, die farblich perfekt zum Anzug passt, informiert er uns über sein Vorhaben. "Ich habe heute ein Vorstellungsgespräch, von dem du sicherlich wüsstest, wenn du nicht dauernd von hier verschwinden würdest. Aber ich muss jetzt auch los, sonst komme ich noch zu spät." Und damit läuft er an Olivia vorbei, die sich die ganze Zeit über herausgehalten hat, und verlässt das Haus.
Bevor wir noch durch meine Mom aufgehalten werden, gehen wir hoch in mein Zimmer. Währenddessen kann ich nicht damit aufhören, an Shane's Worte zu denken. Er klang so misstrauisch und irgendwie auch enttäuscht. Ich weiß nicht, ob ich zu paranoid bin, aber ich mache mir Sorgen darüber, dass er irgendetwas ahnt. Über Elena's Fehlen, vielleicht sogar über mich.
Nichtsdestotrotz verdränge ich diesen Gedanken und versuche, in meinem Zimmer angekommen, meiner besten Freundin zu erklären, wie man die gegenseitige Lage von einer Gerade und einer Ebene bestimmen kann. Auch wenn sie es nicht auf Anhieb versteht, kommen wir relativ gut voran.
Etwa eine Stunde später klopft es plötzlich an meiner Tür, und ohne dass ich etwas gesagt habe, öffnet sie sich. Zuerst glaube ich, dass Shane zurück ist, da er nur sehr selten auf eine Antwort meinerseits wartet. Doch dabei habe ich mich geirrt.
"Jeremy, was machst du denn hier?", spreche ich dann meine Gedanken aus. Olivia's Augen haften derweil auf dem Jungen, und plötzlich fällt ihr der Stift aus der Hand, mit dem sie eben noch geschrieben hat.
"Ich wollte eigentlich was mit dir besprechen", setzt er an und nickt mir kurz zu, "aber das kann auch noch warten." Vermutlich geht es um etwas Übernatürliches, von dem Olivia nichts erfahren soll. "Ich möchte euch nicht beim Lernen stören. Dann geh ich mal wie-"
"Nein, nein, bleib ruhig. Wir sind eh so gut wie fertig", schlage ich vor und schaue zu meiner Freundin, die mit der Schulter zuckt. Das ist oft ihre Art, mir nonverbal zuzustimmen.
Demnach beschließt Jeremy, uns Gesellschaft zu leisten, schließt die Zimmertür und setzt sich ohne Umschweife auf mein Bett. Er kratzt sich verlegen am Hinterkopf, während er Olivia fragt: "Dich kenne ich doch von der Schule. Darf ich wissen, wie du heißt?"
"Olivia", antwortet diese leicht grinsend. "Olivia Stuart."
"Stuart? Ist das nicht ein Jungenname?", wundert sich Jer, eine Grimasse ziehend. Ich muss daraufhin lachen, weil er nicht die erste Person ist, die das fragt.
"Warum sagen das bloß immer alle?", steigt nun auch die Blondhaarige ins Gelächter mit ein. "Das ist nun mal mein Familienname, da kann ich nichts ändern." Damit ist das Thema beendet.
Im nächsten Moment stellt sich Jeremy ihr vor, was sie mit einem "Ich weiß" quittiert. Dabei verzichtet sie auf eine weitere Ausführung, was ich sehr schade finde, weil es mich doch sehr interessieren würde. Den braunhaarigen Jungen ebenso, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Augenblicklich nehmen Olivia's Wangen einen zarten Rosaton an.
Um diesen für sie scheinbar peinlichen Moment zu beenden, sorgt sie für neuen Gesprächsstoff: "Du bist doch der Bruder von Elena, richtig? Weißt du, wie es ihr geht? Am Anfang hieß es, sie sei krank, aber das ist mittlerweile ja schon eine Weile her."
Da war die Frage, vor der wir uns alle bereits gefürchtet haben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie von irgendjemandem gestellt wird. Dennoch findet Jeremy eine gute und noch dazu glaubwürdige Antwort: "Am Anfang war sie tatsächlich krank. Allerdings musste sie dann Mystic Falls verlassen, weil sie ein Angebot von einem College bekommen hat, für das sie sich beworben hat. Sie hat zwar gezögert, weil es eben in der Prüfungszeit ist, doch letztendlich konnte sie es nicht ausschlagen."
"Verständlich", murmelt meine Freundin nickend und scheint diese Antwort abzukaufen. Zum Glück kann Jeremy so überzeugend sein.
Als er Olivia und mich uns der Mathematik überlässt, werfe ich ihr einen seitlichen Blick zu, was sie zunächst erst gar nicht bemerkt, mich aber dann verwundert ansieht. "Stimmt irgendetwas nicht?", möchte sie deswegen wissen.
"Woher kennst du Jeremy?", antworte ich ihr gleich mit einer Gegenfrage, die auch noch ziemlich direkt ist. "Ich meine, so wie du vorhin reagiert hast, hast du ihn heute eindeutig nicht das erste Mal gesehen."
"Okay, du hast mich durchschaut", gibt die Blondhaarige sofort zu. "Ich kenne ihn aus der Schule. Und möglicherweise ist er der Junge, auf den ich stehe..." Gegen Ende des Satzes wird ihre Stimme immer leiser.
"Und der ist mit Bonnie zusammen. Deshalb meintest du, dass du ihn dir gleich abschreiben kannst", schlussfolgere ich, woraufhin sie erneut nickt. "Aber keine Sorge, du wirst deine große Liebe auch noch treffen. Keiner weiß, was das Schicksal noch so zu bieten hat."
"Genauso wenig, wie du im Moment weißt, was für ein Traumpaar Stefan und du doch wärt."
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Wie letztes Mal angekündigt, kommt nach zwei Wochen das neue Kapitel😊
Ich hätte es beinahe vergessen, weil es bei uns in der Stufe einen Corona-Fall gibt und deswegen ziemlich viel in der WhatsApp-Gruppe abgeht. Es war und ist quasi ein ständiges Hin und Her. Ich hab sogar für morgen einen Termin für einen Test ausgemacht, weil wir bis gerade eben nicht wussten, wer die Person überhaupt ist. Jetzt wo wir es wissen, kann ich sagen, dass ich eigentlich gar keinen Kontakt zu der Person hatte, aber ich denke, der Test morgen ist trotzdem nicht verkehrt. Ist halt nur die Frage, ob der dann noch kostenlos bleibt. Vorher hieß es nämlich, wir sind alle K1, aber mittlerweile wurden schon ein paar offiziell vom Gesundheitsamt angerufen. Ja, irgendwie ist alles so ungewiss bei uns gerade😅
Na ja, alles ziemlich verrückt.
Ich hoffe, euch geht's gut❤️
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