Chapter 3

Ginny spielte mit ihrem Patronus herum, ließ ihn auf und ab durch die Gegend sausen, wohin sie ihn mit Zauberstabbewegeungen schickte. So musste es mit dem Imperius sein. Sie zuckte zusammen und die nebelblaue Gestalt eines Pferdes erlosch.
„Wo bleibt eigentlich Seamus?", wollte sie demotiviert wissen.
Parvati nickte überrascht: „Ich hab ihn nicht mehr seit dem Mittagessen gesehen. Ob er mal wieder bei den Carrows ist?"
Ja, es stimmte. Seamus war wirklich viel zu oft bei ihnen. Es würde ihn noch umbringen! Ginny war sich sicher, damals noch die schonendste Art von Folter abbekommen zu haben. Immerhin hatte Alecto nicht auch noch ihren Senf dazugegeben.
Ginny schielte zur Tür im Raum der Wünsche.
„Neville, mir geht's nicht so gut", murmelte sie, ihren besten Freund antippend.
„Schon gut, kannst gehen", antwortete er mitfühlend lächelnd. „Lauf nicht den Carrows über den Weg und komm lebend zurück!", lachte er, aber Ginny wusste, dass es kein Scherz war. Dieser Spruch war jetzt das, was früher „Hals- und Beinbruch" oder „Viel Glück" geheißen hatte. Die Schüler von Hogwarts hatten dieses jetzt wirklich dringend nötig.

***

Die Weasley hatte schlafen gehen wollen, aber jetzt, wo sie im Bett lag, war sie dazu einfach nicht fähig. Sie starrte an die Decke. Eine Stunde später kamen die anderen, es wurde dadurch kurz hell, als sie mit leuchtenden Zauberstabspitzen zu ihren Betten schlichen. Die folgenden zwanzig Minuten wälzte sich Ginny unruhig hin und her, dann stöhnte sie frustriert auf und schlug die Bettdecke beiseite.
„Bei Merlins gepunkteter Unterhose", fluchte sie, erntete ein wütendes „Pssst!" und stieg in ihre Pantoffeln.
Auf Zehenspitzen verließ sie den Mädchenschlafsaal. Eigentlich war es Schülern untersagt, nachts auf den Gängen herumzulaufen, aber das war ihr gerade herzlich egal.
Vor der Tür atmete sie tief die kalte Nachtluft ein, die durch ein großes Loch in einer Fensterscheibe strömte.
Dann lief sie. Ihre Schritte mit den Filzpantoffeln waren ein weiches, hastiges Schlurfen. Irgendwann blieb sie auf dem Gang stehen und sah durch ein Fenster auf den schwarzen See von Hogwarts. Sowohl die Wassermenschen als auch der Riesenkrake zeigten kein Lebenszeichen.
„Genießt Miss Weasley ihre Abendrunde?", sagte plötzlich eine sarkastische Stimme.
Sie wirbelte herum und fand sich knappe zehn Zentimeter vor Snape. Okay, wenn schon, denn schon: „Ja."
Seine Augen verengten sich kaum merklich.
Na, super, hab ich's jetzt also auch noch geschafft, ihn wütend zu machen...
„Korrekt, Miss Weasley." – Kann der-, ja, der kann Gedanken lesen... Mist. – „Strafarbeit, jetzt, da Sie anscheinend nicht schlafen können."
Das ist vielleicht unlogisch: Als ich in ihn reingerannt bin, gab es keine, jetzt stehe ich auf dem Gang rum und bekomme eine. Seine Logik werde ich nie verstehen.
Er drehte sich wortlos um und sie folgte ihm in die Kerker.

***

Ihre Fingerspitzen glitten über den Einband eines in Leder gebundenen Buches. „Die Dunklen Künste", las sie stumm.
„Interessiert?", flüsterte Snape ihr plötzlich ins Ohr.
Erschrocken ließ sie die Hand sinken und antwortete in einem empörten Ton: „Nein, natürlich nicht. Dunkle Magie ist nicht so meins, wie Sie sicher wissen."
Er schnaubte verächtlich. „Jetzt machen Sie endlich die Bücher sauber. Das hier ist keine Besichtigung, sondern eine Strafarbeit."
Die nächsten drei Stunden durfte sie sich wundern, wie viel Staub sich in seiner persönlichen Bibliothek angesammelt hatte.

***

Am nächsten Morgen hatte sie keine vier Stunden Schlaf gehabt und war infolge total müde.
Kräuterkunde bei Professor Sprout.
„Miss Weasley, hören Sie mir überhaupt zu?"
Ginny schreckte hoch: „Was? Äh, jaah..." Nicht wirklich, ich bin müde.
Die Lehrerin schüttelte missbilligend den Kopf, während das Mädchen rot anlief, was sich fürchterlich mit ihren Haaren biss.
Auf einmal stieß etwas gegen ihr Schienbein und fluchend bückte sie sich. Ein Papierflieger. Verzaubert. Unter dem Tisch faltete sie ihn auseinander, während Sprout in ihrem Vortrag fortfuhr. Klar, eine Nachricht von Neville.

Gin, Lee lädt uns ein, bei Potterwatch mitzumachen. Du weißt schon, der Radiosender, der die Wahrheit über Voldemort sagt! Hast du Lust dazu? Ich selbst kann es mir nicht leisten, die Todesser lassen mich kaum noch aus den Augen. Aber du, bei dir müsste es gehen. Keine Sorge, diese Nachricht ist so verschlüsselt, dass nur du sie lesen kannst.
LG, Nev

***

„Super, Ginny!", rief Lee ihr zu. „Richtig gut!"
Sie strahlte. Soeben hatte sie das erste Mal etwas bei Potterwatch vorgetragen. Auch wenn es traurige Nachrichten waren. Namen von Toten, die das Ministerium verschwieg. Es war eine Schande, was aus dem Ministerium geworden war. Dort hatten jetzt die Todesser und somit Voldemort das Sagen.
Alles schien verloren. Und das war es Ginnys Meinung nach auch. Dass sie höchstwahrscheinlich sterben würde, das machte ihr keine Angst mehr. Sie hatte sich damit abgefunden. Warum aber sollte sie sich in der ihr verbleibenden Zeit nicht amüsieren?

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