Chapter 26

Abends saß Ginny auf ihrem Bett im Schlafsaal und zog die schweren roten Vorhänge zu, um ihre Ruhe zu haben.
Eben erst war sie mit den Hausaufgaben fertig geworden und war dann noch schnell duschen gegangen. Das heiße Wasser hatte ihr gutgetan; es war ihr gewesen, als würde es all die Lügen des Tages restlos abwaschen.
Wie zum Beispiel, als sie eine Viertelstunde an den Dunklen Lord denkend Löcher in die Luft gestarrt hatte, statt die Aufgaben zu lösen, die Flitwick ihnen aufgetragen hatte, und sie ihrem Lehrer entschuldigend lächelnd ins Gesicht gelogen hatte. Oder als Parvati bemerkt hatte, sie verhalte sich seltsam. „Habnur Kopfschmerzen", hatte Ginny mit Leidensmiene gemeint.
Jetzt brach die jüngste Weasley allein beim Gedanken daran in Tränen aus.
Dazu kam noch, dass sie jemanden vermisste. Mehrere Leute, um genau zu sein. Allen voran Voldemort, der ihr so manchen Zauber beigebracht hatte. Auf seine Unterrichtsstunden hatte sie sich immer besonders gefreut. Dann war da noch Narzissa, mit der sie über alles hatte reden können und die ihr immer geduldig zugehört hatte, aber auch, wenn es die Situation erforderte, streng sein konnte. Und vielleicht vermisste sie auch noch Bellatrix, mit ihrem anstrengenden Unterricht und zu hohen Erwartungen und den giftigen Kommentaren und Diskussionen.
Das Manor mit seinen eigenwilligen Bewohnern war ihr wirklich wichtig geworden. Klar, auf manche konnte man verzichten, aber ohne die drei oben genannten war das Manor für Ginny nicht dasselbe.

***

Einige Tage später, in denen Ginny vergeblich auf Post gehofft hatte, saß sie missmutig am Frühstückstisch und schwenkte ihren Kürbissaft gelangweilt im Becher hin und her. Neville neben ihr durchbohrte die Carrows und Snape mit seinen Blicken.
Plötzlich ertönte lautes Flügelschlagen und ein Eulenschwarm flatterte in die Große Halle.
Als drei Eulen aufeinander einhackend auf Ginnys Platz landeten, ließ diese vor Schreck ihren Becher fallen, dessen Inhalt sich auf Nevilles Umhang ergoss. Der Junge beseitigte die Sauerei magisch, während Ginny die Briefe entgegennahm.
Ein Brief von Narzissa, die wissen wollte, wie es so in Hogwarts lief, ob es Draco gutgehe, etc. Lächelnd stopfte Ginny den Brief in ihre Tasche und bemerkte seufzend, dass die drei Eulen sich an ihrem Frühstück gütlich taten.
Dann muss ich mich wenigstens nicht mehr ums Futter kümmern.
Irritiert stellte sie fest, dass der nächste Brief von Bellatrix war. „WAS?", machte sie lautlos und las. Als sie fertig war, musste sie grinsen. „Drohbrief also." Der Grund für dieses Schreiben schien einerseits Langeweile, andererseits die Tatsache zu sein, dass niemand auf Ginnys Platz im Manor sitzen durfte, was Ginny ein Dauerlächeln ins Gesicht zauberte. Ohne es zu wissen, geschweige denn wollen, hatte die Todesserin sie glücklich gemacht.
Der letzte Brief enthielt nur einen einzigen Satz, der ihr trotzdem Herzklopfen bescherte:
Wo, meinst du, geht Harry Potter zu Weihnachten hin?
Keine Anrede, noch nicht mal eine Unterschrift. Trotzdem wusste sie, von wem der Brief stammte, und dieses Wissen ärgerte sie. Hatte er sich tatsächlich so wenig Mühe gemacht?
Eine Sekunde lang zog die Rothaarige in Erwägung, gar nicht erst zu antworten, doch dann schrieb sie darunter:
Darf ich zurück ins Manor, wenn ich will?
Na bitte, knapp konnte sie auch.

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