2. Goodbye

Es läutete zu Schulschluss und wie jeden Freitag drängelten alle Richtung Haupteingang, doch ich schlenderte, entgegen dem Schülerstrom, noch zu meinem Spind. Besonders eilig hatte ich es ohnehin nicht. Natürlich freute ich mich auf's Wochenende aber- "Hi Lou, alles klar bei dir?", rief mir Jake zu und riss mich dadurch schon zum zweiten Mal heute aus meinem Gedankenstrom. Ich wusste nicht so recht was ich darauf antworten sollte also zuckte ich nur mit den Schultern. Er stieß sich von meinem Spind ab, an dem er zuvor lässig gelehnt hatte und schloss mich in die Arme. "Nur noch heute dann is es vorbei",murmelte er mir zu. Leicht beschämt nickte ich, meine Eltern waren jetzt seit einem halben Jahr geschieden, wohnten aber noch zusammen. Heute würde mein Vater mit seiner neuen Frau und meiner Halbschwester nach Südfrankreich ziehen. Damit würde sich die angespannte Situation zu Hause endlich beruhigen, dennoch nahm mich das mehr mit als ich erwartet hatte. Denn obwohl ich Serena anfangs gehasst hatte, weil sie die Tochter der Affäre meines Vaters war, hatte ich sie mittlerweile ziemlich ins Herz geschlossen. Es gefiel mir ihre große Schwester zu sein, ich hatte dadurch eine Aufgabe, ein Fünkchen Verantwortung und auch meine Stiefmutter werde ich vermissen. Sie sind in den letzten Monaten deutlich mehr zu meiner Familie geworden als meine Mutter. Mit ihnen nach Frankreich zu ziehen war für mich aber keine Option, mein ganzes Leben vorallem meine Freunde waren hier, außerdem konnte ich nicht mal französisch.
Ich löste mich aus Jakes Umarmen und wir liefen händchenhaltend aus der Schule. "Soll ich mitkommen, babe?", fragte er mich. "Ne, ich hole jetzt Serena ab und geh vielleicht noch mit ihr Eis essen", antwortete ich ihm, seinen kritischen Blick ignorierend, der wohl meiner Idee galt bei 10° Grad Eis zu essen.
An der nächsten Kreuzung trennten sich unsere Wege und ich trottete um meine kleine Schwester aus der Kita ab zu holen. Sie war erst 4 Jahre alt und berichtete mir den ganzen Weg zur Eisdiele vorfreudig von ihren Plänen in Frankreich. Mir tat es weh wie gut sie sich damit abfinden konnte einfach wegzuziehen, natürlich sie war 4 und ich hätte mich wohl für sie freuen müssen aber dennoch wünschte ich sie würde mich zumindest ein wenig vermissen. Trotz allem verbrachten wir einen schönen Nachmittag und standen rechtzeitig zum Abendessen bei meiner Stiefmutter vor der Tür.
Die Wohnung war bereits leer geräumt, darum hatten mein Vater und Claudia Pizza bestellt die wir auf dem Boden sitzend aßen. Die Vorfreude war bei ihnen allen groß vorallem für meine Stiefmutter war es ein Lebenstraum gewesen auszuwandern und ich gönnte es Claudia wirklich von ganzem Herzen das dieser nun in Erfüllung ging.
Langsam kaute ich auf dem letzten Stück Pizza herum, die anderen waren schon fertig und das mit Beendigung dieses Essens auch ihre Abreise einhergehen würde war mir bewusst. Ich wollte nicht das dieser Moment endet, wollte nicht das sie mich hier zurückließen und ein neues Leben ohne mich begannen. Ich spürte Claudias Blick auf dem Stück Pizza in meiner Hand ruhen und mir war vollkommen bewusst das sie merkte wie ich den Abschied hinaus zu zögern versuchte. "Du kannst uns ja jederzeit besuchen kommen", sagte sie an mich gewandt und fügte leicht lächelnd ein: " Dann lernst du auch mal bisschen Französisch", hinzu. "Oui Oui Baguette", grinste ich, oh wie sehr würde ihre herzliche Art vermissen. "Jetzt fahren wir aber wirklich mal", rief mein Vater stand vom Boden auf und zog mich in eine Umarmung: "Pass auf dich auf, Kleine." Mittlerweile war ich genau so groß wie er aber der Spitzname würde mir wohl bleiben. Nachdem ich mich von ihm gelöst hatte bückte ich mich zu Serena runter und nahm sie in den Arm:"Ganz viel Spaß in Frankreich, das du mir ja nicht Deutsch verlernst", flüsterte ich ihr zu während mir eine Träne die Wange herunter lief. "Mach's gut Prinzessin", ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ sie dann schweren Herzens los. Mein Vater nahm Serena an die Hand und sie liefen schon das Treppenhaus hinunter als Claudia sich mir zuwandte:"Bei uns bist du immer willkommen." Was würde ich nur dafür geben sie als Muttet zu haben. Wir umarmten uns lange bis sie sagte:"Jetzt gehen wir aber auch lieber mal runter, sonst macht sich den Papa noch Sorgen ob ich meine Meinung nicht geändert habe."
Ich stand am Straßenrand und winkte ihnen nach während sie die Straße hinauf wegfuhren. Noch lange nachdem das Auto verschwunden war stand ich da und blickte ihnen mit Tränen in den Augen nach. Plötzlich fühlte ich mich unfassbar allein. Ich griff nach meinen Kopfhörern und ließ 'American Idiot' in meinen Ohren dröhnen, dann ging ich zu einem nahelegenem Spielplatz und ließ mich auf die erstbeste Schaukel fallen.
Ein Blick auf mein Hand zeigte mir fünf neue Nachrichten von Jakob an im denen er sich erkundigte ob bei mir alles okay seie und ob er vorbeikommen könne. Kurzerhand rief ich ihn an, er antwortete sofort und seine besorgte Stimme beschämte mich zutiefst. Ich war nicht allein solange ich ihn hatte. "Also soll ich dich abholen?", fragte er jetzt. "Hä warum?", war meine unfassbar geistreiche Antwort darauf. "Wir wollten doch noch zu Linus", half er mir auf die Sprünge. Da fiel es mir auch wieder ein. Der heutige Tag war einfach zu chaotisch gewesen als dass ich darüber nachgedacht hätte.

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