◆30| L o v e b i t e◆
Wer einmal der Schuld verfiel, den lässt sie nimmer aus den Krallen
|Paul Heyse|
Lasst euch von der Anfangsszene nicht irritieren. Lest weiter, dann werdet ihr die Szene verstehen.
Es war heiß. Mir war heiß. Unglaublich heiß, vervollständigten sich jene Sätze in meinen Gedanken, die sich auch äußerlich dank einiger körperlicher Auffälligkeiten deutlich abzeichneten.
Nervös knetete ich meine Hände in meinem Schoß liegend, zu einem kleinen Ball zusammen, in der Hoffnung dessen mich, dadurch ansatzweise beruhigen zu können, während tausende und abertausende Gedanken wie ein Wirbelsturm in meinem Kopf wüteten. Ich war Sekunden davor entfernt hier und jetzt unter all diesen Menschen die Nerven zu verlieren. Doch das durfte nicht passieren.
Nicht jetzt. Nicht in diesem alles entscheidenen Augenblick, dachte ich bis ich durch die Person, die sich neben mich auf eine der stahlharten Sitzplätze setzte, wieder in meine Umgebung zurückbefördert wurde. Aus dem Augenwinkel registrierte ich die dunkle Jeans sowie das körperbetonte Oberteil, das er mit einer Bomberjacke kombiniert hatte. Zugleich fielen mir die vielen silbernen, aber fein gehaltenen Ringe auf, die besonders in dem Moment hervorstachen, als er sich durch sein dunkles volles Haar fuhr.
Tian ist eine Augenweide, ging es mir durch den Kopf, als ich einige Meter weiter erneut eine weitere junge Frau dabei erwischte, wie sie immer wieder verstohlen Blicke in seine Richtung warf. Die wievielte Frau es seit unserer Ankunft hierhin war, konnte ich nicht mehr sagen. Doch es hätte mich wenig wundern sollen. Mit Silvana in einem Raum zu sein hatte schließlich genau denselben, wenn nicht sogar einen noch größeren Effekt. Irgendetwas hatten die beiden Geschwister an sich, was die Menschen in ihrem Radius unmittelbar in den Bann zog. Das konnte selbst ich nicht leugnen, während mein Blick auf die feinen, gar künstlerischen Gesichtszüge von Tian fielen. Geblendet von seiner Schönheit, benötigte ich einen Moment, ehe meine Augen den Störfaktor registrierten, der so gar nicht zu dem lockeren Look dieses jungen Mannes passen wollte.
Wäre ich angesichts der gegenwärtigen Situation nicht derart unter Strom, so hätte ich ihn möglicherweise ausgelacht. Stattdessen richtete ich meinen Blick wieder nach vorne und sagte einen neutralen Tonfall bemüht:
«Schicker Schnurrbart. Denkst du der wird als Tarnung ausreichen ?»
Es war doch mehr als offensichtlich, dass das Ding im Gesicht dieses schönen Mannes Fehl am Platz wirkte.
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen spürte ich instinktiv, dass sich bei meinen Worten die eine Seite seiner Mundwinkel nach oben hob.
«Nicht so schick wie die Perücke auf deinem Kopf. Rot steht dir. Richtig feurig, genau wie dein loses Mundwerk. Vielleicht solltest du Mal generell darüber nachdenken dir die Haare färben zu lassen.»
Jeder Außenstehende, der diese Szene aus entfernter Nähe beobachtete, hatte bei diesem Schlagabtausch möglicherweise ein bestimmtes Bild vor Augen. Ein sich nahestehendes Paar, das die verbliebene Zeit mit Neckereien überbrückte. Doch wir beide wussten es besser. Weder die spielerischen Worte, noch das an unseren Lippen wie festgetackerte Grinsen täuschten darüber hinweg, dass es unter der Oberfläche brodelte. Und zwar gewaltig. Wir versuchten lediglich mit jeder Faser unseres Seins, den verfaulten Gestank der Angespanntheit zu vertuschen, der uns seit jeher wie ein treuer Schatten verfolgte; aber vergebens. Nichts würde die Wahrheit verdecken können.
Ein leichtes Gewicht legte sich auf meine Handinnenflächen, als ich trotz des kurzzeitig angenommenen Tunnelblicks registrierte, dass Tian mir etwas überreicht hatte. Ich musste nicht einmal den Blick nach unten richten, um zu wissen um was es sich dabei handelte.
Ein Reisepass. Mein Pass, um genau zu sein.
Ich öffnete die Seiten und erblickte mein eigenes Gesicht auf dem Foto, neben dem einige persönliche Daten aufgelistet waren. Schnell überflogen meine Augen diese.
«Adriana Gallego Vasquez», murmelte ich verdrossen vor mich hin.
«Interessant nicht wahr?», erwiderte Tian ebenso wenig begeistert klingend.
«Sehr. Urkundendelikte wären damit auch auf eurer Liste an Straftaten abgehackt.»
Tian schnaubte beinahe spöttisch auf, ging aber nicht weiter auf meine Bemerkung ein und auch ich war nicht gewillt dem noch etwas hinzuzufügen. Uns beiden war klar, dass das vielleicht mit die mildeste Straftat war, die sie begangen hatten seit wir kolumbianischen Boden betreten hatten.
Aufgrund der erneuten Gedanken daran gegen welche Normen sie wahrscheinlich verstoßen hatten, steckte ich reflexartig meine Fingern in meinen türkisfarbenen Rollkragenpullover. Warum auch hatte ich dieses Material jetzt schon übergestreift? Hätte ich nicht noch etwas warten können ? Hier war es noch viel zu heiß. Während ich mir Luft zufächerte und meinen Kopf zur Seite neigte, huschte mein Blick über die Menschenmenge, um uns herum, die hier und da verteilt ebenfalls Platz genommen hatte, ehe meine Augen an der großen digitalen Uhr vor mir auf der Leinwand hängen blieben.
«Es ist gleich soweit. Und er ist immer noch nicht da», sagte ich, weigerte mich aber mich umzudrehen und nach ihm Ausschau zu halten.
Nun lachte er doch amüsiert auf.
«Höre ich da etwa leichte Panik in deiner Stimme heraus? Keine Sorge, ohne Iván wird dieses Flugzeug nicht abheben» sagte Tian mit solch einer Überzeugung, dass ich mich fragte, ob Silvana auch hier ihre Finger im Spiel hatte. Wie weit reichten ihre Fähigkeiten eigentlich? So weit, dass sie ein ganzes Flugzeug lahm legen konnte ? Allerdings ärgerte ich mich kurz darauf über mich selbst, da ich mich fragte, warum mich all das noch immer wunderte. Es war mittlerweile mehr als eindeutig, dass es sich bei den drei Anti-Muskeltieren nicht um gewöhnliche Streifenpolizisten handelte oder zumindest bei Iván nicht. Dass Silvana und Tian einer ähnlichen Berufsgruppe angehörten stand ihnen wie auf die Stirn geschrieben. Mit Blick auf Silvanas technischen Kenntnisse und ihrem sicheren Umgang mit Waffen und Tians Scharfschützengeschickt war alles andere ausgeschlossen.
Bevor ich aber meine Neugierde auf Spurenjagd schicken und meine Fragen an Tian stellen konnte, ertönten über uns eine Lautsprecherdurchsage und unser Flug wurde aufgerufen.
In dem Moment blinkte das Boardingzeichen über uns auf und ich sah wie eine Stewardess eine Kordel beiseiteschob, um den Weg Richtung Flugzeug für die Passagiere zu entsperren.
Ein plötzliches Herzrasen machte sich schlagartig in mir bereit und unbeschreibliche Hitze stieg wie Lava von unten nach oben meinen ganzen Körper empor. Ich schluckte schwer und konnte mich erst wieder bewegen, als sich Tian mit einem teuflischen Grinsen zu mir runter bückte und verkündete:
«Na dann wollen wir Mal. Ab geht's nach Hause.»
Nach Hause. Gequält schloss ich die Augen und mein Herz schmerzte, als ich meine Freude darüber meine Familie, meine Freunde, mein Leben wieder zu haben Händchen haltend mit meiner Furcht, meiner Wut, meiner Verzweiflung vor mir stehen sah. Wir flogen nach Hause... Doch war das was ich als mein Zuhause zurückgelassen hatte wahrhaftig mein Zuhause oder war es lediglich ein Konstrukt voller Lügen, das über Generationen hinweg durch ein Spiel aus Schwindel und Machtdemonstrationen gespindelt und aufrecht erhalten wurde?
Ich stand auf, zupfte unauffällig meine Perücke zurecht, um ein letztes Mal zu überprüfen, ob es an Ort und Stelle saß, ehe ich den Griff um die Metallstange meines Koffers festigte und mit erhobenem Kinn einen Schritt nach dem nächsten machte, derweilen ich dem Geburtsland meiner Vorfahren den Rücken zukehrte und mein kummervolles schweres Herz hinter mich her schliff.
Jetzt gab es kein zurück mehr. Augen zu und durch, Amalia.
-72 Stunden vorher-
Ich bin in Sicherheit. Ich bin in Sicherheit. Ich bin in Sicherheit. Dieses Mantra wiederholte ich jedes verdammte Mal, wenn ich schweißgebadet aus dem kurzen Schlaf, der mich aus purer Erschöpfung überfiel, aufschreckte und mit zittrigen Händen und überaus flachem Atem mich dazu zu bewegen versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, dass ich hier war. Hier in diesem Großen Haus mitten im nirgendwo in Calí und nicht in diesem verfluchten Hotelzimmer, nicht auf dieses Bett gepresst, nicht in seinen Fängen. Mein Körper zuckte angespannt zusammen als sich endlose Bilder wie Momentaufnahmen vor meinem Auge abspielten, auf denen er mich mit seinem dreckigen Händen berührte, mit seinem ekelhaften Atem an meiner Haut haftete und sein vor Triumph grollendes Lachen in mir den Wunsch hervorrief mir die Ohren abzuschneiden, so sehr brachte mich das aus dem Konzept. Und bevor ich mir wirklich ernsthaft weh tun konnte, um dieser Qual ein Ende zu setzen, appellierte ich an meinem klaren Verstand und versuchte ihn aus der sich befindenden Stockstarre so schnell wie möglich herauszuholen. Ich fasste die Bettdecke an, berührte die Wand links von mir, die Gitterstäbe des Fensters direkt neben mir am Bett, ich fasste die Vorhänge an und in den meisten Fällen, wenn ich abends aus dem Schlaf aufschrecke, blickte ich am Ende dem sichelförmigen Mond entgegen. Ich bin hier. In Sicherheit.
Und in den Augenblicken, jedes Mal wenn ich ein wenig zur Ruhe kam und mein Atem sich normalisierte, fuhren meine Hände automatisch über meine Arme. Rauf runter, rauf, runter wie mechanisch bis ich statt meiner Hände das Gefühl von Lippen auf meiner Haut spürte und wie auch in den letzten Tagen leise und wohlig stöhnend mich der Sanftheit dieser weichen, zarten Berührung und dieser plötzlichen Stimme in meinem Kopf hingab, die mir gegen die Lippen hauchte:
Ich werde dich wieder zusammenflicken. Mir wurde ganz warm, während sich zugleich Gänsehaut auf meinem Körper breit machte und ich mich in meiner sitzenden Position auf dem Bett leise seufzend gegen das Bettpfosten lehnte. Es ist alles gut, erklang es erneut und ich genoss es, wie sich zarte Luftstöße nun über meine Schulter zogen, meinem Hals hinauf wanderten. Ich biss mir auf die Lippen, um keinen Laut von mir zu geben, während ich wie berauscht die Augen schloss und.... im darauffolgenden Augenblick erneut in die nächste Realität katapultiert wurde. Pechschwarze kummervolle Augen drängten sich in mein Blickfeld
Ich zuckte zusammen und mein Körper richtete sich kerzengerade auf, als ich die Augen öffnete und wie so oft in den letzten Malen auch jetzt bemerkte, was ich getan hatte.
Vor Scham vergrub ich kurzzeitig mein Gesicht in meine Hände. Doch das beschützte mich auch nicht vor der Wahrheit, vor dem das was hier gerade passierte war. Und das Schlimmste an alledem war, dass es nicht das erste Mal war, dass ich mich dabei erwischte.
Jedes Mal, wenn mich Gonzalez Berührungen aus einem Albtraum entrissen, so beruhigten und schickten mich Iváns Hände und Lippen, die sich in meine Gedächtnis zwängten um mich zu beruhigen in die nächste Traumeinheit. Nur dass es dabei niemals ein Albtraum war. Iváns rauen, großen Hände, die ich mir ausmalte waren alles andere als das.
«!Qué mierda!», fluchte ich und rieb mir gestresst über die Schläfen. War jetzt der Zeitpunkt endlich gekommen an dem ich durchdrehte und endgültig den Verstand verlor?
Abgesehen von der Tatsache, dass mich nur der Gedanke an die blutigen Hände eines Mörders zur Ruhe bringen konnten, verspottete mich das Schicksal im nächsten Moment damit, dass er mir nur nach wenigen Sekunden das letzte Bild, das ich von ihm im Kopf hatte vor Augen führte. Wie er mich angesehen hatte, als ich ihn abgewiesen, als ich ihm einen weiteren Kuss verwehrt hatte. Er hat es verdient, hörte ich auch jetzt in Gedanken zu mir selbst sagen. Denn auch darüber war ich mir im klaren, dass es die richtige Lektion für ihn war.
Doch warum... warum tat es so weh? Warum verzog sich mein Gesicht jedes Mal bei dem Gedanken daran ? Warum war es als würde mein Herz wie ein Stück Papier zusammengeknüllt und dann verbrannt werden?
Weil du nicht er bist, Amalia. Du spielst nicht mit denselben Mitteln, du bist nicht so erbarmungslos. Ich lachte leise spöttisch auf. Und doch hatte ich genau nach den selben Waffen gegriffen. Ich hatte ihn in dem Augenblick mit seinen eigenen Mitteln besiegt und ich fand es schrecklich. Tränen traten wie so oft in den letzten Tagen in meine Augen und ich blinzelte unaufhörlich, um meiner Schwäche Einhalt zu gebieten. Zeig kein Erbarmen, zeig kein Erbarmen, zeig...
«Hey, alles in Ordnung mir dir ?»
Beinahe wäre ein viel zu ängstlicher Laut meinen Lippen entflohen und hätte mich entlarvt. Doch gerade als ich mich weiter gegen die Wand an der mein Bett anlehnte, in dem ich die Nächte verbracht hatte, rücken wollte, erkannte ich Silvana, die in das mir zugewiesene Zimmer eintrat und gerade die Tür hinter uns schloss. In einem engen und zugleich bequemen und kurzen Jumpsuit gehüllt, hatte sie die Haare zu einem ordentlichen Dutt zusammengebunden. Erst als sie sich allerdings umdrehte, bemerkte ich, dass sie mit mir sprach, aber mein Blick haftete auf dem Tablett, dass sie in den Händen hielt. Sie hatte mir wie die letzten Tage schon etwas zu essen gemacht und wie die Tage zuvor auch, reichte alleine ein Blick in ihre Augen um das Mitleid in ihnen ausfindig zu machen. Zur Hölle mit dir.
«Ich dachte vielleicht möchtest du nun was essen. Ich habe etwas Traditionelles gekocht... Ok, nein. Zugegeben ich bin besser darin mit Waffen herumzuhantieren. Tian ist da der bessere Koch unter uns.» Unter uns. Tian hatte also gekocht. Und wo ist der Dritte im Bunde ? Bannte sich die Frage in mir an, welche ich allerdings zurückhielt.
Ich verschränkte die Arme um meine an meine Brust gezogenen Beine, dabei das luftige, dünne Lacken, noch leicht um meine Unterschenkel geschlungen und sah hinaus aus dem Fenster, sah in das Licht des hellen Tages und auch wenn ich mir wünschte, dass die hereinscheinenden Sonnenstrahlen mein innerstes erwärmen, es geschah nichts. Ich spürte nichts, ich wollte nichts spüren.
«Willst du mich weiterhin mit Schweigen strafen ? Es sind Tage her, por favor... du musst jetzt endlich was essen.»
Ich MUSS ? Ich MUSS. Wütend drehte ich meinen Kopf zur Seite und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Ich musste gar nichts. Rein gar nichts. Ich musste diesen ganzen Aufenthalt hier nicht erdulden, ich musste es nicht erdulden ungewollt von einem Kerl wie Gonzalez angefasst und gegen meinen Willen an Stellen berührt zu werden und erst recht musste ich nicht, nur weil sie der Ansicht war, etwas essen. Ich hatte es satt, so satt, dass man mir sagte was ich hier zu tun hatte oder nicht. Ich hatte mich bemüht, trotz der Umstände in die ich geworfen worden war, hatte ich mich bemüht meine Autonomie beizubehalten und wofür? Damit man mich körperlich und seelisch missbrauchte, ich aber am Ende dennoch vor Schuldgefühlen zu ersticken drohte, weil mir das Bild seiner Augen nicht aus dem Kopf wollten.
So da hatte sie es nun. Auch wenn ich nichts sagte, sprachen meine womöglich vor Wut lodernden Augen genug für sich. Silvana, die den Fehler in ihrer Wortwahl zu erkennen schien, presste die Lippen aufeinander, der wiederum Sekunde danach durch ein tiefes Seufzen ersetzt wurde.
Wortlos legte sie das Tablet auf den kleinen Tisch hinter sich, ehe sie mit einer ihrer freien Hände in die vorderen Taschen ihres Jumpsuits griff und ihr wie ich nun erkannte, Handy herausrückte.
Ein Schnauben zurückdrängend, entschied ich mich, dass es mir das nicht wert war ihr weitere böse Blicke zuzuwerfen. Ich drehte mich wieder Richtung Fenster um, starrte ins Nichts und verfolgte weiterhin mein Ziel sie zu ignorieren.
Auch hing ich fest an diesem Gedanken fest, als ich spürte, dass sie an mich herangerückt war und nun dicht vor dem Bett stand.
«Hier», sagte sie und ich vermutete, dass sie mir ihr Handy entgegenstreckte. Ignoriere Sie, Amalia... gibt keine Reaktio-..
«Hast du deinen Bruder denn gar nicht vermisst ?» Mein Kopf ruckte sofort zur Seite und es dauerte nur eine Millisekunde, in der ich einen Blick auf das war, was sie mir zu zeigen versuchte, ehe ich ihr das Handy regelrecht aus der Hand riss.
Und tatsächlich. Er war es. Verdammt er war es wirklich.
Da war er, in dem mir allzu bekannten Zimmer. Mein Zimmer. Er saß auf der vor meinem Bett aufgebauten Sitznische und hatte die Hände auf seine auseinander gestreckten Schenkel abgelegt,, während er sich mit einer Handbewegung durch das volle Haar fuhr, die für seine Verhältnisse beinahe schon zu lang waren.
Tränen sammelten sich erneut in meinen Augen, als ich meinen ein Jahr älteren Bruder erblickte. Raúl. Trotz dass er nicht aufblickte, wusste ich es einfach. Doch gerade als dieser Gedanke in mir aufkam, ploppte eine weitere Erkenntnis auf. Der Grund, weshalb ich ihn nicht sah. Der Blickwinkel aus dem auf ihn gezeigt wurde, war etwas schräg, von oberhalb, als wäre...
Mein Blick wanderte zu den Zeitangaben am Rande und ich musste den Zeitunterschied nicht ausrechnen um zu wissen, was das zu bedeuten hatte.
«Ihr habt Kameras bei uns installiert?» Bevor ich meiner Wut allerdings weiter freien Lauf lassen konnte, zog Raúl meine Aufmerksamkeit erneut auf sich zurück. Ich erkannte wie er die Arme hinter seinem Nacken verschränkte, wie er nervös mit dem einen Bein hin und her wippte, wie seine Hände zitterten. Kummer umhüllte mich. Kummer, weil ich Raúl kannte. Von all meinen Geschwistern kannte ich ihn am besten, weil wir so einen geringen Altersunterschied vorwiesen und uns von klein auf eher wie Zwillinge benahmen. Und da ich ihn kannte, wusste ich, dass mein Verschwinden bei ihm einen Selbstzerstörungskommando in Gang gesetzt hatte. Nach Mamás Tod war er besonders versessen darauf mich und meine kleine Schwester Delilah zu schützen. Obwohl ich äußerlich keine großen Unterschiede erkannte, waren es die kleinen Gesten, die einen lauten Alarmton in meinem Innersten zum schillern brachten.
Um Kontrolle ringend, umfasste ich mit Daumen und Zeigefinger meinen Nasenrücken und formulierte die Sätze, die ich gerade am wenigsten von mir geben wollte, aus:
«Hat er seit... seit ich nicht mehr da bin... hat er...» Ich konnte es nicht aussprechen. Ich konnte nicht danach fragen, ob er eventuell Drogen zu sich genommen hatte um dadurch seinem persönlichen Albtraum zu entkommen. Denn falls dem so wäre was dann? Mir waren nach wie vor die Hände gebunden und zu sehen wie ein geliebter Mensch vor meinen Augen litt, ich aber nichts dagegen unternehmen konnte, dieser ganze Umstand saß tiefer als jede Wunde, die ich in letzter Zeit einstecken musste. Selbst das mit Gonzalez, selbst Iván Verhalten mir gegenüber... All das stellte einen Akt gegen mich dar. Trotz meiner bröckelnden Fassade konnte ich das, musste ich das aushalten, aber ich würde nicht mit dem Gedanken leben können, dass sie meine Liebsten mit ins Verderben zogen.
Obwohl ich den Satz nicht ausformuliert hatte, schien Silvana zu erahnen, worauf ich hinauswollte. Mit verschränkten Armen hinter dem Rücken und den Blick ganz auf Raúl auf dem Handy gerichtet, erwiderte sie schließlich:
«Nein, hat er nicht.» Es schien ein aber mit in ihrer Stimme zu schwingen, doch alles an Silvanas Haltung legte dar, dass sie mir diesbezüglich keine näheren Informationen geben würde. Also umhüllte ich mich ebenfalls in Schweigen und betrachtete weiter im stillen Einvernehmen mit Silvana meinen Bruder, während mir weitere tausend Fragen in den Kopf schossen, die ich seit meinem Aufenthalt ganz tief in mir verdrängt hatte, um nicht endgültig die Fassung zu verlieren.
Mit diesen Liveaufnahmen hatte Silvana unbewusst eine Zündschnur angezündet.
«Was... was wissen Sie über mein Verschwinden ? Wissen Sie, glauben Sie...»
Kontrolle Amalia, wahre die Kontrolle. Ich atmete leise ein und aus, um das Zittern in meiner Stimme zu minimieren.
«Wissen Sie, dass ich lebe?» Denn auch diese Frage hatte ich mir auch oft gestellt. Was genau war vorgefallen nachdem Iván mir die Spritze in den Nacken gestochen und sie während der Zeitspanne wo ich nicht bei Bewusstsein waren mit mir in dieses Land gereist waren. Wie hatten Sie all das bewerkstelligt? Und wie hatten Sie das Chaos was höchstwahrscheinlich daraufhin ausgebrochen war, zurückdrängen können - insbesondere wenn die Presse was davon mitbekommen hatte ?
Kurz befürchtete ich, dass mich Silvana auch da im Dunkeln würde tappen lassen wollen, aber stattdessen erwiderte sie:
«Ronald Williams sagt dir der Name was?», fragte sie mich während sie mir einen kurzen aber aufmerksamen Blick zuwarf. Ich runzelte die Stirn. Ich schüttelte nichtsahnend den Kopf.
«Er wurde vor 8 Monaten von dem Crown Court in London wegen schweren Raubes zu 7 Jahren Haft verurteilt.»
Da machte es klick.
«Mein Vater war einer der zuständigen Richter.»
Ein kleines lebloses Kräuseln umschlich Silvanas Lippen und sie nickte als Bestätigung.
«So ist es. Trotz der Schwere seines Tat hat man mildere Umstände berücksichtigt. Er...» Nun stockte auch sie kurzzeitig, ehe sie fortfuhr.
«Er hat eine kleine Tochter, die an Leukämie erkrankt ist. Er und seine Frau hatten nicht die finanziellen Mitteln um die Behandlung zu bezahlen, also sah er in jener Tat seinen letzten Ausweg. Denn er würde alles für seine Tochter tun.»
Mitleid um das Schicksal diese Familie kroch in mir hervor, doch der letzte Satz von Silvana schüttete einkaltes Wasser über jene Gefühle über. Ich konnte nicht glauben, was das zu bedeuten hatte.
«Ihr habt ihm die Schuld in die Schuhe geschoben... Ihr... ihr habt ihn da rausgeholt.» Mir stockte bei meinen nächsten Worten fast der Atem, als ich an das Strafmaß für den Raub in England nachdachte.
«Er wird dafür endgültig hinter Gittern kommen und von seiner Familie getrennt sein.»
Silvanas Züge blieben steinhart im Gegensatz zu meiner Fassungslosigkeit.
«Ja, aber im Gegensatz dazu wird seine Tochter überleben. Glaubst du wirklich...», sagte sie nun und ich sah einen kleinen Hauch an Emotionen durch ihre Augen hindurch blinzeln.
«Dass sie nach seiner Haft noch am Leben wäre? Denkst ihm würde es dadurch besser gehen... in Freiheit zu sein, aber jeden Tag mitansehen zu müssen, wie seine Frau durch den Verlust der Tochter von Tag zu Tag immer mehr zugrunde geht. Ob im Gefängnis oder draußen... beides wer für ihn die Hölle gewesen.»
Ich presste die Lippen aufeinander, weil das was sie sagte zwar Sinn machte, aber mich zugleich auch so wütend stimmte.
«Er ist unschuldig. Er wird für eure Taten hinter Gittern kommen.»
Nun lächelte Silvana freudlos.
«Ich habe ihm keine Knarre an den Kopf gehalten, Amalia. Ich habe ihm nur einen Ausweg angeboten, den er nicht ablehnen konnte und wollte. Sobald sein Teil erfüllt ist, führe ich eine anonyme Transaktion durch, die das Leben seiner Tochter retten wird.»
Ich war sprachlos. Sprachlos darüber wie ungefiltert sachlich und kühl diese Worte über ihre Lippen kamen, weshalb ich nur den Kopf vor Unglauben schüttelte.
«Befürchtest du denn nicht, dass irgendetwas schief gehen oder aus dem Ruder laufen könnte? Wie kannst du dir so sicher sein, dass alles derart reibungslos verläuft?»
Silvana warf mir die Augenbrauen leicht angehoben einen beinahe schon an Überheblichkeit grenzenden Blick zu.
«Du kennst mich nicht...» erwähnte sie das Offensichtliche, doch in diesem einfach gestrickten Satz lagen so viele unausgesprochene Worte, deren Gewicht von immenser Schwere waren.
Du kennst meine Vergangenheit nicht.
Du kennst mich nicht.
Du weißt nicht, was ich bis heute schon alles getan und vertuscht habe.
Und als würden diese Gedanken mich schon nicht nervös genug machen, fügte sie hinzu:
«Du glaubst doch wohl nicht, dass wir ganz einfach gestickte Beamte waren... Das was wir gemacht haben, das was wir machen war weitreichender, Amalia.»
«Und trotzdem hast du bei Gonzalez einen Fehler gemacht», platzte es aus mir raus, als ich daran dachte was mir in dem Zimmer mit Gonzalez passiert war. Doch bereits im nächsten Moment, als Silvanas Züge zusammensackten und sie die Lippen fest aufeinander presste, bereute ich es diese Worte ausgesprochen zu haben.
Was war nur los mit mir ? Woher kam diese unbändigen Wut ? Ich schloss gequält für einen Moment lang die Augen und versuchte mich zu sammeln. Unabhängig davon was passiert war: ich wusste, dass es nicht fair war meine Gefühle an Silvana rauszulassen. Sie war nicht die Hauptquelle meiner brodelnden Emotionen und ich hatte kein Recht die spitze des giftigen Dolches, das seit jeher in meiner Brust haftete ebenso gegen sie zu verwenden.
Dass sie seit Tagen immer in mein Zimmer kam und das Gespräch zu mir suchte, verdeutlichte doch erst recht, dass sie auf ihre Weise versuchte auf mich zuzukommen und auch wenn ich nicht bereit war, ihre entgegengestreckte Hand anzunehmen, so hatte ich auch nicht die Intention mit Gewalt diese Hand wegzuschlagen.
Ich atmete noch einmal hörbar aus, ehe ich mit einem versöhnlicheren Ton weiter nachhakte. Ich wusste, dass sie mir nichts weiter über ihren beruflichen Werdegang preisgeben würde, das hatte sich anscheinend ist Leben lang schon so eingespielt.
«Also glauben Sie, dass er mich irgendwo gefangen hält? Haben Sie die Polizei eingeschaltet?»
«Wir haben ihm immer wieder Anhaltspunkte und Hinweise zukommen lassen, dass du am Leben bist, zusätzlich mit der Information, dass das so lange der Fall sein wird, solange sie die Polizei nicht einschalten.»
Die Falten auf meiner Stirn vertieften sich bei ihrem Gesagten:
«Also ist die Polizei nicht in die Sache involviert?»
Der Anflug eines spöttischen Lächelns machte sich bei ihr bemerkbar:
«Offiziell nicht, aber wie wir wissen hat dein Vater überall seine Finger im Spiel. Natürlich hat er auf indirektem Weg seine Leute bei den Behörden eingeschaltet.»
«Anscheinend nicht diskret genug, wenn ihr Bescheid davon wisst», gab ich zurück ohne auf ihre Stichelei einzugehen.
Jetzt musste sie schmunzeln und vergrub schulterzuckend ihre Hände in den Vordertaschen ihres Jumpsuits:
«Tja nicht nur er hat seine Kontakte.»
Das machte mich hellhörig. Mir war schon einmal aufgefallen, dass sie an Informationen gekommen waren, deren Erlangung weit mehr als Silvanas Fingerspitzengefühl erforderten. Damit bestätigte sie erneut meinen Verdacht, dass es eine vierte Person in ihrem Bunde gab, der sich allerdings in unsere Reihen eingeschleust hatte.
Ich sah erneut zu meinem Bruder runter und zog jede Sekunde in mich auf, die ich nur bekommen konnte. Also wussten nur sie die wahren Beweggründe, abgesehen von Delilah unserer kleinen Schwester. Große Trauer füllte mein Herz, als auch diese unterdrückten Gefühle hochschwappten.
Meine kleine Bella... Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie es ihr damit ging, wenn ich nicht da war. Wir alle wussten, dass ich sowohl als einzige Frau im engen Familienkreis als auch unmittelbar nach Geburt von Delilah und dem Tod unserer Mutter die Ersatzmutterrolle für sie eingenommen hatte.
Doch ehe mich dieser Sorge bei lebendigem Leibe auffressen konnte, vernahm ich eine Bewegung auf dem Bildschirm und ein beinahe verzweifeltes Winseln entwisch meiner Kehle, als sich wenige Sekunden später ein junges Mädchen neben meinen Bruder Platz nahm.
Sanjana. Meine Kommilitonin. Meine beste Freundin.
Ungläubig und zugleich irritiert betrachtete ich die Szenerie, wie sie beide jeweils nach vorne starrten, aber durch die Mundbewegungen miteinander zu reden schienen, während ihre beider Körperhaltungen immer angespannter und angespannter zu werden schienen, bis Sanjana wild mit den Armen zu gestikulieren und beinahe verzweifelt auf meinen Bruder einzusprechen begann, der sich immer energeischer durch die Haare fuhr und es vermied ihr ins Gesicht zu schauen.
«W-Was... was geht da vor sich?», fragte ich und es trieb mich schier in den Wahnsinn, dass die Videoaufnahme ohne Ton war. Doch Silvana schien mich gar nicht zu hören. Sie fixierte die beiden mit einem derart intensiven Blick, dass meine Verzweiflung mit einem Wimpernschlag verrauchte. Ich blinzelte. Einmal, zweimal:
Mit einem Mal wurde ich ganz ruhig, als ich meine nächsten Worte aussprach:
«Stört es dich, dass er mit ihr ist?» Wieso, weshalb, warum das der Fall war, waren immer noch Frragen, die mich beschäftigen. Sanjana und Raúl hatten sich schon immer gut verstanden, da Sanjana ihrerseits eine verrückte Seite hatte, die sich gut in die von Raúl fügte. Ich wusste, dass sie sich gut als Freunde verstanden, aber das war eine Information, die ich Silvana nicht offenbarengeben würde. Denn wenn ich in meinem Gefühl richtig lag, gab es hier ein weitaus größeres Problem.
Silvana, die meine Frage eindeutig gehört hatte, warf über ihre dichten hellen Wimpern hinweg zu mir durch einen flüchtigen Blick zu, der keinen Lichtblick in ihre Miene verriet, ebenso wenig es mir zuließ ein Urteil darüber zu fällen.
Ich wusste nicht, ob es der Frust darüber war, die Wut, die seit Tagen in mir haftete, die Trauer und Machtlosigkeit, wenn ich meine Liebsten leiden sah ohne etwas unternehmen zu können, aber als ich die nächsten Worte kalt aussprach, hatte ich keins meiner Worte derart ernst gemeint wie jene:
«Gott ist mein Zeuge Silvana, wenn du dich nicht von ihm fern hälst, dann mache ich dich fertig. Es ist mir egal, wie körperlich überlegen du mir bist», sagte ich als ich mir ihren straffen Körper ansah, der nach außen nicht muskulös wirkte, aber niemandem darüber hinwegtäuschen konnte, dass sie physisch in Topform war.
«... ich kann dir garantieren, sobald du bei mir diesen einen Nerv triffst, wirst du die volle Ladung meiner Wut zu spüren bekommen und ich garantiere dir, die kann es sehr gut mit deinen undercovertricks aufnehmen.»
Sie hielt meinem Blick mühelos stand, ich ebenso die ihren ehe ich ein letztes Mal auf meinen Bruder und Sanjana blickte und ihr das Handy überreichte.
«Und jetzt möchte ich, dass du dieses Zimmer verlässt. Dieses Gespräch ist hiermit beenden.» Es war alles gesagt. Alles was sie wissen musste und alles was sie nie vergessen durfte.
Und damit zog ich die Türen, die ich kurzzeitig bei Raúls Anblick völlig überrumpelt vor Sehnsucht geöffnet hatte, wieder vor ihrer Nase zu. Sie war nicht mehr länger willkommen.
***
Nachdem Gefühlsregungen jeglicher Art durch das Aufzeigen der Liveaufnahmen, mich einmal aus der Reserve gelockt hatten, wütete ein noch größerer Sturm in mir als für möglich gehalten. Ich hatte zwar zum Ende hin den Anschein erweckt, wieder das Ruder an mich gerissen zu haben, aber seitdem ich indirekt Silvana aus dem Zimmer geworfen hatte, tigerte ich in dem Raum hin und her.
Es war als hätte der Anblick meines Bruders und das meiner besten Freundin etwas in mir ausgelöst - ein gedimmtes Feuer in mir entfacht. Tagelang hatte ich mich in einer endlosen Leere befunden und ich war mir sicher, dass die Ereignisse der letzten Tage auch weiterhin weitreichende Folgen haben würden, doch Silvana hatte mit der Videoaufnahme nicht nur tiefste Wunden in mir zum Vorschein gebracht. Nein, sie hatte mich auch aus dieser Schockstarre befreit.
Demnach hatte ich mich das erste Mal seit Tagen nicht nur aus dem Bett begeben, um lediglich auf Toilette zu gehen. Nein, ich hatte mir etwas Passables anzogen. Eine kurze Jeanshorts und ein ärmelloses Top darüber, da die Temperaturen bei diesem tropischen Klima heute besonders in die Höhe geschossen waren, ehe ich mich vor den Badezimmerspiegel stellte.
Ein Blick auf meinen Hals reichte und ich wandte schnell den Kopf zur Seite, verdrängte jedes sich aufkeimende Gefühl, dass sich bei dem Anblick in den Spiegel bot. Die Stimmen in meinem Kopf, das Bedürfnis es mir näher anzusehen und mit meinen Fingern vorsichtig darüber zu fahren, waren übernächtigt, aber stattdessen griff ich nach der dünnen Jacke neben mir, zog diese über mich und zpf den Reisverschluss vorne nach oben um damit meine ganze Halszone zu verdecken.
Auf all die Fragezeichen, die sich in den Köpfen der anderen bilden würde, sowie der Schock, der sich bei den falsch ziehenden Schlüssen, kurz darauf in ihren Gesichtern abspielen würde, konnte ich guten Gewissens verzichten. Wobei... so ganz falsch waren sie ja nicht.
Nachdem ich nochmal einen letzten Blick in den Spiegel geworfen hatte und sicher davon ausgehen konnte, dass mein äußeres Erscheinungsbild keine Spuren von irgendwelchen Ereignissen vorwies, verließ ich das Bad sowie das Zimmer, ehe ich die Treppen nach unten nahm. Bereits auf der Hälfte der Treppenstufen nahm ich Stimmengewirr aus der Küche unten wahr und als ich immer näher herantrat, wurde mir bewusst, dass es sich um Silvana und Tian handelte, die wie ich nun registrierte beide an der Küchenzeile angelehnt standen, zusammen ein Glas Limonade tranken und sich auf russisch unterhielten. Sie schienen so vertieft zu sein, dass es einige Sekunden länger dauerte, bis sie mich registrierten und abrupt verstummten.
Überraschung durchzuckte ihre beiderlei Züge und die Ähnlichkeit der beiden war damit zum greifen nah. Nicht nur, dass beide sehr schöne Züge hatten auch die Art wie sie auftraten, wie sie einen ansahen, war auf eine ganz spezielle Art und Weise einnehmend und einschüchternd.
Ich rieb unauffällig meine Hände an meiner Jeanshort ab, nicht einschätzend könnend, warum ich ausgerechnet jetzt nervös wurde und dann wurde es mir mit einem Blick auf Silvana klar. Ihr Blick unterschied sich von dem ihres Bruders. Neben der offensichtlichen Freude darüber, dass ich mich endlich aus meinem dunklen Schneckenhaus herausgewagt hatte, erkannte ich noch etwas in dem leichten Herabsenken ihrer - wie mit einem feinen Pinsel aufgezeichneten - Augenbrauen und der wellenartigen Linie ihrer Mundwinkel, die einen Zwischenstand von aufrichtiger und zwanghafter Freude darstellte.
Mitleid. Sie hatte verdammt nochmal Mitleid mit mir.
Wir brauchten keine Worte, um das Offensichtliche darzulegen. Der Abend mit Gonzalez, an dem unser Plan aus dem Ruder gelaufen war, der mich misshandelt hatte und der aufgrund meiner psychischen Aufforderung getötet wurde, all das stand zwischen uns und würde für immer zwischen uns stehen. Das konnte ich nicht zulassen. Ich würde es nicht ertragen jedes verdammte Mal so angesehen zu werden.
Also räusperte ich mich, machte einige Schritte vor und sagte einer ruhigen Stimme bestrebt:
«Nur zu Protokoll: Ihr wisst schon, dass ich kein Russisch kann?»
Es war unverkennbar, dass sie etwas besprachen was wie nahezu immer nicht für meine Ohren bestimmt war, aber ich hatte überhaupt keine Berührungspunkte mit dieser Sprache, sodass ich mir nicht einmal den Klang der Wörter hätte merken können.
Tian war der Erste, der sich von der Theke abstützte.
«Was nicht ist kann noch werden. Wenn du willst gebe ich dir Nachhilfe», sagte er mit einem anzüglichen Lächeln und reichte mir im nächsten Moment ebenfalls ein Glas Limonade entgegen. Dankbar und erleichtert zugleich, lächelte ich ihn an. Er benahm sich wie immer, tat als wäre nichts gewesen und genau das benötigte ich aktuell am dringendsten. Ein bisschen... nur ein kleines bisschen Normalität. Auch wenn ich wusste, dass es ein Trugbild war.
Ich nippte an meinem Glas und trat hinter die Theke neben Silvana, während ich Tian beim vorbeigehen einen vielsagenden Blick zuwarf:
«Ich verzichte drauf.»
Jetzt wurde sein Grinsen breiter.
«Das sagen sie zunächst alle.»
Während ich tatsächlich ein Lachen unterdrücken musste, verzog Silvana angewidert das Gesicht:
«Bro, come on.» Anscheinend gefiel es ihr genauso wenig über die Frauengeschichten ihres Bruders in Kenntnis gesetzt zu werden, wie es Tian gefiel über das aktive Sexualleben seiner Schwester Bescheid zu wissen. Bevor Tian, der aussah, als wollte er seine Schwester weiter provozieren, dazu kam in der Wunde herumzustochern, sagte Silvana an mich gewandt:
«Schön, dass du dich zu uns gesellt hast. Wir wollten gerade zu Abend kochen. Gibt es etwas bestimmtes worauf du Lust hast?»
Ich wusste, dass es sich gerade um eine Art Ausnahmezustand handelte. Ein Zustand, in dem wir kurzzeitig alle Waffen und jegliche Feindseligkeiten für einen bestimmten Zeitraum zur Seite gelegt hatten.
«Was steht zur Auswahl?», fragte ich also in einem ruhigen Sachton.
«Ajiaco und Arepas»
«Arepas» schoss es mir ohne großartig darüber nachdenken zu müssen aus dem Mund. Ein trauriges Lächeln umschlich die Ränder meiner Mundwinkel, weil ich bei den Gericht sofort an Jon denken musste. Er liebte dieses Gericht und jedes Mal, wenn er und seine Familie bei uns zum Essen eingeladen waren, freute er sich wie ein Kind, wenn er die Gelegenheit hatte es bei uns zu kosten. Mein älterer Bruder Elias hatte ein besonders geschickt dafür und kümmerte sich jedes Mal persönlich darum diese zuzubereiten, wenn Jon und seine Familie bei uns waren. Seine Familie... Sein Vater, Mr. Howard, der wiederum durch Tian ums Leben gekommen war. Ich atmete tief aus.Warum musste ich jetzt auch unbedingt daran denken?
Auch wenn meiner Ruhe dadurch ein kleiner Dämpfer verpasst wurde, wollte ich die Stimmung nicht kippen, also half ich den beiden beim Zubereiten des Gerichts. Hin und wieder ließ Tian einige Kommentare dazu ab oder neckte mich. Ich hatte diesen Kerl die ganze Zeit über nicht derart gesprächig erlebt wie in diesem Augenblick.
Mir war bewusst, wieso er sich plötzlich so benahm, schließlich war er aus demselben Fleisch und Blut wie Silvana. Während sie jeden Tag seit jener Nacht zu mir durchzudringen, mich zum reden und zum essen zu bringen versucht hatte, war das nun eine subtilere Taktik ihres Bruders um Schadenswiedergutmachung zu leisten. Sie hatten beide Schulgefühle und sie beide brachten es anders nach außen zur Geltung. Iván wiederum... et hatte es ganz anders zu Ausdruck gebracht.
Ich schüttelte energisch den Kopf als wieder Bilder sich vor meinem geistigen Auge zusammenzufinden versuchten, bis ein leises Quietschen außerhalb der Küche meine Aufmerksamkeit an sich riss. Und genau zum richtigen Zeitpunkt, wie ich feststellen musste. Ansonsten wäre mir der kurze, anscheinend aber an Kommunikation ausreichende Blickkontakt zwischen den beiden Geschwistern über meinen Kopf hinweg, gänzlich entgangen.
«Wir sind hier in der Küche...» Und erst mit den daraufhin erklingenden schweren Schritten auf den Holzdielen, drangen sowohl ihre Worte, als auch die Bedeutung dessen zu mir durch. Sie sprach zu ihm. Er... er war wieder hier.
Doch trotz der sich damit in meinem Körper auslösenden Starre und meinen festen Griff um das Messer mit dem ich die Avocado vor mir auf dem Brett klein zerhackt hatte, versuchte ich mir nach Außen nichts anmerken lassen.
«Amalia ist bei uns», fügte Silvana zwar nonchalant hinzu, als handelte es sich dabei um eine Randbemerkung, die an sich nicht einmal nennenswert war, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass mit dem Erwähnen meiner Präsenz etwas völlig anderes bezweckt war.
Ich hörte wie die gleichmäßigen Schritte nur für einen Bruchteil stockten, ehe seine große Statur den Türrahmen der Küche füllte und die positiv gestimmte Energie im Raum schlagartig einen Wandel vollzog.
Seine langen Beine in einer dunklen Jeans und der Oberkörper von einem dunklen T-Shirt bedeckt, das sich um seinen Bizeps schmiegte, hätte er durch die Farbauswahl eher unscheinbar wirken sollen. Doch das tat er nicht. Das tat er nie.
Eine Bewegung seinerseits riss mich aus dem Gedanken und da bemerkte ich die Ledergarnitur der getragenen Schulterholster, die sich von seinen Schultern seitlich nach vorne erstreckte und in das er seine Waffe reinlegte, ehe er nicht einmal in unsere Richtung blickend auf den Küchentisch lief und wie ich nun sah einer der drei Akten, die darauf lagen, öffnete uns darin rumblätterte - sein Gesichtsausdruck dabei einer steinharten Maske gleichend.
Ich schluckte. Dieses Bild vor mir, gewährte mir einen kleinen Blick in seine Vergangenheit. Denn bei diesem Anblick sah er in Sanjanas Worten ausgedrückt, wie ein „heißer Cop" aus. Ich beobachtete ihn, intensiv...
Er musste meine Blicke spüren, da war ich mir sicher, denn mich jetzt noch zurückzunehmen konnte ich nicht mehr.Er hatte sich seit der Sache in der Dusche nicht mehr blicken lassen. Ich bezweiflte schon, dass er sich überhaupt in der Wohnung befunden hatte.
Wo warst du gewesen verdammt?, fragten meine Augen anklagend, aber Iván überflog weiterhin stark konzentriert und mit stoischer Miene die Unterlagen und das... das machte mich plötzlich rasend vor Wut. Das war's also? Er... er ignorierte mich einfach? Behandelte mich wie Luft ? Ich hätte laut aufschnauben können, weil es mich nicht hätte wundern sollen. Und doch tat es das.
Sein letzter Anblick, der verletzte Gesichtsausdruck seinerseits, war mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, hatte mich verrückt gemacht, mich vor Scham und Schuld Stunden lang in der Nacht wach gehalten und jetzt war es so als... als wäre nichts passiert. Als hätte ich diese letzte Runde, dieses was auch immer es für ein Machtspiele darstellte, nicht gewonnen.
Ruhig, ganz ruhig, Amalia, sprach ich mir zu, als ich spürte, dass meine Emotionen überzukochen drohten und mir vor Wut so warm wurde, sodass ich am Kragen meiner Jacke spielte um Luft zu bekommen. Anschließen griff ich nach meinem Glas um etwas zu trinken und somit den Knoten in meinem Hals zu lösen. Nachdem ich einige Schlucke genommen hatte und die kalte Flüssigkeit mich allmählich wieder runtergeholt hatte, griff ich erneut nach dem Messer um das Gemüse zu schneiden, da aber ließ mich Silvanas Aufschrei zusammenzucken und ich ließ es erneut aus der Hand fallen.
«W-was ist das?», fragte sie bestürzt und erst als es zu spät war, erst als sie den vorderen Reißverschluss meiner Jacke runterzog, rückte ich erschrocken zurück. Doch es war zu spät. Viel zu spät. Sie sah es. Sie sah alles. Und auch Tian blieb es nicht verborgen, als er sich bei dem Schrei seiner Schwester zu uns drehte. Ihre Blicke hafteten an mir, ihre Augen wie hypnotisiert unterhalb meines Kinns gerichtet und ich fühlte mich mit einem Mal in die Enge gedrängt.
Silvana schluckte hörbar, wie als müsste sie einen Brocken, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, runterschlucken.
«War... Hat Gonzalez...?»Ich schloss bei ihren gequält klingenden Worten die Augen. Wie konnte ich so dumm sein und nicht registrieren, dass ich mir in den Kragen gefasst hatte. Es war alles verdeckt gewesen. Es hätte alles reibungslos verlaufen können, aber dann war er gekommen und in meinem Kopf war wieder das reinste Chaos heraufbeschworen worden.
Damit war genau die Situation eingetreten, die ich meinerseits tunlichst hatte vermeiden wollen.
«Amalia...?», brachte nun auch Tian besorgt hervor. Mein Schweigen hatten beide womöglich als Bestätigung interpretiert, aber ehe ich mir eine angemessene Antwort zurechtlegen konnte, sprach er - den Blick erstmals in unsere Richtung gerichtet:
«Nein, er war es nicht», sagte er so entschieden, als wäre das Antwort genug und sein wachsamer scharfer Blick wanderte ebenfalls zu meinem Hals. Sag das nicht, sag das nicht.
«Das ist nicht sein Werk.»
Ich spürte wie Silvana neben mir unruhig wurde. Sie verstand die rätselhaften und knappen Worte von Iván nicht, aber spätestens als Tian lauthals und völlig trocken auflachte, wusste ich, dass es vorbei war.
«Natürlich», sagte er und seine Stimme triefte vor Spott, als er das Handtuch, das er über seine Schulter geworfen hatte, ruhig auf die Kochinsel ablegte und den Blick von seinem besten Freund nahm, deren Anblick er anscheinend in dem Moment am wenigstens ertrug und diese seiner nichtahnende Schwester widmete.
«Sieh genauer hin, Schwesterherz. Dieser Mistkerl hat sie markiert.»
Ich presste die Lippen aufeinander, als ich die Erkenntnis in Silvanas Augen aufleuchten sah. Mit dem „Mistkerl", wie es Tian ausgedrückt hatte, war nicht Gonzalez gemeint. Es war Iván. Und die verschiedenen in lilafarb getauchten Töne resultierten nicht aus den Würgemalen von Gonzalez. Es waren Knutschflecken...
Iván hatte sein Versprechen gehalten. Er hatte alles was diese Nacht betraft von meinem Körper verschwinden lassen, aber er war weit darüber hinausgegangen, indem er endgültig zur Schau gestellt hatte, dass er nur sich selbst in der Position sah sich auf meinem Körper zu verewigen.
Meine Augen rollten zur Seite, sodass ich mit fast geschlossenen Lidern zu ihm rübersah, um herauszufinden, ob er auf Tians spitzen Kommentar eingehen würde.
Das tat er nicht. Er schwieg und... starrte mich stattdessen mit einem derart herausfordernden Blick an, dass ich blinzeln musste, um sicher zu gehen es richtig interpretiert zu haben.
Mein Gefühl täuschte mich nicht. Es war als würde sein an Intensität gewinnender Blick gepaart mit seiner zunehmenden Härte im Gesicht mich auf etwas aufmerksam machen wollen. Als würde es mich dazu drängen, etwas zu sagen... etwas Preis zu geben und da fiel es mir wie Schuppen vor die Augen.
Sag, was du getan hast.
Lass es raus.
Damit das hier und jetzt beendet ist.
Er ging davon aus, dass ich vor versammelter Mannschaft den Kuss erwähnen würde. Und in dem Augenblick erkannte ich, dass er nicht so locker drauf war, wie er es vorzugeben versuchte. Er befand sich auf heißen Kohlen, war auf der Acht, weil er dachte, dass ich diesen Trumpf gegen ihn verwenden, den Spieß umdrehen würde.
Das schockierte mich. Denn das würde ich nicht tun. Nicht hier. Dieser Kuss würde nie wieder zur Sprache kommen. Niemals.
Ich wandte den Blick ab, vermied es auch die anderen anzublicken.
Ich sah wie Silvana einen Schritt auf mich zumachte und den Mund öffnete, um zweifelsfrei zu fragen, wie das passieren konnte; wie Iváns Lippen auf meine Haut treffen konnten. Doch ich wagte es nicht ihr ins Gesicht zu sehen. Denn damit würde ich erst recht Preis geben, dass noch mehr passiert war, dass Lippen sich berührt, Körper an Körper ineinander übergegangen dass ich mich wie verzweifelt an ihm gerieben hatte und dass er beinahe für mich auf die Knie gegangen wäre. Hör auf... Hör scheiße nochmal mit damit auf Amalia.
Es war etwas passiert, was nicht hätte sein dürfen. Zwei Welten waren miteinander kollidiert und hätte ich dem kein Ende gesetzt, so hätte es den schlimmsten Ausgang aller Zeiten gehabt, dessen war ich mir sicher.
Deshalb hob ich nur die Hand, um Silvana von ihrem Vorhaben zu stoppen und sagte laut und deutlich, sodass mich jeder in der Küche hören konnte:
«Ich bin mit dem Schneiden der Avocado fertig. Wenn das alles ist, gehe ich in mein Zimmer.»
Das war natürlich nicht alles. In die Arepas kamen außer der Avocado auch andere Zutaten rein, aber Tian schien den Wink mit dem Zaunpfahl erfasst zu haben, denn er schüttelte den Kopf und ich tat mein bestes, um ruhigen Schrittes aus der Küche zu gehen und nicht hinauszustürmen. Gerade als ich den stechenden Blicken auf meinem Rücken mit Passieren der Küchentür entkommen war und erleichtert aufatmend mich rechts von mir der Treppe widmen wollte, hielt ich abrupt inne und mein Blick haftete an der Haustür wenige Meter vor mir.
Ich kniff die Augen zusammen. Als Iván vorhin in das Haus reingekommen war, hatte die Tür ein quietschenden Geräusch gemacht, aber die Haustür quietschte nicht.
Es sei denn...
er war gar nicht durch diese Tür gekommen. Mit einem Mal fiel mir die Kellertür auf, die sich gegenüber der Haustür und demnach unter der Treppe befand. War Iván vielleicht in den letzten Tagen gar nicht abwesend gewesen? War er vielleicht dort unten gewesen? Fall ja, warum?
Während in meinem Kopf diese Fragen herumspukten und mich ein mulmiges Gefühl heimsuchte, lief ich die Treppe hoch um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Denn auch wenn ich ihnen den Rücken zugewandt hatte, wusste ich, dass alle drei mich gut im Auge behielten und das wiederum bedeutete, dass ich etwas bestimmtes nicht wissen durfte. Silvanas und Tians nonverbale Kommunikation, sobald ich den Raum betretwn hatte, die wachsamen verfolgenden Augenpaare, als ich die Küche verlassen hatte... derweilen mir all dies durch den Kopf ging, fasste ich neuen Mut.
Ich würde den Keller betreten. Und zwar heute Nacht, wenn alle schliefen.
***
Stunden später, in denen ich im Bett gelegen und bei Silvanas nächtlicher Kontrolle so getan hatte, als würde ich schlafen, war ich mir nun sicher, dass endgültig die Luft rein war. Ich hatte mich aus dem Bett begeben, mir - den Beweggrund warum das so war konnte ich nicht nennen - schwarze Kleidung angezogen und mich dann tapsenden Schrittes zu meiner Zimmertür begeben.
Ok, tief ein und ausatmen. Das schaffst du sagte ich zu mir, als mich die Nervosität doch einholte.
Es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich dieses Keller betrat. Als Erinnerungen daran hochkamen, wie ich versucht hatte bei meiner Ankunft durch den Keller zu entkommen und was mir Iván im Anschluss angetan hatte, übermannte meinen Körper eine Gänsehaut. Allerdings leider nicht von der guten Sorte.
«Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt sich schlechten Erinnerungen hinzugeben», tadelte ich mich im Flüsterton selbst und wollte gerade die Türklinke betätigen, als ich es in der Stille der Nacht hörte. Schritte... mehrere. Waren das Silvana und Tian etwa? Ich spitzte meine Ohren, presste sie sogar an die Tür in der Hoffnung, dass es was bringen würde und tatsächlich: ich hörte wie sie Richtung Treppen gingen.
Ok, was geht hier vor?
Mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen, Adrenalin puppte durch meine Adern, da das Handeln der beiden meinen Entschluss bestärkte meiner Intuition nachzugehen. Nachdem ich circa eine Viertel Stunde gewartet hatte, falls einer von ihnen doch noch den Weg nach oben wiederfinden sollte, was aber keineswegs der Fall war, verließ ich meinerseits das Zimmer und ging runter bis ich schließlich selbst in der Dunkelheit vor der Kellertür stand.
Zu meiner Überraschung war sie nicht abgeschlossen und ich zog sie Millimeter für Millimeter auf, damit es kein Geräusch erzeugte und ich mich unbemerkt durch die Lücke drängen konnte.
Im nächsten Moment, als mich die kühle Luft empfing, war ich erleichtert über meine Kleiderwahl, denn es war eiskalt.
In der Dunkelheit herumirrend, brauchte ich einige Sekunden bis sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnen konnten. Doch statt Erleichterung, packte mich Angst als ich plötzlich ein Geräusch hörte.
Ganz leise... kaum wahrnehmbar.
Moment Mal, weinte da gerade jemand. Ich drehte den Kopf zur Seite, sah in die Richtung aus der ich das Geräusch vermutete und tatsächlich. Da war eine Tür.
Ich näherte mich dieser und die Wehlaute kamen an Lautstärke zu. Mit zitternden Fingerspitzen berührte ich die alte Holztür und kaum merklich öffnete sie sich.
Zunächst sah ich nichts. Auch hier war es viel zu dunkel. Gerade als ich einen Schritt nach vorne machte, sah ich allerdings die Quelle dessen, was mich hierhin geführt hatte.
Vor mir auf einem Stuhl saß ein Mann.
Ein Mann, der regelrecht in seinem eigenen Blut badete.
Ein Mann, der lebte, aber kaum noch lebendig wirkte.
Ein Mann, der eigentlich vor meinen Augen erschossen worden war.
Gonzalez. Er... er lebte...
Spoiler: Das werden nicht die einzigen Knutschflecken bleiben 👀 Zufälligerweise hat Iván (und ich auch 🙈) eine Schwäche für Knutschflecken, also könnt ihr euch auf was gefasst machen. (Auch wenn ich weiß, dass viele das nicht in einer Partnerschaft & Co. mögen, aber da hat jeder seine eigenen Präferenzen)
Und nun eine Frage: Wann denkt ihr wird der Kuss zwischen den beiden wieder zur Sprache kommen? (Ich weiß es natürlich. Auch hier ein Spoiler: Die Szene wird wild 💁🏽♀️)
P.S. Ab sofort werden endlich einige Geheimnisse gelüftet. Auf der anderen Seite werde ich aber neue Rätsel aufstellen 😈
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