◆23| P e s a d i l l a◆

Freiheit ist was man aus den Dingen macht die einem angetan werden

|Jean-Paul Sartre|

-"Ich habe meine Meinung geändert. Ich werde mich niemals fügen, Iván Moreno. Hörst du ?"

Silvana und Tian konnten nicht schnell reagieren. Das wusste ich bereits in dem Moment, als Iván mit Wut verzerrtem Blick fest in meine Haare griff mich zu sich zog und im nächsten Moment seine Hand um meinen Hals schlang und mich mit einem Satz wieder auf beide Beine zu befördern.

Die beiden Geschwister waren von ihren Plätzen aufgesprungen, das bekam ich ganz leicht am Rande mit, doch Iváns Griff, der Druck an meinem Hals ausübte und mir die Atemwege verschloss, war doch eher mein Hauptfokus in diesem ganzen Fiasko. Ich krallte meine Finger in seine Hände, hob meine Beine an um ihn zu treten, um frei zu kommen, aber genau das schien ihn noch weiter anzuheizen.

-"Sag das nochmal..."

Plötzlich tauchte Tina hinter Iván auf und versuchte seine Hand von meinem Hals wegzuzerren, selbes galt für Silvana, die mich an der Hüfte hielt und auf ihre Seite zu ziehen bestrebte, doch Iván war erbarmungslos. Er würde mich nicht gehen lassen.

-"SAG SCHON ! SAG ES !", spuckte er diese Worte nun aus, aber ich konnte nichts weiter tun, als meinen Mund meilenweit aufzusperren und zu versuchen Luft zu bekommen. Letztlich war es Tian, der Iván einen Hieb von Hinten verfasste, sodass sich der Griff um meinen Hals lockerte und die beiden Geschwister genau dieses Schlupfloch ausnutzend uns voneinander trennten. Iván, der realisierte was Tian da gemacht hatte, stürzte sich sofort auf ihn und schleuderte ihn im nächsten Moment gegen die Wand. Silvana, die bemerkte, dass uns nicht viel Zeit blieb, fasste mich am Arm und zog mich die Treppen eilig nach oben in mein Zimmer, ehe sie die Tür hinter uns abschloss.

Atemlos lehnte sie sich dagegen und ich starrte nur auf den Boden, derweilen ich dem Pochen an meinem Hals ausgegeben war. Er... er hätte mich fast zu Tode erwürgt.

-"Bist du... bist du völlig bekloppt ?", machte Silvana mich auf einmal an, sodass ich mich wirklich fragte, ob ich mich nicht verhört hatte.

-"Wie... wie bitte ? Ist das dein ernst ?", kreischte ich nun ebenfalls.

Hatte sie nicht gesehen, wie er, wie sie mich alle behandelt hatten. Wie konnte sie es also wagen mich wie ein Kleinkind zurechtzuweisen ?

Als sie erkannte, was sie da tat wurde ihr Blick sofort wieder weicher und sie wollte mich berühren, doch ich schrie auf.

-"Amalia... ich... ich wusste nicht, dass er... so mit dir...dass"

-"Was ? Dass er mich so behandelt ? Dass er krank ist ? Was hättest du dann getan, hättest du dann mir geholfen anstatt ihm ?" Ich lachte spöttisch auf und schüttelte vehement den Kopf.

-"Nichts für ungut Silvana, aber ich brauche dein Mitleid nicht. Du hast mich ins Feuer geworfen und nun musst du mitansehen wie ich verbrenne."

Silvana presste die Lippen fest aufeinander und ich selbst wusste, dass ich zu hart mit ihr umging, aber gerade war ich nicht aufzuhalten. Wenns sein musste, würde ich sogar Blut spucken, aber ich würde genau in diesem Moment nicht schweigen. Das konnten sie von mir nicht erwarten.

-"Siehe es als eine Chance Amalia...", sagte sie nun seufzend und blickte zu Boden. Ihre Worte brachten mich erneut zum toben, weshalb ich mich nur sehr schwer zurückhielt dem Drang nachzugehen einen beliebigen Gegenstand zu nehmen und diese durch die Luft zu schleudern.

-"Von was für einer Chance sprichst du ?", brachte ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor, was sie dazu verleitete traurig zu lächeln.

-"Du willst doch auch die Wahrheit wissen... du willst doch auch erfahren, was es mit deinem Tattoo auf sich hat. Hier hast du die Möglichkeit es aus nächster Nähe zu ermitteln. Du bekommst die Informationen, du bekommst die Wahrheit erzählt und niemand sonst, kein Dritter oder sonst ein anderer, niemand kann dir ein Floh ins Ohr setzen. So hast du die einmalige Gelegenheit herauszufinden wer lügt. Dein Vater oder Iván..."

***

-"Fertig", ertönte Silvanas Stimme, dicht hinter mir, als sie den Reißverschluss meines Kleides bis nach oben zog und dabei einen Augenblick lang mit ihren Fingerkuppen meine nackte Haut berührte.

Ich konnte das unangenehme Gefühl, was ich dabei empfand nicht unterdrücken und doch hoffte ich es durch das Zurückgleiten meiner Haare, die ich währenddessen in meinen Händen zu einem Haufen gebunden hatte, vor Silvana verbergen zu können.

Ich traute ihr nicht. Natürlich tat ich das nicht. Niemanden von ihnen. Und insbesondere Silvanas leerer Blick, als sie Iván die Spitze überreicht hatte, würde ich nie aus meinem Gedächtnis verbannen können.

Dennoch bestritt ich es nicht, dass ihre Worte gestern einen entscheidenen Funken in mir wieder zum erglühen gebracht hatte.

Durch mein verzweifeltes Festhalten an eine Flucht und an meine Familie hatte ich mich gehen lassen, ich hatte mich selbst geschwächt. Und was würde es bringen, wenn ich wieder bei meiner Familie war, was würden sie mir erzählen ? Vielleicht sagten sie mir die Wahrheit, aber zu hundert Prozent konnte ich mir weder bei ihnen noch bei dieser Truppe, die mich hier eingesperrt hatte sein.

Mein einziger Weg, um die Wahrheit und die Unschuld meiner Familie, an die ich felsenfest glaubte herauszubekommen, bestand darin, dass ich an die Primärquelle ran musste. Und dieser war Pablo Gonzalez.

Ich vergaß nicht, was Silvana mir angetan hatte, was durch sie überhaupt alles in die Wege geleitet worden war, aber sie hatte mich aus meinem Winterschaft, aus einem tiefen schwarzen Loch rausgezogen, das mich beinahe verschluckt hätte.

Pablo Gonzalez war der erste Anhaltspunkt gewesen der dieses Tattoo angesprochen und somit erstmals eine Verbindung zwischen den Morenos und den Alingtons hergestellt hatte. Insbesondere Iváns Zorn schien dadurch noch weiter angeheizt worden zu sein.

Dieses Tattoo von dem sie sprachen, war auf meinem Körper verewigt, doch was verbarg sich dahinter ? Machtspiele, ein Blutbad oder doch ein zu Unrecht in den Dreck gezogener Name ?

Ich wusste es nicht. Und ich würde es auch nicht wissen können, wenn ich mich weiterhin in mein Schneckenhaus verzog. Eine Gefangene war ich nur dann, wenn ich mich auch selbst als eine sah, das wurde nach der Aktion mit den Knochen, mit denen mich Iván konfrontiert hatte erst recht klar. Er wollte die ultimative Kontrolle über mich, wollte mich beherrschen, mich zügeln...

Doch das würde ich nicht zulassen.

All das verinnerlichend nachdem ich Silvana verbal aus dem Zimmer geschmissen hatte, um im Anschluss im Zimmer vor Wut auf und ab zu laufen, hatte ich allmählich eingesehen, dass sie nicht ganz unrecht hatte. Mein erster Zug, was nicht besonders gut verlaufen... ich hatte die Geduld nicht gehabt und damit auch nie am selben Tisch wie sie gespielt, doch nun am heutigen Abend würde ich schweigen. Ich brauchte Pablo Gonzalez genauso wie sie und an den Hintermann von Ihnen konnten nur sie kommen.

Im Anschluss hatte ich meinen Ärger für den Moment runtergeschluckt und mich darauf geeinigt erst im richtigen Zeitpunkt all diese Frust regelrecht auszukotzen. Es war nur alles eine Frage der Zeit...

Silvana hatte mich erst wieder am Folgetag, also heute belästigt, indem sie mit einem Outfit für mich und für sich ins Zimmer kam und etwas zurückhaltend vor sich hin murmelte dass wir uns fertig machen müssten. Ich fragte nicht nach, wer ihr diesen Befehl gegeben hatte sich ausgerechnet mit mir für den in wenigen Stunden anbrechenden Abend vorzubereiten, denn es stand eindeutig in der Hand wer hier einen Befehl nach dem anderen ausgab, die sie wie Butler zu erfüllen hatten, weil sie sonst ihren Job verlieren würde. Hier bestand der kleine aber bedeutsame Unterschied hingegen darin, dass mit dem Leben bezahlt werden würde.

Nachdem sie mir schweigend einige Kleidungsstücke überreicht, mich vorsichtig gefragt hatte, ob sie mir beim Frisieren helfen dürfte, hatte ich ihr nicht geantwortet, aber ich hatte auch nicht verneint. Ich war nicht wirklich in der optimalsten Lage und hatte auch nicht besonders Lust darauf mich für einen Abend in einem Haus voller Frauen aufzuhalten, die sich Männern anboten.

Silvana hatte mir demnach die Haare mit einem Glätteisen nur nochmal komplett glatt frisiert und außer etwas Puder und Wimperntusche war ich von dem Rest weitesgehend verschont geblieben.

Ich hob in dem Moment den Blick Richtung Spiegel an, als Silvana hinter mir zur Seite trat und mich ebenfalls aufmerksam beobachtete.

Meine Stirn verfiel in eine immer tiefer gehende Grube, als mein Blick von ihr zu mir und wieder zurück wanderte.

Silvana hatte mir nachdem sie das Zimmer betreten hatte wortlos einen Stapel Kleidungsstücke überreicht, die ich anzuziehen hatte, anschließend sie meinte mich fertig machen zu wollen. Ich hatte geschwiegen und diese ohne Widerrede an mich genommen, ehe ich sie angezogen hatte.

Nun stand ich mit einer dunklen Strumpfhose und einem schwarzen Kleid da, das mir bis zu den Knien ging, kaum Dekolete vorwies und dessen 3/4 Ärmel noch weniger Haut zeigten. Nicht dass ich gewillt war mich in dieser Lage auch noch zu repräsentieren, aber als ich Silvana von der Seite anblickte, wurde mir dann doch gänzlich mulmig zumute.

Mit dem eng anliegenden Tanktop, dass ihren flachen Bauch präsentierte und durch das ihr Bauchnabel Piercing schimmerte, hatte sie darunter eine zerfranste viel zu kurze Short an und eine dunkle Netzstrumpfhose, zu denen sie schmuddelige hochhackige kurze Stiefel trug. Ihr Körper war bewusst betont, ihre Haut wie auf ein Silbertablett serviert. Sie hatte ihre blonden Haare zu einer wilden Lockenfrisur frisiert, ihre Lippen mit einer tiefroten Farbe bedeckt.

In allem schrie sie einfach nur nach Aufmerksamkeit, derweilen ich wie ihr Schatten wirkte.

-"Ich sehe auf wie eine Nonne", kommentierte ich dies und vermied es nicht meine Missbilligung darzulegen.

Silvana seufzte und stemmte die Hände an der Hüfte ab. Doch als sie nicht antwortete, fügte ich hinzu:

-"Ehrlich jetzt Silvana. Willst du mich auf dem Arm nehmen ? Während du in diesem Fummel herumstolzierst, sehe ich so aus, als würde ich gerade von einer Beerdigung kommen. Wenn wir so zusammen Auftreten, wird uns das doch niemand abkaufen."

-"Denkst du mir gefällt das ?", fuhr sie mich an.

-"Iván hat deine Kleidungsstücke ausgesucht und als ich genau auf dieselbe Weise wie du argumentiert habe, wollte er nichts davon hören. Er will, dass du wenig Haut zeigst, nicht ich."

Diese Information ließ mir die Nackenhaare empor steigen und die saubere Kleidung fühlte sich plötzlich so fremd an. Meine Haut darüber kribbelte bei den Gedanken, dass er es speziell für mich aussortiert hatte. Am liebsten hätte ich es ausgezogen und mich einfach ins Bad eingeschlossen, stattdessen aber schluckte ich die Frustration runter und erwiderte:

-"Und du gehorchst ihm ?"

Sie lachte spöttisch auf, als sie die rebellische Flamme in meinen Augen ausmachen konnte, ehe sie sich an mein Ohr näherte und ich in ihrer Handfläche die kleinen Kommunikationsmittel entdeckte, die sie mir ins Ohr platzieren wollte, damit wie während des Abends untereinander in Verbindung blieben.

Derweilen sie sich daran zu schaffen machte, murmelte sie:

-"Iváns Wort ist Gesetz. Das was er sagt, gilt auch."

Sie musste anhand meines Gesichtsausdrucks erkannt haben, wie krank und bizarr ich ihre Worte fand, denn sie fügte ernst hinzu:

-"Du willst nicht sehen, was passiert wenn er die Kontrolle verliert Amalia. Ich habe dich schon Mal gewarnt, Spiele nicht mit seiner Geduld."

Ich wollte zu einer Antwort ausholen, weil ihre indirekte Aufforderung mir das Sprechen zu verbieten mich wütend stimmte. Was erwartete sie von mir ? Wäre sie in meiner Lage, wurde man sie gegen ihren Willen irgendwo aufhalten, würde sie sich dann auch nicht wehren ?

Sie sprach so, als hätte ich nicht das Recht seine Majestät überhaupt anzusprechen außer er forderte mich dazu auf. Bevor ich jedoch dazu kam ihr meine Meinung zu sagen, fasste sie mich sachte am Kinn und ihre Augen sprühten eine solche Verletzlichkeit aus, dass ich inne hielt.

-"Deine Platzwunden auf den Lippen sind durch dieses Lipgloss gut verdeckt. Tut es noch weh ?", fragte sie auf die Striemen, sowie immer noch auf meinen schmerzenden Arm zu deutend, auf den wir eine Salbe geschmiert und die wir mit einer Bandage umwickelt hatten, damit ich problemlos das Kleid überziehen könnte.

Eigentlich hatte sie keine Antwort verdient, dachte ich derweilen ich in ihre reizvoll auf funkelnden Augen blickte. Sie war einer von ihnen, sie hatte tatenlos mitansehen, was Iván mit mir getan hatte... Was brachte mir ihre jetzige Reue ? Würde es etwas an meiner Lage verändern, würde sie mir damit helfen ? Nein. Natürlich nicht. Sie war Iván treu ergeben, auch wenn sie wusste, dass ihre Treue einen tödlichen Preis zur Folge hatte.

Dennoch schaffte ich es nicht. Ich brachte es nicht über die Lippen die bösen Worte, die sie ebenso verletzen, sie niederwerfen, sie an den Rand der Verzweiflung bringen sollten, wie sie es bei mir ausgelöst hatte, auszusprechen.

Nein. Dies ist nicht dein Vergeltungsspiel Amalia... Du bist nicht wie sie.

Abrupt tauchte Silvanas Tränen bedecktes Gesicht vor meinen Augen, Bilder ihres vor Schreck erfüllten Schreies und ihre vor Kummer eingesunken Augen vor meinen Augen auf. Sie hatte ein Ventil für ihren Schmerz gesucht. Auch wenn sie dafür das falsche Mittel für den Zwecke missbraucht hatte, besänftigte mich dieses Bild von ihr in meinen Gedanken und ich schluckte meine bissigen Worte wissentlich runter, ehe ich so neutral wie möglich die nächsten Worte hervorbrachte:

-"Mir geht es gut."

Wir beide wussten, dass das eine Lüge war. Doch auch wir beide waren es die weiterhin schwiegen, derweilen die Schwere dieses Unterlassens uns beide zugrunde zu richten drohte.

Zu unserer Rettung oder wie man es nimmt auch nicht, erklang ein Klopfen an der Tür, ehe Tian den Kopf reinsteckte. Auch wenn nur sein Oberkörper lediglich hervorragte sah ich den schicken Anzug in dem er gekleidet war und der seinem athenischen Körper ausgesprochen gut stand. Das grau des Anzüge konkurrierte auf wundersame Weise mit seinen Augen und vielleicht hätte ich mich dieser Faszination einen Moment lang hingegeben, wäre da nicht das ungute Gefühl, dass mich bei seinem Anblick beschlich.

Kurz ließ er seinen Blick über uns beide wandern, ehe er sich nur seiner Schwester zuwandte und sagte:

-"Es geht los." Dann war er auch verschwunden. Silvana kam mit großen Schritten nochmal auf mich zu und ich musste aufschauen, als sie vor mir stand, weil sie im Gegensatz zu meinen schlichten Ballerina, die womöglich ebenfalls Iván ausgesucht hatte, in den hohen Schuhen um einen Kopf größer als ich war.

Sie klemmte mir den letzten Hörer noch ins andere Ohr und rieb sich dann zufrieden die Hände.

-"Es wird voll sein. Wir werden hierdurch kommunizieren", sagte sie und tippte sich selbst an das Ohr, indem sie ihre Haare kurzzeitig zur Seite warf und ich bei ihr ebenfalls beim genauen Hinsehen, den Chip ausmachen konnte.

-"Wenn es etwas dringendes gibt tippst du zweimal an den Hügel und sprichst deine Worte aus. Achte darauf dass dich niemand bei diesen Selbstgesprächen sieht, das lenkt nur unnötig die Aufmerksamkeit auf uns."

Ich nickte und folgte Silvana dann ohne Widerrede aus dem Zimmer, anschließend die Treppen runter, wo meine Augen wenige Sekunden später an der Gestalt zu haften blieben mit denen ich am wenigsten in Kontakt kommen wollte. Ich verlangsamte meine Schritte, doch statt bei der Härte seiner Augen zurückzuzucken hielt ich den Blickkontakt aufrecht.

Die Hände in die Hosentasche gesteckt, hatte er einen schwarzen Anzug an, der sich perfekt an seinen Körper anschmiegte. Er wirkte seriös, mächtig... und einschüchternd. Sein Blick der sich unverfroren in mich reinbohrte, wurde unterbrochen, als er Silvana ansprach, während er gleichzeitig den Blickkontakt zu mir beibehielt.

-"Silvana... übermittel unserem Gast, dass falls sie versuchen sollte abzuhauen, ich keine Scheu haben werde ihr ins Knie zu schießen. Vorerst muss sie leben, was nicht bedeutet, dass ich mich zurückhalte, wenn sie nicht artig ist."

Silvana wiederholte diese Worte nicht. Natürlich musste sie es nicht. Dies war nur eine banale Floskel seitens Iván gewesen um mir erneut zu demonstrieren wie wenig er von mir hielt, als wie unterwürfig er mich sah, dass er nicht einmal mit mir sprechen wollte.

Bin ich so ein schlechter Mensch ?

Ich konnte nicht verhindern, dass dieser Gedanke erneut in meinem Kopf herumspuckte. Die Ereignisse von gestern, die Essensreste, die Knochen... all das saß noch tief in meinem Magen und auch wenn ich das irgendwann verdauen würde, so würden die Bilder in meinem Kopf weiterhin existieren.

Jetzt ist nicht der Zeitpunkt wieder in dieses tiefe Loch zu fallen. Zieh es durch!

Um Iván sowie den anderen zu verdeutlichen, wie wenig ich von ihren Worten hielt, lief ich zielstrebig die letzten Stufen der Treppen runter.

Es sollte so wirken, als wäre es meine Entscheidung ihnen freiwillig zu folgen... nicht, mich von Iváns Drohungen runter kriegen zu lassen.

Als ich vor der Tür zum verharren kam und darauf wartete, dass sich jemand von ihnen bewegte, war Tian es der sich räusperte um die unangenehmen Stille zu unterbrechen. Denn Iváns Blick zu Folge, der fast schon wie eine tödliche Bedrohung wirkte, hatte ihm mein selbstbewusstes Verhalten nicht gefallen. Er hatte mich einengen wollen mit seinen Sätzen und auch wenn seine Worte den gewünschten Effekt erzieht hatten, so musste er das nach außen hin nicht wissen.

Schweigend liefen Silvana und ich im Schlepptau hinter ihnen her und nachdem ich die Türschwelle überschritten hatte, konnte ich nicht anders, als einen Moment lang eine bedrückende Leere in mir zu spüren. Wie oft hatte ich in den letzten Tagen versucht durch diese Tür zu gehen, wie sehr hatte ich mich danach gesehen sie öffnen, meiner Freiheit entgegen treten zu können ?

Und nun stand ich hier... draußen und konnte nirgendwohin, dachte ich mir derweilen die Nacht die Umrisse der dichten Bäume um uns wie fürchterliche Gespenster reflektierte.

Ich blickte mich nicht um, ich konnte es nicht tun. Denn die Angst, dass ich all meine Vorsätze über Bord werfen könnte, war viel zu hoch. Als hätte Iván meinen inneren Einzelkampf tief in mir gespürt richtete er seine Augen in der Dunkelheit wieder auf mich. In 'der Finsternis leuchteten sie regelrecht auf, glühten wie Glühwürmchen, die mich in ihr Bann zogen und denen ich folgen würde.

Als wir einen Rasen vor uns überquert hatten, kamen wir letztlich an einem altmodischen, aber recht sauber gehaltenen Wagen an. Ich konnte nicht viel erkennen, aber dass die Beschaffenheit einzigartig war konnte ich anhand der Konturen und dem groben Ausbau ausmachen.

Wortlos stiegen Silvana und ich hinten ein, derweilen Iván schräg von mir auf den Fahrerseite Stellung nahm und Tian sich auf den Beifahrersitz direkt vor mir niederließ.

Nachdem der Motor gestartet wurde und wir ein geschlossenes Tor passierten, dass so wie ich aus dem Augenwinkel vernahm nur von Tian oder Iván geöffnet werden konnte, verfielen wir in Schweigen und ich versuchte so teilnahmslos wie möglich aus den Fenster zu blicken.

Du hättest sowieso nicht entkommen können, dachte ich mir als ich an die langen Gitter des Tores denken musste, dass uns den Weg ins Freie gewährt hatte. Ich hatte das Passwort nicht gesehen, das Iván seitlich in sein Handy eingetippt und dadurch einen grünen Sensor hatte angehen lassen.

Unbändigende Frust tobte in mir, welche ich dadurch zu bewältigen versuchte, dass ich weiterhin den Blick aus dem Fenster in die Natur richtete. Wobei erkennen tat ich aufgrund der angebrochenen Nacht rein gar nichts. Einerseits erfüllte mich eine Freude dabei... Ich hatte so viel von Papa und Elias über das Land aus dem meine Wurzeln stammten gehört, dass mir der erste Anblick dieser Welt durch vorliegende Ereignisse erspart geblieben und damit nicht zerstört wurde. Auf der anderen Seite hatte ich keinen Anhaltspunkt um auszumachen wo ich mich befand.

Es war so schwer abgesehen von den Umrissen irgendetwas zu fassen zu bekommen und meinte ich ein Schild genauer unter die Lupe nehmen zu können, so setzte mir beim genauen analysieren dieser die Geschwindigkeit mit der er fuhr einen strich durch die Rechnung.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch als plötzlich Iváns Stimme im Auto erklang, zuckte mein Körper unerwartet davon zusammen. Diese Geste hatte er natürlich nicht übersehen, denn auch seinerseits erfolge eine Gegenreaktion, indem sein Blick nach oben huschte und er mich nur den Rückspiegel anblickte.

-"Silvana sobald wir drin sind, trennen wir uns. Es darf keine Verbindung zwischen uns hergestellt werden."

Tian hatte den Blick aus der Fensterfront nach vorne gerichtet und aus den Seitenspiegeln heraus erkannte ich, dass er den Kopf zu einem Zuspruch hoch und runter bewegte. Er stimmte Iván voll und ganz zu. Ich hingegen versuchte aus dieser Trennung schlau zu werden, bis mir die Antwort mit Iváns erneutem Öffnen seiner Lippen praktisch auf den Schoß gelegt wurde.

-"Silvana du knüpfst dir Perez vor. Geh so weit, wie es nur möglich ist und entlocke ihm alle nötigen Details hinsichtlich Gonzalez. Ich will seine Angewohnheiten, seine Vorlieben, seine Aufenthaltsorte, wie viele Wachmänner er bei sich hat, über alles bis ins kleinste Detail informiert werden, verstanden ?", diktierte er, derweilen sich ihre Blicke vom Rückspiegel aus trafen. Wir alle im Auto waren uns einige darüber, dass Iván nicht liebevoll nach der Einverständnis von Silvana fragte. Für ihn war das beschlossene Sache und Silvana hatte sich strickt da dran zu halten.

Augenblicklich richtete ich meinen Blick vom Fenster weg und nahm erneut Silvanas sitzende Statur neben mir in Augenschein, als mir allmählich klar wurde, dass sie untereinander schon längst einen Plan geschmiedet hatten und diese nur noch Mal kurz durchgingen. Das bedeutete, sagte ich in Gedanken und betrachtete nochmal ihren Kleidungsstil, dass sie sich bewusst freizügig und viel zu auffällig gekleidet hatte. Sie sollte ihn verführen !

Ich konnte das Entsetzen, das mich bei diesem Gedanken einnahm, kaum verbergen und als Silvana plötzlich die bereits schon viel zu knappe Shorts, die an ihren Oberschenkeln saß, leicht hochrichtete, erkannte ich wie sie mit den Fingern unterhalb des Stoffs griff und...

Ich schnappte nach Luft, als ich die spitze Klinge des Messers aufblitzen sah, welches sie sich mit einem schwarzen dünnen Band unauffällig unterhalb ihrer Shorts an ihr Oberschenkel befestigt hatte. Vorsichtig schob sie sich diese zurecht, ehe sie die zusammengefaltete Seite ihrer Shorts wieder runter schob und Iváns Aufforderung mit einem normalen Zuspruch entgegenkam.

Unwillkürlich fragte ich mich, wie sie es schafft so ruhig zu bleiben. Sie... sie musste sich schließlich unfreiwillig einem Mann um den Hals werfen, nur um der Informationen willen. Was wenn aber etwas an diesem Plan schief ging, was wenn sie sich nicht rechtzeitig aus seinen Klauen würde befreien können ?

Die schreckliche Gänsehaut die mich beschlagnahmte wurde von meiner aufkochenden Scham überbrückt, als ich mir in Gedanken rief welche Worte ich ihr gerade im Zimmer vor den Kopf geworfen hatte. Ich hatte mich darüber geärgert, dass sie mich in diese unauffällige Kleidung steckten, derweilen Silvana wie ein Stern vor mir leuchten würde. Und genau so sollte es auch sein. Die Aufmerksamkeit sollte nicht mir gelten, genau das wollten sie verhindern, weshalb Silvana sich opfern musste.

Meine Unterlippe bebte, bebte viel zu stark doch gerade als ich das durchströmen der Trauer durch meinen Körper zu erfassen bekommen sollte, fügte sich noch ein anderes Gefühl in meine Sinne. Ein dunkles, kaltes... er beobachtete mich. Ich war mir ganz sicher, dass er es tat. Unauffällig versuchte ich aus der Nase nach Luft zu schnappen, anschließend ich aus dem Fenster blickte.Dir würde ich meine Angst nicht zeigen. Niemals.

Wie viel Zeit vergangen war, war mir schleierhaft, da ich nichts weiter tat als auf dem Fenster zu schauen und aufmerksamer zu werden begann, als die dichten Wälder allmählich von Neonlichtern, sowie Plakaten von einander gereihten Lokalen ersetzt wurden. Aufgrund der herrschenden Dunkelheit konnte ich vorerst keine allzu große Änderung im Vergleich zu London herstellen, aber als die Lichter greller, die Schrift daraufhin klarer wurde, sah ich die Worte in spanisch aufflackern. Die Menschenmenge, die das Nachleben genoss sah ebenfalls vergleichsweise anders aus. Der sonnengebräunte Teint war vergleichsweise zu London in der in fast jeder in Ecke nur helle Haut zu sehen war, hier eindeutig vertreten. Und derweilen in den Kreisen in London in denen ich agierte, die Menschen schick und vornehm angezogen waren, verfolgten hier die Menschen das Moto je offener desto besser.

Iván und Tian, die während der Fahrt immer wieder eine kleine Wortkorrespondenz führten, aus der ich rein gar nichts verstanden hatte, verstummten ebenfalls. Die Gasse in die Iván abbog hatte nur eine Spur, ich erkannte dass er sein Tempo verlangsamen musste, da vor ihm einige weitere Autos vorfuhren. Das war jedoch nicht der Grund, der mich dazu veranlasste aufzuhorchen. Es war die nun aufrechte Haltung die Silvana sowie Tian vor mir in seinem Sitz einnahmen, sowie Iván wachsamer Blick, der jeweils aus beiden Seiten der Fenster betätigt wurde.

Abrupt betätigte er die Vollbremsungen, sodass ich beinahe mit dem Gesicht an den Sitz vor mir geknallt wäre, doch bevor einer im Auto fragen konnte, was in ihn gefahren war, sagte er:

-"Steigt aus. Tian, du kennst den Weg. Ich parke das Auto und bin gleich bei euch."

Silvana entledigte sich sofort aus ihrem Kurt, Tian nickte und tat es gleich. Ich zögerte kurz, als sein Blick sich wieder in meinen bohrte, gab dann schließlich nach.

-"Und Tian... sei wachsam." Damit wollte er unzweifelhaft auf mich deuten, da war ich mir sicher. Wir stiegen aus dem Auto, Silvana war sofort bei mir und auch Tian begab sich auf meine andere Seite. Gerade als er mein Oberarm ergreifen wollte, entzog ich mich energisch aus diesem Griff.

-"Nicht...", ich trat erschrocken zurück, ehe ich ihn böse anfunkelte.

-"Ich komme dir schon nicht abhanden. Wie sollte ich denn auch !", sagte ich wütend und deutete auf meine Umgebung. Erst beim Aussteigen hatte ich die vielen kleinen Tüten entdeckt, die untereinander auf der Straße ausgetauscht wurden, hatte gesehen wie Frauen sich Geld in den BH steckten und in fremde mit dunklen Fenstern ausgestattete Autos stiegen. Dies war keine sichere Gegend und ich würde mich nicht von der einen zur nächsten vielleicht sogar noch größeren Gefahr begeben, worüber sie sich felsenfest im klaren waren.

Tian, der dies umkommentiert ließ, rückte sich sein Jackett zurecht und bedeutet uns von der Straße wegzukommen, indem wir seitlich auf den Bürgersteig traten. Kamen wir dem nach, bedeutete er uns auch schon im nächsten Moment in eine andere kleine kaum wahrzunehmende Gasse hineinzutreten, die kaum beleuchtet war.

Ich schluckte den harten Klotz runter. Als hätte Silvana meine Bedenken bemerkt, stellte sie sich neben mich und sagte wie zu sich selbst sprechend:

-"Das Pesadilla gewährt nicht jedem den Eintritt und will auch nicht von jedermann entdeckt werden. Nicht du suchst sie... sondern sie suchen dich. Nur bestimmten Mitgliedern ist das Aufsuchen dieses Hauses gestattet. Stimmts Tina, das hat uns Iván doch erzählt."

Dass ihre Worte nicht sonderlich dazu beitrugen mich zu besänftigen und das nur noch mehr fragen in meinem Kopf herumschwirrten behielt ich gänzlich für mich. Das Einige was mich ansatzweise beruhigte war, dass Tian diesen Ort anscheinend ebenfalls kannte, so brauchte ich nicht zu befürchten, dass ich in einen Hinterhalt gelockt wurde.

Du vertraust ausgerechnet Silvana und Tian ? spottete meine innere Stimme und hielt mir meinen fatalen Fehler sich lustig über mich machend bewusst entgegen, derweilen meine schweren Schritte an den kahlen dunklen Wänden widerschallten.

Stumm folgten Silvana und ich Tian, der sich immer wieder umblickte um sicher zu gehen, dass wir keinen ungebetenen Gast in der Nähe hatten und gerade als wir einen Bogen, der über uns aufragte passieren wollten, stoppte Tian uns und steuerte eine kahle Backsteinwand an.

Ich runzelte die Stirn, als er lediglich davor stand und wie ein Irrer darauf starrte, aber dann streckte er die Hand aus betastete langsam die Wand und bevor ich eingreifen und fragen konnte, ob es ihm noch gut ging, glitten seine Finger in eine scheinbar vorhande Lücke zwischen zwei Backsteinen und durch ein kaum merkliche Klick strömte Licht nach draußen.

Erschrocken und fasziniert zugleich machte ich einen Schritt zurück, ehe ich erfasste was Tian da überhaupt getan hatte. Ein geheimer Durchgang...

Tian hatte einen geheime Tür geöffnet, die als Mauer getarnt worden war. Meine Neugierde nicht unterdrückend können, war nun ich es, die freiwillig diese zurückgemachten Schritte wieder aufholte. Silvana folgte meinem Beispiel und mit einem letzten Blick, den Tian uns, insbesondere mir zuwarf, welcher einer Drohung gleich kam, hob er den Arm etwas an, hielt die Tür für uns auf und wir zwängten uns unter seiner groben Gestalt leicht bückend durch die Lücke.

Als ich mich von meiner gebückten Haltung wieder gerade stellte und dicht hinter mir ebenfalls Silvana sowie Tian herausragen sah, waren sie schon längst nebensächlich für mich geworden. Mit dem Aufblicken nämlich prasselten unmittelbar mehrere Eindrücke auf mich ein und ich konnte nicht anders, als mich zu fragen in was für einer Welt ich gelandet war.

Oh Gott.

Ich habe das Kapitel doch veröffentlicht und zwar mit den Wörtern, die nicht gelöscht wurden. Es bringt nämlich nichts euch warten zu lassen, auch wenn es mich ärgert, dass ausgerechnet der wichtigste Teil dieser beiden Kapitel weg ist. DENN sobald Amalia dieses Haus betritt... wird die Geschichte nochmal ein ganz anderes Level erreichen💥👀 Wie ihr euch denken könnt, war die +16 ebenfalls in dem Teil, der gelöscht wurde. Aber was solls, das lag jetzt nicht in meiner Hand, dass mein System abgestürzt ist. Außerdem hatte es mir Spaß gemacht die Szene zu verfassen, also werde ich es hoffentlich auch ein zweites Mal verfassen können. Heute und auch morgen hätte ich es nicht geschafft. Denn das Kapitel war ursprünglich 12 tausend Wörter lang und 4 Tausend sind übrig geblieben. Das bedeutet ich müsste 8 Tausend Wörter in einer Nacht verfassen, was zwar nicht unmöglich ist, aber dafür bin ich im Moment viel zu kaputt.

Ich bin wirklich super traurig, dass ihr die eine Szene beziehungsweise die Ereignisse im Hurenhaus nicht mitbekommen habt, weil ich da auf eure Meinung gespannt war :( Ich versuche trotzdem positiv zu denken... Hauptsache ich konnte euch wenigstens heute Abend etwas bieten.

P.S. Bitte vergisst die Szene mit der Zigarette und den Knochen nicht. Ich wäre nicht Cherry, wenn ich Amalia nicht die perfekten Werkzeuge in die Hand legen würde damit sie ihm das heimzuzahlen kann. Na ja, das alles findet aber wie gesagt in diesem Hurenhaus statt :D Ich könnt euch gar nicht ausmalen, wie explosiv das zwischen den beiden werden wird😆 Aus diesem Grund habe ich den Streit am Anfang dieses Kapitels auch etwas kürzer gehalten, denn es werden wichtigere Ereignisse auf uns zukommen.

Habt einen schönen Abend noch ❤

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