◆21| R e d L i p s◆
Übrig bleibt mein Blut nehmt es, aber lasst mich nicht lange leiden.
|Marie Antoinette|
Sorry, ich konnte das Kapitel noch nicht korrigieren, habe im Moment einfach viel zu tun 😖
Federleicht.
Genau so fühlte sich jeder Moment, jeder Atemzug an. Das Herabsinken einer weißen Feder, die durch diesen Fortgang bedächtig wiegende Luftanstöße erzeugte, stellte den zentralen Punkt meines begleitenden Bewusstseins dar, in dem ich gefangen gehalten wurde.
Tief in mir brauste sich ein Sturm auf, die Feder krümmte sich, wurde schwach... verblasste und formte sich dann zu einem schwarzen Gefieder um, das mir eine äußere Gefahr ankündigte. Befangene, fast schon bewegungslos von einer unbekannten Kraft bändigte mein innerer Wille diese Signale und drehte die Lautstärke der Sirenen runter, bis sie in einem verzweifelten Jammern und Keuchen ihre letzten Atemzüge erlangten und mir eine Warnung zukommen ließen.
Etwas stimmte nicht. Ganz tief in mir nahm ich den tosenden Krieg um mich herum, wie das aggressive Peitschen der Äste an meinen Grundmauern, wahr, allerdings öffnete sich meine inneren Riegeln nicht. Das Fenster meiner Wahrnehmung war verschlossen, undurchdringbar.
Beinahe besessen davon mich vor dem Unheil zu wahren, das an meinen Türen klopfte, wurde dieser Starre in dem Augenblick durchbrochen, als mein Körper von einem heftigen Trommelschlag beschlagnahmt wurde und mein Rücken sich ungeschickt nach vorne bog. Ich keuchte schmerzerfüllt auf.
Die Bogenform, die mein Rücken dabei annahm ebbte allmählich ab, sodass ich im nächsten Moment mit einer weichen Masse in Kontakt trat, die die Angespanntheit meiner angespannten Gliedmaßen zunehmend, wie mit einer Pinzette Stück für Stück, sauber und feinfühlig entzog.
Einen letzten nun leicht beruhigenden Atemzug einnehmend, öffneten sich meine Augenlider, die schwer belastet von dieser Aufgabe waren und am liebsten aufgeben und mich wieder in Dunkelheit gehüllt hätten. Angefeuert dadurch endlich die Oberfläche erreicht und von meiner gespenstischen Befangenheit zwischen Bewusstseinkeit und Wachsamkeit entkommen zu sein, zwang ich mich nun diesen Anker mit allem was mir von meiner Kraft übrig blieb festzuhalten.
Als meine Augen einige Sekunden benötigten, um die verschwommene Gegend nach jedem folgenden Wimpernschlag zu erkennen, drehte ich meinen Kopf leicht zur Seite. Zu sehen war nichts als Dunkelheit und die Umrisse von Möbelstücken, die wie dunkle Gestalten hervorragten und nicht sonderlich dazu beitrugen mich zur Ruhe zu bringen.
Anstellte dieser, richtete ich mich von einem inneren Impuls geleitet auf, krallte meine Hände neben mich und erkannte, dass sie sich an einem Laken verfingen, an der ich mich als halt suchend umklammert hatte, bis die Drehung, die mein Kopf projizierte, abließ.
Erst daraufhin erfasste ich auch das Metallstangengerüst des Bettes und die dünne Tagesdecke, in der ich eingehüllt war, derweilen ich geschlafen hatte.
Wo bin ich ? fragte ich mich irritiert und betrachtete den durchsichtigen langen Tüll, der um die Gitterstäbe des Bettes um mich herum befestigt war und mich wie einen schützende Burg einnahm ?
Ahnungslos und zugleich wissend, dass mir keine Antworten in den Schoß gelegt werden würde, wenn ich nur weiterhin untätig, um meine eigene Achse blickte, schob ich mühsam die dünne Decke von mir und schwang die Beine um das Bett.
Die stickige Luft kurbelte meine Antriebslosigkeit weiter an, doch mit den Augen jede der vier Wände entlangfahrend, war von einem heiß ersehnten Fenster nicht auszumachen. Dieses Zimmer war komplett abgeschottet von jeglichen äußeren Einwirkungen.
Ein Blick über meine erneut leicht herab gleitenden Augenlider hinweg, erkannte ich jedoch eine Tür, die wenige Meter vor mir in der Finsternis aufragte.
Also richtete ich mich auf. Einzelne meiner Knochen knackten, als wären sie über Jahrhunderte hinweg versteinert gewesen und würden nun die feste Masse um sich herum zerschellen. Mit dem Rücken leicht nach hinten gebeugt, umfasste ich schnell meine Waden, als ein heftiges Ziehen sich dabei bemerkbar machte. Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem verzerrten Schrei, aber kein Ton hallte an den Wänden wieder.
Nachdem ich vorsichtshalber einige Sekunden lang in dieser Position verharrt geblieben war und mir dann einigermaßen zutrauen konnte , dass meine Gelenke mir nun wieder einigermaßen gehorchen würden, setzte ich zielstrebig meine Schritte Richtung Tür.
Bevor ich jedoch meine Hand danach ausstrecken und diese mit einem Ruck in meine Richtung ziehen konnte, streiften meine Augen den großen Spiegel, der seitlich an der Tür montiert war und ich erschrak von meinem eigenen mir viel zu fremd vorkommendem Auftreten. Vorsichtig trat ich einige Schritte an mein Spiegelbild heran.
Die fremde viel zu große Jogginghose und das locker sitzende Top gehörten nicht mir, aber nicht meine Kleidung gestaltete es schwierig meine Ungläubigkeit zu akzeptieren. Es war mein angeschwollener Hals, der von Blutergüssen überzogen war, die zwischen den verschiedenen Tönen von dunkel Lila und einem verdünnten Gelb herumirrten.
Zudem fiel mir das Blut an meinem Mundbereich auf. Ich hatte mir so feste auf die Unterlippe gebissen, dass die dünne Haut aufgerissen und ich ein kleines Blutbad angerichtet hatte, welches wiederum nach dem Trocknen zu einer dunklen Kruste geworden war.
Ich schluckte schockiert, angesichts der verunstalteten Haut. Als ich einem unsicheren Wechselspiel ausgegeben war, ob ich diese nun berühren sollte oder nicht, beschwor das Bangen, dem ich ausgesetzt war das Auffunkeln von Erinnerungsfetzen in mir hervor, die meine Sicht kurzzeitig einnahmen und mich zusätzlich verängstigten.
Ich sah mich, wie ich das Moreno Bild zwischen den Achseln hielt ... mich wie ich mit dem Elend langen eleganten Kleid unseren langen Flur passierte, darauf bedacht von niemandem erwischt zu werden.
Dann fand eine erneute Explosion statt, die Erinnerung verblasste ruckartig und wurde abgelöst von einer anderen Szenerie.
Das Video vor mir, Silvana, Tian und ich blickten gerade aus... doch schwarze Augen, die mich wie ein Strudel runter zogen, erzeugten auf meiner Haut ein unangemessen Brennen. Allein die Intensität, mit der sein Blick zu mir sprach, war graumsamer, als jede Foltermaßnahme, die er gegen mich ausgeübt hätte.
Rot... sprizte plötzlich wie Farbkleckse in mein Blickfeld. Der Schuss einer Waffe hallte wie ein Kanonenschuss in meinem Hinterkopf wider und war auch danach noch zu spüren. Und dann sah ich den leblose Körper, der erstarrte gefolgt von Silvanas Schrei, den ich nie vergessen würde.
Ihr Vater... war tot.
Ich presste mir die Hand auf den Mund, als ich die Säure in meiner Mundhöhle wahrnahm und das ätzende hinaufgleiten meines Mageninhalts. Während ich versuchte mich am Rande des Spiegels abzustützen, hielt ich mit der anderen Hand noch immer meinem Mund fest, um mich nicht jeden Augenblick auf dem nackten Laminat zu übergeben.
«Bitte... bitte bitte lieber Gott, lass ihn noch am Leben sein», keuchte ich auf, wobei meine Stimme kratzig wirkte, als hätte ich Wochen lang nicht gesprochen. Ich hatte allen Grund zu Silvana und Tian nicht zu mögen, aber dass sie den Tod ihres Vaters mitansehen mussten, das wünschte ich ihnen nie... niemals.
Dann erinnerte ich mich an noch ein Detail.
Das Tattoo...
Dein Tattoo gelang eine verführerische Stimme in meinem Kopf.
Ein ekliges von der Kehle kommendes Grunzen, füllte die Lücke der Stille, aber immerhin war kein flüssiger Inhalt nach außen gelangt. Damit das auch weiterhin so blieb, zog ich scharf Luft durch meine Nase und ließ sie durch meinen Mund wieder hinausgleiten. Mein Kopf schwirrte, das Schlucken fiel mir angesichts der Schwellung schwer und je mehr Bilder auftauchten, desto radikaler schüttelte ich den Kopf, wie als könnte ich damit den Anflug an Erinnerungen in die Weite fortjagen.
Meine Haare, die mir wirr und in ungleichmäßigen Strähnen ins Gesicht fielen, band ich mir mit dem Haargummi, dass mir um das Handgelenk gebunden war zu einem unordentlich Dutt zusammen, ehe ich einen letzten Blick auf mich zuwerfend, die Türklinke runter drückte und hinaustrat.
Ich atmete erleichtert auf, als ich endlich etwas sehen konnte. Denn im Gegensatz zu dem Zimmer, in dem ich aufgewacht war, erstreckte sich nun ein schmaler Flur vor mir, der in einem spärlichen Licht gehalten wurde und an dessen Ende sich eine Wendeltreppe nach unten befand. Ich lugte vorsichtig zu den anderen fünf Türen, die neben meinem an beiden Wänden hervorragend. Meine Augen suchten nach einem Fenster, um die Umgebung klar auszumachen, um zu lokalisieren, wo ich mich befand. Dass ich nicht mehr im Hotel sein konnte, konnte ich mit Sicherheit sagen, aber vielleicht war ich doch unmittelbar in der Nähe der Innenstadt.
Barfuß setze ich einen Schritt nach dem nächsten Richtung Treppe, drehte mich aber immer wieder nach hinten um, weil ich das Gefühl nicht los wurde, beobachtet zu werden. Doch keine Kameras waren in Sicht.
Als ich von oben herab, einen Ausblick auf die untere Etage gewährleistet bekam, seufzte ich erleichtert auf, denn dort brannte das Licht lichterloh. Geleitet davon setzte ich meinen ersten Schritte auf den Treppenabsatz und achtete dabei darauf keine Geräusche von mir zu geben.
Je näher ich der letzten Stufe kam, desto mehr hörte ich vereinzelt das Geräusch von Metall und ein leises Zischen, das, wie ich nun unten angekommen merkte, einem amüsierten Pfeifen ähnelte.
Ich schluckte und ein starkes Pochen erfüllte meinen Halsbereich, wie als würde sich unmittelbar erneut eine Hand darum schlingen und mir jegliche Luft rauben.
Ein inneres Sträuben keinen Schritt weiterzumachen, erfüllte mich jäh, sodass ich mich instinktiv mit dem Rücken am kalten und doch edel erscheinende Holz der Treppe wieder fand und mich kurzzeitig sogar dem Gedanken hingab in dieser Position zu verweilen.
Als das Scheppern von Metall jedoch unnachgiebiger in mein Bewusstsein drang, zog eine unsichtbare Kraft mich gleichermaßen wieder nach vorne, weshalb ich nach nur wenigen Schritten, die Tür seitlich der Wendeltreppe erreichte und mich immer langsam mit der Oberkörper an dem Türrahmen schob, um das innere des Raumes zu betrachten, das sich dahinter verbarg.
Erstaunt spalteten sich meine Lippen, derweilen meine Augen fasziniert über den großen Raum hinwegblickten, auf dessen rechter Seite sich eine große exquisite Küche erstreckte die eine ganze Wandseite einnahm. In einem glänzenden bordeauxrot fungierte das Material ausgezeichnet zur Sitzbar mit den bordeauxroten hohen Sitzhockern, die an die Kücheninsel mitten im Raum integriert worden waren.
Die Kochinsel, die den Hauptfokus der Küche darstellte, waren über diesem verschiedenen hochwertigen Töpfen sowie Pfannen mit extra Zubehör angebracht.
Um dem dunklen Farbton der Kochmaterialien wie auch der Inneneinrichtung dieses Raumes entgegenzuwirken, erstreckte sich auf der Wand, genau gegenüber der Tür an der ich stand, nur eine einzige glasklare Fensterfront durch die ich einen Blick nach draußen in einen Garten gewährt bekam.
In dem Moment hoben sich erstaunt meine Augenbrauen an, weil ich auch aus dieser Entfernung erkennen konnte, dass der Tag sich dem Ende geneigt hatte und die Nacht angebrochen war. Klare Sterne umsäumten den Nachthimmel mit Lauer leuchtenden Sprenkel, die unauffälligen Diamantensteinen ähnelten. Die Glaswand hatte wie ich nun ebenfalls sehen konnte eine Schiebetür, durch die man in den Garten gelangen konnte.
War das der einzige Weg in die Freiheit ? fragte ich mich und meine Unruhe stieg an, was nicht nur dieser Frage zu verdanken war.
Denn obwohl meine Augen begierig jedes kleinste Detail dieser Einrichtung in sich eingesogen hatte, war es nicht darauf vorbereitet gewesen an der Anrichte der Kochinsel auf eine Person zu stoßen mit der ich am wenigstens gerechnet hätte.
Die dunklen, unordentlichen Haare, und die pechschwarze Augen würde ich in jedem auch so miserablen Zustand vom Rest der Menschheit unterscheiden können.
Iván.
Ich lehnte mich einen kurzen Moment skeptisch zurück, ignorierte den inneren Aufschrei in mir zu fliehen und betrachtete, wie er einen konzentrierten fokussierten Blick auf das rohe feste Fleisch vor ihm richtete, auf das er fast schon in einen viel zu sanften Reiben seiner Finger Salz und Pfeffer streute.
Vor dem Tablett mit dem hell pinken Fleisch waren kleine oval förmige Porzellankugeln in eine ordentliche Reihe aufgestellt worden und trotz, dass ich den Inhalt darin nicht sehen konnte, konnte ich die spanischen Wörter ablesen, die auf jeden einzelnen mit einem Streifen aufgeklebt worden waren. Gewürze.
Irritiert blinzelte ich, beäugte das Ganze, indem ich versuchte meinen Körper leicht zu drehen, dies aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, aber die Festellung, die ich erlangte war immer wieder dieselbe.
Der über 1,80 große mächtig wirkende und zugleich Angst einflößende Mann... kochte.
Das schwarze Hemd, das er trug und dessen Knöpfe oben herum aufgeöffnet waren, sowie die hochgekrempelten Ärmel, die sich um seine Arme spannten, zeigten bei jeder kleinsten Regung mit den Gewürzen das Muskelspiel in seinen Armen auf. Die Venen, die sich unter seinem Hemd befanden, zeichneten sich ebenfalls an seinen freien nackten Unterarmen ab, wo sie sich schließlich mit der Tinte der Tattoos an seinen Händen und Fingern vereinigten.
Er sah wie der geborene teuflische Todesengel aus, ging es mir durch den Kopf und ich ließ es mir nicht entgehen ihn einige weitere Sekunden lang in einer normalen Aktivität zu beobachten. Während er mit der einen Hand das Fleisch unter ihm zu massieren begann - indem er seine Fingerkuppen in kreisenden Bewegungen reindrückte, schoss seine Hand ohne aufzublicken zur Seite an den Herd von dort aus er das Öl, das in unmittelbarer Nähe abgelagert war in eine Pfanne goss und einige Knöpfe betätigte, sodass ich das leichte Zischen bemerkte, welches das Öl zum Kochen brachte.
Gerade hafteten meine Augen gebannt auf seinen Arm mit dem er sich die wirren Strähnen aus seinem viel zu streng blickenden Gesicht wegwischste, das nun umsäumt war von einem unordentlichen, aber Eindruck schildernden drei tage Bart, bis er diesen Arm so plötzlich über die Gewürze hinweg streckte, sodass ich unmittelbar auf den Holzkasten, der ebenfalls auf der Kochinsel vor ihm abgelagert war aufmerksam wurde. Denn in dem Holzkasten steckten lange spitze und viel zu scharfe Messer, die fast schon stolz nach oben aufragten.
In dem Augenblick als ich diese entdeckte, zog er einen heraus und dann geschah es...
Die Neugierde mit der ich die Ereignisse versteckt aus der Ferne betrachtete, versiegte und die Leichtigkeit, die mich damit umhüllte verhärtete sich zu einer steinharten Masse meiner Anspannung. Das glatte Messer, das durch das schwungvolle Herausziehen aus der Holzkiste auffunkelte, ließ gleichzeitig eine Erinnerung in mir aufflackern, als ich diese in seiner Hand sah und den Blick dabei beobachte mit dem er das spitze Ding vor seinen Augen begutachtete.
Ich sah mich... wie ich mit dem Bauch auf dem Bett lag und strampelte, sah mich wie ich weinte und kreischte sein Gewicht dabei auf mir spürend und dann... dann das Kratzen an meinem Rücken.
Meine Hand berührte sachte durch den Stoff meine Wirbelsäule, als meine Erinnerungen das Gefühl seiner Fingernägel hervorrief, die sich aggressiv in meine Haut gebohrt hatten.
Doch was mich dann endgültig, die Fingernägel in den Türrahmen krallen ließ, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, war die Spritze, die Silvana an ihn weitergereicht hatte. Diese Erinnerungen, die sich kurzzeitig wie stille Beobachter im Hintergrund aufgehalten hatte, rückten in dem Moment wieder hervor, als ich das mir gewohnte gefährliche Bild von Iván zu sehen bekam, wenn er ein gefährlichen Werkzeug in der Hand hielt. In dem Moment waren, seine Augen von solch einem Zauber belegt, dass mir die Faszination die sich darin widerspiegelte einen heiden Schreck einjagte.
Nachdem ich eins und eins wieder zusammengezählt hatte, mir nun wieder bewusst wurde, wen ich da überhaupt in aller Ruhe observierte und noch schlimmer, mit wem ich mich sogar alleine in einem Raum befand, setzte mein Herzschlag eine kurze Sekunde lang aus und ich hielt mir die Hand vorsichtig gegen den Mund, um keinen Laut von mir zu geben.
Plötzlich spürte ich die hohen Wände auf allen Seiten von mir auf mich niederblicken... Ich kannte es nicht, alles war mir fremd. Ich versuchte angemessene Atemzüge zu vollführen und mich nicht von dieser aufkeimende Angst lenken zu lassen.
Wo war ich denn überhaupt ? Was hatte sie mit mir getan ? Wo waren Tian und Silvana ?
Meine Hand wanderte wie von selbst bei der Erinnerung an die Spritze an meinen Oberarm und erst da spürte ich, den Verband, der durch mein Oberteil zum Großteil verdeckt wurde und auf das ich deshalb nicht aufmerksam geworden war.
Je mehr sich die Details kenntlich machten, je mehr ich an die schrecklichen Taten zurückdachte, desto mehr Fragen bildeten sich gleichzeitig in meinem Kopf.
Wann... wann genau haben diese Ereignisse eigentlich stattgefunden ? Wie viele Stunden waren seit jeher vergangen ?
Mir schwirrte der Kopf von diesem Rätsel, was meine Angst nicht im geringsten in den Hintergrund drängte, denn ich war mir immer noch der erschreckenden Kenntnis bewusst, dass ich mich in einem mir unbekannten Haus befand. Ich ließ meinen Kopf kurz in den Flur hinter mich wandern und entdeckte auf der anderen Seite der Wand, die dezent von der Wendeltreppe verdeckt wurde eine Tür, sowie eine Hintertür an der Wendeltreppe selbst.
Dann schielte ich nochmal nach vorne und wog die Chancen ab. Wenn ich jetzt schnell an der Küchentür entlanglief, sobald er den Kopf wieder auf das Fleisch gerichtet hatte, bestand die Möglichkeit, dass er mich nicht sah und dann... dann konnte ich die Tür erreichen und unauffällig rausgehen ohne, dass er Wind davon bekam.
Während ich diesen Plan in Gedanken weiterhin auszuarbeiten versuchte, hatte Iván das Messer nun an das Fleisch angesetzt und versuchte diese in zwei Hälften zu teilen, was ihn Kraft und Geschicklichkeit kostete.
Just als er konzentriert immer wieder mit dem Messer in das Stück rein bohrte und seine Bewegungen nach vorne und nach hinten verliefen, brauchte ich Sekunden um zu realisieren, dass die Stille unterbrochen war.
Ich selbst hatte mich dermaßen dem taktvollen Reiben des Messers hingegeben, dass ich es glatt überhört hätte.
«Ich gebe dir zehn Sekunden», sagte er und der scharfe Ton, der in seiner Stimme mitschwang, schnürte mir die Kehle zu. Ich blickte ihn mit aufgeblähten Nasenlöchern, einem viel zu hektischen auf und ab Verlaufen meiner Brust, das mein rasendes Herz nur schwer zurückhielt und ihm mit vor Schreck geweiteten Augen an, derweilen er nicht einmal den Kopf angehoben hatte, als er diese Worte aussprach.
Wie... wie war das mäglich ? Wie hatte er mich gesehen, ohne dass... dass er mich überhaupt gesehen hatte ?
Sprachlos und einem Hauch vom Skepsis ausgestattet, ob er mich wirklich meinte, konnte ich mich nicht davon abhalten ihn anzustarren, derweilen ich spürte, dass meine Nackenhaare sich wie die Dornen eines Igels aufrichteten... ich war aus meinem gemütlichen Schlaf erwacht und doch bewegte ich mich kein Stück vom Fleck.
Als er ein Fleischstück durchtrennt hatte, setzte er das Messer in dem gleichen Abstand erneut an an und begann die gesamte Prozedur vom Neuem. Seine Bewegungen wurden schneller, aber seine Körperhaltung wirkte gelassen. Die breiten Schultern, die bei seinen Handlungen überragender und breiter wirkten, machten im Ganzen einen ruhigen Eindruck.
«Zehn...», sagte er und fing währenddessen an fröhliche Melodien vor sich hin zu pfeifen
Ich hielt den Atem an. Dies war die Ruhe vor dem Sturm... und allmählich spürte ich die dunklen Wolken über mir aufkommen.
«Neun» Er stoppte in seiner Bewegung und legte für einen Augenblick das Messer zur Seite, um den Herd auszuschalten.
«Sieben» Nun umfasste das Messer in seiner Hand erneut. Ich machte einen Schritt zurück als seine Augen urplötzlich in meine Richtung gingen. Das Szenario vor mir war einfach Angst einflößend.
Die Lebendigkeit, die in seinen Augen aufflackerte, als er mich anblickte, wie sich sein Griff dabei um ds Messer verstärkte, als wolle er dies um jeden Preis bei sich haben...
Und dann als seine dunklen Augen kurz davon waren mich in eine tiefe Grund zu ziehen, wanderten sie den Blickkontakt abbrechen meine Nase entlang und hingen an meinen Lippen.
Dies verursachte ein zusätzliches beängstigendes Gefühl in mir, bis ich verstand, was er da überhaupt betrachtete.
Die Kruste, das getrocknete Blut an meinen Lippen.
Seine Miene verhärtete sich, aber seine Augen waren heller als die Sterne, die hinter ihm gläntzen. Der Schalk der Genugtuung hallte in ihnen wieder und ich wusste, dass es ihm gefiel. Das ihm mein Blut gefiel. Mir wurde bei diesem Gedanken übel.
Plötzlich krempelte er sich die Ärmel noch weiter höher, wie als wollte er nicht, dass diese schmutzig wurden. Und als er sich mit beiden Händen an der Anrichte abstütze und sich nach vorne beugte, da konnte ich nicht anders, als mich noch weiter hinter der Tür zu verstecken, wohl wissend, dass er mich sah.
«Du solltest diese zehn Sekunden zu deinem Vorteil nutzen... Denn danach...», ein krankhaftes psychotisches Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit und bevor ich überhaupt die Gelegenheit dazu bekam einzugreifen, hatte er das Messer in seiner Hand wieder in das Fleisch sausen lassen und mit nur einem einzigen Schnitt, war es in zwei Teile durchtrennt.
Nur ein einziger Schnitt, dachte ich mir. Das mühsame Bewegen des Messers vorhin, als würde es ihn alle Kraft kosten, das alles war ein Schauspiel.
Durch seinen skrupellosen Eingriff verlief es viel schneller und genau das wollte er mir damit zeigen.
Eine Ader pochte ununterbrochen an seiner Schläfe und als dieses Mal die nächsten Worte aussprach, waren sie nicht mehr ruhig, sie ähnelte dem Knurren eines ausgehungerten Wolfes.
«Sechs...»
Weitere Buchstaben brauchte ich nicht mehr. Das war der ausschlaggebende Startschuss für meine Beine, die sich ineinander verhedderten um mich fast zu Boden beförderten. Ich drehte mich abrupt um, mein Atem verlief hektisch, sodass ich seine Stimme aus der Küche kaum noch hörte, als ich mit lauten Atemzügen zur Tür an der gegenüberliegenden Seite stolperte und mir sicher war, dass es sich um die Ausgangstür handeln musste.
Doch meine sich durch die Angst durchkämpfende Hoffnung siegte wieder ab, als meine von schweiß bedeckten Hände die Klinke runter drückten und sich die Tür nicht öffnete.
Verdammt. Abgeschlossen.
Ich hätte es wissen müssen, sprach ich mir in Gedanken zu, doch ich hatte keine Zeit mich meiner eigenen Predigt hinzugeben. Mein nicht vorhandenes Zeitfenster schrumpfte.
Ohne noch weiter durch meinen Monolog Zeit zu schindern, rannte ich hinter die Wendeltreppe an dessen Seite ich ebenfalls eine Tür zuvor ausgemacht hatte.
Ein erleichterter Aufschrei entglitt meiner Kehle als diese Tür sich öffnen ließ, aber als ein kalter Windzug durch meine Haare hinweg wehte und meinen ganzen Körper zum Erzittern brachte, stoppte ich.
Denn entgegen meinen Erwartungen war vor mir kein eindeutiger Weg zur Freiheit gewährleistet, sondern undichte, alte Treppen führten in die Dunkelheit nach unten. Der Windzug hingegen musste etwas bedeutet, versuchte ich mich zu besänftigen. Dort unten im Keller müsste es auch als einen Ausgang nach draußen geben.
Von der blanken Panik begleitet, stürzte ich also die Treppen runter, obwohl ich kaum etwas sehen konnte. Gerade als ich die letzten Treppen nehmen wollte, hörte ich, wie die Tür quietschend zuging und dann... dann knarzte die erste Treppenstufe von oben. Dies konnte nur von einem darauf verlagerten Gewicht entstanden sein, was wiederum bedeutete...
«Oh nein, nein, nein...», quengelte ich und blickte mich irritiert im Dunkeln um, bis ich seitlich hinter einigen verstreuten Kartons eine Tür fand. Als sich auch diese nicht öffnen ließ, stieß ich einen Fluch aus und rannte regelrecht blind im Kreis herum. Was nun ?
Das daraufhin erneut das Knarzen einer Treppenstufe zu hören war, trug nicht wirklich dazu bei, dass ich einen klaren Gedanken beibehielt und gerade als ich dachte ich würde an Ort und Stelle kollabieren, da entdeckte ich eine weitere Tür, die ich vor Aufregung nicht gesehen hatte und die sich vergleichsweise zu dieser Metalltür noch weiter im Schatten der Treppe aufhielt. Als ich diese zu meinem Glück aufbekam und sie hinter mir zuzog, hielt ich den Türknauf instinktiv fest, derweilen ich meinen Blick im Raum hin und her wandern lief. Doch auch hier war es vergleichsweise sehr dunkel, wobei ich trotzdem erkennen konnte, dass an den Wänden Torbögen aufragten, die wiederum in andere Zimmer Räumlichkeiten führten.
Überfordert von den neuen Eindrücken gab ich ein verzweifeltes Wimmern von mir, während ich mit der freien Hand an der Wand neben tastete, um möglicherweise einen Lichtschalter zu finden. Als dem so war, suchten meine Augen schnell nach einem Gegenstand, dass ich an die Tür schieben konnte, um sein Eindringen zu verhindern und als ich nichts weiter als einen lausigen Stuhl fand, aber wusste, dass er mir dicht auf den Fersen war, nahm ich diese und klemmte es eilig dazwischen.
Dies war eindeutig nicht zu früh denn nachdem ich prüfend einige Schritte weiter nach hinten machte, sah ich auch schon, wie die Klinke runtergedrückt wurde.
Einmal... zweimal und ein drittes Mal. Es folgten einige weitere energisch Stöße und als die Tür mit Wucht plötzlich unter seinem Gewicht bebte, drängte ich mich nach vorne und schob den Stuhl nun weiterhin an die Tür. Verdammt er warf sich gegen die Tür. Warum war mir das nicht eingefallen ?
Nach einigen erfolglosen Versuchen blieb es still und gerade als ich langsam meine zitternden Hände davon abließ und den Schmerz in meinen Händen spürte, der durch den heftigen Widerstand, den ich aufrecht zu erhalten bestrebt hatte, verursacht wurde, genau in dem Moment erklang solch ein dumpfer Schlag, dass ich zusammenzuckte.
Ein lauter Schrei verließ ungewollt meine Kehle, denn mit weit aufgerissenen Augen erkannte ich plötzlich, dass die Holztür vor mir zersplitterte und im Anschluss etwas Spitzes zwischen dem Holz auftauchte.
Er... er wollte die Tür einschlagen. Gelähmt von der Angst, derweilen ich immer wieder sah, wie er eine Axt in die Tür hämmerte, suchten mich fremde Zweifel auf verbündet mit der Frage, ob das jetzt wirklich das Ende für mich war.
Und als ein großer Balken letztlich in die Brüche ging, haderte ich nicht mehr lange und blickte mich um, ehe ich mich dazu entschloss in den anderen anvisierten Raum zu fliehen.
Ich setzte gerade noch sprintend meine nächsten Schritte und war an dem Torbogen angekommen, als sich ein tiefes schneidendes Brennen an meinem Fußgelenk bemerkbar machte und vor Schmerz aufschreiend mit dem ganzen Körper auf dem dreckigen Holzboden krachte.
Scharf zog ich die Luft ein, als ich spürte, wie der unsanfte Aufprall meiner Rippen mir kurzzeitig die Luft zum Atmen entzog, dessen Qualen jedoch weitestgehend von dem intensiven und höllischen Brennen an meinem Füß verdrängt wurde.
Als ich mich keuchend mit den Händen zur Seite drehte und meine Jogginghose leicht anhob, schnappte ich erschrocken nach Luft, als ich die Blutlinie an meinem Gelenk zu sehen bekam, das sich nach jedem Blinzeln vermehrte und unter mir eine rote Masse bildete.
Ich streckte die Hand aus und wollte die Verletzung berühren, doch mein Oberkörper gehorchte mir nicht und gab immer wieder nach. meinem eigenen Herzrasen ausgegebenen lag ich also da. Und während das ganze Blut, das auf den Boden tropfe, mich mulmig werden ließ, sorgte die aufkeimende Müdigkeit und Erschöpfung dafür, dass meine Augen sackten immer wieder zusammensackten.
Wie konnte das passieren ?
Die Antwort darauf wurde mir mit dem Anheben meines Kopfes, das noch Richtung Torbogen gerichtet war, vor Augen geführt. Ein Draht, der einem Stacheldraht ähnelte, war an beiden Seiten über dem Boden an die Wand befestigt, sodass ich beim Rennen genau hingelaufen war...
In diese Falle...
Ich verzog frustriert das Gesicht, weil ich mir damit eingestehen musste, dass auch das womöglich geplant war. Er hatte gewusst, dass ich hier hinkommen, dass ich hier entlang laufen würde und...
Mein Körper spannte sich an, als ich harte feste Fußschritte in unmittelbarer Nähe ausfindig machen konnte, die immer lauter wurden und damit unmittelbar näher rückten.
Ich atmete leise, wagte es mich nicht zu rühren, obwohl mein Körper alles andere tun musste außer still herumzuliegen. Ich drehte meinen Kopf wieder nach vorne und sah mir den Raum zum ersten Mal näher an.
Viel war nicht auszumachen. Einige Regale mit Kisten standen an den Seiten ab und ein Tisch auf dem Werkzeuge lagen, die ich von dieser Entfernung nicht ausmachen konnte, stand auf meiner rechten Seite. Mein Blick glitt zur gegenüberliegenden Seite, an der ich eine Tür ausmachen konnte, doch so sehr ich mich auch aufrappeln wollte, ich fiel immer wieder jämmerlich mit dem Gesicht auf den kalten Boden.
Atemlos blickte in dem Moment auf eine Badewanne, die an der Wand wenige Meter vor mir verschoben war und über der sich ein großes eingerostetes Wasserventil befand.
Ich schluckte hart. Ich würde nicht weiter kommen... Ich... ich...
«Und da habe ich dich...»
Ich hielt den Atem an, als die dunkle Stimme dicht über mir ertönte, ehe ich aus dem Seitenwinkel Jeans und fester Schuhwerk ausmachte. Er bückte sich zu mir runter, da war ich mir sicher, denn plötzlich kitzelte sich sein Atem durch meine Haare.
«Du bist eine ganz miese Spielerin. So macht das keinen Spaß, wenn du es mir so einfach gestaltest...»
Reagiere nicht... sei ganz still, versuchte ich mir einzureden, tat damit aber mir selbst keinen sonderlichen gefallen. Denn augenblicklich fasste er mir an meinen Haaren, hob meinen Kopf an um mein Gesicht in seine Richtung zu wenden und bevor ich überhaupt ahnen konnte was passierte, ließ er von meinen Haaren so abrupt ab, dass ich mit dem Kopf wieder auf den Boden knallte.
Ich öffnete den Mund jederzeit bereit einen Schmerzensschrei auszulassen, doch der Schlag war so dumpf, dass es mir die Sprache verschlug und lediglich Tränen in meine Augen beförderte. Ich konnte nicht beschreiben, wie unnachgiebig meine Schläfe pochte. Ächzend und stöhnend öffnete ich langsam die Augen, aber ich hatte das Gefühl das mein Kopf anschwellen würde.
Da stand er nun in der Hocke direkt vor mir und betrachtete fasziniert die Axt, die er in der Hand hielt.
Trotz dass ich keine Schwäche zeige wollte, wimmerte ich dabei auf, als mir Horrorszenarien in den Kopf stiegen, was er denn alles damit anstellen könnte.
Sein belustigen Blick huschte im nächsten Moment zu mir rüber und dieser war alles andere als angenehm. Ein Schauder lief mir den Rücken entlang.
Sekunden lang schwieg er, lauschte meinem angestrengten Atem als wäre es die schönste Melodie die er zu hören bekommen hatte, ehe er mir langsam die Strähnen aus dem Gesicht wischte und mich stumm betrachte.
Ich zuckte so stark zusammen als seine Hand meine Haare berührten, dass ein erheitertes Lachen aus seiner Kehle ertönte, welches mich erneut aus der Bahn warf. Wie konnte es ihm gefallen... wie konnte er solch eine Freude dabei empfinden ?
Augenblicklich erstarb sein Lächeln und seine Augen richteten sich viel zu auffällig auf meine Lippen. Eine Gänsehaut kroch über meine schlappe Haut, doch als ich die Feuchtigkeit an meiner Unterlippe nun selbst bemerkte, verstand ich was seine Aufmerksamkeit angezogen hatte. Meine Krusten, die sich an meiner Lippe gebildet hatte, musste durch den Aufprall aufgegangen sein und die Wunde wieder zu bluten begonnen haben.
Als wollte er meine Gedanken bestätigen, streckte er seine freie Hand in der er die Axt nicht hielt aus und strich mir sanft über die Unterlippe. Dies hätte eine liebevolle Geste darstellen können, wenn ich die Augen geschlossen und mich lediglich auf diese geschmeidige Bewegung konzentriert hätte, doch das war es nicht...
Das konnte es nicht sein, sprach ich mir alarmierend zu, indes er die Hände wieder wegnahm und seine nun blutverschmierten Finger betrachtete.
Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren, als ich den Zynismus in seinem Gesicht ausfindig machen konnte und dabei unmittelbar an den Moment denken musste, als ich den Deal mit ihm eingegangen war und als ich mich vor ihm an den Boxsack gestellt hatte. Auch dort hatte er mich mit dem Messer gestreift und anschließend hatte er sich seine Finger abgeleckt an dem mein Blut geklebt hatte.
Ich hatte geschwiegen, hatte dieses krankhafte Verhalten schweigend hingenommen nur damit er diesen Deal mit mir einging und mich und meine Familie in Ruhe ließ. Was hatte ich nun davon ? Nichts...
Erneut stiegen mir Tränen der Scham und der Wut in die Augen bei dem Gedanken daran wie hilflos und voller Angst ich mich in dem Bett des Hotelzimmers hin und her gewindet hatte, er sich auf mich gesetzt und mein Kleid zerrissen hatte, ehe er einen kompletten Blick auf mein Tattoo gewährt bekam.
Mein Tattoo war etwas sehr intimes für mich. Er hatte sich einfach dieses Recht genommen, hatte ohne jeglichen Anstand, jegliche Moral sauf mich gestürzt. Er hatte mich gedemütigt. Ich war vollkommen wehrlos...
Dieses Gefühl zu empfinden, dass einem die Hände gebunden waren. Das war einfach nur schrecklich.
Wütend darüber, dass er all das in mir hervorgerufen, meine Schwächen schamlos ausgelegt und sich nicht an das hielt was er versprochen hatte, obwohl ich meinen Teil geltend gemacht hatte, all das fügte sich zu einer gewaltigen Masse zusammen, als ich dieses Grinsen in seinem Gesicht ausmachen konnte, das pure Belustigung darlegte.
Diese Situation ließ sich unter vielen Gesichtspunkten verschiedenen Begriffen zuteilen. aber lustig gehörte eindeutig nicht dazu. Angespornt davon, hustete ich einige Mal, ehe ich mit ganzer Anstrengung hervorbrachte:
«Macht dich das geil, huh ? All dieses Blut, all dieses Leid ?» Ich presste meine Lippen aufeinander und atmete tief durch die Nase ein und aus.
Durch meine Stimme von der Attraktion auf seinen Händen abgelenkt, blickte er nun wieder auf mich nieder, ließ aber keinen meiner Worte auch nur ansatzweise an sich heran. Ganz im Gegenteil, sein Grinsen wurde nur noch breiter und als wollte er mich zusätzlich quälen beugte er dieses dichter zu mir runter.
«Oh ja... dein Blut macht mich sogar sehr geil.» Plötzlich hob er erneut die Axt in seiner Hand in die Höhe und murmelte unter fast geschlossenen Lidern.
«Ich kann dir aber zeigen, was mir den ultimativen Höhepunkt bescherrt.»
Er warf mir ein verschmitztes Grinsen zu, das kaum anziehend wirken sollte, sondern eher einschüchternd gar bösartig. Mein Gesichtsausdruck musste meine Angst aufgezeigt haben, denn er machte einen zufriedenen Eindruck, als er mit der Hand über die Spitze der Akt fuhr.
«Bist du neugierig, darauf was dich erwarten könnte ?», flüsterte er jetzt so leise, dass man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Als ich ihn mit wild rasendem Herzen unter halb geschlossenen Lidern anblickte, zu schwach, zu erschöpft und ausgelaugt, schämte ich mich. Ich hätte mich wehren müssen, ich hätte weiter machen müssen, aber ich konnte mich nicht rühren. mein ganzer Körper stand unter Strom. Meine Gliedmaßen schmerzten und schweiß tropfte rasant an meiner Stirn herab.
Als hätte ich ihm genau das bestätigt was er von mir dachte, erhob er sich prompt und machte quälend langsame Schritte nach hinten, seine Augen dabei auf meine zusammengekauerte Statur auf dem Boden festgenagelt.
Ich konnte meine Augen noch kaum offen halten und spürte wie die Erschöpfung meinen kompletten Körper zum Ausschalten lahmlegte, bis er die Stille durchbrach.
«Steh auf !», befahl er kalt und keine Widerrede duldend.
Ich kann nicht... ich schaffe es nicht...
Mit verschwommenen Blick und nach Luft japsend blicke ich auf meine Hände, die sich in das Holz unter mir festgehackt haben und vor Anstrengung zu Zittern begannen.
Ich kann es einfach nicht.
«Aufstehen habe ich gesagt !», polterte er erneut und dieses Mal ist seine Stimme so laut, sodass ich zusammenfuhr. Mit Mühe drehte ich meinen Kopf in seine Richtung, aber sein darauf folgender Blick traf mich unerwartet. Gebieterisch hat er die Hände hinter sich verschränkt, während er wie ein Soldat aufrecht vor mir stand und mir all seinen Hass und seine Abneigung mit jeder Faser seines Körpers zu übertragen bestrebt.
Abschaum. Ich bin für ihn der reinste Abschaum und das versucht er auch gar nicht zu verbergen. Ganz im Gegenteil, er möchte das ich sehe, was er von mir hält.
Überwältigt von dieser negativen Energie, versammelten sich meine inneren Dämonen um mich herum und beobachteten mich gierig.
Was habe ich dir angetan ? dachte ich mir.
Verdammt, was habe ich gemacht, dass ich so einen Hass solch eine Erniedrigung verdiente ?
«Du bist schwach...», gab er hart von sich und ich war mir sicher, dass er meinen inneren Kampf bemerkt und aus diesem Grund diese Worte ausgesprochen hatte. Er wollte mir Salz in die Wunde streuen.
«Und du bist erbärmlich, Alington Mädchen... So erbärmlich.»
Ich erwiderte seinen Blick. Diese Worte galten mir, also wollte ich auch, dass er mir dabei direkt ins Gesicht schaute. Ich würde nicht wegsehen.
«Ihr Alingtons prahlt doch so sehr mit eurer Macht, mit eurem Mut, eurem Kampfgeist. Alles nur Fassade. Schau dich doch Mal an... du bist schwach.»
Ich presste die Lippen aufeinander um ein Schluchzen zu unterdrücken.
Du bist schwach...
Schwach bist du...
Die Stimme spukte ununterbrochen in meinem Kopf herum, hänselte mich und drückte mich tiefer in den Abgrund, als ich mich schon befand.
Er hat recht, sagen die Stimmen in meinem Kopf. Du wirst es nicht schaffen. Du bist nicht stark genug Amalia Alington.
Die Dunkelheit, die mich eingenommen hatte, benebelte zunehmend meine Sicht. Anstatt mich zu wehren, dagegen anzukämpfen, ließ ich es zu. Ich gab mich dem bedingungslos hin...
Du bist schwach...
Und in dem Moment als ich spürte, wie Schwärze mich komplett einzunehmen drohte, genau da hörte ich eine Stimme die in Gedanken zu mir sprach.
Elias.
Meine Herz flatterte, meine Liebe zu meinem Bruder bannte sich einen Weg durch die Dunkelheit bis ich an eine Erinnerung stieß, die ich bis dato vollkommen vergessen hatte.
Mit verschränkten Armen und saß ich auf der Schaukel. Wenn Elias jetzt hier wäre, könnte er mir schupsen, dachte ich und blickte auf meine winzigen Füße nieder. Dann rieb ich mir über meine geröteten Augen und schniefte.
Ihn konnte ich nicht zu mir rufen. Er war bestimmt auch mit Raúl und seinen Schulfreunden verstecken spielen. Nur ich durfte nicht mitspielen, weil ich ein Mädchen war.
Ich war so traurig darüber, dass ich in den Garten gegangen war um zu schaukeln. Denn wenn Mama mich gesehen hätte, hätte sie mit Raúl geschimpft und der Arzt hatte erst letzte Woche gesagt, dass sie wegen ihres Babybauchs im Bett bleiben musste.
«Schoki... was machst du denn alleine hier ?» Versunken in meine eigenen Gedanken, hatte ich nicht einmal mitbekommen, dass sich jemand neben mich auf die zweite Schaukel gesetzt hatte. Erschrocken fuhr ich zusammen, beruhigte mich aber wieder als ich meinen Kosenamen hörte. So nannte mich nur Hermano.
Ich blickte auf meine zappelnden Füße nieder und vermeide seinen Blick. Ich wollte nicht, dass er sah, dass ich geweint hatte. Schließlich war ich neun und schon ein großes Mädchen. Große Mädchen weinen nicht. Also zuckte ich nur mit den Schultern und hoffte, dass ihm dies als Antwort reichte.
Es blieb einige Sekunden lang still, ehe ich ein Seufzen meines Bruder dicht neben mir wahrnahm.
«Schoki...du muss ehrlich zu mir sein. Was habe ich dir immer beigebracht ?»
«Lügner... Lüger sind böse Menschen», sagte ich schniefend und mit gedämpfter Stimme, ehe ich mich traute meinem Bruder doch noch ins Gesicht zu sehen.
Er lächelte mir ermutigend zu und der Knoten in meiner Brust löste sich bei seinem freundlichen Anblick allmählich auf.
«Genau so ist es», teilte er mir nickend mit.
ich wippte mit meinen Beinen vorne und zurück, versuchte einen ordentlichen Gedanken zu fassen und war froh darüber, dass Hermano mich dabei nicht bedrängte. Das tat er nie, immer war er verständnisvoll.
«Raúl hat Jungs aus seiner Klasse eingeladen. Als sie verstecken spielen wollten, habe ich gefragt, ob ich mitspielen darf, aber die Jungs haben gesagt Mädchen dürfen nicht spielen, weil Mädchen nicht mutig sind und... und zu schwach», sagte ich und wurde wieder wütend, als ich mir die Worte der Jungs verinnerlichte.
«Als ich meinte, ich bin mutig haben sie mich ausgelacht und haben gesagt, ich könne nur mutig sein, wenn sie unter meinen Rock schauen dürften.»
Ich schaute Elias mit verschrecktem Blick an, denn ich wollte nicht, dass er die Meinung der uns teilte.
«Ich... ich habe mich nicht getraut. Niemand darf sich meine Unterhose anschauen», stammelte ich und verschränkte beleidigt die Arme.
Elias, der die ganze Zeit über still dagesessen hatte, bedeutete mir im nächsten Augenblick mit einem Handzeichen aufzustehen. Dann fasste er mich so leicht an den Unterarmen und setze mich auf seinen Schoß, dass ich erschrocken nach Luft schnappte.
Er strich mir behutsam die Haare aus dem Gesicht und eine kleine Falte hatte sich plötzlich auf seiner olivfarbenen Haut gebildet. Mit meinen kleinen Fingern versuchte ich sie zu glätten, was ihn dazu verleitet spielerisch meine Finger zu vernaschen. Ich kicherte und entzog sie schnell aus seinem Griff.
«Warum bist du nicht zu mir gekommen ? Niemand darf meiner Schwester solch ein unmoralisches Angebot machen. Diesen Jungs hätte ich die Ohren lang gezogen und bei Raúl brauche ich erst gar nicht erst anzufangen. Diesen Zwerg hätte ich zertrampelt... du bist seine Schwester.»
«Das geht nicht Hermano... du kannst mir nicht immer helfen. Und die Jungs haben recht... ich bin schwach.»
«Schhh... das möchte ich nicht hören. Nie wieder hörst du ? Du bist eine Alington, Du bist Amalia Layana Alington. Abgesehen von deinem Namen bist du so viel mehr. Du bist meine Schwester, du bist die Tochter unserer Mutter und du trägst ihren Namen. Frauen Amalia... wurden über die Jahrhunderte hinweg sehr unfair behandelt und heutzutage ist das nicht anders. Die Gesellschaft erwartet, hält von euch nichts und genau das kann zu eurer stärksten Waffe werden. Überrasche sie ! Beweise dich ! Wenn sie nichts von dir halten, hast du sowieso nichts zu verlieren. Aber wenn du dich wehrst, wenn du dein so reines Herz öffnest, den mutigen Kämpfer, der in die schlummert rauslässt, dann kann dich niemand aufhalten. Dann kannst du alles schaffen !»
«W-wirklich. So... so wie die Helden in den Filmen ?», fragte ich mit großen Augen, was ihn zum Schmunzeln brachte und er mir einen leichten Kuss auf die Stirn hauchte.
«Ja so wie die Superhelden... Dann bist du wonderwoman.»
Ein Lächeln bannte sich in mir auf. Hermano hatte recht !
«Ah...», sagte er hinter mich blickend und ein teuflisches Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht.
«Wenn man vom Teufel spricht.»
Ich drehte mich um und sah, wie selbstsicher Raúl von der Hintertür in den Garten angelaufen kam. Er hatte jetzt zum ersten Mal Freunde mit nach Hause gebracht und hatte die ganze Woche mit nichts anderem angegeben, als dass er 2 cm gewachsen war. Als Raúl sich auf die andere Schaukel setzen wollte, verkündete Elias laut:
«Amalia hat dir etwas zu sagen Raúl.» Hermano richtet mir ermutigend zunickend seine Augen wieder auf mich. Raúl, der sich auf seine Schaukel setzte, bedachte mich mit skeptischem Blick. Mein Hals war trocken, meine Hände aber dafür viel zu nass.
Du bist mutig ! Du bist nicht schwach Amalia ! Du bist so stark, wie Mama und Elias !
«Ich... ich mö-... nein, ich meine ich werde beim nächsten Mal mit euch mitspielen. Du darfst mich nicht ausgrenzen, Raúl.»
Raúl antwortet mir, indem er mir böse die Zunge rausstreckte.
«Nö», gab er bockig von sich.
«Mädchen dürfen nicht mitspielen! Mädchen sind doof !»
«Ich bin nicht doof», setzte ich mich zur Wehr, doch da mischte sich auch schon Elias ein.
«Raúl so spricht man nicht über junge Mädchen. Du wirst dich irgendwann auch Mal mit Mädchen anfreunden, mit ihnen spielen, Händchen halten... sie sogar küssen, so wie Mama dir immer einen Kuss auf den Mund gibt.»
Raúl wurde augenblicklich kreidebleich. Fassungslos und verschreckt blickte er hermabo an, als würde er mit diesem Gedanken nicht klar kommen und müsste ihn so schnell wie möglich wieder los werden.
«K-küssen... Ighhhhhh bähhh. Nein nein nein, das werde ich niemals tun», kreischte er.
Elias, der Raúl mit einem provozierenden Blick bedachte, wusste ganz genau, was er damit auslöste. Schreiend sprang Raúl von der Schaukel und rannte durch den Garten Richtung Küchentür, sodass hermano und ich erahnten, was jeden Moment kommen würde.
«Mamá... mamá», schrie er und verschwand in der Küche, was uns in ein schallendes Gelächter versetzte.
Elias, der sich nicht vor Lachen einkriegte, hielt sich nur sehr schwer an den Metalketten der Schaukel fest. Währenddessen nahm mir diesen Moment um ihn zu beobachten. Er hatte nun genau wie Papa auf der Wange Haare bekomme, die mih am Anfang verschreckt hatten, weil er wie ein Wolf wirkte, aber Mama meinte, dass das für einen 18 Jährigem normal wäre. Auch ich hatte mich an dem Umstand gewöhnt und hatte bemerkt, dass ihn seitdem noch mehr Mädchen hinterher schauten als zuvor.
Letzte Woche hatte Elias sogar zum ersten Mal seine Freundin zum Abendessen mit nach Hause gebracht. Clara hieß sie und ich mochte sie. Aber als ich sah wie er seine Lippen auf ihre drückte, war ich empört aufgestanden und ins Zimmer gestürmt, nicht zuletzt mit einem finsteren Blick auf Clara werfend.
Seit ich mich erinnern konnte, hatte hermano immer mir einen Kuss gegeben. Uch war das einzige Mädchen...
Und jetzt mit einem Blick auf ihn wusste ich, dass ich das immer noch war. Er war mir zwar nach dem Vorfall ins Zimmer gefolgt und mich getröstet, aber jetzt wusste ich, dass er seine Worte ernst meinte.
Ich war seine kleine Schokoladenprinzessin. Und nichts auf dieser Welt könnte das jemals ändern.
Tränen schossen mir in die Augen, als ich schlagartig von dieser Erinnerung heimgesucht wurde. Ich hatte sie beinahe vergessen...
Die Liebe, die Geborgenheit, das Vertrauen das Elias für mich übrig hatte, trafen mich so hart, dass ich fast ein Schluchzen losgeworden wäre.
Denn jetzt fragte ich mich unmittelbar, was mit meiner Familie war. Waren sie auf mein Verschwinden aufmerksam geworden ? Suchten sie schon in ganz London mir ? Und war die Polizei eingeschaltet worden ?
Mein Herz zog sich zusammen bei dem Gedanken wie viel Kummer ich ihnen in diesem Moment bereiten musste.
Es tut mir leid... es tut mir so leid... Niedergeschlagen kam mein Kopf mit den dreckigen Dielen unter mir in Berührung.
Schwach... zu schwach...
Ein boshaftes Lachen ertönte über mir, verhöhnte mich und das war der entscheidene Moment, der mich anstachelte.
Ich bin mutig, ich bin stark ! sprach ich mir zu.
Das bin ich, das bin ich...
Energie aus diesen Gedanken schöpfend und dabei immer wieder Elias Worte in meinem Kopf wiederholend, krallte ich meine Hände unnachgiebig in das Holz unter mir ein, sodass einzelne Fingernägel zerbrachen und meine Haut unter den Nägeln von der Wucht aufkratzten. Der beißende Schmerz war mir ausnahmsweise willkommen, denn dies brachte mich noch weiter dazu mich nur auf meinen schnell verlaufenden Atem und auf meine Bewegungen zu konzentrieren.
Ich stützte mich mit aller Kraft ab, kam langsam und mit wackeligen Beinen oben an, wobei ich kurzzeitig drohte erneut wie ein Dominostein runter zu fallen. Im letzten Moment schaffte ich es aber gerade noch so stehen zu bleiben, auch wenn meine Haltung dem schiefen Turm von Pisa gleich kam.
Seinen kalten Blick auf mir spüren wusste ich, dass das Lächeln auf seinem Gesicht verschwunden war.
Überrasche sie ! Beweise dich ! Wenn sie nichts von dir halten, hast du sowieso nichts zu verlieren. Aber wenn du dich wehrst, wenn du dein so reines Herz öffnest, den mutigen Kämpfer, der in die schlummert rauslässt, dann kann dich niemand aufhalten. Dann kannst du alles schaffen.
Elias Worte erklingen wie eine Hymne in meinem Kopf.
Damit hatte er nicht gerechnet ! Und es missfiel ihm, dass ich ihm auch jetzt die Stirn bot.
Langsam, obwohl jedes Glied, jeder Muskel an meinem Körper so qualvoll schmerzte, drehte ich den Kopf langsam in seine Richtung.
«Ich bin nicht schwach...», brachte ich keuschend heraus, aber ich sprach sie aus und ich wusste, dass mein gegenüber jedes einzelne Wort verstanden hatte, auch wenn seine Miene steinhart wirkte.
Dann setzte ich die ersten Schritte nach vorne und auch wenn meine Schulter in einem merkwürdigen Winkel stand und die klaffende Wunde an meinem Fuß brannte, wollte ich jetzt erst recht keine Schwäche zeigen.
Ich wusste nicht wohin ich lief, aber ich wollte einfach nur so viel Abstand wie nur möglich zwischen uns bringen.
Es war mucksmäuschenstill und als plötzlich genauso langsame Fußschritte neben mir ertönten, da war ich mir bewusst darüber, dass er mir auf Schritt und Tritt folgte wie, als wäre er ein Kavalier und würde mit mir einen Spaziergang vollführen. Pah, das ich nicht lache.
Die Stille, die anhielt und die Gleichmäßigkeit die unsere Schritte einnahmen, setzte die zuvor gewonnene Selbstsicherheit allmählich ab. Dass er nicht sagte... ich konnte zwar nicht erklären , warum aber jedes Mal wenn er diese Tour der Stille anschlug, folgten immer viel zu skrupellose Taten daraufhin. Mein Magen hatte in diesen Momenten zu rebellieren begonnen und jetzt war es auch nicht anders.
Ich sollte auf meine innere Stimme hören, ertönten die Alarmsirenen in meinen Kopf doch es war bereits zu spät. Bevor ich verstand was los war, schellte seine Hand so urplötzlich nach vorne und schubste mich so unsanft und hart mit Hand auf dem Rücken, dass ich fiel und... plötzlich mit dem Gesicht an die Kante der Badewanne vor mir knallte.
Flüssigkeit strömte aus meiner Nase und ein tiefer Schmerzensschrei entglitt meiner Kehle als ich einen dumpfes Trommeln mit dem Aufkommen meines Kopfes an das harte Gerüst vernahm.
Blut...
Verschwommen nahm ich überall Blut wahr, obwohl meine Welt hin und her schwankte. Die Bilder um mich herum wurden zunächst scharf, dann wieder zu einer undichten Masse. Nur schwer hielt ich mich mit dem Armen am Becken fest, denn ich wusste, wenn ich jetzt loslassen würde, würde ich das Gleichgewicht verlieren.
Ich war kurz davor, so nah... würde ich sterben ?, fragte ich mich, als diese Qual nicht nachließ. Würde ich meine Familie je wieder sehen?
Schlimmer als der Schmerz war das Kreischen meiner Seele das durch diese Gedanken in einem Blutbad ertrank.
Meine Familie...
Jon, Sanjana...
Würden sie je meine Leiche zu Gesicht bekommen ? Wollte ich das denn überhaupt ?, dachte ich, während das Blut nicht aufhörte auf die Kante des Beckens zu tropfen, ehe es sich in der großen Wanne ausbreitete.
Plötzlich legte sich ein Schatten über mich und ich brauchte nicht hochzuschauen, um zu erraten, wer nun neben mir an der Kante Platz genommen hatte und mich stumm betrachtete.
Das hatte er mit Absicht getan. Er hatte gewusst, dass ich mich mit diesem Sturz an der Badewanne verletzen würde.
Mein Hass wuchs mit jeden Atemzug den ich noch vollbringen konnte und plötzlich wollte ich die Welt nicht auf diese Weise verlassen. Nicht wenn ich wusste, dass ich ihm damit eine reife Show abliefern würde.
«Du wirst es nicht schaffen... Du wirst mich meiner Familie nicht entrinnen. Sie werden nach mir suchen, in jedem Haus, in jeder Ecke in ganz London», sagte ich und blickte ihm ins Gesicht der nun im dämmrigen Licht im Schatten gehüllt war, der mich erschaudern ließ. Seine Augen waren wie ein wachsames und gerissenes Tier auf mich gerichtet und sein abschätzige Grinsen spiegelte einen hungrige Ausdruck wider, wie als wäre ich das rohe Fleisch das er gleich in Stücke zerreißen und im Anschluss verspeisen würde.
«Wer sagt denn, dass wir gerade in London sind ?»
Irritiert über diese Aussage, sowie die Ernsthaftigkeit die darin mitschwang verzog ich das Gesicht.
«W-wa...»
Doch dann fiel mir der Moment ein, als er im Hotelzimmer von Silvana verlangt hatte Pässe zu organisieren.
Ich hatte Angst meine nächste Frage zu stellen und doch tat ich es:
«W-wo sind wir ? W- wie... wie lange war ich bewusstlos ?»
«Willkommen an dem Ort wo alles begann. Bienvendios a Colombia!», verkündete er und streckte die Arme aus, aber meine Bestürzung entging ihm dabei keineswegs.
Unerwartet meinerseits aber bewusst seinerseits hatte er mich aufgewühlt, sodass ich jegliche Kontrolle, jeglichen Plan, jeglichen Kampfgeist über Bord warf. Wie durchgedrehte Geister lauerten seine Worte um mich rum, spielten mit meiner Angst, erdolchten meinen Mut und zerschnitten den Faden meiner Geduld.
Das bedeutete, dass ich länger als einen Tag geschlafen haben musste, denn Kolumbien war nicht gerade um die Ecke. Die Spritze!, dachte ich mir. Was war in der Spritze drin, dass es diese Macht über mich besessen hatte, mich solange auszuschalten.
Ungläubig presste ich die Hand auf dem Mund nur um auszuzischen und mir diese zu entziehen. Meine Lippen taten bereits bei der leisesten Berührung weh und an meinen Händen klebte urplötzlich eine Handvoll Blut... Überall Blut, nur Blut...
Ich drehe durch ! Ich werde durchdrehen !
«Damit wirst du nicht durchkommen. Mein Vater... wird für Gerechtigkeit sorgen !», zischte ich die Worte, ehe ich endgültig an der Badewanne zusammenklappte und jeden Moment damit rechnete das Bewusstsein zu verlieren.
Was darauf erfolgte verlief fiel zu schnell. Auf meine Aussage hinweg, hallte ein fürchterliches Knurren an den Wänden wider, gefolgt von einem wütenden Iván, der aufstand vor meinem Kopf die Axt anhob und mich dazu verleitete die Augen zu schließen.
Er würde mich enthaupten... Oh lieber Gott, bitte, bitte lass es schnell vorbei sein.
Entgegen meinen Erwartungen fühlte ich aber nichts. Denn wie ich nun feststellen musste, hatte Iván mit der Axt nicht auf mein Kopf gezielt, sondern er hatte das Ventil vor mir an der Wand im Auge auf das er einige Mal einschlug und aus dem so plötzlich Wasser herausströmte, dass die Wanne in wenigen Sekunden voll war.
Irritiert murmelte ich vor mich hin.
«Was zum...», aber da zerrte Iván auch schon an meinen Haare und drückte mich mit dem Gesicht ins Wasser. Ich hatte keine Gelegenheit nochmal nach Atem zu schnappen. Das nächste Mal als ich die Augen aufriss, befand ich mich unter Wasser, wobei mein Blick von meinen Haaren betrübt wurde.
Ich zappelte, schlug mit den Armen am Rand der Badewanne um mich zu erheben, aber Iván was so stark, dass ich mich nicht von der Stelle rühren konnte.
Ich muss atmen, verdammt ich brauche Luft ! schrie ich innerlich und stand kurz davor den Mund unter Wasser zu öffnen, als ich auch schon wieder nach oben gezogen und absichtlich erneut gegen die Kante gestoßen wurde.
Ich hustete, drückte mir die Faust gegen die Brust und schnappte so laut nach Atem, dass es das einzige Geräusch weit und breit war, das auch unmittelbar in den anderen Räumen wahrgenommen werden konnte.
Viel Zeit blieb mir nicht mich zu sammeln, denn auch Iván war nun genau vor mir in die Hocke gegangen, indes er meinen Kinn aggressiv fasste und diese so nah an sein Gesicht führte, dass ich die angespannten Züge hautnah erkennen konnte.
«Ich überlasse dir die Wahl. Du kannst jetzt, genau in diesem Moment sterben wenn du möchtest. Komm schon, bettel mich an, flehe, dass ich es tun soll... und du bist frei...»
Seine Miene war undurchdringlich und nichts außer Verachtung blinzelte mir in seinem Blick entgegen.
«Komm schon...», flüsterte er dieses Mal und näherte sich meinen Lippen, die durch den Druck den seine Hand auf meinem Kinn ausübte noch weiter aufplatze und diese mit roter Flüssigkeit bedeckte.
Ich hatte keine Kraft mehr, ich konnte nicht mehr und das wusste er. Meine Blessuren schwollen an, meine Welt drehte sich ununterbrochen und es war nur eine Frage der Zeit bis ich das Bewusstsein verlor.
Doch im selben Moment erfasste mich auch ein anderer Gedanke.
Er hatte mich mitgekommen, weil er mich, als er dieses Tattoo entdeckt hatte, als sein Eigentum ansah. Die Gewalt, der Tod... er wollte selbst darüber bestimmen, wie jetzt auch. Damit tat er mir keinen gefallen. Er wollte mich nicht von den Qualen erlösen... Es ging um seine Selbstsucht, um seine ultimative Macht mir gegenüber.
Während ich mich immer weiter von diesen Gedanken ernährte, saugte ich unauffällig das Blut an meinen Lippen auf, bis ich geladen von meiner Abscheu ihm gegenüber den Mund öffnete und ihn anspuckte.
Mein Blut spritze auf sein komplettes Gesicht wie rote Farbe ab.
«Du stehst doch so sehr auf mein Blut, hier schenke ich dir. Ich würde mich eher selbst erdrosseln, als dir meinen Tod zu überlassen. Merke dir eins Iván... ich.bin.nicht.dein.Eigentum. Niemals.»
Und das Letzte was ich sah, war das Feuer in Iváns Augen und mein Blut das an ihm klebte, ehe ich mit dem Oberkörper erneut mit voller Wucht im Wasser landete und mir dieses Mal absolut sicher war, dass ich nicht mehr lebend an die Wasseroberfläche gelangen würde.
Nicht, nachdem ich das Feuer der Hölle in seinen Augen entdeckt hatte.
Iván und kochen 😏 Also ich weiß ja nicht wie ihr das Ganze seht, aber ich finde Männer, die kochen können heiß 🔥
Außerdem, was denkt ihr eigentlich welchen Beruf Iván vor der ganzen Vergeltungssache gehabt hatte ?
Vielleicht war er 5-Sterne Koch, was meint ihr ? 😜
Eine kleine Warnung möchte ich ebenfalls aussprechen. Ich habe für die nächsten 9 Kapiteln einige Szenen im Kopf, die ich auch gerne einbauen möchte. Iván ist in seinem Milieu vertreten 😏 und da unser lieber Killer einige Vorlieben hat, möchte ich anmerken, dass es brutal und sexuell sehr aggressiv hergehen wird. Ich werde schauen, wie detailliert ich einige Szenen ausarbeiten möchte. Wundert euch aber nicht, wenn ich bei einigen Kapiteln +16 angebe. Es ist jedem selbst überlassen, ob er oder sie das lesen möchte. Dafür nehme ich keine Verantwortung auf mich.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top