◆2| S t u d e n t◆
In Zeiten da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind, ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt
|George Orwell|
Eine unausgesprochene Anspannung füllte die Atmosphäre, unterstrichen durch die umherwirbelnden teuren Düfte der einzelnen Familienmitglieder, die mit mir nun im Esssaal am großen Tisch Platz genommen hatten und vornehm darauf warteten, dass die Bediensteten uns das Dessert, nach dem Hauptgang, dem Gaspacho und den gebratenen Garnelen, servierten. Bis die Teller jedes einzelnen nicht gefüllt waren, durfte nämlich keiner mit dem Mahl beginnen, so lautete einer der strickten Regeln von Papá. Alle zusammen und keine Sekunde eher, hatte er gepflegt uns seit unserer Kindheit immerzu auf unsere Tischmanieren aufmerksam zu machen, doch auch das schaffte es nicht mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Während ich mich an meinem Stuhl nach hinten sinken ließ und meinem Atem lauschte, der sich allmählich regeneriert hatte, wollte weder meine eingenommene angespannte Positur von mir lassen, noch meine verspannten Gesichtszüge erweichen. Ein Blick zu Papá ganz am anderen Ende des Tisches bestärkte meine Haltung, sodass ich einen Augenblick lang, weder das sanfte, aber doch recht ungeduldige Tippen an meinem Bein spürte, welches offensichtlich von Delilah stammte, die sich wie immer am Tisch neben mich gesetzt hatte, noch mich vom mahnenden Blick einschüchtern ließ, der von Elias auf der anderen gegenüberliegende Seite des Tisches auf mich gerichtet war und soviel zu bedeuten hatte wie: Lass es gut sein Amalia. Einen schlafenden Wolf solltest du lieber nicht wecken.
Da mir durchaus bewusst war, dass sobald Elias kupferfarbigen Augen mit meinen kollidieren, ich wieder schwach werden und all meine strickten Vorsätze über Bord werfen würde, zwang ich mich nicht Mal ansatzweise in seine Richtung rüberzublicken, trotz, dass mir seine Körperhaltung aus dem Augenwinkel mehr als kenntlich machte, dass ihm mein Ignorieren seiner Wenigkeit ganz und gar nicht zu gefallen schien.
Das würde ich später klären, dachte ich mir. Denn so wie ich Elias kannte, konnte er mir gegenüber nie lange den beleidigten großen Bruder vorspielen. Außerdem wusste ich natürlich auch, dass er dies alles nur deshalb tat, um mich zu beschützen. Denn schon von klein auf, seit ich mich erinnern konnte, hatte er immerzu für die Fehler von Raúl gerade gestanden und hatte dabei all die Strafen auf sich genommen ohne sich je zu beklagen. Mit schweren Schritten war er dabei jedes Mal mit Papá in seinem Büro verschwunden und als er wieder rauskam, hatte er geschwiegen. Bis heute hatten Raúl und ich es nicht aus ihm herausbekommen können, was hinter den harten verschlossenen Türen vonstatten gewesen war.
Das mulmige Gefühl, dass sich jedes Mal bei diesen Erinnerungen an die Vergangenheit in mir ausbreitete, wurde in dem Moment verjagt, als Papá am Tischende endlich meinen Blick erwiderte. Wie immer wirkte sein Blick klar, aber dennoch undurchdringlich. Fest, aber doch steinhart. Augenblicklich presste ich meine Lippen aufeinander, als ich an die kleine Auseinandersetzung von vor nicht einmal einer Stunde in seinem Büro zurückdachte.
Meine Augen wanderten konstant von links nach rechts, immer wieder vor und zurück, um die energischen Laufschritte Papás zu verfolgen, der sich aufgelöst mit der einen Hand an die Stirn gefasst und die andere an seinem Lackledergürtel an der Hüfte abgestemmt hatte. Nachdem ich die Bombe hatte platzen lassen, dass der vermeintliche Einbrecher sich gestern in meinem Zimmer aufgehalten, sich regelrecht vor meinem Bett positioniert hatte, hatte jeder einzelne, der mit mir Anwesenden das ganze anders aufgefasst und dementsprechend auch sehr unterschiedlich reagiert. Zuerst hatte ich das erschrockene Aufatmen von Raúl unmittelbar neben mir wahrgenommen. Der nächste, der eine Verhaltensweise zu meinem Ausgesprochenen zutage legte, war Papá gewesen, der sich gefährlich langsam erneut den Wachmännern zugewandt hatte, die hingegen bei meinen Worten noch mehr in sich zusammengesunken waren, weil sie wussten, dass ihnen eine saftige Predigt bevorstehen würde. Letztlich war es aber dann Elias gewesen, der sich von der Starre, die meine Worte verursachte, gelöst hatte, mit festen Schritten zielstrebig auf mich zugekommen war, mich vorsichtig in den Arm zu sich gezogen hatte und mich gefragt hatte, ob es mir gut ginge. In Anbetracht dessen, dass ich kerngesund vor ihm stand, war die rhetorische Frage zwar mehr als eintönig, aber nichtsdestotrotz hatte ich seine Sorge um mich geschätzt, da er selbst als neu gewordener Vater viel um die Ohren hatte.
«Das geht zu weit. Das geht eindeutig zu weit ! Dieser Kerl ist nicht nur in mein Haus eingebrochen, sondern er war auch noch im Zimmer meiner Tochter und hätte sonst was mit ihr anstellen können», schrie Papá aufgebracht und richtete wutentbrannt den Zeigefinger auf die beiden Männer, die in ihren makellosen Anzügen stehend, den Blick gesenkt hatten. Ich hingegen war nur auf die deutlich durch den Zorn von Papá herausragende Ader an seiner Schläfe fixiert, die in einem schnellen Rhythmus vor sich hin pochte.
«Das habt ihr zu verantworten. Ihr alle, habt ihr das verstanden ? Ich bezahle euch nicht fürs Nichtstun. Und jetzt verschwindet, das werden wir später klären.»
Als die Männer keine Einwende erhebend mit bedächtigen Schritten den Raum verlassen hatten und Papá, dem Bodyguard vor der Tür mit einem strengen Blick deutlich zu verstehen gab, dass dieser, die Tür hinter sich zu schließen hatte, kehrte wieder Stille im Raum ein. Einzig und allein nur noch wir Familienmitglieder waren in seinem Büro anwesend.
Nach einigen verstrichenen Sekunden, in denen Papá tief durchatmete, um sich zu beruhigen und sich anschließend wieder in unsere Richtung gedreht hatte, lag zusätzlich zu seiner Wut noch etwas anderes in seinem tiefen Blick verborgen. Entschlossenheit. In der Mitte, zwischen meinen großen Brüdern und direkt gegenüber von Papás Pult stehend, deren Blick geradewegs auf mich gerichtet war, fühlte ich mich eingekapselter denn je in diesem überaus großen Büro. Ich schluckte hart und wartete nervös darauf, was Papá als Nächstes zu sagen hatte.
«Ab sofort wirst du nicht mehr ohne Begleitung das Haus verlassen. Willst du einkaufen, dich mit deinen Freunden treffen, auch nur kurz im Garten spazieren gehen ? Dann werde ich ab sofort als Erster darüber informiert werden und teile dir daraufhin einer der Männer zu, der dich begleitet und in deiner Nähe bleibt. Außerdem wird dich ab morgen einer meiner privaten Chauffeure zur Universität fahren, dich davor absetzen und dich von dort aus auch wieder abholen. Sind wir uns da einig, Fräulein ?»
Augenblicklich legte ich bei der auffordernden Stimme Papás die Stirn in Falten. Wir waren uns ganz und gar nicht einig, dachte ich mir. Wenn es eins gab worauf ich bestand, dann war das meine Autonomie. Ich hatte immerzu darauf bestanden, einen normalen Studienalltag, wie jeder andere Studierende zu führen. Ich wollte mich nicht von einem Punkt zum anderen herumkutschieren lassen und mich zudem wie ein reiches Püppchen geben. Fast jeder der Studierenden musste früh aus den Federn sein, um den Bus oder den Zug zu erwischen. Manche mussten sogar früh am Morgengrauen losfahren, weil sie von den benachbarten oder angegrenzten Städten kamen und eine stundenlange Fahrt vor sich hatten bis zu Uni. Bei diesen Gedanken musste ich unmittelbar immer wieder an die Worte von Mamá denken. Es hatte durchaus seine Vorzüge ein einfacheres Leben zu haben, wenn die nötigen Mittel gegeben waren. Aber wenn ich die andere Seite nicht sehen, nicht versuchen würde sie kennenzulernen, dann würde ich Menschen aus der anderen Schicht niemals voll und ganz verstehen können.
Denn Menschen aus ärmeren oder aus der Mittelschicht könnten sich daran gewöhnen, wenn sie vom Reichtum fallen und in ihre alten Sitze verfrachtet werden würden, aber wohlhabende Menschen würden nicht ein Tag unter Ihnen überleben können, wenn sie derselben Situation unterworfen wären. Sie kannten die andere Seite nämlich nicht und so wie ich es sah, wollten sie es auch nicht kennenlernen.
Betrübt von dieser Feststellung schüttelte ich verhemmt den Kopf und war bestärkt in meiner Entschlossenheit, dass dies auf gar keinen Fall für mich infrage kam.
«Nein Papá. Du weißt, wie ich dazu stehe. Ich nehme wie die Mehrheit der Studenten den Bus. Ich...»
«Willst du dich etwa gegen mein Wort stellen ?», unterbrach mich Papás schneidende Stimme urplötzlich und ich spürte, wie Elias neben mir abrupt meine Hand drückte und mir, weiterhin geradeaus schauend, zuflüsterte:
«Tu es nicht Amalia, widersprich ihm nicht.» Doch wie ich mich kannte würde es da keinen Halt für mich geben. Diese Charaktereigenschaft hatte ich von ihm geerbt. Und wenn zwei Sturköpfe miteinander diskutierten, dann stand es von Anbeginn fest, dass dies kein friedliches Ende nehmen würde.
Gerade als der Blickkampf zwischen Papá und mir länger anhielt, wurde ich mit einem Ruck abgelenkt, als ich unter dem Tisch spürte, wie ein Fuß bewusst gegen meins gestoßen wurde.
Elias schüttelte merklich den Kopf, als unsere Blicke sich trafen. Denn es schien, als hätte er bemerkt, was in meinem Kopf vor sich ging, sodass er mich nun auf diese Weise von meinem Vorhaben abhalten wollte. Raúl, der neben Elias sitzend, sich lässig mit der Hand am Stuhl angelehnt hatte, grinste amüsiert auf, als er das Spiel zwischen unseren Beinen unter dem gedeckten Tisch bemerkte. Denn im Gegensatz zu Elias hatte sich Raúl schon längst eingestanden, dass mich nichts davon abhalten würde meine Meinung kund zu geben. Zwar konnte man damit argumentieren, dass ich erst 19 Jahre alt war, aber niemand konnte mich in die Position eines Kindes stellen. Die letzten Stunden am Sterbebett von Mamá hatten unmittelbar die letzten Atemzüge meiner Kindheit gekennzeichnet und mit ihrem Tod hatte sich diese, wie mit den Schneiden einer Schnur endgültig von mir getrennt.
Als Delilah zurückblieb in meinen Armen, da war das letzte kindliches Lächeln aus meinen Augen komplett erloschen und ab da war ich diejenige die Verantwortung übernehmen, aus den rosaroten Tagträumereien, der heilen Welt des Kindes erwachen und erwachsen werden musste. Mit anfänglich kleinen ängstlichen Schritten musste ich von einem Tag auf den anderen, große, feste Schritte setzen. Deshalb konnte mir niemand die Rolle des jungen Teenagers zu Hause zuschreiben, denn die hatte ich schon vor Jahren abgelegt.
Mit diesen Gedanken wappnend, wie als würde ich mich auf einem Schlachtfeld befinden, streckte ich meinen Rücken am Stuhl gerade und wandte mich erneut Papá zu, um den Mund aufzumachen, als plötzlich Blanca neben ihm erschien und höflich fragte:
«Was darf es heute sein Mr. Alington. Einen Bourbon oder einen Cognac ?" Ich stoppte mich auf der Stelle, als ich das freundliche Lächeln von Blanca zu sehen bekam und atmete tief aus, ehe ich lustlos mit der Gabel in meinem Essen herumzustochern begann. Neben Blanca wollte ich mich nicht mit Papá streiten, da Blanca immer zu sagen hegte, dass wir uns Älteren gegenüber, ganz gleich, in welcher Situation auch immer respektvoll zu verhalten hatten und dass sie meine Einwende nun als Respektlosigkeit einstufen könnte, wollte ich bei ihr nicht riskieren. Mir gefiel der Gedanke nicht dem enttäuschten Blick unserer Bediensteten ausgesetzt zu sein, die wie eine zweite Mutter für uns Kinder war. Als daraufhin Papá hingegen mit:
«Nein Blanca, heute nehme ich lieber einen Gin», antwortete, hielt ich mitten in meiner Bewegung inne und mein Blick huschte ein weiteres Mal über die Gerichte bis hin zur anderen Tischseite zu meinen Brüdern.
Elias hob verwundert die Augenbrauen in die Höhe, anschließend sie sich skeptisch zu einer Linie verzogen. Selbst Raúls lässigen Kaubewegungen verlangsamten sich stetig und angespannt hielt auch er plötzlich inne. Gleichzeitig warfen wir uns im Dreieckrundgang kurze Blicke zu, denn ich war mir sicher, dass sie denselben Gedanken hatte wie ich.
Papá mochte keinen Gin. Er verachtete es.
Also musste die Situation deutlich ernster sein, als dass er es uns weiß machen wollte, wenn er denn schon selbst beim Essen nach diesem Drink griff. Was wusste er, was wir nicht wussten ? Verheimlichte er uns etwa etwas ? Bei der letzten Frage schüttelte ich den Kopf. Nein, Elias war die rechte Hand von Papá, wenn es um das Geschäftliche ging und wenn die Lage wirklich zu ernst gewesen wäre, dann hätte zumindest Elias uns letzten Endes aufgeklärt. So war es immer gewesen.
Den Blickkontakt mit den beiden unterbrechend, um ja keinen Verdacht zu schöpfen, wandte ich mich wieder meinem Essen zu und beobachtete leise im Augenwinkel Papá. Blanca, die, wie ich in dem Moment bemerkte, ebenfalls von Papàs Auswahl verwundert war, selbst sogar leicht irritiert
dreinblickte und dabei zuließ, dass ihr Lächeln einen kleinen Knick erlitt, riss sich im nächsten Augenblick wieder zusammen, setzte ein freundliches Lächeln auf und antwortete:
«Wie Sie wünschen, Sir»
Während sie sich nach hinten an die Familienreserve begab, um dort die Glasvitrine mit all den alkoholischen Getränken zu öffnen, sprach sie mit einer samtweichen Stimme ruhig aus:
«Eva, serviere bitte solange schonmal das Dessert.»
In dem Moment erhaschte ich einen kurzen Blick zur Seite und erkannte dabei, dass Eva mit dem Essenwagen leise an die Tür geschlichen war und dort fast schon unsichtbar auf ein Zeichen ihrer Mutter gewartet hatte, um sich an den Tisch zu nähern. Als Delilah mit dem Näherkommen des Speisewagens sah, was es als Nächstes zu verspeisen gab, kreischte sie spürbar erfreut auf.
«Es gibt Kuchen, es gibt Kuchen, es gibt Kuchen !»
Ich musste mir das laute Lachen verkneifen, als ich den Appetit in Delilahs kleinen Augen aufleuchten sah und wie immer fragte ich mich dabei, wie ein so zierliches Kind wie sie, so viel in den Magen bekam.
«Nicht Kuchen. Das heißt Crême Brûlée, cariña», mischte sich Raúl ebenfalls belustigt von der Haltung der Kleinen ein, doch Delilah antwortete ihm nicht, denn als nur wenige Augenblicke zuvor Eva anfing das Dessert von Papás Platz aus zu servieren begann und nun bei Delilah angekommen war, hatte diese sich sofort mit dem Löffel darauf gestürzt, woraufhin sie ihn mit vollen Mund nur noch genüsslich anlächeln konnte.
Papá, der seinen Gin an die Lippen hob, schnalzte dabei mit der Zunge und erwiderte spitz:
«So benimmt sich eine feine Lady nicht, Delilah. Sei anständig und iss bitte dein Essen ordentlich zu Ende.» Peinlich berührt und zudem traurig von Papás harschem Tonfall, sah ich zur Seite blickend, wie Delilahs anfängliche Euphorie dahinschwand und sie die Mundwinkeln heruntergezogen, langsam und teilweise lustlos ihre Kaubewegungen fortsetzte. Ihr Anblick versetzte mir einen Stich in die Magengrube und ich spürte, wie mein Herz dabei hart gegen meine Brust drückte. Gerade als ich den Mund öffnete, um ihr tröstende Worte zuzusprechen, schreckte ich bei einem lauten Klirren hoch und mein Kopf schoss geradewegs in die Richtung, aus der das Geräusch stammt. In den Moment stach mir der hochrote Kopf von Eva ins Auge, der die Haare wirr vors Gesicht gefallen waren, da sie das Besteck von Elias hatte ausversehen fallen lassen. Als sie sich bückte, um danach zu greifen, reagierte Elias zeitgleich mit ihr und als ihre Finger einen kurzen Augenblick lang in Kontakt, mit denen von Elias kamen, entzog sie diese so schnell, wie als hätte sie sich an Satan höchstpersönlich verbrannt. Elias hatte den Blick fest auf sie gerichtet, doch Eva hatte ihm bereits daraufhin den Rücken zugekehrt und ihre Hände, an die Brust gedrückt, ineinandergefalten, sodass sie einen recht bedrückten und angespannten Eindruck übermittelte. Ich runzelte die Stirn und blickte mich am Tisch um, um zu sehen, ob die anderen Anwesenden dies als genauso bizarr empfanden, wie ich es tat. Doch wie ich einige Sekunden darauf bemerken musste, hatte jeder von ihnen, nachdem sie die Quelle des Störenfrieds ausfindig gemacht hatten, sich erneut ihrem Essen beziehungsweise ihren eigenen Gedanken gewidmet. Mir nichts dabei denkend, nahm ich einen Schluck aus meinem Glas vor mir und hörte, wie Eva gefolgt von ihrer Mutter mit zügigen Schritten aus dem Saal schritt, uns einen schönen Appetit wünschten, ehe die massive Salontür zu beiden Seiten geschlossen wurde und Stille einkehrte.
Ich schluckte hart, legte mein Porzellanglas nieder und faltete meine Hände auf meinem Schoss zusammen, als ich kurz aufhustend die aufmerksam an den am Tisch sitzenden für mich beanspruchte. Papá hob nun ebenfalls den Blick von seinem Glas Gin und blickte mich fragend an.
«Ich werde morgen zur Uni fahren, Papá... aber mit dem Bus», sprach ich ruhig aus und bemerkte, wie die Luft sich augenblicklich verdüsterte, als mein Vater daraufhin, die Augenbrauen erzürnt zusammenzogen und den Kopf leicht nach vorne geneigt, mich verdrossen begutachtete.
«Ich dachte wir wären uns darüber einig gewesen, dass mein Wort deins überwiegt», sagte dieser in einem mir unbekannten Ton, den ich nicht wirklich deuten konnte. Er klang ruhig, beständig, aber in seinem Ton lag ein Hauch von Zynismus, der mir eine erschreckende Gänsehaut am ganzen Körper bescherte, sodass ich ebenfalls kleinlaut anfing:
«Pero Papá...»
«Schluss jetzt !» Die farblos goldig schimmernde Flüssigkeit im Schein des Kronleuchters schwappte über, als Papá plötzlich das Glas hart auf den Tisch schlug und uns dazu veranlasste, erschrocken über diesen plötzlichen Laut fast von unseren Stühlen aufzuspringen. Delilah ließ vor Schreck ihren Löffel fallen, mit dem sie zuvor ihre Creme Brûllée gegessen hatte und Elias brummte leise so etwas wie: Ich habe es dir doch gesagt, vor sich hin.
«Ich bestehe auf diesen Schutz, ob du es nun willst oder nicht, Amalia. Die Diskussion ist hiermit beendet und ich erdulde keine weitere Widerrede. Unter meinem Dach gelten meine Regeln.» Die Endgültigkeit, die in seiner Stimme mitschwang und die durch den strengen Blick seinerseits unterstrichen wurde, machte kenntlich, dass ich nichts mehr unternehmen konnte. Seine Entscheidung war gefallen und sie würde durchgesetzt werden.
***
«Wir werde noch zu spät kommen !", stammelte ich, als Sanjana und ich an den verschiedenen Türen der Vorlesungssäle vorbeistampften. Hektisch versuchte ich mein Gleichgewicht bei meinen zügigen Schritten beizubehalten, um bloß keiner meiner endlos schweren Bücher in der Hand fallen zu lassen, doch ein Blick auf meine Armbanduhr ließ mich immer wieder panisch nach Luft schnappen, da die Sekunden dahin strichen und wir deutlich zu spät dran waren. Und das ausgerechnet bei der Vorlesung vom Professor Vasilisa Ionescu, dachte ich verärgert und fuhr mir dabei mit der freien Hand nervös durch die Haare. Sie war einer der besten Professorinnen hier an der University of Oxford. Mit ihrer harten standhaften Disziplin und einer Haltung, die förmlich nach Autorität schrie, zog sie jeden der fast 500 Jurastudenten in ihren Bann. Sie war ein Vorbild, ein Idol auf den jeder einzelne von uns aufschaute. Jeder wollte genauso erfolgreich und bissig sein wie sie. Denn sie machte das Unmögliche in Gerichtsverhandlungen möglich und gewann selbst bei den kniffligsten Fällen.
Zudem gefiel mir die Art wie sie ihre Vorlesungen gestaltete. Manchmal stellte sie uns Fakten und Daten in Bezug auf das Strafrecht als auch über die anderen Themengebiete vor, an andere Tage hingehen, legte sie uns Fälle hin auf die wir mit Gesetzen und dem Wissen in all den Büchern zu argumentieren hatten. Sie war schonungslos und knallhart ihren Studenten gegenüber und genau deshalb respektierte man sie auch so sehr, sodass jeder regelrecht darum rang an in ihren Vorlesungen teilnehmen zu können. Denn auch da hatte Professor Ionescu eiserne Regeln, die nicht missachtet werden durften.
Zu spät kommende beispielsweise durften die Vorlesung am folgenden Tag nicht mehr besuchen. Denn sobald sie selbst den Vorlesungssaal betreten hatte, schloss sie die massiven Türen hinter sich und startete mit ihrem Programm.
Ich erinnerte mich noch klipp und klar an die ersten Worte von Papá als ich mich dazu entschlossen hatte an der Oxford zu studieren.
«Von Mrs. Ionescu wirst du noch einiges lernen können.»
Recht hatte er behalten. Sie war zu einer meiner liebsten Professorinnen geworden und wenn wir es heute nun wirklich nicht in ihre Vorlesung schaffen würden, dann würde mein sowieso schon turbulent begonnener Tag, endgültig den Bach runter gehen.
Meine beste Freundin neben mir schnaubte auf, als sie von der Seite aus zu mir blickte.
«Hör auf laut nachzudenken und zieh auch bloß nicht so ein Gesicht, Amalia. Du warst doch diejenige, die in der Cafeteria die ganze Zeit Dampf darüber abgelassen hat, dass nun die Wachmänner deines Vaters dich überallhin begleiten müssen. Wir haben dabei eben vergessen die Zeit im Auge zu behalten, na und ? Das kann doch jedem von uns passieren, dann gehen wir heute eben nicht in diese Vorlesung rein und...»
«Nein !», unterbrach ich die junge Halbinderin, die neben mir herlief und warf ihr einen warnenden Blick zu.
«Mir passiert sowas nicht. Nicht mir ! Ich werde in diese Vorlesung reingehen», sagte ich entschlossener denn je, presste meine schweren Bücher noch fester an meine Brust und beschleunigte meine Schritte.
Dass Sanjana bei meiner Aussage die Augen verdrehte, war für mich nichts Neues, doch ich ließ mich weder davon, noch von ihrer nun darauffolgende Aussage beirren.
«Du bist wirklich eine kleine Streberin und eine wahre Alington.»
Ich zuckte resigniert mit den Schultern, um ihr zu verdeutlichen, dass mir dies gleichgültig war, doch als wir kurz davor waren den Raum zu erreichen und ich den Kopf hebend, um an den anderen Studenten vorbeizuschauen, die in die entgegengesetzte Richtung an uns vorbeiliefen, erkannte, dass die massive Holztür noch sehr weit offen stand, da konnte ich nicht anders, als erfreut aufzuquicken. Fast schon die letzten Schritte zum Hörsaal hüpfend, wollte ich voller Euphorie die ersten Schritte über die Türschwelle treten, als ich fast mit jemanden zusammenstieß und somit erschrocken, als auch nach hinten taumelnd wieder zurückwich.
Das Erste was ich unmittelbar danach wahrnahm war Schwärze. Dunkel, ganz tief und dennoch voller Intensität, welches das Blut in meinem Adern zum erfrieren brachte. Fast schon hypnotisiert schaute ich hoch empor auf die große Statur des jungen Mannes, auf die ich gestoßen war und obwohl ich mich ärgern, mich beschweren sollte, ob er nicht hätte aufpassen können, klebte mein Blick ununterbrochen an seine dunklen pechschwarzen Augen. Faszinierend, überkam mich der Gedanke in dem Moment, doch ebenso schnell ließen mich diese Augen sofort aufhorchen.
Denn sie waren undefiniert. So finster, so undurchdringlich waren sie, sodass man kaum sagen konnte, was sich dahinter verbarg. Spott ? Ärger ? Freunde ? Es war rein gar nichts. Rein gar nichts war zu sehen. Ich spürte, wie mich eine Gänsehaut überkam, als ich unmittelbar dem kalten Blick dieses jungen Mannes ausgesetzt war. Der vorhandene Dreitagebart und die ausgeprägten markanten Gesichtszüge unterstützten seine hervorstechende Präsenz, ebenso die wenigen Strähnen, die nach vorne fallenden dunklen Haare, die im Einklang zu seinen Augen standen und diese somit näher in den Fokus rücken ließen.
So finster, wiederholte ich meine Gedanken und erschauderte dabei urplötzlich. Doch ehe ich näher auf dieses Gefühl, auf die Kribbeln auf meiner Haut, aufgrund des Unbekannten und seiner Einwirkung auf mich, eingehen konnte, wandte er augenblicklich den Blick völlig desinteressiert von mir ab und schritt, eine Zigarette zwischen seinen Fingern haltend, die er sich anschließend in den Mund steckte, zur Seite, ehe der ganze Rauch wie ein giftiger Abschiedsgruß auf mein Gesicht eintraf.
Nur knapp hielt ich mich zurück um nicht laut aufzuhusten, zumal ich von klein auf kleine Asthmavorfälle hatte, die im Laufe der Jahre sich weder weiter ausgeprägt, noch komplett verschwunden waren. Trotz dessen, dass es keine allzu großen Auswirkungen auf mich hatte, mochte ich es dennoch nicht, wenn man in meiner Gegenwart rauchte.
Als wir eingetreten waren und ich mir den Mund vors Gesicht hielt, um doch ein paar erstickte Laute von mir zu geben, ohne dabei allzu große Aufmerksamkeit von den bereits sich im Hörsaal an den verschiedenen Sitzplätzen positionierten oder sitzenden Studenten, auf mich zu ziehen. Nur Sekunden darauf trat Sanjana neben mich und strich mir behutsam und in gleichmäßigen Bewegungen über den Rücken. Als ich ihr, wieder einigermaßen zu Atem kommenden, wenigstens dankend zulächeln wollte, bemerkte ich, dass sie gar nicht besorgt zu mir runter blickte, wie ich angenommen hatte. Nein, sie spähte Richtung Tür und streckte ihr Kopf von der einen Seite zur anderen, damit sie ein Blick nach draußen erhaschen konnte.
«Ist das Spektakel da draußen denn wenigstens interessanter, als dass deine beste Freundin hier krepiert», gab ich mit einer kratzigen, aber dennoch vorwurfsvollen Stimme von mir, was die Brünette vor mir dazu verleitete sich zu mir zu wenden und nach meiner Tasche zu greifen, aus der sie meine Flasche herausnahm und sie mir öffnend reichte. Während ich gierig aus der Flasche trank und bemerkte, wie sich meine Atemwege wieder allmählich öffneten, hatte sie die Augen erneut hinter meinen Rücken zur Tür gerichtet.
«Wow hast du den Kerl gesehen ?», flüsterte sie mir dabei, die Augen vor Aufregung und Neugier funkelnd, zu und ich stutzte erstaunt auf, als ich die Flasche wieder senkte und in das strahlende Gesicht meiner besten Freundin blickte. Anstelle der vor noch einer halben Stunde genervten Sanjana, trat eine völlig andere an ihre Stelle. Auf ihre Frage eingehend, antwortete ich etwas schnippisch:
«Wenn du den Typen meinst, der mich angerempelt hat und der zudem fast den Grund dafür darstellte, weshalb ich hier mit meinem gleichmäßigen Atmen zu kämpfen hatte, dann ja. Ja, ich habe sehr wohl diesen Kerl gesehen.»
Sanjana überhörte bewusst meinen etwas zu zynischen und zugleich ironischen Unterton und plapperte, sich nicht aus dem Konzept bringend, unbeirrt weiter:
«Sah er nicht hinreißend aus und hast du Mal seinen Körperbau gesehen ? Da sind ja unsere männlichsten und sportlichsten Studenten hier auf dem Campus nichts im Gegensatz zu ihm.»
Dass sie ihn anschmachten würde, wenn er direkt vor uns stehen würde, darauf könnte ich all meine wertvollsten Lieblingsbücher in meinem Regal für verwetten, dachte ich und musste dabei ein leichtes Schmunzeln von mir geben. Doch als meine Gedanken dabei ebenfalls zu dem Unbekannten schweiften, verzog ich mürrisch das Gesicht. Nicht einmal dafür, dass er mich angerempelt oder mir den Rauch ins Gesicht gesprüht hatte, hatte er sich anständig entschuldigt. Die Höflichkeit in Person war er wie es den Eindruck erweckte, also anscheinend nicht.
«Gott und hast du gesehen, wie gut ihm dieser Dreitagebart stand ? Denkst du er ist ein neuer Professor ?», fragte Sanjana, begeistert und fast schon in die Luft springend, doch ich verwarf diese Idee, indem ich ihr mit einer Handbewegung kenntlich machte, dass sie falsch liegen musste.
«Nein ganz bestimmt nicht. Erstens findet um diese Uhrzeit, Mrs. Ionescus Vorlesung statt und zweitens hat er im Hörsaal geraucht. Du weißt, dass das einer der strickten Regeln an unserer Uni ist, dass man das im Hörsaal nicht machen darf...»
Nun blickte ich ebenfalls zur Tür, obwohl ich nichts als gähnende Leere erblickte.
«Er ist ein Fremder...»
«Also ein neuer Student ? Stimmt, für einen Prof wäre er ja auch noch zu jung. Wobei ein Neueinsteiger ist er glaube ich auch nicht. Er ist bestimmt über zwanzig», grübelte Sanjana und ich schüttelte nur ungläubig, darüber dass sie nun anfing Detektiv zu spielen, den Kopf.
«Man kann sich auch für höhere Semester bewerben, Sanjana. Vielleicht hat er die Universität gewechselt oder ist umgezogen», fügte ich hinzu und wollte dieses Thema so schnell wie möglich abhacken. Doch, die mir Gegenüberstehende hatte da wohl andere Pläne, denn sich auf die Unterlippe beißend, gab sie ein gepresstes Stöhnen von sich.
«Der sieht wirklich zum Anbeißen aus.»
Ich verdrehte die Augen, packte meine Wasserflasche zurück in meine Tasche, machte schon die ersten Schritte zu den Sitzplätzen, weil ich mit den schweren Büchern in der Hand nicht weiterhin vor der Tür stehen wollte und flüsterte vor mir hin, sodass auch sie meine Worte noch mitbekam.
«Ach wenn das deine lieben Eltern hören würden.»
Ein Grinsen bildete sich unmittelbar auf meinem Gesicht, was, wie ich nur zu gut wusste, meine Freundin wieder zum Brodeln bringen würde. Sanjana, war zwar ein sehr zuvorkommendes liebenswertes 20-jähriges Mädchen und was mir zudem am meisten an ihr gefiel war ihr Gerechtigkeitssinn, was meinem sehr ähnelte, jedoch war sie dennoch eine junge Dame, die manchmal hart im Verstehen war, wenn es darum ging, das zu wertschätzen was sie hatte.
Als Halbinderin, hatte sie, im Gegensatz zu vielen jungen Frauen in Indien, die Chance gehabt das Licht der Welt zu erblicken. Sie wurde nicht vom Schicksal ihres Geschlechtes geleitet und wie viele Statistiken bekannt gaben, abgetrieben oder nach der Geburt von den Eltern aufgrund der Mitgift ermordet. Zudem musste sie auch nicht in Armut leben. Sie hatte das Glück gehabt in London aufgewachsen und ihren Schulabschluss gemacht zu haben. Und nun studierte sie mit mir sogar Jura. Nicht vielen Frauen ihrer Herkunft war solch ein Glück gewehrt. Es war eine reine Männerwelt. Das hatte selbst ihr Vater mir mit Bedauern erklärt, als wir uns zusammen über einen Fall in Indien, der erneut weltweite Schlagzeilen gemacht hatte, unterhalten hatten.
Demzufolge musste ich mich manchmal echt zusammenreißen, um ihr nicht lauthals meine Meinung zu geigen und geduldig mit ihr zu sein, wenn sie sich über einige Vorschriften ihrer Eltern ärgerte. Eltern waren nun einmal so und ich fand es ganz und gar nicht schlimm, wenn man einem Kind etwas Disziplin mit auf dem Weg geben wollte. Sanjana hatte liebevolle Eltern, weshalb ich der Ansicht war, dass sie, so sehr ich sie auch liebte, manchmal aufhören sollte herumzunörgeln und dem wirklich Grausamen auf dieser Welt entgegenblicken sollte. In jeder Ecke, jede Sekunde nahm grauenhaftes seinen Umlauf. Doch nur wenige setzten sich mit dieser Wahrheit auch wirklich auseinander.
Meine negativen Gedanken in eine Ecke verfrachtet, bemerkte ich, dass sie gespielt beleidigt zügig die letzten Schritte aufholte und mit einem von der Seite werfenden Lächeln, sich zu mir wendete. Doch da wurden wir mitten auf dem Weg unterbrochen, als jemand nach mir rief.
Das Zuordnen dieser Stimme und Sanjanas genervtes Ausatmen neben mir, erfolgten zeitgleich, sodass ich nur wenige Sekunden darauf zuordnen konnte von wem der Aufruf einzig und allein stammen konnte. Denn es gab nur einen Menschen auf den meine beste Freundin neben mir so energisch reagierte.
Ich drehte mich um, blickte dabei zwei wachsamen heimtückischen moosgrünen Augen entgegen, die von einem herzförmigen Gesicht und fließend blonden Haaren umrahmt wurden. Auf den ersten Blick glich das Gesicht vor mir, dem eines Schutzengels. Doch sobald sich das boshafte Lächeln über ihre Lippen legte und sie anfing zu sprechen, genau in dem Augenblick erlosch dieser Zauber, wie auf Knopfdruck.
«Hallo Liza», sagte ich höflich, als ich die Person vor mir erkannte.
«Hi. Georgia hat mir gesagt, dass dich dein Chauffeur heute gefahren hat. Ihr habt einen neuen Wagen aus dieser Saison, wie ich gehört habe.»
Ich gab ein gepresstes Lächeln von mir. Das war typisch Elizabeth. Nur weil unsere Väter eine rein geschäftliche Beziehung miteinander betrieben, war sie immerzu in dem Bestreben gewesen mit mir eine Freundschaft einzugehen, trotz, dass sie mehr als nur einmal in der Gegenwart anderer deutlich gemacht hatte, dass sie mich zu unfreundlich, zu eingebildet und als zu normal empfand, trotz des hohen Ansehens meines Vaters. Damit stand fest, dass sie mich definitiv nicht mochte und es auch gar nicht wollte. Doch sie war da, wo sie Geld roch und dementsprechend unternahm sie immer wieder Annäherungsversuche, wenn sich solche Angelegenheiten ergaben, wie, dass ich von meinem Chauffeur gefahren wurde. Für sie war dies ein Anzeichen dafür, dass ich mich nun endlich, wie sie es sagen würde, für die bessere und vermögendere Seite entschieden hätte.
«Gibt es denn etwas Liza ? Mrs. Ionescu wird jeden Moment, ganz sicher auftauchen und wir wollen uns endlich an unsere Plätze setzten.»
Ihr aufgesetztes Lächeln verschwand, als sie bemerkte, dass ich auf ihre zu Beginn dargelegte Aussage nicht eingegangen war. Doch schnell fasste sie sich dann wieder, indem sie ihre Haare deutlich arrogant nach hinten warf und mich mit einem herabwürdigenden Blick von oben nach unten analysierte.
«Wir werden uns dieses Wochenende zum Brunch treffen», sagte sie und deutete auf die Leute hinter sich, deren Familien ich ebenfalls durch Papá kannte. Alle von Ihnen waren reiche, wohlhabende Menschen, die sich zu einer eigenen Clique zusammengeschlossen hatten. Unter diesen Menschen, die bereits Platz genommen hatten, erblickte ich auch Jon, der mir zulächelte, sodass ein aufrichtiges Lächeln daraufhin zustande kam. Im Gegensatz zu den anderen, mochte ich Jon. Trotz, dass er ein angesagter Footballspieler seit dem Collage war, hatte er sich nie gegenüber anderen Mitschülern falsch oder arrogant benommen und auch zu mir war er immer ehrlich und nett gewesen.
«Na, alles klar bei dir Amalia ?», fragte er und nickte in meine Richtung.
«Wo bist du an Silvester abgeblieben ? Ich dachte du kommst ebenfalls mit deinem Vater und der Familie deines Bruders zum Abendessen zu uns.»
Ich lächelte freundlich zurück und deutete mit dem Daumen nach hinten auf Sanjana.
«Du kannst dich gerne bei ihr bedanken. Ich kann nichts für» , sagte ich, konnte meinen Satz jedoch nicht fortführen, als ich mitbekam, dass Liza sich neben mir räusperte und ungeduldig auf eine Antwort wartete.
«Nein Danke Liza. Ich habe dieses Wochenende leider schon etwas vor. Vielleicht ein anderes Mal», antwortete ich, doch da bemerkte ich, dass sie, als auch die anderen Augenpaare aus ihrer Ecke nicht mehr auf mich gerichtet waren, sondern unmittelbar hinter mich.
Gerade wollte ich mich ebenfalls umdrehen, um zu schauen, zu wem sie blickten, doch sofort versteifte ich mich, da ich plötzlich einen Duft in mich einsog, den ich auch kurz vorm Eintreten zum ersten wahrgenommen hatte. Bevor ich mich komplett zu der großen Statur umdrehen konnte, war dieser teilnahmslos, fast schon, als würde er seine Mitmenschen oder uns um ihn herum ignorieren, an mir vorbeigelaufen und war einige Stufen heruntergeschritten, um sich diagonal zu uns, also auf einer den Sitze rechts in den Reihen, zu setzen. Selbst von hinten und durch die dunkle Jacke verdeckt, konnte man seine breiten Schultern erkennen. Ich schluckte hart und spürte, wie mich plötzlich Wärme überkam. Doch dann schüttelte ich mich innerlich und wandte mich der Person vor mir wieder zu, die ebenso wie Sanjana zuvor auch fasziniert zu dem Fremden rüber blickte.
«Nun denn, wenn es sonst nichts mehr zu klären gibt, dann begeben wir uns jetzt auf unsere Plätze.»
Mit einem unechten Lächeln quittierend, gab sie uns somit die Erlaubnis uns von ihr zu befreien, was mir und Sanjana ein zeitgleich genervtes Aufstöhnen entlockte, als wir uns die kleinen Stufen runter begaben. An unserer üblichen Reihe angekommen, realisierte ich, dass wir mit dem Fremden fast auf derselben Höhe waren, nur dass er einige Reihen höher Platz genommen und sich zudem auf der rechten Seite des Hörsaals niedergelassen hatte und nicht, wie wir rechts.
Als Sanjana und ich uns hinsetzten, unsere Taschen jeweils neben uns positionierten und den kleinen Tisch vor uns aufklappzen, atmete ich gepresst auf.
«Ich kann Elizabeth immer noch nicht leiden», brummte Sanjana und fügte dann hinzu:
«Hast du gesehen wie sie ihm hinterhergeschaut hat ? Warte ab, um wie viel wollen wir wetten, dass sie ab sofort alles versuchen wird um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.»
Ich lachte leise auf.
«Du warst doch auch nicht wirklich anders, als sie. Oder soll ich dich an den Moment erinnern, als wir den Hörsaal betreten haben ?»
«Hey !» flüsterte sie gespielt empört und stach mir mit dem Ellbogen leicht gegen die Rippen.
«Ich bin deine beste Freundin, bei mir musst du ein Auge, wenn nicht sogar beide Augen zudrücken ! Ich darf das. Und außerdem, habe ich nur über ihn geschwärmt. Ich werde mich ganz bestimmt nicht, selbst als Opfergabe repräsentieren. Diese Aufgabe kann ruhig Liza übernehmen. Da gewähre ich ihr gerne den Vortritt.»
Als wir daraufhin gemeinsam leise vor uns hin zu kichern anfingen, ertönte plötzlich das feste Zuschlagen der Hörsaaltür und augenblicklich trat eine absolute Stille ein. Jeder einzelne der hier anwesenden Studenten war verstummt. Nur das Klackern von hohen Absätzen war zu hören, die die Ankunft unserer Professorin ankündigte. Schnell griff ich nach meiner Tasche und holte das Skript, welches sie letzte Woche online gestellt hatten, heraus und meinen Kuli, den ich benötigen würde, um an den Rändern Anmerkungen zu notieren, aber auch um gegebenenfalls damit zu spielen, sobald ich über die Worte von Mrs. Ionescu am Grübeln war. Irgendwann war dies zu einer Angewohnheit von mir geworden.
In dem Moment als meine Gedanken zu ihr abschweiften, sah ich die Rumänin von meinem Platz aus, mit einer aufrechten und selbstsicheren Gang und wie immer mit ihrer Aktentasche in ihrer linken Hand, auf das Podest zuschreiten. Trotz, dass all die Blicke im Raum auf die gerichtet waren, ließ diese sich nicht davon aus dem Konzept bringen, sodass sie sich reichlich Zeit dabei ließ, als sie ihre Tasche ablegte, ihre Unterlagen herausnahm und anschließend den ganzen Saal mit ihrem Adlerblick abscannte.
«Ich werde Ihnen nicht, wie all eure anderen Professoren, eine lange Rede über das neue Semester halten und Sie beglückwünschen, dass Sie weiter gekommen sind. Wenn Sie fleißig waren und etwas in der Birne haben dann schaffen sie es auch weiter. Andernfalls werden sie sowieso irgendwann Versagen. Also merken Sie sich die Gesichter die rechts und links neben Ihnen sitzen. Denn am Ende ihres Studiums wird nur noch die Hälfte von Ihnen hier sitzen. Die andere Hälfe nämlich wird sich entweder eingestanden haben, dass er oder sie einfach zu primitiv für dieses Studienfach ist oder Sie sind durchgefallen.»
Sanjana und ich warfen uns beide einen amüsierten Blick zu, ehe wir nach vorne blickten. So war diese Frau einfach. Knallhart und offen und genau das mochte ich so sehr an ihr.
«Also noch irgendwelche Fragen, bevor wir beginnen ?»
Niemand der bei Besinnung oder Verstand war, würde jetzt der angriffslustig dreinblickenden Frau vorne auf dem Pult nun eine Frage stellen und darüber war sie sich ebenfalls im Klaren, weshalb sie wenige Augenblicke darauf unbeirrt weiter sprach.
«Nun gut. Schlagen Sie alle Seite zehn des Skripts auf, welche ich ihnen vor einigen Tagen online habe zukommen lassen.»
Das Blättergeraschel übertönte das Flüstern der Studenten, während ich leicht nach vorne gebückt, neugierig zum neuen Studenten rüber blickte, der das neue Skript als Neueinsteiger nicht haben konnte und ich nun gespannt war, wie er wohl darauf reagieren würde.
Außerdem hasste es Mrs. Ionescu wenn man unvorbereitet zu ihren Vorlesungen erschien. Einmal hatte es wirklich einer gewagt, ihr zu sagen, er hätte seine Unterlagen nicht dabei, woraufhin sie ihn nach dieser Aussage unmittelbar aus ihrer Vorlesung rausgeschmissen hatte.
Jedoch stellte ich mit Verwunderung fest, dass er das Skript, doch auf den aufgeklappten Bretttisch vor ihm liegen hatte und darauf nieder blickte. Ich lehnte mich wieder zurück, nicht ohne mich irritiert dabei zu Fragen, wie er als neuer Student auf diese Daten zugreifen konnte.
«Ich will Ihre Stellung zu Fall eins hören. Die Fakten sind gegeben, sowie die Autopsieberichte und die Steckbriefe verschiedener Betroffene, welcher mit einem Foto daneben abgebildet wurde. Weitere Informationen bekommen Sie, wenn Sie sich das durchlesen.»
Mein Blick huschte auf mein Blatt vor mir zur Aufgabe eins, auf der ein Fallbeispiel aufgelistet war, nach der eine sogenannte Mrs. Brown, 50 Jahre alt in ihrer Villa Tod aufgefunden wurde. Eine Schusswunde an ihre linke Brust, war die Todesursache, da sie zu viel Blut verloren hatte bis sie vom Dienstmädchen nach einigen Stunden dort aufgefunden wurde. Außerdem wurde angegeben, dass die zuvor vermögende Dame wenige Tage vor ihrem Tod beim Notar gewesen und ihr Testament umzuändern beantragt hätte. Zu diesen Zeitpunkt, waren das Hausmädchen, der Gärtner, die Köchin, der Ehemann und ihr 30-Jähriger Sohn zu Hause. Als die Tatwaffe von der Polizei beschlagnahmt und die Fingerabdrücke auf dieser gefunden wurden, hatte man den Ehemann als schuldig befunden und der Richter hatte ihm, nachdem er zugegeben hatte, dass er in letzter Zeit Eheprobleme mit seiner Frau hatte, aber trotzdem der festen Überzeugung war, sie nicht getötet zu haben, eine 25-Jährige Haftstrafe zugeteilt, da alle Beweise gegen ihn gesprochen hatten.
Ich las mir den nächsten Absatz durch, markierte mir hie und da aber Einzelheiten dazu.
Wenige Tage später wollte der Gärtner seine Aussage, die er zuvor gemacht hatte umändern und sagte, er habe die vermeintliche Mrs. Brown ca. eine Woche vor ihrem Tod mit ihrem Sohn im Garten streiten sehen. Nun waren die Verhandlungen erneut geöffnet und ein neuer Gerichtstermin beschlossen worden.
Am Ende des Absatzes angekommen, hob ich den Blick nur um zu sehen, dass Mrs. Ionescus an die Tafel geschritten und in Großbuchstaben eine Frage auf diese geschrieben hatte.
WIE LAUTEN IHRE VERTEIDIGUNGSSTRATEGIEN ?
Plötzlich schossen wie aus dem nichts Finger in die Höhe, doch Mrs. Ionecsu ließ sich Zeit mit der Wahl wen sie nun dran nehmen würde, ehe sie mit der Hand auf einen Studenten ganz links in den vordersten Reihen deutete, der aufgeregt seine Brille zurecht stimmte, sich schüchtern von seinem Platz erhob und stocksteif aufrecht stand.
«Ehm... ja es wäre möglich einen neuen Tatverdächtigen zu präsentieren um den Verdacht von Mrs. Browns Sohn abzulenken.»
Mrs. Ionecsu nickte, wartete jedoch auf einen deutlich tieferen Zugang des Studenten in Bezug auf seinen Vorschlag, den er gemacht hatte.
Dieser hingegen wischte sich nervös gestimmt, dass Mrs. Ionecsu seinen Einstieg gar nicht Mal so schlecht fand die Hand an seiner Hose ab, sodass Schweißflecken auf dieser im Anschluss zu erkennen waren.
«Es könnte der Gärtner gewesen sein, der das vermeintliche Gespräch zwischen Täter und Opfer mitbekommen hatte. Er könnte eine heimliche Liebschaft mit der Hausherrin gehegt haben, wobei diese in die Brüche ging, als diese sich aufgrund seines Statuses nicht zu ihm bekennen wollte. Dies würde den Verdacht nun auf den Gärtner als auch erneut auf den Ehemann lenken, der von dieser Affäre womöglich erfahren hatte.»
Auch hier nickte sie, schien aber dennoch nicht zufrieden zu sein, denn ihr Blick wanderte wieder durch den ganzen Saal zwischen all den erhobenen Händen herum, ehe sie ein Mädchen nur wenige Reihen vor mir dran nahm. Ich glaubte sie hieß Linn und hatte es letztes Semester nur knapp durch die Prüfungen geschafft.
«Zudem könnte man davon ausgehen, dass einem Gärtner der Zugang zu Waffen viel leichter ausfiel, als einem gewöhnlichen Bürger und ihm auch der Umgang mit diesen Gegenständen nicht wirklich unbekannt vorkam, weil er Tag täglich mit den verschiedensten Werkzeugen arbeitet, sodass, wie bereits in der Autopsie angegeben ist, ein zielsicherer Schuss ihm keine Schwierigkeiten bereitet haben müsste. Nun und dies bestärkt die Theorie, dass er wirklich der Mörder sein könnte.»
«Theorie ?», erklang plötzlich die Stimme von Mrs. Ionescu schärfer denn je, sodass das Mädchen augenblicklich zusammenzuckte und blass im Gesicht wurde. Doch Mrs. Ionescu dachte nicht daran, ihren harten Blick leicht zu dämmen und das junge Mädchen sanfter anzublicken, sondern ich hatte den Eindruck, als würde dies das Feuer in ihren Augen noch mehr entfachten.
«Als Strafverteidiger haben sie zu ihrer Ansicht zu stehen und Beweise zu liefern. Wenn sie von einer Theorie sprechen können Sie schon, bevor die Verhandlung überhaupt beginnt ihre Koffer packen und das Weite suchen. Setzten !», befiel sie in einem strengen Ton, was dazu führte, dass sich das Mädchen vor uns ängstlich wieder auf ihrem Sitz niederließ.
Als ihr erbarmungsloser Blick gerade weiter durch den Hörsaal wandern wollte, blieb dieser bei mir stehen. Fest blickte ich ihr in die Augen, um ihr somit meine Entschlossenheit und meinen Willen zu verdeutlichen. Und es klappte, nach wenigen Sekunden des Blickkampfes, den wir führten, hob sie ihren Zeige und ihren Mittelfinger nach oben um mir zu signalisieren, dass ich mich zu erheben hatte.
«Sie da. Aufstehen!»
Meine Beine zitterten vor Aufregung, als ich nun auf beiden Beinen zum Stehen kam und ihr harter Blick machte es mir zusätzlich noch schwerer nicht die Fassung zu verlieren und ängstlich zusammenzukauern. Doch durch die Nase die Luft einziehend und diese immer in gleichmäßigen Schritten wiederholend, erreichte ich es, dass ich mich dezent beruhigte. Ich schluckte hart, ehe ich mich räusperte.
«Nun in Anbetracht der vorgegebenen Fallstudie sollte man sich zunächst mit der Frage auseinandersetzen, ob man dem Zeugen, der den Streit zwischen Sohn und Mutter gesehen haben soll auch wirklich vertrauen kann. Demzufolge wäre die Überprüfung dieser Person erforderlich, wie schon vor mir erläutert wurde.»
Ich atmete tief aus, ehe ich fortsetzte:
«Außerdem heißt es laut gemachter Studien, dass die Mordopfer zumeist durch eine nahestehende Person ums Leben kommen. Zwar wird der Sohn nun ebenfalls des Mordes beschuldigt, jedoch stellt sich die Frage, ob nicht beide Sohn und ihr eigener Ehemann gleichermaßen verdächtigt werden könnten. Die Veränderungen des Testaments könnten ausschlaggebend für den Sohn oder aber für den Ehemann gewesen sein.»
Ich blickte auf den Steckbrief nieder der von den einzelnen Personen abgebildet wurde, ehe ich wieder den Kopf hob.
«Laut den Angaben, die sie uns zur Verfügung gestellt sind, ist Dario, der Sohn aus der ersten Ehe von Mrs. Brown und somit nicht der leibliche Sohn von Mr. Brown.
Es könnte gut möglich sein, dass er es so habe aussehen lassen wollen, dass der eigene Sohn der Mörder war um selbst das Erbe für sich zu beanspruchen.
Demzufolge war die Aussage zu Beginn ganz und gar nicht falsch. Ein neuer Tatverdächtiger muss des Mordes angeklagt werden und der Ehemann hätte ebenso viele Gründe, wie auch der Sohn, der mit der Toten einige Tage zuvor gestritten habe, obwohl es auch da keinerlei Beweise für gibt, außer der Aussage eines schlecht bezahlten Gärtners.»
Ein leichtes Lächeln bildete sich auf Mrs. Ionescus Zügen, doch ehe sie antworten konnte, unterbrach eine andere tiefe Stimme, die zuvor vorhandene Stille.
«Das kann nicht sein.»
Unaufgefordert hatte jemand reingesprochen und das in Mrs. Ionescus Vorlesung, schoss es mir durch den Kopf. Ich drehte völlig perplex und überrumpelt von dieser Lage den Kopf zur Seite, nur um mitzubekommen, dass der Fremde sich von seinem Platz lässig nach hinten gelehnt hatte und nun mit verschränkten Armen in meine Richtung blickte.
«Der Ehemann kann es nicht gewesen sein. Dem Autopsiebericht zufolge erfolgte ein gerader Schuss in die linke Brustseite von Mrs. Brown. Sie ging geradewegs rein und zielgenau von hinten raus. Waffen sind schwer und insbesondere für einen älteren Mann mit solch einer fragilen Statur wie, die von Mr. Brown erweist sich dies bestimmt nicht als Kinderspiel, wie man das anhand des Fotos von ihm am Steckbrief erkennen kann. Außerdem ist Mr. Brown Rechtshändler. Bei diesem vermeintlichen Schuss, der in diesem Falle dann aus der rechten Seite erfolgen müsste, müsste ein schiefer rein und Rausstich der Kugel ausfindig gemacht werden, was laut des Berichts jedoch nicht so ist. Nehmen wir dennoch an, dass Mr. Brown trotzdem versucht hat mit links zu schießen, dann hätte die Einstichwunde trotzdem nicht so fein und glatt aussehen dürfen. Es hätte kein makellos Schuss werden können . Also liegen Sie liegen falsch mit ihrer Argumentation."
Ich wusste nicht, warum es mir nicht gefiel, dass ich im Unrecht lag, aber ich war mir sicher, dass es an seinem Tonfall lag, weshalb sich plötzlich ein mulmiges Gefühl in mir breit machte. Denn es war, als würde eine Genugtuung eine gewisse Verhöhnung in seiner Stimme mitschwingen, die mich regelrecht rasend zu stimmen schien.
«Und wie kommt es, dass ihn der Staat dann schonmal als schuldig verurteilt hat, wenn er es doch gar nicht ist ?»
Nun klang auch meine Stimme etwas härter als beabsichtigte, doch nagte dieser intensive und zugleich provozierende Blick von ihm, der auf mir lag, an mir, sodass ich mich nicht zu stoppen wusste. Wir sollten den Sohn verteidigen und niemand anderen sonst. Außerdem waren genug Beweise gegeben, die mehr als verdeutlichten, dass ihr Ehemann der Mörder war.
«Korruption. Wir Leben in keiner demokratischen Welt, wo das Recht wirklich auf der Seite der Gerechten ist. Auch wenn der Staat uns immer wieder damit zu blenden versucht.»
Ein diabolisches Grinsen machte sich auf seinen Zügen breit.
«Oder sind sie wirklich der Ansicht, dass das so ist. Sie sind eine Alington. Hat ihr Vater sie nicht aufgeklärt, wie es in dieser Welt der Justiz wirklich aussieht ?»
Totenstille kehrte ein und nur das ticken der Wanduhr war zu hören, als die Studenten den Atem anhielten und ich die Bedeutung seiner gesagten Worte zu realisieren begann. Dieser undurchdringliche Blick nahm meine komplette Sicht ein und aus diesen vollen Lippen des Mannes waren Worte herausgekommen, die nie wieder rückgängig gemacht werden konnten. Dieser junge Mann hatte nicht nur meinen Argumentationsfehler bemängelt, hatte nicht nur meine Familie indirekt beschuldigt... Er hatte mich gedemütigt, vor all diesen Menschen und das erschreckende daran war, dass ich mit weiterem starren Blick auf seine Augen, dass Gefühl nicht loswurde, als würde ihn genau dieser Aspekt an der ganzen Sache erheitern. Als würde es ihn erheitern, dass nun jeder einzelne Student hier im Hörsaal zu mir blickte und gespannt auf eine Antwort von mir wartete.
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